Urteil des FG Münster vom 30.08.2005

FG Münster: rücklage, kleine und mittlere unternehmen, investition, europäisches recht, steuerfreie einkünfte, eigene mittel, herstellungskosten, stillen, gesellschafter, betriebsstätte

Finanzgericht Münster, 6 K 6539/03 F
Datum:
30.08.2005
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 6539/03 F
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
Streitig ist die Berücksichtigung einer Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3
Einkommensteuergesetz (EStG) bei einer atypisch stillen Beteiligung an einem
ausländischen Betrieb.
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Der Kläger ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Mit Vertrag vom 15. Dezember 2002
beteiligte er sich an der slowakischen Firma als atypisch stiller Gesellschafter mit einer
Einlage in Höhe von 1.000,00 EUR. Bei dem Unternehmen handelte es sich um ein
Maler- und Anstreichergewerbe als Einzelunternehmer. Nach dem Vertrag wurde die
Beteiligung zur Stärkung des Unternehmerkapitals geschlossen. Der stille
Gesellschafter nimmt in Höhe von 2,5 % am Gewinn teil. Die Einlage wurde zum 20.
Dezember 2002 in bar erbracht.
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Mit Vertrag vom 16. Dezember 2002 schlossen der Kläger und seine Frau einen
Unterbeteiligungsvertrag, wonach sich die Ehefrau an dem stillen Gesellschaftsanteil
des Klägers zu 50 % schenkungsweise unterbeteiligte. Mit Schreiben vom 2. Juni 2003,
beim Beklagten eingegangen am 3. Juni 2003, reichte der Kläger eine Erklärung zur
einheitlichen und gesonderten Feststellung 2002, einen Jahresabschluss zum 31.
Dezember 2002 von der (deutsch) mit Ermittlung des auf den stillen Gesellschafter
entfallenden Anteils, eine Vermögens-Verbindlichkeitserklärung und Einnahme-
Überschussrechnung zum 31. Dezember 2002 von Herrn in slowakisch, eine
Sonderbilanz zum 31. Dezember 2002 des stillen Gesellschafters, einen Nachweis über
die Ermittlung der in der Sonderbilanz gebildeten Ansparrabschreibung, einen
Gesellschaftsvertrag der stillen Gesellschaft, einen Unterbeteiligungsvertrag zwischen
dem Kläger und seiner Frau, einen Einzahlungsbeleg über die Einbringung der Einlage
des stillen Gesellschafters und einen Auszug aus dem Kassenbuch der , in welchem die
Einzahlung der Einlage verbucht ist, beim Beklagten ein. Der umgerechnete
Jahresüberschuss der betrug danach 773,00 EUR, wovon dem Kläger und seiner
Ehefrau je hälftig ein Betrag in Höhe von 9,00 EUR (entspricht 2,5 %) zugewiesen
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Ehefrau je hälftig ein Betrag in Höhe von 9,00 EUR (entspricht 2,5 %) zugewiesen
wurde. Ferner machte der Kläger in einer Sonderbilanz zum 31. Dezember 2002 einen
Sonderposten mit Rücklageanteil gem. § 7 g Abs. 3 EStG in Höhe von 154.000,00 EUR
geltend. Dazu reichte er eine Liste der in den Jahren 2003 und 2004 vorgesehen
Investitionen für Zwecke der Rücklage gem. § 7 g Abs. 3 ff. EStG ein, wonach u. a. 38
Laptops, 53 Bürostühle, 106 Diktiergeräte und 42 Handdiktiergeräte angeschafft werden
sollten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage zur Erklärung des
Beklagten verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.
Mit Verfügung vom 29. August 2003 fragte der Beklagte zunächst beim Kläger an, ob auf
eine einheitliche und gesonderte Feststellung verzichtet werden könne und die
Einkünfte unmittelbar bei der Einkommensbesteuerung berücksichtigt werden könnten.
Gleichzeitig teilte er in diesem Zusammenhang mit, dass er der Auffassung sei, dass
eine Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG nur dann gebildet werden könne, wenn eine
Anschaffung oder Herstellung für eine inländische Betriebsstätte beabsichtigt sei.
