Urteil des FG Münster vom 11.11.2004

FG Münster: vermietung, ferienwohnung, einkünfte, werbung, eigentümer, vermieter, organisation, verpachtung, beauftragter, sicherheitsleistung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 14 K 3586/03 F
11.11.2004
Finanzgericht Münster
14. Senat
Urteil
14 K 3586/03 F
Unter Aufhebung der Feststellungsbescheide für 2000 und 2001 jeweils
vom 07.01.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2003
werden die Einkünfte der Kläger aus der Vermietung ihrer
Ferienwohnung Sylt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
festgestellt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
T a t b e s t a n d :
Es ist zu entscheiden, ob die Vermietung einer Ferienwohnung einen Gewerbebetrieb
begründet (§§ 15, 21 Einkommensteuergesetz - EStG -).
Die Kläger (Kl.) erzielten in den Streitjahren 2000 und 2001 als Beteiligte einer
Erbengemeinschaft u. a. Einkünfte aus der Vermietung einer Ferienwohnung in Sylt. In
ihren Feststellungs(F)-Erklärungen für die beiden Streitjahre erklärten sie Überschüsse aus
Vermietung und Verpachtung (VuV) dieser Ferienwohnung in Höhe von 1.098 DM und
7.459 DM. In den F-Bescheiden für 2000 und 2001 jeweils vom 07.01.2003 qualifizierte der
Beklagte (Bekl.) - das Finanzamt (FA) - die Einkünfte aus der Vermietung der
Ferienwohnung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einsprüche blieben in der
Streitfrage erfolglos.
Im Klageverfahren verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Sie legten jeweils einen
Belegungsplan der Ferienwohnung für die Jahre 2000 und 2001 vor. Danach war die
Ferienwohnung im Jahr 2000 an 126 Tagen und im Jahr 2001 an 128 Tagen vermietet. Auf
gerichtliche Frage teilte die Appartement-Vermietung r GbR, in Sylt am 28.04.2004
folgendes mit:
"... Wir erbringen für unsere Eigentümer eine Vermittlungsleistung in der Gestalt, dass wir
namens, im Auftrag und auf Rechnung der Eigentümer deren Ferienwohnung an Gäste
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vermitteln. Dieses passiert in der Gestalt, dass wir für die Eigentümer Mietverträge mit
verschiedenen Personen abschließen. Diese erhalten wir aus unserer Werbung, über
Zeitungsannoncen bzw. über das Internet. Für diese Vermittlungstätigkeit erhalten wir eine
Provision zzgl. Mehrwertsteuer. Weitere Nebenleistungen gegenüber dem Gast werden
nicht erbracht, lediglich die Schlüsselübergabe, das eventuelle Anmieten von Bettwäsche
und die Endreinigung (einmalig nach Auszug des Gastes). Hierfür dürfte auch die alte
Formulierung "... die dabei entstehenden Kosten für Werbung, Personal und Verwaltung ..."
zu verstehen sein. Die in unserem eigenen Geschäftsbereich anfallenden Kosten sind
unsere eigenen. Sie werden nicht auf die Eigentümer umgelegt. Wir erbringen gegenüber
dem Gast keinen hotelmäßigen Service.
Unsere Öffnungszeiten sind auf einige Stunden am Tag beschränkt. Ebenso ist die
Anreisezeit für die Gäste zwischen 16.00 und 18.00 Uhr eingeschränkt. Dass ein Gast eine
Wohnung ohne bereits bestehenden Mietvertrag (Zufallskunde) erhält, wäre rein zufällig
und ist absolut nicht die Regel. ..."
Auf gerichtliche Frage teilte die Firma e Hausverwaltung GmbH, in Sylt, am 18.05.2004 mit,
dass sie gewählter Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft ist und legte den
Verwaltervertrag vom 25.11.1995 vor. Auf gerichtliche Frage teilte das Finanzamt L am
30.06.2004 als Ergebnis einer Nachschau vom 22.06.2004 folgendes mit:
a. Der Eingang zum Appartementhaus ist verschlossen. Etwa 50 m weiter um die Ecke
befindet sich die Appartement-Vermietung r. Schild an der Tür mit Öffnungszeiten: Montag,
Dienstag, Donnerstag, Freitag 9.00-11.00 Uhr und 15.00-17.00 Uhr. Mittwochs
geschlossen. Samstag ab 9.00 Uhr. An Sonn- und Feiertagen geschlossen. In Notfällen
0171/.
1. Befragung der Angestellten Frau r (Hausverwaltung r) (ehemalige Beteiligte):
Die Gäste erhalten einen Schlüssel für den Eingang des Appartementhauses. Auf
Wunsch wird ein Wäschepaket besorgt.
