Urteil des FG Münster vom 29.10.2010
FG Münster (bank, kläger, unternehmen, höhe, stadt, sanierung, schuldenerlass, sanierungsbedürftigkeit, sparkasse, immobilie)
Finanzgericht Münster, 4 K 2612/08 E
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2612/08 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, aus Billigkeitsgründen die Einkommensteuer
insoweit herabzusetzen, als ein Sanierungsgewinn entstanden ist.
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Die Kläger sind Eheleute und wurden zur Einkommensteuer des Streitjahres 2005
zusammenveranlagt. Der Kläger betreibt eine Handelsvertretung mit Sitz in K-Stadt. Für
das Jahr 2005 erklärte er durch Bestandsvergleich ermittelte Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 454.118 EUR. In diesem Gewinn enthalten war ein
außerordentlicher Ertrag in Höhe von 511.608,13 EUR. Dieser resultierte aus einem
teilweisen Darlehensverzicht der E-Bank.
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Hintergrund des Darlehensverzichtes war Folgender:
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Der Kläger errichtete im Jahr 1997 auf dem Grundstück C-Str. 1 in K-Stadt ein privates
Einfamilienhaus. Im Rahmen des seinerzeit steuerlich anerkannten sog. Zwei-Konten-
Modells entnahm der Kläger seinem Unternehmen finanzielle Mittel für den Hausbau
und finanzierte anschließend betrieblichen Mittelbedarf in Höhe eines Betrags von DM
3.065.000 über mehrere Darlehen bei der E-Bank . Die Sicherung der Darlehen erfolgte
durch Grundschulden sowohl auf der vorgenannten Immobilie (2.900.000 DM =
1.482.746 EUR) sowie auf zwei weiteren Immobilien des Klägers in K-Stadt (T-Str. 2 / 3,
insgesamt 158.500 EUR). Ferner trat der Kläger Ansprüche aus Lebensversicherungen
an die Bank ab. Im Jahr 2000 erfolgten Umfinanzierungen, da der Kläger - bedingt durch
rückläufige betriebliche Erträge, steigende betriebliche Kosten und hohe
Privataufwendungen - die Kapitaldienste gegenüber der E-Bank nur noch schwer
leisten konnte.
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Der Verkehrswert der Immobilie C-Str. 1, der im Herstellungsjahr 1997 noch mit
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2.900.000 DM (= 1.487.746 EUR) bestimmt worden war, wurde im Jahr 2002 aufgrund
schlechter Verwertbarkeit des Objekts nur noch mit 950.000 EUR geschätzt. Der
Verkehrswert der Immobilien T-Str. 2 / 3 betrug 180.000 EUR.
Nachdem der Kläger aufgrund eines weiteren Rückgangs der betrieblichen Erträge -
insbesondere aufgrund des Wegfalls von Handelsvertretungen - mit Beginn des Jahres
2002 seine Verpflichtungen gegenüber der E-Bank nicht mehr rechtzeitig und
vollständig erfüllen konnte, kündigte die Bank am 17.7.2002 die Darlehen. Eine
Rückzahlung der Darlehen erfolgte zunächst nicht. Die E-Bank betrieb daraufhin
aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts K-Stadt vom 7.4.2003 die
Zwangsvollstreckung in das Grundstück C-Str. 1. Die Vollziehung der Vollstreckung
wurde durch auflagegemäße Zahlung des Klägers von monatlich 6.000 EUR
ausgesetzt. Die Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wurde durch die
E-Bank nicht angedroht.
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Mit dem Ziel einer Umfinanzierung der Verbindlichkeiten des Klägers und der
Vermeidung der Zwangsvollstreckung der Immobilie C-Str. 1 erfolgten ab Frühjahr des
Jahres 2004 Verhandlungen des Klägers mit der E- Bank und der Sparkasse X-Stadt.
Ein Sanierungsplan wurde nicht aufgestellt. Ergebnis dieser Verhandlungen war Ende
des Jahres 2004, dass die Sparkasse X-Stadt dem Kläger zwei Darlehen in Höhe von
insgesamt 1,1 Millionen EUR zu einem Zinssatz von 5,7 % gewährte. Dabei zahlte die
Sparkasse X-Stadt der E-Bank einen Betrag von 900.000 EUR aus einem endfälligen
Darlehen des Klägers mit fester Verzinsung aus. Zudem kündigte und verwertete der
Kläger drei Lebensversicherungen und verwandte die Erlöse in Höhe von 231.388 EUR
zur Tilgung der Verbindlichkeiten bei der E-Bank. Ferner zahlte der Kläger zur Ablösung
eines sicherungsübereigneten PKW ca. 20.000 EUR an die E-Bank. Im Gegenzug
verpflichtete sich die E-Bank, die zu ihren Gunsten bestellten Grundschulden an die
Sparkasse X-Stadt abzutreten und die restlichen Darlehensverbindlichkeiten des
Klägers zu erlassen. Mit Schreiben vom 7.1.2005 bestätigte die E-Bank , dass nach
Zahlungseingang die Grundpfandrechte an die Sparkasse X-Stadt abgetreten und keine
weiteren Ansprüche gegen den Kläger geltend gemacht würden. Gegenüber dem
beklagten Finanzamt erklärte die E-Bank in einem Schreiben vom 26.09.2007, vor
Abschluss der Verhandlungen habe der Kläger verschiedene Zahlungsvorschläge
"insbesondere zur Vermeidung der Zwangsversteigerung der Immobilie" C-Str. 1
unterbreitet.
