Urteil des FG Münster vom 10.04.2003

FG Münster: gemeinsamer zweck, abtretung, käufer, rechtsgeschäft, zwangsversteigerung, zwischenhändler, kreditgeschäft, erfüllung, marktpreis, kreditvertrag

Finanzgericht Münster, 8 K 2752/02 GrE
Datum:
10.04.2003
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 2752/02 GrE
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Zu entscheiden ist, ob die Klägerin im Rahmen einer Grundstücksveräußerung
grunderwerbsteuerlich als Zwischenhändlerin aufgetreten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7
GrEStG). Der Kaufmann T war bzw. ist Eigentümer mehrerer im Wohnungsgrundbuch
von D eingetragener Wohnungseigentumsrechte. Auf dem entsprechenden Grundstück
sollten insgesamt 18 Eigentumswohnungen errichtet werden. Hierzu hatte Herr T bei der
Klägerin ein Darlehen in Höhe von 4,5 Millionen DM aufgenommen, das an dem
Grundstück grundbuchrechtlich gesichert wurde. Ende 1997 wurde über das Vermögen
des Herrn T das Konkursverfahren eröffnet. Die Eigentumswohnungen waren zu diesem
Zeitpunkt erst teilweise fertig gestellt. Sie waren auch noch nicht vollständig an
Wohnungseigentumsinteressenten veräußert. Aufgrund der Grundbuchbelastungen gab
der Konkursverwalter das Gesamtobjekt wieder frei. Mit notariell beurkundeter Erklärung
vom 6. März 1998 (UR-Nr. .../1998, Notar I) unterbreitete Herr T der Klägerin den
Abschluss eines Kaufvertrages hinsichtlich dieses Grundbesitzes. Das Angebot kann
von der Klägerin selbst oder von einer ihr zu benennenden dritten Person angenommen
werden, und zwar auch teilweise, also hinsichtlich eines einzelnen
Wohnungseigentumes. Es ist unwiderruflich unterbreitet und zunächst bis zum
31.12.2002 befristet. Zum Zeitpunkt der Unterbreitung dieses Angebotes befanden sich
die Wohnungen weiterhin noch im Zustand der Bebauung. Zu dem Grundbesitz gehört
u. a. der im Wohnungsgrundbuch von D, Blatt ... eingetragene Miteigentumsanteil
(453,967/10.000) verbunden mit dem Sondereigentum an der im Obergeschoss links
des Hauses M-straße ... gelegenen Wohnung nebst Sondernutzungsrechten, Nr. 4 des
Aufteilungsplanes (Kaufobjekt). Mit notariellem Vertrag vom 1. Dezember 1998 (UR-Nr.
.../1998, Notar I) benannte die Klägerin als "dritte Personen" die Eheleute L, die das
oben bezeichnete Kaufangebot annehmen wollten. Gleichzeitig trat die Klägerin ihre
Rechte aus der in Abteilung II Nr. 4 eingetragenen Auflassungsvormerkung an die Ehel.
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L ab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die notariellen Urkunden vom 6. März und 1.
Dezember 1998 verwiesen. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 28.04.1999 den
Grundstückswert des Kaufobjektes mit 94.000,00 DM gesondert festgestellt hatte (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 138 Abs. 2 und 3 Bewertungsgesetz und § 182 AO), setzte
er mit weiterem Bescheid vom 04.05.1999, ausgehend von dem festgestellten
Grundstückswert, gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 3.290,00 DM fest.
