Urteil des FG Münster vom 22.12.2009
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Finanzgericht Münster, 1 K 5391/06 F
Datum:
22.12.2009
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5391/06 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen der Beteiligten an der Klägerin
in den Streitjahren 2001 und 2002.
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In den Streitjahren bestand eine Gemeinschaftspraxis zwischen den Ärzten Dr. L und
Dr. K, die Klägerin. Die Gemeinschaftspraxis wurde zum 1.4.2001 gegründet. Dem
vorausgegangen war eine Auflösung einer Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den
Ärzten Dr. L und Dr. S zum 31.12.2000. Das Anlagevermögen dieser Gesellschaft
betrug bei Auflösung insgesamt 88.604 DM. Ausweislich des im Rahmen der
Sonderrechnung des Herrn Dr. L eingereichten Anlagespiegels wurde es bei diesem
Gesellschafter als Sonderbetriebsvermögen behandelt.
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Aufgrund der für die Klägerin eingereichten Feststellungserklärungen wurden am
30.9.2004 für 2001 und am 8.3.2005 für 2002 Feststellungsbescheide unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Am 17.3.2005 ordnete die Beklagte eine
steuerliche Außenprüfung für die Streitjahre an. Der BP-Bericht datiert vom 28.10.2005.
Die Betriebsprüferin vertrat hierin die Auffassung, dass bei beiden Gesellschaftern der
Klägerin Zinsaufwendungen privat veranlasst seien und deshalb nicht zum Abzug
zugelassen werden könnten.
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Sie erhöhte deshalb den Gewinnanteil des Herr Dr. L für das Streitjahr 2001 um 36.800
DM. Dabei handelte es sich um eine Schätzung in Höhe von 40% der insgesamt geltend
gemachten Zinsen des Herrn Dr. L. Sie hatte festgestellt, dass Zinszahlungen für zwei
Darlehen des Herrn Dr. L bei der Sparkasse E gezahlt worden sind. Es handelt sich
dabei zum einen um das Darlehen 625 934, welches am 1.7.1998 in Höhe von 375.000
DM ausgezahlt worden ist. Zum anderen handelt es sich um das Darlehen 625 933,
welches am 1.9.1998 bzw. 30.6.2000 in Höhe von insgesamt 1.180.000 DM ausgezahlt
worden ist. Die Betriebsprüferin unterstellte dabei, dass diese Darlehen in Höhe von
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insgesamt 1.555.000 DM zur Ablösung der folgenden Darlehen aufgenommen worden
sind:
A 0552305127 85.000 DM (Stand: 31.12.1998)
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D 8124851/01 331.000 DM (Stand: 31.12.1998)
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D 8124851/02 161.000 DM (Stand: 31.12.1998)
8
D 8124851/03 123.000 DM (Stand: 31.12.1998)
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Zwischensumme: 700.000 DM
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A 0402305127
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½ von 471.859,51 DM 235.930 DM
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Summe 935.930 DM
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Somit war aus ihrer Sicht nur ein Anteil von 60% (935.930 DM/1.555.000 DM) beruflich
veranlasst. Von den in 2001 geltend gemachten Zinsen in Höhe von 92.002,56 DM
wurden folglich 40%, gerundet auf 36.800 DM, nicht als betrieblich angesehen.
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Hinsichtlich der Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters Dr. K wurde der Gewinn
um 11.097,99 DM erhöht. Diese Erhöhung betraf Zinsen für zwei Darlehen dieses
Gesellschafters bei der A-Bank, nämlich
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A 0855227674 Zinsen über 8.258,14 DM
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A 0955227674 Zinsen über 2.839,85 DM
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Hinsichtlich der Änderungen für das Streitjahr 2002 wird auf den
Betriebsprüfungsbericht verwiesen. Insoweit wurden Kürzungen bei den geltend
gemachten Schuldzinsen nicht vorgenommen.