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Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2005 erfolgte im Wesentlichen
erklärungsgemäß. Der hiergegen erhobene Einspruch, mit dem die Kläger eine
Steuerfreistellung des Sanierungsgewinns von 511.608 EUR begehrten, blieb erfolglos.
Das gegen die Steuerfestsetzung vor dem Finanzgericht Münster geführte
Klageverfahren (Az. 4 K 3010/07 E) wurde nach Klagerücknahme durch Beschluss vom
07.11.2008 eingestellt.
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Seit dem Jahr 2001 entwickelte sich die betriebliche Umsatz- und Ertragssituation im
Unternehmen des Klägers wie folgt:
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2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Umsätze
sonst. betriebl. Ertrag
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außerordentl. Ertrag
Personalaufwand
Zinsaufwand
Gewinn
Entnahmen
davon ungebunden
Einlagen
* verschiedene Ausgleichszahlungen ** Grundstücksanteil C-Str. 1
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Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 9.3.2007 unter Bezugnahme auf das BMF-
Schreiben vom 27.3.2003, die Einkommensteuer 2005 aus Billigkeitsgründen gemäß §
163 der Abgabenordnung (AO) herabzusetzen und den Sanierungsgewinn nicht der
Steuer zu unterwerfen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12.7.2007
ab. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die E-Bank in Sanierungsabsicht
gehandelt habe.
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Das Einspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid blieb ohne Erfolg. In der
Einspruchsentscheidung vom 26.6.2008 führte der Beklagte aus, es sei zwar nicht
auszuschließen, dass eine Sanierungsabsicht der E-Bank vorgelegen habe. Allerdings
sei das Unternehmen des Klägers weder sanierungsbedürftig gewesen noch sei der
Schuldenerlass geeignet gewesen, das Unternehmen zu sanieren.
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Das Unternehmen des Klägers habe sich nicht in einer existenzbedrohenden Krise
befunden. Weder die Ertragslage noch die wirtschaftliche Gesamtleistungsfähigkeit
hätten einen wirtschaftlichen Ruin prognostiziert. Es seien zwar kaum liquide Mittel
vorhanden gewesen, und auch das negative Kapital des Unternehmens sei wegen der
Verbindlichkeiten hoch gewesen. Jedoch seien in den Jahren 2004 und 2005 noch
erhebliche Umsätze erzielt worden. Trotz möglicher Umsatzeinbußen habe die
gewöhnliche Geschäftstätigkeit immer noch - auch unter Nichtbeachtung des erfolgten
Schuldenerlasses - ein positives Ergebnis erbracht. Auch das negative Kapital lasse
nicht zwangsläufig auf eine Existenzgefährdung schließen, da dieses bereits seit 1998
negativ gewesen sei. Den passivierten Darlehnsverbindlichkeiten habe kein
ausgleichender Aktivposten in der Bilanz gegenüber gestanden.
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Auch hätten die Kläger nicht nachgewiesen, dass nicht durch weiteres Privatvermögen
die bestehenden Verpflichtungen hätten erfüllt werden können. Die von den Klägern
eingereichte Selbstauskunft sei nicht verlässlich, zumal sich die Kläger nicht zu der
Möglichkeit der Begutachtung durch den finanzamtseigenen Liquiditätsprüfer geäußert
hätten. Darüber hinaus sei von den Klägern nicht nachgewiesen worden, wie sich die
Liquiditätslage in den Jahren 2004 und 2005 tatsächlich dargestellt habe.
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Voraussetzung für eine Sanierungsbedürftigkeit sei zudem, dass der hohen
Verschuldung im betrieblichen Bereich eine Anpassung der Ausgaben im Privatbereich
hätte folgen müssen. Die Kläger hätten dagegen auch in den Jahren 2004 und 2005
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hohe Privatentnahmen getätigt.