Der Beklagte sah den Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG als
erfüllt an. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein. Während über den
Bescheid gegen die Feststellung des Grundstückswertes noch nicht entschieden ist,
wurde der Einspruch gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung (Bescheid vom
04.05.1999) mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2002 als unbegründet
zurückgewiesen. Mit der daraufhin erhobenen Klage begehrt die Klägerin die
Aufhebung dieses Bescheides. Sie meint im Wesentlichen, sie sei nicht wie ein
Zwischenhändler tätig geworden. Zwar könne ein so genanntes "Oder-Angebot" zu
einer Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 GrEStG führen. Das gelte
jedoch nicht, wenn bei der Entgegennahme dieses Angebotes stellvertretendes
Handeln gewollt sei. Ein derartiger Sachverhalt liege im Streitfall vor. Mit der
Benennung der Käufer habe sie das Angebot des Herrn T nicht für sich selbst, sondern
nur für die Käufer wahrnehmen wollen. Kaufpreisansprüche für die Wohnungen seien
ihr bereits abgetreten gewesen. Auch sei eine einmalige Verlängerung des Angebotes
des Herrn T bis zum 31.12.2007 möglich. Eine derartige Option mache keinen Sinn,
wenn das Angebot von ihr, der Klägerin, selbst angenommen werden sollte. Es diene
daher lediglich dazu, Käufer für die Wohnungen zu finden. Dafür spreche auch, dass
das Angebot auch zu einem höheren Quadratmeterpreis angenommen werden könne,
als dort genannt. Letztlich sei es den Vertragsparteien, also Herrn T und der Klägerin,
lediglich um eine Sicherung und Tilgung eines Kreditgeschäftes gegangen. Sie, die
Klägerin, erstrebe durch das Benennungsrecht keinen eigenen, wirtschaftlichen Vorteil,
der sich aus dem Benennungsrecht ableite. Nur unter dieser Voraussetzung könne aber
nach der BFH-Rechtsprechung ein Zwischenhandel angenommen werden (vgl. BFH-
Urteil vom 15. März 2000, II R 30/98, BFHE 191, 419, BStBl. II 2000, 359). In diesem
Urteil vom 15. März 2000, habe der Bundesfinanzhof betont, dass ein Zwischenhandel
nicht vorliege, soweit der Berechtigte sein Benennungsrecht im Interesse des
Grundstücksveräußerers oder des präsumtiven Erwerbers ausübe. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17.05.2002
verwiesen. Die Klägerin beantragt, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 04.05.1999
und die Einspruchsentscheidung vom 15.04.2000 aufzuheben, hilfsweise, die Revision
zuzulassen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Unter Bezugnahme auf
seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2002 meint er im
Wesentlichen, die Klägerin habe sich als Zwischenhändlerin betätigt. Gemeinsamer
Zweck der Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG sei, den Grundstückhandel
zu erfassen, der der Grunderwerbsteuer für die Weiterveräußerung dadurch ausweiche,
dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zum Verkauf von
Grundstücken handele. Ungeschriebene Voraussetzung dieser Erwerbstatbestände sei,
dass der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen eigener wirtschaftlicher Interessen
oder wirtschaftlicher Interessen Dritter verwerte, denen gegenüber er im Hinblick auf die
Ausübung des Benennungsrechtes vertraglich gebunden sei. Das gelte für die so
genannten "Oder-Angebote". Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, denn die
Klägerin habe durch die notarielle Verhandlung am 06.03.1998 eine Rechtsposition
erlangt, die es ihr ermöglichte, das Kaufangebot für sich selbst anzunehmen oder auf
den Markt zu bringen. Sie sei in der Auswahl der potentiellen Erwerber frei gewesen.
Auch habe sie über das Kaufangebot uneingeschränkt disponieren können und dieses
sogar selbst annehmen können. Erst die Benennung durch die Klägerin habe bewirken
können, dass der Kaufinteressent das Grundstück auch erwerbe. Eine schlichte
Stellvertretung der Klägerin, vergleichbar einer Grundstücksvermittlung durch einen
Makler, scheide aus, weil hierfür die Einräumung des Alleinvertriebes ausgereicht hätte.
Im Übrigen habe der erkennende Senat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 29.08.2001
für einen Parallelfall den Tatbestand des Zwischenhandels als erfüllt angesehen. Die
dortigen Ausführungen (Az.: 8 K 6097/99 GrE) träfen auch auf den vorliegenden Streitfall
zu. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15.04.2002
Bezug genommen. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
1.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983 unterliegt u. a. ein Rechtsgeschäft, das den
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Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruches hinsichtlich eines inländischen
Grundstückes begründet, der Grunderwerbsteuer. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG
unterliegt auch ein Rechtsgeschäft für ein inländisches Grundstück, das den Anspruch
auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, der Grunderwerbsteuer.
Dabei steht dem Kaufangebot ein Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrages
gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann. Darüber hinaus unterliegt
auch die Abtretung der in den Nr. 5 und 6 des § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneten Rechte
der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den
Anspruch auf Abtretung der Rechte begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG). Gemeinsamer
Zweck dieser Regelungen ist, den Grundstückshandel zu erfassen, der der
Grunderwerbsteuer für die Veräußerung dadurch ausweicht, dass er nicht mit
Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (BFH-
Urteile vom 22. Januar 1997, II R 97/94, BFHE 122, 222, BStBl. II 1997, 411). Weitere,
umgeschriebene Voraussetzung zur Erfüllung eines dieser Tatbestände ist, dass der
Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen eigener wirtschaftlicher Interessen oder
wirtschaftlicher Interessen Dritter verwertet, denen er gegenüber im Hinblick auf die
Ausübung des Benennungsrechtes vertraglich verbunden ist. Das gilt auch für so
genannte "Oder-Angebote". Hiermit werden Angebote bezeichnet, die vom
Angebotsempfänger selbst oder von einem vom Angebotsempfänger benannten Dritten
angenommen werden können (BFH-Urteile vom 15. März 2000, II R 30/98, BFHE 191,
419, BStBl. II 2000, 359, vom 22. Januar 1997, II R 97/94, BFHE 122, 222, BStBl. II
1997, 411, vom 3. März 1993, II R 89/89, BFHE 170, 468, BStBl. II 1993, 453 und vom 6.