Ferner fragte er an, in welchem wirtschaftlichen Zusammenhang die geplanten
Investitionen mit der slowakischen Malerfirma stünden. Der Kläger teilte mit Schreiben
vom 4. September 2003 mit, dass nach seiner Auffassung eine einheitliche und
gesonderte Feststellung durchzuführen sei, da insbesondere die Einkunftsermittlung
nicht ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei. Ferner vertrat er die Auffassung,
dass es sich bei der Voraussetzung zur Bildung der Ansparabschreibung nicht um einen
inländischen Betrieb handeln müsse. Der wirtschaftliche Zusammenhang der in der
Rückstellung aufgeführten Wirtschaftsgüter mit dem Betrieb bestehe in der Absicht, das
Tätigkeitsfeld der Malerfirma auszuweiten. Eine Glaubhaftmachung sei in diesem
Zusammenhang nach dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 nicht erforderlich.
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Mit Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2002 vom 14. November 2003 stellte der Beklagte
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 18,00 EUR fest, die nach dem
Doppelbesteuerungsabkommen als steuerfreie Einkünfte nach dem
Progressionsvorbehalt gem. § 32 b EStG zu berücksichtigen seien und verteilte diese
hälftig auf den Kläger und seine Ehefrau. Die Rücklage nach § 7 g EStG in Höhe von
154.000,00 DM wurde beim Kläger nicht berücksichtigt. Zur Begründung führte der
Beklagte aus, dass es nicht glaubhaft sei, dass Investitionen für 2003 und 2004 in Höhe
von insgesamt 396.597,00 EUR für die Anschaffung von Bürogegenständen wie
Laptops, Bürostühle und Diktiergeräte für einen Malerbetrieb mit einem Umsatz von
24.801,00 EUR und einen Gewinn von 773,00 EUR beabsichtigt seien. Umsatz und
Gewinn des Betriebes stünden im krassen Mitverhältnis zum angegebenen
Investitionsvolumen und könnten daher nicht anerkannt werden. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Anlage zum Bescheid vom 14. November 2003 verwiesen.
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Mit seiner am 8. Dezember 2003 bei Gericht eingegangenen Sprungklage verfolgt der
Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die
Bildung einer Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG vorlägen. Der Gewinn des
Unternehmens sei nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 5 EStG ermittelt worden. Die
Größenkriterien des § 7 g Abs. 2 EStG seien erfüllt. Die Ansparabschreibung brauche
sich nicht auf Wirtschaftsgüter beziehen, die sich in einer inländischen Betriebsstätte
befinden. Die Ansparabschreibung könne auch für voraussichtliche Investitionen von
Wirtschaftsgütern in einer ausländischen Betriebsstätte in Anspruch genommen werden.
Ebenso brauchten sie nicht ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt
zu werden. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf das BMF-Schreiben vom
12. Dezember 1996. Die Bildung der Rücklage sei aus der Buchführung ersichtlich. Es
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seien noch keine weiteren begünstigten Rücklagen für diese Wirtschaftsgüter gebildet
worden. Der Höhe nach betrügen die Anschaffungskosten voraussichtlich 396.597,85
EUR, so dass eine Ansparabschreibung in Höhe von 40 %, das sind 158.639,14 EUR,
maximal jedoch 154.000,00 EUR zulässig sei. Eine entsprechende
Ansparabschreibung sei gebildet worden.