Ferner habe sich durch den Teilschuldenerlass der E-Bank die wirtschaftliche Situation
der Kläger nicht grundlegend verbessert. Das Unternehmen des Klägers sei weiterhin
mit Zins- und Tilgungsleistungen stark belastet. Zudem seien auch keine Anzeichen für
eine Verbesserung der Liquiditätslage erkennbar. Bilanzposten hätten sich nicht
wesentlich verändert. Aus einem Konsolidierungskonzept der E-Bank aus dem Jahre
2000 gehe hervor, dass die Hauptursache für die schwierige wirtschaftliche Lage der
Kläger deren hohen Kosten der Lebensführung gewesen seien.
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Die Kläger haben am 10.7.2008 Klage erhoben und führen hierzu an:
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Die Umsatz- und Ertragssituation habe sich in der Folgezeit nach dem Hausbau
erheblich verschlechtert. Dies beruhe im Wesentlichen darauf, dass er - der Kläger -
eine von mehreren Handelsvertretungen verloren habe und die dafür erhaltenen
Ausgleichszahlungen direkt an die E-Bank zur Rückführung seiner Verbindlichkeiten
habe zahlen müssen. Aufgrund der fehlenden laufenden Erträge sei er nicht mehr in der
Lage gewesen, Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber der E-Bank zu erbringen. Es
sei somit sowohl ihm als auch der E-Bank klar gewesen, dass er im Falle einer
drohenden Insolvenz sämtliche Vertretungen verlöre und die E-Bank im Falle einer
Zwangsversteigerung nicht den Schätzwert der Immobilie hätte erzielen können.
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Die E-Bank habe Sanierungsabsicht gehabt. Ihr sei es zumindest auch darauf
angekommen, das Unternehmen zu sanieren. Der Bank sei bewusst gewesen, dass sie
zwei Drittel ihrer Forderungen nur unter der Voraussetzung habe retten können, wenn er
- der Kläger - seinen Betrieb hätte fortführen können, da andernfalls die Sparkasse X-
Stadt nicht der Umschuldung zugestimmt hätte.
21
Darüber hinaus sei das Unternehmen auch sanierungsbedürftig gewesen. Er, der
Kläger, sei auf das Bestehen der Kredite angewiesen gewesen. Die E-Bank habe sich
aus dem Kreditengagement zurückziehen wollen. Die Verbindlichkeiten hätten nicht aus
der Betriebssubstanz oder den laufenden Erträgen aufgebracht werden können.
Privates Vermögen habe nicht zur Verfügung gestanden.
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Der Sanierungsbedürftigkeit stehe nicht entgegen, dass das Unternehmen in 2004 und
2005 noch Gewinne erzielt habe. Entscheidend sei vielmehr, dass es ohne die
getroffenen Maßnahmen zu einer Insolvenz aufgrund der Fälligkeit der Darlehen der E-
Bank gekommen wäre.
23
Ausreichendes Privatvermögen zur Sanierung des Unternehmens habe nicht zur
Verfügung gestanden. Die Lebensversicherungen seien gekündigt worden. Sie - die
Kläger - hätten eine Selbstauskunft vorgelegt, in der eine detaillierte Liquiditätsrechnung
vorgenommen worden sei, die mit einer Unterdeckung von ca. xxxx EUR pro Monat
ende. Die Immobilie T-Str. 3 in K-Stadt hätte ebenfalls nicht erfolgversprechend zur
Schuldentilgung eingesetzt werden können.
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Der Schuldenerlass sei zur Sanierung des Unternehmens geeignet gewesen. Zum
einen sei das Unternehmen im Zeitpunkt des Erlasses als überlebensfähig angesehen
worden, da auch die Sparkasse X-Stadt von einer positiven Fortbestehensprognose
ausgegangen und bereit gewesen sei, die Geschäftstätigkeit weiter zu finanzieren. Zum
anderen habe sich die Ertragslage nach den damaligen Feststellungen besser gestaltet
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als vorher.
Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.7.2007 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.6.2008 zu verpflichten, den im
Rahmen der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte aus der Industrievertretung des
Ehemannes als außerordentlichen Ertrag erfassten Schuldenerlass der E-Bank in
Höhe von 511.608,13 EUR gemäß § 163 AO bei der
Einkommensteuerveranlagung 2005 außer Ansatz zu lassen.
27
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hält an seiner bislang vertretenen Rechtsauffassung fest.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die
vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Einspruchsentscheidung vom 26.6.2008 sowie
die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Unterlagen.
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Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten und ihren
Vertretern am 22.4.2010 erörtert. Der Senat hat in dieser Sache am 29.10.2010
mündlich verhandelt. Insofern wird auf die jeweiligen Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des Antrags auf Herabsetzung der
Einkommensteuer 2005 aus Billigkeitsgründen und die hierauf ergangene
Einspruchsentscheidung vom 26.6.2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht
in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)). Die Entscheidung
des Beklagten, die Einkommensteuer 2005 nicht teilweise nach § 163 AO abzulehnen,
ist frei von Ermessensfehlern.