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Der Beklagte hat durch Bescheide vom 16.11.2005 die Feststellungen entsprechend
dem BP-Bericht geändert. Die Klägerin hat am 19.12.2005 durch den Klägervertreter
Einspruch eingelegt. Im Einspruchsverfahren wurde hinsichtlich der vom Gesellschafter
Dr. K geltend gemachten Schuldzinsen vorgetragen, dass das Darlehen bei der A-Bank
mit der Nr. 0855227674 für den Erwerb des kassenärztlichen Sitzes von Herrn Dr. N
aufgenommen worden sei. Der Kaufpreis habe 100.000 DM betragen. Hinsichtlich der
Feststellungen für 2002 hat der Gesellschafter Dr. K vortragen lassen, dass er mit der
Kürzung seiner Sonderbetriebsausgaben um 292,62 Euro und der Umschichtung von
Einnahmen des Gesellschafters Dr. L in Höhe von 1.365 Euro auf ihn nicht
einverstanden sei.
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Der Beklagte änderte durch Bescheid vom 23.11.2006 die einheitliche und gesonderte
Feststellung für 2001 dahingehend, dass die Darlehenszinsen für das Darlehen bei der
A-Bank mit Nr. 0855227674 in Höhe von 8.258,14 DM als Sonderbetriebsausgaben des
Herrn Dr. K anerkannt wurden.
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Durch Entscheidung vom 28.11.2006 hat der Beklagte den Einspruch gegen die
Feststellung 2001 als unbegründet zurückgewiesen, da aus seiner Sicht weiterer Abzug
von Schuldzinsen als Sonderbetriebsausgaben am fehlenden Nachweis der
betrieblichen Veranlassung scheitere.
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Ebenfalls durch Entscheidung vom 28.11.2006 hat der Beklagte den Einspruch gegen
die Feststellung 2002 als unbegründet zurückgewiesen, da die
Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters Dr. K wie erklärt festgestellt worden
seien.
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Die Klägerin hat am 22.12.2006 Klage eingereicht. Sie ist der Ansicht, dass beide
Darlehen der Sparkasse E in voller Höhe betrieblich veranlasst gewesen seien. Herr Dr.
L sei bis Ende 2000 Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. S gewesen. In
dieser Gemeinschaftspraxis seien die Ausgaben ausschließlich von den folgenden
Konten beglichen worden:
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B-Bank 1067196603
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A-Bank 0402305127
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Privatentnahmen der Gesellschafter seien ausschließlich von den jeweiligen getrennt
geführten Einnahmekonten erfolgt, im Fall des Dr. L vom Konto Nr. 1742198500 bei der
B- Bank.
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Der negative Kontostand des Kontos Nr. 1067196603 bei der B-Bank sei durch laufende
Einlagen der beiden Gesellschafter im Jahr 1998 ausgeglichen worden. Der
Gesellschafter Dr. L habe in 1998 eine Einlage auf dieses Konto in Höhe von 375.000
DM getätigt, die durch das Darlehen bei der Sparkasse E Konto Nr. 625934013
finanziert worden sei. Das Konto bei der A-Bank mit der Konto-Nr. 0402305127 sei bei
Erreichen eines negativen Saldos in Höhe von 492.205,32 DM durch eine alleinige
Einlage des Gesellschafters Dr. L in Höhe von 480.000 DM, finanziert und durch das
Darlehen bei der Sparkasse E mit der Konto Nr. 625933999 ausgeglichen worden.
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Hinsichtlich der Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters Dr. K seien auch die
Zinsen in Höhe von 2.839,85 DM betrieblich veranlasst. Der Gesellschafter Dr. K habe
hiermit den Ausgleich für die Einbringung des Praxiswertes des Gesellschafters Dr. L in
Höhe von insgesamt 100.000 DM finanzieren wollen. In Höhe von 35.000 DM sei
deshalb vorab ein Darlehen aufgenommen worden. Da es nicht zur Zahlung kam
sondern bereits im Jahr 2001 vereinbart worden ist, dass die Gemeinschaftspraxis zum
31.3.2002 beendet werden sollte, ist das Darlehenskonto in 2002 wieder aufgelöst
worden. Die insoweit angefallenen Zinsen seien als betrieblich anzusehen.