Es handele sich nach dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 auch um eine noch
durchführbare, objektiv mögliche Investition. Dieser Begriff sei dahingehend
auszulegen, dass irgend jemand eine solche Investition müsse durchführen können und
dass es nicht auf die speziellen Verhältnisse des Betriebs oder des Steuerpflichtigen
ankomme. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Malerbetrieb sei insofern
gegeben, als die Wirtschaftsgüter dem Malerbetrieb zur Verfügung gestellt werden
sollten. Die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme sei nicht vom Finanzamt zu
klären, sondern alleine von den beteiligten Wirtschaftssubjekten. Angaben zur
Finanzierbarkeit der Investition brauchten nicht gemacht werden. Der Kläger weist in
diesem Zusammenhang auf diese Systematik und auf das Verhältnis des § 7 g Abs. 3
zu § 7 g Abs. 1 und Abs. 2 EStG hin. Er ist weiter der Auffassung, dass nach dem BFH-
Urteil vom 12. Dezember 2001 eine Investitionsabsicht nicht glaubhaft gemacht werden
müsse, sondern dass diese auch nicht vorliegen brauche. Die Notwendigkeit einer
vorhandenen Investitionsabsicht komme im Gesetzestext nicht klar zum Ausdruck; sie
könne daher vom Rechtsanwender auch nicht gefordert werden. Der Bundesfinanzhof
(BFH) fordere lediglich ein exaktes Erfassen der einzelnen Rücklagen. Die
Wirtschaftsgüter könnten auch für einen Malerbetrieb genutzt werden. Dieser bestehe
nicht nur aus Pinsel und Farbe, sondern auch aus Vertrieb, Rechnungswesen und
Einkauf etc., für den auch Diktiergeräte, ein Laptop und Bürostühle benötigt würden. Der
Kläger ist weiter der Auffassung, dass das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom
19. August 2003 eklatant gegen die Rechtsprechung des XI. Senats des BFH verstoße
und verweist insoweit auf einen Aufsatz vom ihm und seinem Bevollmächtigen unter
dem Thema "Erforderlichkeit einer Investitionsabsicht bei der Ansparrückschreibung
nach § 7 g Abs. 3 EStG – zugleich Besprechung des Urteils des Hessischen
Finanzgerichts vom 19.08.2003, 2 K 1602/01, rechtskräftig" in Deutsches Steuerrecht
204, Seite 409.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2002 vom 14.11.2003 aufzuheben und entsprechend
der Erklärung vom 31.05.2003 neu zu erlassen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
13
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er ist der Auffassung, dass die Anerkennung der Rücklage in Anbetracht des
Regelungszwecks der Vorschrift in erster Linie an der Voraussetzung einer
voraussichtlichen Investition in ein Wirtschaftsgut des (Sonder-) Betriebsvermögens
scheitere. Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf die Systematik des
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§ 7 g EStG. Zwar müsse nach dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 die
Investitionsabsicht nicht glaubhaft gemacht werden. Die vom Kläger angeblich
geplanten Investitionen seien objektiv nach Art und Anzahl für den Malerbetrieb nicht
nutzbar. Dies sei aber sowohl für das notwendige Sonderbetriebsvermögen wie auch für
ein gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen Voraussetzung. Es fehle sogar an einer
objektiven Eignung, den Betrieb der Gesellschaft oder die Beteiligung des
Gesellschafters zu fördern. Die Auflistung der der Art und vor allem der Menge nach für
einen Malerbetrieb nicht zweckmäßigen Wirtschaftsgüter sowie die bloße
Vervielfältigung dieser Liste mache die mangelnde Ernsthaftigkeit einer
Investitionsabsicht deutlich und würde den eigentlichen Zweck der Rücklagenbildung
absurdum führen. Schließlich sollten durch die Bildung der Rücklage nicht ausländische
Betriebe, sondern inländische, mittelständische Betriebe gefördert werden. Der Beklagte
ist der Auffassung, dass nicht einzelnen Wirtschaftsgüter, sondern vielmehr die Vielzahl
und die Art der Wirtschaftsgüter zu betrachten seien. Er verweist in diesem
Zusammenhang auch auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 19. August
2003.
Der Senat hat am 30. August 2002 in der Sache mündlich verhandelt; auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 14.11.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Ansparabschreibung nach § 7 g
Abs. 3 EStG 2002 in der für 2002 gültigen Fassung nicht berücksichtigt.
18
Nach § 7 g Abs. 3 EStG in der für 2002 gültigen Fassung können Steuerpflichtige für die
künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes i. S. d. Absatz 1 eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Die Rücklage darf 40 v. H.
der Anschaffungs- und Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes nicht
überschreiten, dass der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf
die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wird.
Eine Rücklage darf nur gebildet werden, wenn
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(1.) der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt;
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(2.) der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres das dem Wirtschaftsjahr der Bildung
der Rücklage vorangeht, das in Abs. 2 genannten Größenmerkmal erfüllt;
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(3.) die Bildung und Auflösung der Rücklage in der Buchführung verfolgt werden können
und
22
(4.) der Steuerpflichtige keine Rücklagen nach §§ 3 Abs. 1 und 2 a des
Zonenrandförderungsgesetzes vom 5. August 1971 (BStBl. I, Seite 1237), zuletzt
geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 25. Juni 1991 (Bundesgesetzblatt I, Seite
1322), ausweist.