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Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die
Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Es handelt sich um
eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO) der Finanzbehörde, bei der Inhalt und Grenzen
des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. Beschluss des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971, GmS-
OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl II 1995,
297; Rüsken in Klein, AO, 10. Aufl., § 163 Rz. 118).
36
Die Ermessensentscheidung einer Behörde kann vom Finanzgericht nur in den von §
102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden. Nach dieser Vorschrift ist die
gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Urteile vom 29.3.2007 IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617;
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vom 14.6.2000 X R 56/98, BStBl II 2001, 60; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO Rz.
75). Das Finanzgericht ist nicht berechtigt, eigenes Ermessen auszuüben und an die
Stelle des Ermessens der Finanzbehörden zu setzen. Es hat deshalb auch nicht
nachzuprüfen, ob die Ermessensentscheidung richtig oder angebracht ist oder ob sie
sich aus anderen als den der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zugrunde
liegenden Erwägungen als richtig erweist (BFH-Urteil vom 12.6.1996 II R 71/94,
BFH/NV 1996, 873). Nur ausnahmsweise kann das Finanzgericht eine Verpflichtung
zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum derart
eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht
kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null; vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R
104/92, BStBl II 1995, 297).
Im Streitfall hat der Beklagte die Voraussetzungen der Unbilligkeit im Sinne des § 163
Satz 1 AO im Rahmen seiner Ermessensentscheidung in nicht zu beanstandender
Weise verneint.
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Sachliche Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der
erkennende Senat anschließt, vor, wenn die Besteuerung unabhängig von den
wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen im Einzelfall mit dem Sinn und
Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist und deshalb den gesetzlichen Wertungen
zuwiderläuft (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9.9.1993 V R 45/91, BStBI II 1994, 131; vom
23.9.2004 V R 58/03, BFH/NV 2005, 825; BVerfG-Beschluss vom 13.12.1994 2 BvR
89/91, HFR 1995, 220). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des
gesetzlichen Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, können eine
Billigkeitsmaßnahme nicht rechtfertigen, da die generelle Geltung des Gesetzes durch
eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden darf (vgl. BFH-Urteil vom
16.11.2005 X R 3/04, BStBl II 2006, 155).
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Die Besteuerung von außerordentlichen Erträgen aufgrund eines Schuldenerlasses im
Rahmen von Sanierungsmaßnahmen entspricht der im Streitjahr 2005 geltenden
Gesetzeslage. Nach § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis zum
31.12.1997 geltenden Fassung war dagegen ein bilanzieller Gewinn, der dadurch
entstand, dass betriebliche Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise
erlassen wurden, steuerfrei. Die sachliche Rechtfertigung der Steuerbefreiung des
Sanierungsgewinns lag in dem Ziel, das Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens,
insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer und
mittelbar auch seiner Geschäftspartner am Leben zu erhalten (BFH-Urteil vom
24.4.1986 IV R 282/84, BStBl II 1986, 672). Die Steuerpflicht des Sanierungsgewinns
wäre kontraproduktiv zum vorgenannten Sanierungsziel gewesen. Die nach Einführung
des zeitlich unbegrenzten Verlustvortrags bestehende Doppelbegünstigung hat den
Gesetzgeber veranlasst, mit Wirkung ab 1.1.1998 die gesetzliche Steuerfreiheit von
Sanierungsgewinnen abzuschaffen. Nur einzelnen persönlichen oder sachlichen
Härtefällen sollte - so der Gesetzgeber - im Stundungs- und Erlasswege begegnet
werden (vgl. BT-Drs. 13/7480, S. 192; vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 14.7.2010 X R
34/08, BFHE 229, 502, DStRE 2010, 1268). Für den Erlass oder die abweichende
Steuerfestsetzung von Sanierungsgewinnen aus sachlichen Billigkeitsgründen hat das
BMF am 27.3.2003 eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Anwendung der
Billigkeitsregeln in diesen Fällen vereinheitlichen soll (BStBl I 2003, 240). Eine
Sanierung liegt danach bei einer Maßnahme vor, die darauf gerichtet ist, ein
Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch zu
bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (unternehmensbezogene Sanierung).
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Liegen die Voraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des
Unternehmens, die Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die
Sanierungsabsicht der Gläubiger vor, soll der außerordentliche Ertrag nach
Verrechnungen mit bestehenden Verlusten nicht der Einkommensteuer unterliegen (vgl.
Tz. 12 des BMF-Schreibens vom 27.3.2003).
