Urteil des FG Münster vom 30.11.2005

FG Münster: berufsbild, einkünfte, erstellung, bauunternehmer, einspruch, vertrauensschutz, gewerbesteuer, ausführung, gefahr, stadt

Finanzgericht Münster, 1 K 6112/02 G
Datum:
30.11.2005
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 6112/02 G
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht des Klägers für die Streitjahre 1996 bis 1999.
2
Der Kläger ist Diplomingenieur und als Architekt tätig. Nach einer steuerlichen
Außenprüfung für die Jahre 1984 bis 1986 hatte der Beklagte die Einkünfte aus der
Tätigkeit des Klägers als selbständig qualifiziert. In diesen Jahren war der Kläger auch
Anteilseigner der D GmbH gewesen. Nach der Liquidation dieser GmbH meldete er am
19.12.1989 bei der Stadt H eine gewerbliche Tätigkeit an. Dabei bezeichnete er diese
Tätigkeit als Erstellung von teil- und schlüsselfertigen Gebäuden sowie die Vermittlung
von Aufträgen an Fremdfirmen.
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Der Kläger ermittelte für die Jahre 1988 bis 1993 die Einkünfte als Architekt von denen
aus Baubetreuungstätigkeit getrennt. Für das Jahr 1989 gab der Kläger eine
Gewerbesteuererklärung ab, für die Jahre 1990 und 1991 wurden
Gewerbesteuermessbeträge aufgrund nicht abgegebener Gewerbesteuererklärungen
geschätzt. Für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlung wurde ein
Gewerbesteuermeßbetrag 1993 festgesetzt.
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Aufgrund des Einspruchs des Klägers vom 13.3.1993 wurden die
Gewerbesteuerbescheide 1990 und 1991 sowie der Vorauszahlungsbescheid 1993 mit
Schreiben vom 29.9.1993 aufgehoben. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre
1994 bis 1997 wiesen entsprechend eingereichter Erklärungen keine Einkünfte aus
Gewerbebetrieb aus. Die Tätigkeiten des Klägers als Architekt wurden insgesamt, also
auch in Bezug auf die beschriebene ursprünglich als gewerblich angemeldete Tätigkeit
als Einkünfte aus selbständiger Arbeit veranlagungsgemäß ausgewiesen. Der
Einkommensteuerbescheid 1997 vom 4.11.1998 erging unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Nach einer im Jahr 1998 erfolgten Umsatzsonderprüfung wurde im Oktober 1999
seitens des Beklagten eine abgekürzte Außenprüfung angeordnet. Diese Prüfung
erstreckte sich auf die Gewerbesteuermessbeträge 1993 bis 1997. Der Betriebsprüfer
stellte den folgenden, zwischen den Parteien unstreitigen Sachvortrag hinsichtlich der
Tätigkeiten des Klägers im Prüfungszeitraum fest:
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Der Kläger stellte im Prüfungszeitraum nahezu ausschließlich fertige
Verwaltungsgebäude sowie Lager und Produktionsstätten für ein Unternehmen - die E
GmbH - her. Dabei erhielt er von der E GmbH den Auftrag für die Durchführung aller
Baumaßnahmen, die zur Errichtung der herzustellenden Gebäude nötig waren,
einschließlich Architektur und Statikhonorar. Die Errichtung der Gebäude wie auch alle
damit zusammenhängenden Baumaßnahmen erfolgten auf Gefahr und Rechnung des
Klägers, der gegenüber der E die schlüsselfertige Übergabe des jeweiligen Gebäudes
schuldete. Der Kläger wiederum vergab den Auftrag für die Ausführung der einzelnen
Baumaßnahmen im eigenen Namen an Drittunternehmen, die die entsprechenden
Gewerke erstellten. Ein Architektenhonorar wurde nicht gesondert abgerechnet.
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Der Beklagte setzte daraufhin am 9.10.2000 für die Jahre 1996 und 1997 einheitliche
Gewerbesteuermessbeträge fest. Gegen die am 30.03.2001 durch die Stadt H zur Post
gegebenen Bescheide legte der Kläger am 10.4.2001 Einspruch ein.
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Am 22.6.2001 erging der Gewerbesteuermessbescheid für 1998 und am 8.6.2001 der
Gewerbesteuermessbescheid 1999. Der Kläger legte am 5.7.2001 gegen den
Gewerbesteuerbescheid 1998 und am 25.6.2001 gegen den Gewerbesteuerbescheid
1999 Einspruch ein.
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Alle Einsprüche begründete der Kläger damit, dass er in den Streitjahren als Architekt
und damit selbständig i.S.d. § 18 EStG tätig gewesen sei. Der Beklagte hat die
Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 16.10.2002 als unbegründet
zurückgewiesen. Der Kläger hat am 14.11.2002 Klage eingereicht.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Tätigkeit nicht als gewerblich zu qualifizieren sei.
