Urteil des FG Münster vom 21.03.2005

FG Münster: eintragung im handelsregister, umwandlung, stadt, auszahlung, auflösung, wesentliche veränderung, ausschluss, wahrscheinlichkeit, einlage, verbindlichkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 9 K 4368/00 K,F,EW
21.03.2005
Finanzgericht Münster
9. Senat
Urteil
9 K 4368/00 K,F,EW
Die Körperschaftsteuerbescheide für 1991 bis 1995 und die Bescheide
über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. §
47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.1991 bis 1995, vom 06.02.1998 und
19.02.1998, in Gestalt der Änderungsbescheide vom 14.07.1998,
18.11.1999 und 15.02.2000, sowie der Bescheid über den Einheitswert
des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 vom 18.02.1998, sämtlich in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2000, werden nach
Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 20 v. H. und der
Beklagte zu 80 v. H.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung
in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig
vollstreckbar.
G r ü n d e:
I.
Streitig ist, ob Verbindlichkeiten betreffend die Rückzahlung von Geschäftsguthaben an
ehemalige Genossen erfolgswirksam aufzulösen sind.
Die Klägerin (Klin.) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand im Vertrieb von Food-
und Non-Food-Waren aller Art besteht. Sie ist am 07.12.1998 durch Umwandlung aus der
X..... AG (X.. AG) hervorgegangen. Diese wiederum ist durch Umwandlung der Y......... e.G.
(Y.. e.G.) entstanden (Umwandlungsbeschluss vom 24.06.1989; Eintragung im
Handelsregister am 31.08.1989).
Zum Zwecke der Vorbereitung der Umwandlung der Y.. e.G. in die X.. AG sollte der
Mitgliederbestand der Y.. e.G. bereinigt werden. Die Vertreterversammlung der Y.. e.G.
beschloss daher u.a. am 02.07.1988 eine Satzungsänderung, nach der postalisch nicht
erreichbare Mitglieder aus der Y.. e.G. ausgeschlossen werden konnten. Am 11.08.1988
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wurde in einer gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Vorstand einstimmig
beschlossen, dass nach Wirksamwerden der Satzungsänderung die postalisch nicht
erreichbaren Mitglieder ausgeschlossen werden sollten.
In der Folgezeit trat die Y.. e.G. mit aufwändigen Presseartikeln an die Öffentlichkeit heran,
um die Genossen auf die geplante Umwandlung und die damit verbundenen Folgen
aufmerksam zu machen. Eine im August 1988 durchgeführte Anschreibeaktion an alle
29.023 Genossen führte zu folgendem Ergebnis:
Anzahl
Geschäftsguthaben
postalisch nicht erreichbare Genossen
17.445
4.014.162 DM
unter 100 DM-Guthaben
2.840
103.999 DM
Kündigung der Geschäftsguthaben
3.486
1.090.528 DM
Verstorbene Mitglieder
125
55.962 DM
Zwischensumme
23.896
5.264.651 DM
verbleibende Mitglieder
5.127
2.055.739 DM
gesamt
29.023
7.320.390 DM
Zum 31.12.1988 endete die Mitgliedschaft von 23.896 Genossen mit einem
Geschäftsguthaben von insgesamt 5.264.651 DM (s. vorstehende Zwischensumme) durch
Kündigung oder Ausschluss. Im Jahresabschluss für 1988 wurde der auf diese Genossen
entfallende, noch nicht ausgezahlte Bestand der Geschäftsguthaben erfolgsneutral in eine
Verbindlichkeit umgewandelt.
Im Jahre 1992 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A-Stadt bei der
Rechtsnachfolgerin der Y.. e.G., der X.. AG, eine Betriebsprüfung (Bp) für die
Veranlagungszeiträume 1987 bis 1990 durch. Der Prüfer stellte fest, dass zum 31.12.1990
noch nicht angeforderte Geschäftsguthaben ehemaliger Genossen i. H. v. 4.117.450,34 DM
bestanden. Er vertrat die Ansicht, der bisherigen Auffassung der Berichtsfirma, die
Verbindlichkeiten nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren oder
alternativ ratierlich über 30 Jahre aufzulösen, könne nicht gefolgt werden, da nach den
Ausführungen im Bilanzbericht zum 31.12.1990 für die Zukunft nicht mehr mit
nennenswerten Abrufen seitens ehemaliger Genossen zu rechnen sei. Zudem sei zu
berücksichtigen, dass die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Auszahlung der
Geschäftsguthaben gem. § 74 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) nur zwei Jahre betrage und gem. § 11 Abs. 3 der
Satzung der Y.. e.G. sechs Monate nach dem Ausscheiden der Genossen begonnen habe.