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Die Klägerin beantragt,
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die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für
die Klägerin für 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.11.2006
dahingehend zu ändern, dass beim Feststellungsbeteiligten Dr. L Zinsen in
Höhe von 36.800 DM als weitere Sonderbetriebsausgaben und beim
Feststellungsbeteiligten Dr. K Zinsen in Höhe von 2.839,85 DM als weitere
Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt werden und die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin für
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2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.11.2006 dahingehend zu
ändern, dass bei den Feststellungsbeteiligten Schuldzinsen in voller Höhe als
Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass auch
weiterhin nicht klar sei, warum eine betriebliche Veranlassung des Darlehens des
Gesellschafters Dr. K gegeben sei. Die Beschwer für das Streitjahr 2002 sei unklar.
Soweit die Klägerin auf die Darlehen des Gesellschafters Dr. L eingehe, handele es
sich außerdem um Aufwendungen, die im Rahmen der hier vorliegenden
Gemeinschaftspraxis nicht zu beachten seien. Fraglich sei auch weiterhin die Höhe der
betrieblich veranlassten Schuldzinsen. Diese seien seitens der Beklagten zugunsten
des Gesellschafters Dr. L mit 60% angesetzt worden. Soweit die Zahlungen im
Zusammenhang mit der vorher aufgelösten Gemeinschaftspraxis L/S stünden, sei zu
bedenken, dass die Zahlungen aus 1998 bereits Berücksichtigung im Rahmen der
Schätzung gefunden hätten. Unklar sei weiterhin die Verwendung der Auszahlung in
2000. Zu beachten sei außerdem, was bislang noch nicht geschehen sei, die Regelung
des § 4 Abs. 4a EStG.
33
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 31.7.2007
erörtert. Durch gerichtliche Verfügung vom 18.2.2009 hat er die Klägerseite aufgefordert,
Tatsachen hinsichtlich der Beschwer der Klägerin im Hinblick auf den
Feststellungsbescheid 2002 vorzutragen. Die Klägerseite hat darauf hin Kontoauszüge
vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass der Gesellschafter Dr. L im August 1998 480.000
DM auf das Konto Nr. 0402305127 bei der A-Bank eingezahlt hat. Außerdem wurden
Kontoauszüge des Kontos Nr. 1067196603 bei der B- Bank über Gutschriften des
Gesellschafters Dr. L in Höhe von 383.364,45 DM in 1998 eingereicht. Der Kontoauszug
Nr. 6 vom 15.1.1998 weist als Verwendungszweck "Steuern und Krankenkasse" aus.
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Die Beteiligten haben der Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung
zugestimmt. Der Senat hat aber zur weiteren Aufklärung der Sache zur mündlichen
Verhandlung am 22.12.2009 geladen. Die Beteiligten haben am 21.12.2009 erneut auf
die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist abzuweisen.
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Sie ist, soweit sie sich gegen die Änderung der Feststellung für 2002 richtet, unzulässig,
ansonsten unbegründet.
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Hinsichtlich der Klage für 2002 fehlt es bereits an der nach § 40 Abs. 2 FGO
notwendigen Beschwer. Mangels Vortrags kann der Senat nicht feststellen, wogegen
sich die Klägerin wendet. Soweit der Vortrag aus dem Einspruchsverfahren des
Gesellschafters Dr. K Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens sein soll, ist auf
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die zutreffende Einspruchsentscheidung für 2002 vom 23.11.2006 zu verweisen. Der
Beklagte hat diesbezüglich eine antragsgemäße Feststellung vorgenommen.
Abweichungen sind nicht erkennbar.