Zu beachten sei hierbei insbesondere, dass er die Objekte mit eigenem Kostenrisiko
habe erstellen müssen. Dies sei als Gesamtplanung aufzufassen und nicht als die
gewerbliche Erstellung von Gebäuden. Es fehle an der notwendigen Anmietung bzw.
dem Ankauf von Grundstücken, die typischerweise bei einer gewerblichen Tätigkeit als
Bauträger vorkämen. Der Kläger behauptet, die Gewerbeanmeldung vom 19.12.1989 für
andere Tätigkeiten vorgenommen zu haben. Weiter sei auch der für die Jahre 1990 und
1991 von dem Beklagten geschaffene Vertrauenstatbestand zu beachten. Damals habe
der Beklagte die gleiche Tätigkeit als nicht gewerblich qualifiziert.
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Der Kläger beantragt,
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die Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.10.2002 aufzuheben
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und im Unterliegensfall
14
die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
17
und im Unterliegensfall
18
die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, dass hier eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers vorliegt.
Der Kläger sei als Generalunternehmer tätig gewesen und habe auf eigene Gefahr und
Risiko gebaut. Dies falle aus der Tätigkeit des Architekten heraus. Auf BFH, BStBl III
1957, 17 wird verwiesen. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht zu beachten, da die
rechtliche Würdigung in jedem Veranlagungszeitraum neu erfolge. Für 1997 sei schon
aufgrund des Vorbehaltes der Nachprüfung ein Vertrauensschutz nicht denkbar. Die
Beurteilung der VZ 1990 bis 1993 habe für die Streitjahre keine Bindungswirkung.
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Der Berichterstatter regte an, eine Stellungnahme der Architektenkammer NRW über die
Frage, ob eine Gesamtplanung heute als Architektenleistung anzusehen sei
einzureichen. Nach Gesprächen des Klägers dort wurde ein Schreiben der
Architektenkammer vom 20.12.2004 eingereicht (Bl. 68 d. GA). Dort heißt es wörtlich:
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"Bei den von Ihrem Mandanten angebotenen Planungsleistungen zur Gebäudeplanung,
Tragwerksplanung und technischen Ausrüstung handelt es sich aus unserer Sicht um
Leistungen, die u.a. auch von Architekten erbracht werden. Im Rahmen von
Generalplanung, die auch von Architekten erbracht wird, werden
Fachingenieurleistungen regelmäßig mit beauftragt."
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Tätigkeit des Klägers im Streitzeitraum ist als gewerblich einzustufen und liegt
außerhalb der freiberuflichen Tätigkeit eines Architekten i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG.
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Die freiberufliche Tätigkeit eines Architekten ist von anderen, insbesondere auch
gewerblichen Tätigkeiten desselben abzugrenzen. Dabei ist nicht jede Tätigkeit eines
Architekten für sich gesehen bereits als eine freiberufliche i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG
anzusehen (BFH-Urteil vom 23.10.1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360, BStBl II 1976,
152). Vielmehr kommt es im Einzelfall auf eine Qualifizierung dieser Tätigkeiten nach
den entsprechenden Merkmalen an, die das Steuerrecht zugrunde legt.
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Die hier zu beurteilende Tätigkeit des Klägers, der als Architekt zugelassen war, konnte
nicht mehr als eine freiberufliche Tätigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne
qualifiziert werden. Sie erfolgte vielmehr im Rahmen eines Gewerbebetriebes i.S.d. § 15
EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, so dass der Kläger mit diesem Gewerbebetrieb
gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterlag.
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Der Begriff des Gewerbebetriebs, auf den auch das Gewerbesteuergesetz in § 2 Abs. 1
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Satz 2 GewStG abstellt, wird in § 15 Abs. 2 EStG als selbständige, nachhaltige
Betätigung beschrieben, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und eine
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Von der selbständigen
Tätigkeit unterscheidet sie sich dadurch, dass es sich nicht um eine Ausübung eines
freien Berufs noch eine andere selbständige Arbeit handeln darf. Was hierunter zu
verstehen ist, definiert § 18 EStG. Diese Definitionen sind auch für die Gewerbesteuer
maßgebend (BFH-Urteil vom 23.10.1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360; BStBl II 1976,
152).