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
24
1.
25
Die Slowakische Firma gehört nicht zu den nach § 7 g Abs. 3 EStG rücklagefähigen
Betrieben. Voraussetzung dafür, dass eine Rücklage nach § 7 Abs. 3 EStG gebildet
werden kann, ist, dass es sich bei dem Betrieb um einen inländischen Betrieb oder um
eine inländische Betriebsstätte handelt.
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Nach dem Sinn und Zweck der Ansparrücklage sollten kleinere und mittlere Betriebe in
Deutschland finanziell gestärkt werden. Während zunächst nach den Abs. 1 und 2 eine
Ansparabschreibung für inländische Betriebe (siehe § 7 Abs. 2 Nr. 2 b EStG) bestand,
wurde diese Vorschrift durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993
(Bundessteuerblatt I, Seite 774) um die Abs. 3 bis 5 ergänzt. Aus den
Gesetzesmaterialien ist ersichtlich, dass die Abs. 3 bis 5 die Abschreibung nach Abs. 1
und 2 erweitern sollten und für die o. g. Unternehmen Investitionsvolumen für künftige
Anschaffungen zu ermöglichen. In der Bundestagsdrucksache 12/4487 Seite 33 heißt
es dazu wörtlich: "Kleine und mittlere Unternehmen haben nach § 7 g EStG die
Möglichkeit, für neue bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der
Anschaffung oder Herstellung Abschreibungen nach §§ 7 Abs. 2 und 7 g EStG in Höhe
von bis zu 45 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Diese
Abschreibungen dienen der steuerlichen Entlastung der Unternehmen in der Zeit nach
Beendigung der Investition. Es hat sich aber gezeigt, dass bei kleinen und mittleren
Unternehmen bereits in der Zeit vor Beendigung der Investition ein Bedürfnis für eine
Steuerstundung besteht. Mit Hilfe einer solchen Steuerstundung können eigene Mittel
angespart werden, um dem Unternehmen die Finanzierung der Investition zu
erleichtern."
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Aus diesem Grund wurde durch die Ergänzung des § 7 g EStG die Möglichkeit
geschaffen, im Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten zur Finanzierung
künftiger Investitionen eine Rücklage zu bilden. Die Rücklage ist nicht personen-,
sondern betriebs- und investitionsbezogen ausgestaltet. Die jeweilige Rücklage darf bis
zu einem Betrag in Höhe von 45 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten des
begünstigten Wirtschaftsguts gebildet werden, die bei der Investition wahrscheinlich
anfallen werden. Die Rücklage kann ohne Vorlage von Investitionsplänen gebildet
werden."
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Aus den o. g. Formulierungen wird deutlich, dass es sich bei den Betrieben, bei denen
eine entsprechende Rücklage gebildet werden kann, um inländische Betriebe bzw.
Betriebsstätten handeln muss. Insbesondere aus der Formulierung "dass bei kleineren
und mittleren Unternehmen bereits in der Zeit vor Beendigung der Investitionen ein
Bedürfnis nach einer Steuerstundung besteht", wird deutlich, dass die Unternehmen der
deutschen Besteuerung unterliegen müssen. Ausländische Verhältnisse hatte der
Gesetzgeber nicht im Auge. Diese Auffassung wird bestärkt durch die Formulierung "im
Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten", die ebenfalls von deutschen
Steuerverhältnissen ausgeht.
29
2.
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Auch die Systematik der Norm in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des
Betriebsgrößenmerkmals sprechen für den Inlandsbezug. Zwar knüpft die Vorschrift in
der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 7 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG i. V. m. § 7
Abs. 2 Nr. 1 a EStG an die Größe des Betriebsvermögens des Gewerbebetriebs (in
2002: 204.517,00 EUR), das theoretisch auch für ausländische Betriebe, an denen ein
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unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtiger als Unternehmer beteiligt ist, ermittelt
werden kann. Der Kläger verweist insoweit zu Recht darauf, das nach dem Wortlaut des
Abs. 3 nicht auf inländische Betriebe verwiesen wird. Der Gesetzgeber hatte zwar
bereits im Rahmen der Beratung des Steueränderungsgesetzes 1992 erwogen, ab 1.