Soweit sich die Klage gegen die Nichtberücksichtigung der Zinsen in Höhe von
2.839,65 DM als zusätzliche Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters Dr. K in
2001 richtet, ist sie unbegründet. Die Zinsen sind, soweit sie diesen Betrag betreffen,
mangels erkennbarer betrieblicher Veranlassung nicht als (Sonder-) Betriebsausgaben
i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähig. Auch unter Berücksichtigung der
Behauptung der Klägerin, dass ohne rechtliche Verpflichtung ein Darlehen in Höhe von
35.000 DM von diesem Gesellschafter aufgenommen worden ist, ist es für den Senat
nicht zweifelsfrei feststellbar, wie dieser Betrag verwandt worden ist. Dies geht zu
Lasten der Klägerseite.
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Die Klage ist aber auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen die Erhöhung des
festgestellten Gewinns des Gesellschafters Dr. L in 2001 richten. Die Berücksichtigung
von Zinsen in Höhe von 36.800 DM als zusätzliche Sonderbetriebsausgaben des
Gesellschafters Dr. L in 2001 scheitert daran, dass diese Aufwendungen zum größten
Teil nicht im Zusammenhang mit der Klägerin getätigt worden sind. Der im
Zusammenhang mit der Klägerin zu berücksichtigende Betrag ist geringer als der von
der Beklagtenseite geschätzte und zum Abzug zugelassene Zinsbetrag.
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Zinsaufwendungen des Gesellschafters Dr. L sind im vorliegenden Fall im Rahmen der
angegriffenen Feststellungserklärung für 2001 nur insoweit berücksichtigungsfähig, als
es sich nicht um nachträgliche Betriebsausgaben i.S.d. § 15 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG
der Einzelpraxis Dr. L handelt. Diese ist durch Auflösung der Gemeinschaftspraxis Dr.
L/Dr. S durch Anwachsung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB entstanden. Folge war,
dass Herr Dr. L die Praxis als letzter verbliebener Gesellschafter als Einzelpraxis
fortführte. Die Darlehen, die – unterstellt der Klägervortrag ist zutreffend, dass alle
Darlehensbeträge betrieblich veranlasst verwandt worden sind – wird zur
Betriebsschuld dieser Einzelpraxis.
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Berücksichtigungsfähig sind diese Betriebsschulden im Rahmen der neuen Feststellung
der Klägerin nur, soweit ein objektiver Zusammenhang mit der Überlassung von Kapital
zur Nutzung der Klägerin besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der
Nutzungsüberlassung getätigt werden (BFH-Urteil vom 27.06.1989 VIII R 30/88, BStBl II
1989, 934). Im Fall der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine neue
Gesellschaft bedeutet dies, dass die Darlehensverbindlichkeiten und die damit
zusammenhängenden Schuldzinsen zu den Einkünften aus der neuen Gesellschaft
gehören, soweit Kapital, welches an die neue Gesellschaft überlassen wird, durch diese
Darlehen finanziert worden ist (BFH-Urteil vom 7.7.1998 VIII R 5/96, BStBl II 1999, 209
für den Fall der anschließenden Einbringung des Einzelunternehmens in eine GmbH).
Im Fall der behaupteten Refinanzierungsdarlehen ist dies der Fall, soweit
Anlagevermögen der Klägerin zur Nutzung überlassen wird. Ausgehend von dem
Restbuchwert des Anlagevermögens der GbR L/S sind somit insgesamt nur 88.604 DM
zu berücksichtigen. Ob dieser Betrag um die ursprünglich vereinbarte
Ausgleichszahlung des Dr. K an Dr. L von 100.000 DM zu erhöhen ist, kann
dahinstehen. Denn selbst bei Berücksichtigung dieser Zahlung ergibt sich im konkreten
Fall ein Betrag von insgesamt höchstens 188.604 DM, der ins Verhältnis gesetzt mit den
Gesamtdarlehen von 1. 555.000 DM eine Berücksichtigung von Schuldzinsen in Höhe
von 12,13% der Gesamtschuldzinsen zur Folge hat. Da dieser Betrag den vom
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Beklagten berücksichtigten Wert von 60% der Gesamtschulden unterschreitet, ist die
Klage abzuweisen. Eine Änderung zu Lasten der Klägerin, insbesondere des
Gesellschafters Dr. L, ist vom Gericht nicht auszusprechen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO
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