Es werden keine weiteren Leistungen, z. B. Abholung vom Bahnhof, Gepäckservice,
Ausflugsfahrten etc. angeboten. Soweit Appartements frei sind, können diese auch für
weniger als sieben Tage angemietet werden.
Der Eigentümer des Appartements ist für die Werbung (hier: Internetseite www..de)
verantwortlich."
In der Internetwerbung der Kl. für ihre Ferienwohnung heißt es:
"Besonderes: Mindestmietzeit sieben Übernachtungen. Kürzere Mietzeit auf Anfrage
kurzfristig möglich.
Der An-/Abreisetag ist Samstag. Andere An-/Abreisetage nur auf Anfrage möglich. ..."
Die Kl. sind der Ansicht, dass sie die Vermietung ihrer Ferienwohnung nach der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) (Urteil vom 14.01.2004 - X R 7/02 - BFH/NV
2004, 945; Beschluss vom 23.07.2003 - IX B 23/03 - BFH/NV 2003, 1425) privat und nicht
als Gewerbe betrieben haben. Die Appartement-Vermietung r sei keine
Feriendienstorganisation. Ein hotelmäßiger Service werde nicht angeboten.
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Die Kl. beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der F-Bescheide für 2000 und 2001 jeweils vom 07.01.2003 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung (EE) vom 05.06.2003 ihre Einkünfte aus der Vermietung ihrer
Ferienwohnung in Sylt i. H. v. 1.098 DM und 7.459 DM als Einkünfte aus VuV festzustellen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Vermietung der Ferienwohnung sei im Hinblick auf die Art des vermieteten Objekts und
die Art der Vermietung einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbar. Die
Ferienwohnung gehöre zu einer einheitlichen Wohnanlage. Durch die verbandsmäßige
Vereinigung der Wohnungen und die im wesentlichen gleichartige Nutzung durch
Vermietung an Feriengäste sei ein Ferienzentrum entstanden. Dieses Ferienzentrum trete
nach außen als eine Einheit in Erscheinung. Es bedürfe einer gemeinschaftlichen
Organisation.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten verwiesen.
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter an Stelle des Senats (§
79a Abs. 3, 4 Finanzgerichtsordnung - FGO -) ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2
FGO).
Der erkennende Richter hat in dieser Sache am 07.04.2004 verhandelt. Auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist begründet.
Der Bekl. hat zu Unrecht die Vermietung der Ferienwohnung als Gewerbebetrieb
behandelt.
Die Vermietung von Wohnungen erfüllt zwar grundsätzlich die in § 15 Abs. 2 EStG
normierten Tatbestandsmerkmale, geht jedoch in der Regel nicht über den Rahmen der
privaten Vermögensverwaltung hinaus. Nach ständiger Rechtsprechung (BFH, in BFH/NV
2004, 945 m. w. N.) kann ein Gewerbebetrieb bei dieser Tätigkeit nur angenommen
werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, nach denen die Betätigung
des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, vom
Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erhält,
hinter der die bloße Nutzung des Mietobjekts als Vermögensanlage zurücktritt.
Dies ist namentlich der Fall, wenn neben dem Vermieten von Wohnräumen nicht übliche
Sonderleistungen des Vermieters erbracht werden oder wenn die Art der
Leistungserbringung durch einen häufigen Mieterwechsel bedingt ist. Voraussetzung für
die Annahme eines Gewerbetriebes ist stets die Bereitstellung einer mit einem
gewerblichen Beherbergungsunternehmen vergleichbaren unternehmerischen
Organisation. Maßgebend sind jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalles. Die
Zwischenschaltung eines gewerblichen Vermittlers führt nicht zwangsläufig dazu, dass
deshalb auch der Vermieter eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
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a) Die Rechtsprechung hat die Vermietung auch nur einer Ferienwohnung vor allem dann
als gewerblich angesehen, wenn diese in einem Feriengebiet im Verbund mit einer
Vielzahl gleichartig genutzter Wohnungen einer einheitlichen Wohnanlage liegt sowie die
Werbung für kurzfristige Vermietung an laufend wechselnde Mieter und die Verwaltung
einer Feriendienstorganisation übertragen sind. Die geforderte Vergleichbarkeit mit einem
gewerblichen Beherbergungsunternehmen (Hotel) liegt vor allem dann vor, wenn die
Wohnungen wie Hotel- oder Pensionsräume ausgestattet sind, für ihre kurzfristige
Vermietung an wechselnde Mieter geworben wird und sie hotelmäßig angeboten, d. h.
auch ohne Voranmeldung jederzeit zur Vermietung bereitgehalten werden und sich zudem
in einem Zustand befinden, der die sofortige Vermietung zulässt, und zwar auch dann,
wenn Buchungen nicht vorliegen.