Januar 1993 vom Einheitswert und vom Gewerbekapital unabhängige
Abgrenzungsmerkmale in § 7 g Abs. 2 des EStG einzufügen (vgl. Lamprecht in
Kirchhoff/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 7 g, RdNr. A25/26 und 39, RdNr. C2). Aber
erst durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (Bundesgesetzblatt I
1996, 2049) ist als notwendige Folge des Wegfalls der Vermögensteuer und des damit
verbundenen Wegfalls der Feststellung von Einheitswerten des Betriebsvermögens für
den Gewerbebetrieb Abs. 2 in § 7 g EStG in der Weise geändert worden, dass auf das –
nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zu ermittelnde – Betriebsvermögen des
Gewerbebetriebes abzustellen ist (siehe auch BFH-Beschluss vom 31.01.2005, X B
87/04, BFH/NV 2005, 906).
Die Anknüpfung an Grundlagenbescheide, die nur die deutsche Steuerverwaltung für
inländische Betriebe erlassen konnte, verdeutlicht den ursprünglichen
Anknüpfungspunkt. Es ist nicht ersichtlich, dass hieran 1993 bzw. 1997 etwas geändert
werden sollte.
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Im Schrifttum wird für die bis 1992 geltende Fassung des § 7 g Abs. 1 und 2 EStG ganz
überwiegend angenommen, dass der Einheitswert auf den letzten
Feststellungszeitpunkt gem. § 180 Abs. 1 Nr. 1 der AO insoweit Grundlagenbescheid
i. S. v. 171 Abs. 10 AO für den Einkommensteuerbescheid ist (vgl. Drenseck in Schmidt,
Einkommensteuergesetz, 18. Auflage, § 7 g, Rz. 18, Lamprecht, a.a.O., § 7 g, RdNr. A51
und C11; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 7 g, Rz. 32;
Brandes in Blümlich, Einkommensteuergesetz, § 7 g, Rz. 51; Ehlers in Frottscher,
Einkommensteuergesetz, § 7 g, Rz. 9; ebenfalls Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach,
Einkommensteuer-/ und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 7 g EStG, Rz. 55
sowie bereits Zitzmann, Der Betrieb 1984, 74).
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Da für ausländische Betriebe ein Einheitswert des Betriebsvermögens nicht festgestellt
wird, konnten nach der ursprünglichen Regelung Ansparrücklagen gem. § 7 Abs. 3
EStG nur von inländischen Betrieben, für die Einheitswert festgestellt wird, in Anspruch
genommen werden. Dieser Förderkreis hat sich nach dem Wegfall der Feststellung des
Einheitswertes des Betriebsvermögens nicht geändert. Die Betriebsklassengröße, die
nach Wegfall der Feststellung in das Gesetz aufgenommen wurde, knüpft daran an und
lässt nunmehr in anderer die nach deutschem Bilanzsteuerrecht ermittelte Größe des
Betriebes maßgeblich sein. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift sollte damit der
Kreis der Betriebe, die unter den Regelungsgehalt der ursprünglichen Vorschrift fielen,
nicht erweitert werden. Auch damit ist ersichtlich, dass nach Zielsetzung des
Gesetzgebers eine Ansparrücklage für ausländische Betriebe ohne inländische
Betriebsstätte nicht gebildet werden sollte.
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3.