März 1989, II R 135/86, BFHE 158, 135, BStBl. II 1989, 984, jeweils m. w. N.). Die
Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen wird grundsätzlich dann indiziert, wenn
der Benennungsberechtigte vertraglich die uneingeschränkte Möglichkeit hat, das
Grundstück zu seinem Vorteil weiterzugeben (BFH-Urteil vom 22. Januar 1997, II R
97/94, BFHE 182, 222, BStBl. II 1997, 411).
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Im Streitfall ist die Klägerin wie ein Zwischenhändler im Sinne der oben genannten
Regelungen und der angeführten Rechtsprechung aufgetreten. Mit der Benennung der
Wohnungskäufer, verbunden mit der Auflassung und der Abtretung aus der
Auflassungsvormerkung ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG erfüllt. Zu Recht
geht der Beklagte von einem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Klägerin im Sinne
der obigen Rechtsprechungsgrundsätze aus. Dieses ist darin zu sehen, dass die
Klägerin durch das ihr eingeräumte Benennungsrecht die Möglichkeit erhält, das mit
Herrn T abgeschlossene Kreditgeschäft ohne die Gefahr eines teilweisen Ausfalles von
Forderungen durchführen zu können. Sie kann nicht nur selbst nach Wohnungskäufern
suchen, sondern auch allein bestimmen, wann und in welchem Ausmaß ein höherer als
der vereinbarte Mindestpreis zu zahlen ist. Sie ist damit in der Lage, ohne weitere
Einflussnahme des Grundstückseigentümers die Verkäufe und insbesondere den
Marktpreis für die Wohnungen auszuhandeln und zu bestimmen. Dadurch kann sie das
Risiko eines Kreditausfalles verringern. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese
Situation mit der Situation bei der Zwangsversteigerung eines Grundstückes nicht
vergleichbar, bei der die Verwertung nicht auf Rechnung des die Zwangsversteigerung
betreibenden Gläubigers, sondern auf Rechnung des Grundstückseigentümers erfolgt,
denn die Klägerin kann sich, anders als im Zwangsversteigerungsverfahren, auf dem
freien Grundstücksmarkt bewegen. Dementsprechend kann sie bei besonders günstiger
Marktentwicklung sogar die Möglichkeit nutzen, insgesamt einen höheren Gewinn zu
erzielen, als er bei einer reinen vollständigen Kreditabwicklung eintreten kann, denn die
Klägerin kann selbst verbleibende, zur Kredittilgung nicht benötigte Wohnungen zum
Mindestpreis ankaufen, ohne sich eine Vertragsverletzung aus dem Kreditvertrag mit
dem Wohnungseigentümer vorwerfen lassen zu müssen. Unabhängig von diesen
Möglichkeiten besteht darüber hinaus bei jedem Verkauf an Dritte auch die Möglichkeit,
den Grundstückskäufern Kredite aus eigenem Hause zu verschaffen, denn es steht der
Klägerin frei, nur derartige Wohnungsinteressenten zu akzeptieren. Unerheblich ist, ob
diese Vorteile tatsächlich eintreten (BFH-Urteil vom 6. September 1989, II R 135/86,
BFHE 158, 135, BStBl. II 1989, 984). Diese ureigenen Interessen der Klägerin reichen in
Verbindung mit dem ihr eingeräumten Benennungsrecht und dem vorgenommenen
Weiterverkauf des ihr überlassenen Wohnungseigentumes aus, den Tatbestand des § 1
Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu erfüllen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO - vgl. auch Revisionsverfahren II R 12/00 gegen das Urteil vom 14. April 1999 des
Finanzgerichts München, Az.: 4 K 447/96, EFG 2000, 451, entschieden durch das BFH-
Urteil vom 18. Dezember 2002, Juris-Dokument-Nr. STRE 200310085,
Zurückverweisung).
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