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung des
Sanierungsgewinns aus Billigkeitsgründen nicht gegeben. Der Beklagte hat seine
ablehnende Entscheidung ermessensfehlerfrei u.a. darauf gestützt, dass das
Unternehmen des Klägers zum Zeitpunkt des teilweisen Schuldenerlasses durch die E-
Bank nicht sanierungsbedürftig war. Sanierungsbedürftigkeit liegt nur vor, wenn ohne
die Sanierung die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung
der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden
kann. Es kommt entscheidend darauf an, wie sich das Unternehmen ohne den
Schuldenerlass weiterentwickelt hätte. Für die Frage der Sanierungsbedürftigkeit sind
insbesondere die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der
Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die
Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, d.h. das Verhältnis
der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldlast, die Gesamtleistungsfähigkeit des
Unternehmens und die Höhe des Privatvermögens maßgebend (BFH-Urteil vom
14.3.1990 I R 64/85, BStBl II 1990, 810).
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Die Kläger haben - worauf der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht
hinweist - nicht substantiiert dargelegt, dass die Betriebssubstanz des Unternehmens
ohne den Schuldenerlass der E-Bank nicht hätte erhalten werden können. Trotz der
bilanziellen Überschuldung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das
Unternehmen insolvenzgefährdet war und - wie die Kläger behaupten - ohne den
Schuldenerlass die unternehmerische Existenz des Klägers gefährdet worden wäre. Ein
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde von der E-Bank nach Aussage des
Klägers auch nicht angedroht bzw. in Aussicht gestellt. Dies lag auch deshalb nicht
nahe, da die E-Bank vor dem Schuldenerlass Befriedigung durch die
Zwangsvollstreckung der Immobilie C-Str. 1 suchte und zudem durch weitere
Grundschulden an den Immobilien T-Str. 2 und 3 in K-Stadt sowie durch abgetretene
Ansprüche aus Lebensversicherungen gesichert war. Eine insolvenzbedingte
Zerschlagung des Unternehmens des Klägers wäre weder aus Gläubiger- noch aus
Schuldnersicht zielführend gewesen, da das Unternehmen über kein nennenswertes
Aktivvermögen verfügte. Die Ertragskraft ergab sich aus der originären
Handelsvertretertätigkeit des Klägers selbst, die es beizubehalten galt.
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Darüber hinaus hat der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend
ausgeführt, dass die Ertragslage des Unternehmens des Klägers trotz "Krise" stabil
geblieben ist. Das Unternehmen ist - wie die Gewinn- und Verlustrechnungen der Jahre
2001 bis 2005 belegen - nicht in die Verlustzone geraten. Die Umsätze aus der
laufenden Handelsvertretertätigkeit und auch die Ausgleichszahlungen nach § 89b des
Handelsgesetzbuches (HGB) waren durchgängig ausreichend, um neben den
betrieblichen Aufwendungen auch die - ebenfalls betrieblich bedingte - erhebliche
Zinslast zu bedienen. Die Handelsvertretung des Klägers als solche war trotz
rückläufiger Umsätze profitabel. Zwar hat der Reichsfinanzhof - worauf die Kläger
hinweisen - in einer Entscheidung aus dem Jahr 1938 ausgeführt, dass die (fehlende)
Sanierungsbedürftigkeit nicht lediglich danach entschieden werden könne, ob das
Unternehmen noch Gewinne abwerfe (RFH-Urteil vom 23.03.1938 VI 95/38, RStBl
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1938, 296). Befindet sich das Unternehmen - wie im Streitfall - allerdings durchgängig in
einer positiven Ertragslage, und zwar sowohl vor als auch nach dem Schuldenerlass,
indiziert diese Stetigkeit nach Ansicht des Senats eine fehlende
Sanierungsbedürftigkeit. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte in seiner
Einspruchsentscheidung auch sachlich zutreffend darauf abgestellt, dass durch die
Umfinanzierung die jährlich Zinslast lediglich geringfügig gesenkt wurde. Im Jahr 2005
betrug der gegenüber der Sparkasse X-Stadt angefallene Zinsaufwand ca. 62.700 EUR
. Im Jahr 2004 wurde für die abgelösten Darlehen der E-Bank ein Zinsaufwand in Höhe
von 87.600 EUR verbucht. Die Minderung der Zinslast in Höhe von ca. 25.000 EUR
indiziert nicht die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens des Klägers. Im Jahr 2005
- dem Sanierungsjahr - wäre das Unternehmen hierdurch nicht in die Verlustzone
geraten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Umfinanzierung die Ertragslage des
Unternehmens nicht nachhaltig verbesserte. Bereits im Jahr 2007 stieg der jährliche
Zinsaufwand - ohne dass hierfür betriebliche Investitionen erkennbar wären - wieder auf
einen Betrag von ca. 95.000 EUR.