35
Eine Beschränkung der Ansparrücklage gem. § 7 g Abs. 3 EStG auf inländische
Betriebe oder Betriebsstätten verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. Zum einen
erscheint schon fraglich, ob der Kläger als Inländer und atypisch stiller Gesellschafter
eines slowakischen Betriebes sich gegenüber dem deutschen Fiskus überhaupt auf EU-
Recht berufen kann. Zum anderen hat der Kläger den in der mündlichen Verhandlung
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erhobenen Vorwurf des Verstoßes des § 7 g Abs. 3 EStG bei einer Anwendung auf nur
inländische Betriebe oder Betriebsstätten nicht weiter konkretisiert. Der Senat
vermochte einen Verstoß gegen EU-Recht, insbesondere den EG-Vertrag, nicht zu
erkennen. Ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag liegt nicht vor. Danach sind,
soweit in dem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln
gewährte Beihilfen, gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter
Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen
drohen, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen
Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Der Begriff der Beihilfe umfasst nicht nur positive
Leistungen wie Subventionen, Darlehen oder die Beteiligung am Kapital von
Unternehmen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Weise die Belastungen
vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine
Subventionen im strengen Wortsinne darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung
gleichstehen (so Jahresbericht 2004 des Gerichtshofs des Europäischen Gemeinschaft
Seite 108). Selbst wenn man die Ansparrücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG als Beihilfe
i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag verstehen wollte, was höchst fraglich erscheint, so ist
nicht erkennbar, dass durch die Ansparrücklage bestimmte Unternehmen oder
Produktionszweige begünstigt würden und dadurch der Wettbewerb verfälscht oder zu
verfälschen drohte und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt würde.
Bei der Ansparrücklage handele es sich um eine Steuerstundung, die allen deutschen
Unternehmen einer bestimmten Größenordnung zukommen kann. Es handelt sich nicht
um die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige. Außerdem ist
eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten weder vom Kläger
dargestellt, noch für den Senat ersichtlich geworden. Schließlich ist auch der
Anwendungsbereich des § 7 g EStG für Existenzgründer durch die Einführung des § 7 g
Abs. 8 EStG EU-rechtlichen Vorgaben angepasst worden.
Ein Verstoß gegen steuerrechtliche Vorschriften des EG-Vertrages (Kapitel 2 Art. 90 bis
93) ist ebenfalls nicht ersichtlich.
37
4.
38
Nach § 7 g Abs. 3 Satz 2 EStG in der für 2002 gültigen Fassung darf die Rücklage 40 v.
H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes nicht
überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des 2. auf die
Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wird. Der
Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger die in seiner Aufstellung für die
Rücklage benannten Wirtschaftsgüter voraussichtlich nicht anschaffen oder herstellen
wird. Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggfls. wie
nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i. S. v. § 7 g Abs. 3
EStG beabsichtigt sei. Nach der Rechtsprechung des BFH (siehe BFH-Urteil vom 19.
September 2002, Az.: X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl. II 2004, 184 und BFH-Urteil
vom 12. Dezember 2001, Az.: XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl. II 2002, 385) ist der
Steuerpflichtige zwar nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen bzw.
glaubhaft zu machen. Allerdings muss die Investition bei Bildung der Rücklage so
genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine
Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde.
Dazu sind Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsgutes sowie zu den
voraussichtlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten erforderlich (siehe BFH-Urteil
vom 12.12.2001 a. a. O.).
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Der § 7 g Abs. 3 Satz 2 EStG setzt voraus, dass ein Wirtschaftsgut in einem
nachfolgenden Wirtschaftsjahr "voraussichtlich" angeschafft oder hergestellt wird. Wie
der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 19. September 2002 (a. a. O. unter 4. der
Gründe) ausgeführt hat, erfordert das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" eine
Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten der Steuerpflichtigen,
welche bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, aus
der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtages zu treffen ist. Hieraus folgt, dass die
"voraussichtliche" Investition vom Gesetz wegen hinreichend konkretisiert sein muss.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung, dass das Gesetz den
Nachweis einer Investitionsabsicht nicht verlangt, an.
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Der X. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 19. September 2002 a. a. O. zu einer
entsprechenden Auslegung wörtlich ausgeführt: "Die vom erkennenden Senat
befürwortete Auslegung des § 7 g Abs. 3 EStG ist verfassungsrechtlich unter dem
Gesichtspunkt geboten, dass es andernfalls möglich wäre, die Ansparabschreibung "ins
Blaue hinein" ohne Konkretisierung – möglicherweise – mit der Wirkung in Anspruch zu
nehmen, dass diese zur Erhöhung eins tarifbegünstigten Veräußerungs- bzw.