Die ständige Rechtsprechung (BFH, in BFH/NV 2004, 945 m. w. N.) hält das Merkmal des
hotelmäßigen Angebots von Ferienwohnungen uneingeschränkt für geeignet zur
ertragsteuerlichen Qualifizierung der Einkünfte aus der entgeltlichen Überlassung. Für
Hotels - in verringertem Umfang auch für Ferienhotels und Fremdenpensionen - ist der
häufige Gästewechsel typusbestimmend. Die Bereithaltung von Räumlichkeiten für die
jederzeitige, auch kurzfristige Überlassung an Gäste erfordert sachliche und personelle
Vorkehrungen, wie sie mit der Vermietung von Wohnungen nicht verbunden sind. Ähnliche
Verhältnisse können sich auch bei der Vermietung von Ferienwohnungen außerhalb einer
Ferienwohnanlage ergeben. Demzufolge kann es keinen entscheidungsrelevanten
Unterschied machen, ob eine Rezeption ständig besetzt ist oder ob diensthabendes
Personal kurzfristig herbeigerufen werden kann. Die Notwendigkeit solcher Modalitäten der
Hotelrezeption ist zwangsläufige Folge eines gewerblichen Konzepts, das auf die
jederzeitige Aufnahme eines Gastes und einen prinzipiell täglichen Gästewechsel
ausgerichtet ist. Diese Belegungserwartung des Unternehmens findet ihre Entsprechung in
der hotelüblichen tageweisen Abrechnung. Demgegenüber hält sich der
vermögensverwaltende Vermieter oder sein Beauftragter nicht ständig bereit, um Gäste zu
empfangen, mit ihnen zu verhandeln und abzurechnen. Er organisiert die
Vermögensnutzung auf der Grundlage von Vorbuchungen und eines längeren Zeittaktes
der Nutzungsüberlassung. Dieses Konzept kommt auch in der Art und Weise zum
Ausdruck, wie für die Ferienwohnung geworben wird.
b) Die Gewerblichkeit kann sich auch daraus ergeben, dass der Vermieter oder ein von ihm
Beauftragter Zusatzleistungen erbringt, die eine unternehmerische Organisation verlangen,
wie sie durch die Vermögensverwaltung durch Wohnungsvermietung allein nicht
erforderlich, bei der Führung einer Fremdenpension jedoch notwendig ist. Hingegen steht
die Vermögensnutzung im Vordergrund, falls die Zusatzleistungen nicht ins Gewicht fallen
und etwa im Haushalt des Steuerpflichtigen miterledigt werden können. Nur solche
Zusatzleistungen können eine Vermietungstätigkeit als gewerblich prägen, die nicht schon
üblicherweise mit der Vermietung von Ferienwohnungen verbunden sind. Zur
vermögensverwaltenden Vermietung kann die Bereitstellung von Wäsche und Inventar, ein
wöchentlicher Wäscheservice, eine Vor- und Endreinigung gegen besondere Bezahlung,
sowie eine wöchentliche Zwischenreinigung, ein "Morgenservice" (Lieferung von Brötchen,
Milch und Zeitung), ein Gepäcktransport für Bahnreisende und eine touristische Betreuung
vor allem in Gestalt der Vermittlung von touristischen Freizeit- und Sportangeboten
gehören. Dem Vermieter können nur solche Zusatzleistungen Dritter zugerechnet werden,
welche diese für ihn aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages erbringen.
Nach diesen Grundsätzen haben die Kl. mit der Vermietung ihrer in einer Art Feriengebiet
gelegenen Wohnung keine gewerblichen Einkünfte (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG),
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sondern Einkünfte aus VuV (§ 21 EStG) erzielt. Die Kl. haben ihrer Wohnung nicht
hotelmäßig angeboten. Ihre Werbung war nicht auf eine kurzfristige Vermietung
zugeschnitten. Ausweislich ihrer Werbung im Internet wurde die Wohnung als
Ferienwohnung grundsätzlich für mindestens eine Woche und in der Regel nach
Voranmeldung vermietet. Der gewerbliche Charakter der Vermietungstätigkeit der Kl. ergibt
sich auch nicht aus den von ihnen oder der r GbR in ihrem Auftrag erbrachten
Zusatzleistungen. Das jederzeitige Bereithalten der Wohnung für wechselnde Mieter nebst
einiger Standardleistungen, wie sie üblicherweise auch von privaten Zimmervermietern
angeboten werden, reicht für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nicht aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155
FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Wegen der Schwierigkeit des Falles war es erforderlich, einen Bevollmächtigten zum
Vorverfahren hinzugezogen zu haben (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).