Die bilanzielle Überschuldung des Unternehmens des Klägers rechtfertigt ebenfalls
nicht die Annahme der Sanierungsbedürftigkeit. Zum einen erfolgte der teilweise
Schuldenerlass durch die E-Bank nicht ohne negative Kompensation. Das
Unternehmen des Klägers blieb durch die "neuen" Darlehensverbindlichkeiten
gegenüber der Sparkasse X-Stadt in Höhe von 1.100.000 EUR weiterhin bilanziell
erheblich überschuldet; das Betriebsvermögen zum 31.12.2005 hatte einen Negativwert
von xxxxxxx EUR.
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Zum anderen muss nach Auffassung des Senats - insbesondere bei einer
Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO - die wirtschaftliche Ursache für die bilanzielle
Überschuldung des Unternehmens berücksichtigt werden. Diesen Aspekt berücksichtigt
auch der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung. Im Streitfall war Grund für das seit
dem Jahr 1998 durchgängig bestehende negative Betriebsvermögen nicht der
Rückgang der Umsätze und die hiermit einhergehende Verschlechterung der
Ertragslage, sondern der Umstand, dass den hohen Darlehensverbindlichkeiten kein
nennenswertes Aktivvermögen gegenüberstand. Die Anschaffungskosten für das
seinerzeit ausschließlich privat genutzte Einfamilienhaus C-Str. 1 in Höhe von ca. 3 Mio.
DM wurden vom Kläger durch die Entnahme betrieblicher Mittel erbracht. Der sodann
entstandene betriebliche Liquiditätsbedarf wurde durch Darlehen bei der E-Bank
fremdfinanziert (sog. Zwei-Konten-Modell). Obwohl bei einer wertenden
Gesamtbetrachtung durch diese Gestaltung zumindest mittelbar ein Wirtschaftsgut des
Privatvermögens finanziert wurde, waren und sind - aus Gründen der
Finanzierungsfreiheit des Unternehmers - die Schuldzinsen als Betriebsausgaben
abzugsfähig. Die tatsächliche, d.h. unmittelbare Darlehensverwendung hat betrieblichen
Charakter (BFH-Beschluss vom 08.12.1997 GrS 1-2/95, BStBl II 1998, 193; BFH-Urteil
vom 18.05.2010 X R 49/08, juris).
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Die steuerliche Anerkennung der Schuldzinsen als Betriebsausgaben bei einer
Fremdfinanzierung im Wege des Zwei-Konten-Modells ist allerdings von der Frage zu
trennen, ob die hierdurch verursachte bilanzielle Überschuldung des Unternehmens
dessen Sanierungsbedürftigkeit indiziert und somit den Billigkeitserlass der auf den
Sanierungsgewinn entfallenden Steuer rechtfertigen kann. Eine Billigkeitsprüfung darf
sich nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen. Vielmehr
verlangt die Billigkeitsprüfung neben der Einbeziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze
und verfassungsmäßiger Wertungen eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die
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Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich
sind (BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297). Hierbei sind -
insbesondere im Hinblick auf den Ausnahmecharakter eines Erlasses und die
Einzelfallgerechtigkeit - nach Ansicht des erkennenden Senats auch die Ursachen für
die erlassbegehrende Situation zu berücksichtigen.
Im Streitfall war die Krisensituation der Kläger vordergründig privat veranlasst. Neben
den hohen Lebenshaltungskosten (vgl. hierzu die Auflistung in Anlage 1 zur
Einspruchsentscheidung vom 26.6.2008), durch die dem Betrieb liquide Mittel entzogen
wurden und deren Begrenzung bereits im Rahmen des ersten
Umfinanzierungskonzeptes aus dem Jahr 2000 von der E-Bank gefordert wurde, führte
der finanziell aufwändige Bau des Einfamilienhauses C-Str. 1 in den Jahren 1997/1998
zu einer erheblichen Belastung des Betriebsvermögens. Ohne die Entnahme der
betrieblichen Mittel für die Herstellung des Einfamilienhauses in Höhe von ca. 3 Mio.
DM wäre der entsprechende Fremdfinanzierungsbedarf für betrieblichen Aufwand nicht
entstanden. Wirtschaftlich betrachtet wurde über das Zwei-Konten-Modell steuerlich
unbeachtlicher Privataufwand zu abzugsfähigem Betriebsaufwand generiert.