Der Prüfer schlug vor, die Verbindlichkeiten im Jahre 1990 i. H. eines mit 500.000 DM
geschätzten Teilbetrages erfolgswirksam aufzulösen.
Bezüglich des Restbetrages der Verbindlichkeiten wurde ausweislich der Ausführungen im
Bp-Bericht zwischen den Beteiligten vereinbart, die Verbindlichkeit beginnend ab 1991
über 15 Jahre gleichmäßig erfolgswirksam aufzulösen, wobei dem jährlichen
Auflösungsbetrag bis höchstens zur Höhe dieses Betrages die tatsächlichen Auszahlungen
der gleichen Jahre gegengerechnet werden sollten. Dieser Form der Abwicklung sei
seitens der Finanzverwaltung zugestimmt worden, da Aufsichtsrat und Vorstand der
Berichtsfirma versichert hätten, im Falle der Anforderung durch ehemalige Genossen die
Einrede der Verjährung nicht geltend zu machen und eine geringe Anzahl ehemaliger
Genossen ihren Ausschluss gerichtlich angefochten hätten. Die getroffene Vereinbarung
könne für die Zukunft jedoch nur dann uneingeschränkt gelten, wenn sich hinsichtlich der
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Höhe der durchschnittlich auszuzahlenden Beträge (z. Zt. 35.000 bis 40.000 DM jährlich)
sowie des Verzichts auf die Einrede der Verjährung keine wesentlichen Veränderungen
ergäben. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 13 des Bp-Berichts vom 26.06.1992 Bezug
genommen.
Nach Durchführung der Bp teilte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A-Stadt dem für
die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzamt B-Stadt nach einer Anfrage des ehemaligen
steuerlichen Beraters der X.. AG zum Verständnis von Tz. 13 des Bp-Berichts mit
Schreiben vom 20.08.1992 mit, eine wesentliche Änderung im Sinne von Tz. 13 des Bp-
Berichts sei
"... dann gegeben, wenn die jährlichen Auszahlungen den vereinbarten jährlichen
Auflösungsbetrag ständig bzw. erheblich übersteigen.
Mit der Aufnahme des Satzteils in Tz. 13 des Bp-Berichts sollte weiter den Argumenten
von Vorstand und Aufsichtsrat für den Fall Rechnung getragen werden, dass die beim AG
C-Stadt zahlenmäßig in relativ geringem Umfang anhängigen Klagen über die
Ausschlüsse für die Firma X.. AG abschlägig beschieden werden, sich auf Grund der
Entscheidung jedoch in größerem Umfang weitere ehemalige Genossen melden.
Dagegen beinhaltet die Formulierung keine frühere Auflösung für den Fall der
Minderungen der jährlichen Auszahlungen gegenüber den bisher durchschnittlich jährlich
ausgezahlten Beträgen."
Dieses Schreiben wurde der X.. AG vom zuständigen Finanzamt B-Stadt mit Schreiben
vom 16.09.1992 mit dem Hinweis darauf übersandt, dass die telefonisch geäußerten
Bedenken des ehemaligen steuerlichen Beraters der X.. AG betreffend Tz. 13 des Bp-
Berichts damit ausgeräumt sein dürften. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben
vom 20.08.1992 und vom 16.09.1992 Bezug genommen.
Die Verbindlichkeiten betreffend die Geschäftsguthaben der ehemaligen Genossen
entwickelten sich in den Jahren 1989 bis 1995 wie folgt:
31.12.1989
4.153.886,56 DM
Abruf 1990
36.436,22 DM
Auflösung durch Bp
500.000 DM
31.12.1990 lt. Bp
3.617.450,34 DM
Abruf 1991
37.184,04 DM
Auflösung
203.981 DM
31.12.1991
3.376.285,30 DM
Abruf 1992
14.168,15 DM
Auflösung
240.000 DM
31.12.1992
3.122.117,15 DM
Abruf 1993
17.552,50 DM
Auflösung
240.000 DM
31.12.1993
2.864.564,65 DM
Abruf 1994
18.264,85 DM
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Auflösung
240.000 DM
31.12.1994
2.606.299,85 DM
Abruf 1995
16.180,01 DM
Auflösung
240.000 DM
31.12.1995
2.350.119,84 DM
In den Jahren 1996 und 1997 wurden von ehemaligen Genossen Geschäftsguthaben i. H.
v. 14.612,76 DM (1996) bzw. 2.350,94 DM (1997) abgerufen; in den Folgejahren wurden
keine Ansprüche auf Auszahlung von Geschäftsguthaben mehr geltend gemacht.