Aufgabegewinns führen würde. Eine durch objektive wirtschaftliche Gegebenheiten, an
welcher eine Prognose anknüpfen könnte, nicht gedeckte Minderung des steuerlichen
Ergebnisses wäre unvereinbar mit der generell an Steuertatbeständen zu stellenden
Anforderung, dass der Gesetzgeber Belastungsgründe "möglichst unausweichlich"
normieren muss (Urteile des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 10. April 1997,
Az. 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl. II 1997, 518; vom 7. Dezember 1999, Az. 2 BvR
301/98, BVerfGE 101, 297 bis 312, BStBl. II 2000, 162). Das Erfordernis der
Unausweichlichkeit ist vor allem Inhalt des Gleichheitssatzes, der die
Belastungsgleichheit "nach den wirtschaftlich vorgefundenen Tatbeständen, die eine
Steuerbelastung in ihren Unterschieden rechtfertigt", bemisst (P. Kirchhoff, Steuer und
Wirtschaft 2002, 1, 5). Entsprechendes gilt auch für die Regelung von
Entlastungsgründen. Zwar hat der Gesetzgeber "Mitnahmeefekten" durch die Regelung
des Gewinnszuschlags nach § 7 g Abs. 5 EStG entgegenwirken wollen. Die
Wirkungsweise des von ihm installierten "sich selbst steuernden Regelkreises" würde
indes versagen, wenn der Steuerpflichtige bei einer Rücklagenbildung in zeitlicher
Nähe zur Betriebsaufgabe im Umfang dieses Bilanzansatzes defacto für eine
Tarifvergünstigung optieren könnte. Daher ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen,
dass die Förderung nach § 7 g EStG nicht bereits dann gewährt werden darf, wenn der
Steuerpflichtige formelle Mindestanforderungen an die Darstellung einer
Investitionsabsicht erfüllt."
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Dieser Auffassung schließt der erkennende Senat sich unter Berücksichtigung dieser
Vorgaben an. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass er die formalen
Mindestvoraussetzungen zur Bildung der gewinnmindernden Rücklage erfüllt hat. Er hat
die Wirtschaftsgüter im Einzelnen bezeichnet und ihre Anschaffungs- und
Herstellungskosten aufgeführt. Des Weiteren sind die Investitionen losgelöst gesehen
von dem slowakischen Betrieb, an dem der Kläger atypisch still unterbeteiligt ist,
objektiv möglich. Gleichwohl ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger
die Wirtschaftsgüter voraussichtlich nicht bis zum Ende des 2. auf die Bildung der
Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wird. Zum einen hat
der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen, dass im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung irgendeine dieser Investitionen getätigt worden ist. Zum anderen ist der
Senat der Auffassung, dass die Investitionen nicht losgelöst von dem Betrieb, in dem sie
getätigt werden sollen, gesehen werden können. Dabei ist weiter nicht losgelöst auf
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jedes einzelne Wirtschaftsgut abzustellen, sondern es ist auch erlaubt, sich die
Investitionen insgesamt unter dem Blickwinkel des zu fördernden Betriebes anzusehen.
Vor diesem Hintergrund sind die in der Aufstellung des Klägers benannten Investitionen,
d.h. auch im Hinblick auf die Zahl der einzelnen Wirtschaftsgüter in ihrer Gesamtheit
objektiv nicht geeignet, einen slowakischen Malerbetrieb zu fördern. Vielmehr hat der
Senat den Eindruck, dass der Kläger mit der Gestaltung seiner Beteiligung als atypisch
stiller Gesellschafter an einer slowakischen Malerfirma und der gebildeten
Ansparrücklage bewusst Investitionsgüter gewählt hat, die in ihrer Gesamtheit nicht zur
Förderung des slowakischen Malerbetriebes geeignet sind, um eine Klärung der
Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals "voraussichtlich" durch die
Rechtsprechung zu erlangen. Diese Einschätzung beruht u. a. auch aus einer
Veröffentlichung des Klägers und seines Bevollmächtigten unter dem Titel
"Erforderlichkeit einer Investitionsabsicht bei der Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3
EStG – zugleich Besprechung des Urteils des Hessischen Finanzgerichts vom
19.08.2003, Az. 2 K 1602/01, rkr. (in DStR 2004, 709, 711 unter den Ausführungen "7.
Fazit").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich, da die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
BFH erfordert.
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