Berücksichtigt man die unter Geltung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. herangezogene
Zielsetzung der Steuerfreistellung eines Sanierungsgewinns, nämlich den sanierten
Betrieb als Faktor des Wirtschaftslebens und als Einkunftsquelle des Unternehmers
aufrechtzuerhalten, hat dies nach Auffassung des erkennenden Senats
unausgesprochen zur Voraussetzung, dass mit der Sanierung einer Fehlentwicklung mit
betrieblich veranlasstem Ursprung entgegengesteuert werden sollte. Beruht die
unternehmerische Fehlentwicklung - wie hier - auf dem Einsatz betrieblicher Mittel für
die Anschaffung eines privaten Wirtschaftsguts und unterlässt es der Unternehmer,
dieses Wirtschaftsgut zur Sanierung des Unternehmens einzusetzen, dann ist es nicht
unbillig, den sodann durch anderweitige Sanierungsmaßnahmen ausgelösten Gewinn
der Steuer zu unterwerfen.
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Die Erforderlichkeit des vorrangigen Einsatzes von Privatvermögen zur Sanierung
entspricht auch bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen. Behielt der Unternehmer
Privatvermögen zurück, obwohl dessen Verwertung zur Sanierung des Unternehmens
hätte beitragen können, war dies auch nach der zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen
Rechtsprechung ein möglicher Ausschlussgrund für eine Steuerfreistellung des
Sanierungsgewinns (BFH-Urteile vom 10.4.2003 IV R 63/01, BStBl II 2004, 9; vom
27.1.1998 VIII R 64/96, BStBl II 1998, 537). Dies muss zur Überzeugung des Senats - im
wesentlichen Einklang mit den Erwägungen des Beklagten - erst Recht gelten, wenn die
Anschaffung von Privatvermögen die maßgebliche wirtschaftliche Ursache für die
Überschuldung war. Dürfte der Unternehmer in diesem Fall sein Privatvermögen
verschonen, ohne die Steuerfreiheit des bilanziellen Gewinns aus dem Schulderlass zu
gefährden, wäre dies mit der früheren Finanzierungsgestaltung, die gerade darauf
abzielte, betrieblichen Finanzierungsbedarf durch zweckgebundene Entnahmen zu
schaffen, im Rahmen einer vorliegend zu treffenden Billigkeitsentscheidung nicht zu
vereinbaren. Der Einsatz jenes Privatvermögens zur vollen oder zumindest teilweisen
Schuldentilgung wäre der erforderliche Ausgleich zur bisherigen - steuergünstigen -
Finanzierungsgestaltung.
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Im Streitfall haben die Kläger ihr wesentliches Privatvermögen vom Einsatz für eine
Schuldentilgung verschont. Die von der E-Bank eingeleitete Zwangsvollstreckung in die
privat genutzte Immobilie C-Str. 1 wurde durch auflagegemäße Zahlung von monatlich
6.000 EUR, später in Höhe von monatlich 3.000 EUR abgewendet und nach dem
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Schulderlass im Februar 2005 eingestellt. Das Objekt hatte im Jahr 2002 ausweislich
des Gutachtens der Sparkasse K-Stadt vom 11.3.2002 zumindest einen Beleihungswert
von 950.000 EUR. Der Beleihungswert repräsentiert den Wert einer Kreditsicherheit,
von dem mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, dass er sich langfristig zu
jedem beliebigen Zeitpunkt realisieren lässt. Es wäre den Klägern zuzumuten gewesen,
das Objekt C-Str. 1 zur Sanierung einzusetzen, ebenso wie die weiteren privaten
Immobilien T-Str. 2/3 und - wie geschehen - ihre Lebensversicherungsansprüche.
Hierbei bedarf es keiner Beurteilung durch den Senat, welchen Wert die Immobilien der
Kläger im Falle der Fortführung der Zwangsvollstreckung tatsächlich erzielt hätten. Im
Einvernehmen zwischen den Klägern und der E-Bank als erstrangig gesicherte
Grundpfandgläubigerin wäre die Initiative zum freihändigen Verkauf in jedem Fall
wertstabiler gewesen, so dass davon auszugehen ist, dass zumindest die unter dem
Verkehrswert liegenden Beleihungswerte erreicht worden wären.
Auch die Wertdiskrepanz zwischen den - mittelbar - betrieblich finanzierten
Anschaffungskosten des Objekts C-Str. 1 in Höhe von ca. 3 Mio. DM und dem
Beleihungswert von ca. 1.858.000 DM (= 950.000 EUR) hätte es im Rahmen der hier zu
entscheidenden Streitfrage nicht gerechtfertigt, von einer Verwertung abzusehen. Denn
Grund für den Wertverfall waren keine allgemeingültigen Preisrückgänge am
Grundstücksmarkt, sondern die einzelfallspezifischen Besonderheiten des Objekts, das
ausweislich des Gutachtens der Sparkasse K-Stadt vom 11.3.2002 aufgrund einer
Wohnfläche von ca. 560 qm und der "großzügigsten Wohnanforderungen"
entsprechenden Bauweise nur einen sehr kleinen Interessentenkreis ansprach. Auch
dieser Umstand war auf die private Lebensgestaltung der Kläger zurückzuführen und
steht einer Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens entgegen.