Im Jahre 1997 fand bei der X.. AG eine Bp für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1995
statt. Der Prüfer vertrat hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus nicht angeforderten
Geschäftsguthaben ehemaliger Genossen die Ansicht, es liege eine wesentliche
Veränderung hinsichtlich der Höhe der durchschnittlich ausgezahlten Beträge i. S. v. Tz. 13
des Bp-Berichtes vom 26.06.1992 vor, da in den Jahren 1991 bis 1996 nur noch Beträge
i.H.v. 37.184,04 DM (1991), 14.168,15 DM (1992), 17.552,50 DM (1993), 18.264,85 DM
(1994), 16.180,01 DM (1995) bzw. 14.612,76 DM (1996) ausgezahlt worden seien. Der
Prüfer ging davon aus, dass bis zum Jahre 2005 allenfalls noch mit durchschnittlichen
Abrufen von Geschäftsguthaben früherer Genossen von 16.500 DM jährlich zu rechnen sei.
Es seien daher lediglich Restverbindlichkeiten von 165.000 DM zu berücksichtigen. Der
Prüfer schlug vor, die zum 31.12.1995 ausgewiesenen Verbindlichkeiten von 2.350.119,84
DM in Höhe eines Betrages von 2.185.119,84 DM Gewinn erhöhend aufzulösen.
Der Bekl. folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ am 06.02.1998, 18.02.1998,
19.02.1998 u.a. entsprechend geänderte KSt-Bescheide für 1991 bis 1995, geänderte
Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs.
1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) a.F. zum 31.12.1991 bis 1995 und einen geänderten
Bescheid betreffend die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996.
Die X.. AG legte u.a. gegen diese Bescheide Einspruch ein. Sie beantragte, die Auflösung
der Verbindlichkeiten als Einlage zu behandeln und den Bestand verwendbaren
Eigenkapitals im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. (EK 04) um die Auflösungsbeträge
zu erhöhen. Die KSt-Bescheide für 1994 und 1995 und die Bescheide über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.1994 und
1995 wurden in der Folgezeit - wegen hier nicht streitiger Punkte - mehrfach (am
14.07.1998, am 18.11.1999 und am 15.02.2000) geändert.
Die Einsprüche gegen die vorgenannten Bescheide wies der Bekl. mit
Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.06.2000 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die
Klin. die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage macht die Klin. im
Wesentlichen geltend, die Verbindlichkeiten aus den Geschäftsguthaben der ehemaligen
Genossen der Y.. e.G. seien in den Jahren 1991 bis 1995 zu Unrecht in Höhe von 203.981
DM (1991), 240.000 DM (1992 bis 1994) bzw. (240.000 DM zzgl. 2.185.119,84 DM =)
2.425.119,84 DM (1995) Gewinn erhöhend aufgelöst worden. Die Verbindlichkeiten
müssten erfolgsneutral aufgelöst werden, da es sich ursprünglich um Eigenkapital der Y..
e.G. gehandelt habe, das lediglich bilanztechnisch in sonstige Verbindlichkeiten habe
umgewandelt werden müssen. Daraus folge, dass die Auszahlung der ehemaligen
Geschäftsguthaben auch dann einkommensneutral erfolgen müsse, wenn die Auszahlung
erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werde. Dies gelte umso mehr, als eine
Gewinnerhöhung auch dann nicht eintrete, wenn die Verbindlichkeiten auf Grund des
Eintritts der Verjährung oder auf Grund eines Verzichts der ehemaligen Genossen
wegfielen. Da die Verbindlichkeiten erfolgsneutral in den Jahresabschluss zum 31.12.1988
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eingestellt worden seien, sei bei Nichtauszahlung der Verbindlichkeiten eine Erhöhung des
Bestandes an EK 04 vorzunehmen. Diese Ansicht sei im Rahmen einer Bp bei einer
Schwestergesellschaft der Klin. auch vom Bekl. vertreten worden.
Das von der Y.. e.G. durchgeführte Ausschlussverfahren sei insgesamt vergleichbar mit der
Situation der Einziehung von Geschäftsanteilen bei einer GmbH oder der Einziehung von
Aktien gem. § 237 Aktiengesetz (AktG). In Bezug auf diese Vorgänge sei unstreitig, dass
die Einziehung eigener Anteile bilanz- und steuerergebnisneutral durchzuführen sei, weil
es sich um einen Vorgang auf der Gesellschafterebene handele. Auch das
Ausschlussverfahren bei der Y.. e.G. sei ausschließlich gesellschaftsrechtlich veranlasst
gewesen. Im Zusammenhang mit dem Ausschlussverfahren stehende Aufwendungen
dürften sich daher ebensowenig auf das steuerliche Einkommen der Kapitalgesellschaft
auswirken wie im Zusammenhang damit stehende Erträge.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Vermögensmehrung auf Grund
des Wegfalls der Verbindlichkeiten auf Auszahlung der Geschäftsguthaben um einen
einmaligen Vermögenszufluss handele, der sich nicht als Resultat einer Teilnahme der X..