§ 18 Abs. 1 Satz 2 EStG definiert die Tätigkeit des Architekten selbst nicht, sondern stellt
nur klar, dass die Tätigkeit eines Architekten zu den freiberuflichen Tätigkeiten i.S.d. §
18 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört. Entscheidend hierfür ist deshalb zunächst der Rückgriff
auf das Berufsbild eines Architekten. Das Berufsbild des Architekten wird durch
Planung, Überwachung und Leitung der Baumaßnahmen von Bauherren aufgrund
persönlicher Kenntnisse und Fähigkeiten des Architekten geprägt (so etwa BFH-Urteil
vom 23.10.1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360, BStBl II 1976, 152, Niedersächsisches
FG, Urteil vom 12.2.1992, Az. VIII 454/87, EFG 1992, 681). Eine darüber hinaus
gehende Tätigkeit, die die Ausführung der Bauwerke auf eigenes Risiko umfasst, ist
dagegen nicht mehr von dem Berufsbild eines Architekten umfasst (ebenso
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.2.1992, Az. VIII 454/87, EFG 1992, 681). In
diesem Fall ist der Architekt trotz seiner Berufsbezeichnung vielmehr wie ein
Bauunternehmer tätig und unterhält einen Gewerbebetrieb. Eine solche
unternehmerische Stellung ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Kläger das
gesamte Kos-ten-, Insolvenz- und Ausführungsrisiko der Bauwerke wie ein
Bauunternehmer, der schlüsselfertige Objekte am Markt anbietet, übernahm. Diese
typischen bauunternehmerischen Merkmale sind auch für das Tätigkeitsbild des Kl.
prägend und nicht nur von untergeordneter Bedeutung.
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Der Senat verkennt nicht, dass auch das Berufsbild des Architekten einem Wandel
unterliegt. Er geht sogar zu Gunsten des Klägers davon aus, dass ihm ein solcher
Nachweis mit Hilfe eines Gutachtens eines Sachverständigen gelingen würde. Dennoch
ist das insoweit dann feststehende Berufsbild für die steuerliche Beurteilung nicht
ausschlaggebend. Entscheidend bleibt nach Ansicht des Senats die steuerrechtlich
notwendige Unterscheidung eines Freiberuflers von einem Gewerbetreibenden.
Freiberuflich kann eine Tätigkeit dann nicht mehr sein, wenn der Freiberufler wie ein
Gewerbetreibender tätig wird. Insoweit ist hier kein Unterschied für den Senat zwischen
der Tätigkeit des Klägers und derjenigen eines Bauunternehmers zu erkennen. Die
Ähnlichkeit zum Bauunternehmer führt deshalb auch bei einem insoweit geänderten
Berufsbild des Architekten dazu, dass diese Tätigkeiten aus dem Rahmen des
Architektenberufes im steuerlichen Sinne herausfallen müssen (so schon BFH-Urteil
vom 23.10.1956 I 116/55 U, BFHE 64, 46; BStBl III 1957, 17).
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Eine abweichende Beurteilung der Einkünfte des Klägers kann im vorliegenden Fall
auch nicht deshalb erfolgen, weil er ggf. nur in der unstreitig vorliegenden Form als
Architekt tätig werden konnte. Entscheidend bleibt allein die Art der Tätigkeit (so auch
BFH-Urteil vom 23.10.1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360, BStBl II 1976, 152).
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Da im vorliegenden Fall eine Unterscheidung zwischen reinen Architektenleistungen
und sonstigen Leistungen für den Auftraggeber nicht möglich ist – es fehlt schon an
einer entsprechend getrennten Buchführung wie auch dem Ausweis eines
entsprechenden Architektenhonorars - ist die Tätigkeit des Klägers als Gesamtleistung
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zu bewerten. Dies ist letztlich Folge des geschuldeten einheitlichen Erfolges in Form der
Erstellung und Übergabe eines fertigen Bauobjektes. Diese Gesamtleistung ist
insgesamt damit als gewerblich anzusehen.
Ein Vertrauenstatbestand in der Gestalt, dass der Beklagte aufgrund einer früheren
irrigen Rechtsansicht die Tätigkeit des Klägers als selbständige Arbeit i.S.d. § 18 EStG
eingestuft hat, ist nicht erkennbar. Die Beurteilung der Tätigkeit kann sowohl in
einkommensteuerrechtlicher wie auch als Folge davon in gewerbesteuerrechtlicher
Hinsicht kalenderjährlich unterschiedlich erfolgen. Dies ist Folge des
Veranlagungszeitraumprinzips des § 2 Abs. 7 EStG wie des Erhebungszeitraumprinzips
des § 14 GewStG. Im vorliegenden Fall scheitert ein solcher Vertrauensschutz für die
Streitjahre ab 1997 auch an der Einkommensteuerveranlagung unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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