50
Unabhängig hiervon weist der Senat ergänzend darauf hin, dass auch keine
überzeugenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die E-Bank den teilweisen
Schulderlass in der Absicht der Sanierung des Unternehmens des Klägers
ausgesprochen hat. Zwar sind an die Sanierungsabsicht im Regefall keine hohen
Anforderungen zu stellen. Eigennützige Motive des Gläubigers sind unschädlich; eine
Mitursächlichkeit der Sanierungsabsicht reicht aus (vgl. BFH-Urteile vom 26.11.1980 I R
52/77, BStBl II 1981, 181; vom 27.1.1998, VIII R 64/96, BStBl II 1998, 537). Allerdings
wird beim Schuldenerlass nur eines Gläubigers lediglich im Ausnahmefall eine
Sanierungsabsicht bejaht (Erhard in Blümich, EStG, § 3 Rz. 841). In diesem Fall muss
die Sanierungsabsicht besonders dargelegt werden (BFH-Urteil vom 26.11.1980 I R
52/77, BStBl II 1981, 181).
51
Hieran fehlt es im Streitfall. Eine Sanierung des Unternehmens des Klägers dürfte noch
nicht einmal ein Begleitmotiv der E-Bank gewesen sein. Vielmehr ergibt sich aus den
vorgelegten Unterlagen, dass das Kreditinstitut - nachdem bereits die hausinterne
Umfinanzierung im Jahr 2000 ohne nachhaltigen Erfolg geblieben ist - gewillt war, die
Geschäftsbeziehung zum Kläger zu beenden. Durch den Schuldenerlass Anfang des
Jahres 2005 wurden die langwierigen Verhandlungen über die Modalitäten der
Rückzahlung der bereits im Juli 2002 gekündigten Darlehen beendet. Zudem dürfte das
entscheidende Motiv für den teilweisen Schuldenerlass - wie sich aus dem Schreiben
der E-Bank vom 26.09.2007 ergibt - die Vermeidung der bereits seit dem Jahr 2003
laufenden Zwangsvollstreckung der privaten Immobilie der Kläger gewesen sein. Die E-
Bank war sowohl durch die Grundschulden auf den privaten Immobilien der Kläger als
auch durch die abgetretenen Lebensversicherungsansprüche in einem Umfang
gesichert, der wertmäßig den Inhalt der Umfinanzierungs- und
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Schulderlassvereinbarung Ende des Jahres 2004 sogar überstieg. Den
Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der E-Bank in Höhe von ca. 1.500.000 EUR
standen zur Sicherheit die Immobilie C-Str. 1 mit einem - gegenüber dem Verkehrswert
niedrigeren - Beleihungswert von 950.000 EUR , die Immobilien T-Str. 2/3 mit einem
Verkehrswert von ca. 180.000 EUR , abgetretene Lebensversicherungsansprüchen im
Wert von ca. 250.000 EUR sowie eine sicherungsübereigneter Pkw des Klägers im Wert
von ca. 20.000 EUR gegenüber (insgesamt somit Sicherheiten im Wert von ca.
1.400.000 EUR ). Tatsächlich erzielt hat die E-Bank eine "Auslösung" nur in Höhe von
insgesamt 1.151.388 EUR (900.000 EUR Umfinanzierung; 231.388 EUR Verwertung
Lebensversicherungen; 20.000 EUR Auslösung Pkw). Dennoch hielt die E-Bank die
Schulderlassvereinbarung für "wirtschaftlich vertretbar" (vgl. Schreiben vom
26.09.2007). Der Verzicht auf ein "Mehr" dürfte aber nicht auf eine Absicht zur
Unternehmenssanierung zurückzuführen sein, sondern seine Ursache allein darin
gehabt haben, dass sich die E-Bank den Unwägbarkeiten und finanziellen Risiken des
Immobiliar-Zwangsvollstreckungsverfahrens bewusst war und der Teilverzicht auf die
Forderungen die bereits berücksichtigte Einzelwertberichtigung in einer Größenordnung
von 200.000 bis 300.000 EUR (vgl. Schreiben der Prozessbevollmächtigten an den
Kläger vom 31.3.2004) nicht wesentlich überstieg.
Ob der Schuldenerlass der E-Bank geeignet war, eine Sanierung des Unternehmens
des Klägers zu bewirken, bedarf aus vorgenannten Gründen keiner Entscheidung mehr.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO) zu.
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