AG am Marktgeschehen darstelle und infolgedessen nicht der Besteuerung unterliege. Die
Vermögensmehrung habe außerhalb der betrieblichen Tätigkeit der X.. AG gelegen und
unterliege wie eine Erbschaft, eine Schenkung, Spielgewinne oder Einkünfte, auf die die
Grundsätze der Liebhaberei Anwendung fänden, nicht der Besteuerung. Dem stehe nicht
entgegen, dass eine Kapitalgesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH keine
außerbetriebliche Sphäre habe, denn die Erhöhung des Gewinns sei in solchen Fällen
durch den Ansatz einer Einlage zu kompensieren. Dabei sei eine ausdrückliche
Willensbekundung der ehemaligen Genossen für eine Einlage nicht erforderlich, denn nach
Auffassung von Finanzverwaltung und Rechtsprechung komme es auch für
Schenkungssteuerzwecke bei einem unentgeltlichen Übergang von Geschäftsanteilen
ausscheidender Gesellschafter (§§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, 7 Abs. 7 Erbschaftsteuergesetz -
ErbStG-) nicht auf den Willen des ausscheidenden Gesellschafters an, den anderen
Gesellschaftern etwas zuzuwenden. Für ertragsteuerliche Zwecke könne nichts anderes
gelten.
Eine Bindung an die tatsächliche Verständigung aus dem Jahre 1992 bestehe nicht, denn
die damalige Beurteilung sei nach erneuter Würdigung aller Umstände rechtlich
unzutreffend gewesen. Zudem habe der Bekl. die Vereinbarung selbst nicht mehr als
bindend angesehen.
In jedem Falle sei der Teil der Verbindlichkeiten aus den ehemaligen Geschäftsguthaben
erfolgsneutral zu behandeln, der auf stehengelassene Dividenden entfalle. Insoweit sei es
in der Literatur unstreitig, dass das Stehenlassen der Dividenden als Einlage der
ehemaligen Genossen anzusehen sei und das EK 04 erhöhe. Der Umfang nicht
abgehobener Dividenden müsse angesichts des Umstandes, dass nach den
Bestimmungen in der Satzung von den Genossen nur ein Zehntel des Geschäftsanteils
eingezahlt werden musste und der Rest mit Dividenden aufgefüllt werden konnte, mit
mindestens der Hälfte der Gesamtverbindlichkeit angenommen werden. Dies ergebe sich
für die Jahre 1986 bis 1988 auch aus den Angaben zur Entwicklung der
Geschäftsguthaben in den Geschäftsberichten. Zudem sei aus einer Liste betreffend die
zum 31.12.1988 ausgeschiedenen Mitglieder ersichtlich, dass die Geschäftsguthaben früh
eingetretener Genossen wesentlich höher seien als die spät eingetretener Genossen. Dies
sei ein klarer Hinweis darauf, dass die Geschäftsguthaben im Wesentlichen aus stehen
gelassenen Dividenden bestanden hätten.
Die Klin. beantragt,
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die KSt-Bescheide für 1991 bis 1995 und die Bescheide über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1991 bis
1995, jeweils vom 06.02.1998 und 19.02.1998 in Gestalt der Änderungsbescheide vom
14.07.1998, 18.11.1999 und 15.02.2000, sowie den Bescheid über den Einheitswert des
Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 vom 18.02.1998, sämtlich in Gestalt der EE vom
19.06.2000, mit der Maßgabe zu ändern, dass die in den Handelsbilanzen bis 31.12.1995
ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber ausgeschiedenen Genossen in den
entsprechenden Steuerbilanzen bis 31.12.1995 als steuerliches EK 04 zu behandeln sind,
hilfsweise,
den Anteil der ursprünglich als Verbindlichkeiten gebuchten Geschäftsguthaben
der ausgeschiedenen Genossen, der auf Dividenden (stehen gelassene Gewinne) entfällt,
mindestens jedoch die Hälfte dieser Geschäftsguthaben per 31.12.1991, entsprechend §
30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. in das EK 04 einzustellen,
hilfsweise,
die mit dem Bekl. und dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung A-Stadt getroffene
Vereinbarung (Tz. 13 des Bp-Berichts vom 26.06.1992 für die Jahre 1987 bis 1990),
wonach die eingestellte Verbindlichkeit ab 1991 über 15 Jahre gleichmäßig erfolgswirksam
aufzulösen ist, für den Betriebsprüfungszeitraum 1991 bis 1995 anzuwenden,
hilsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Verbindlichkeiten aus
Geschäftsguthaben ehemaliger Genossen im Jahre 1995 nur um 240.000 DM zu
vermindern sind,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er verweist unter Bezugnahme auf seine EE vom 19.06.2000 darauf, dass nach der
Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17.05.2000 II R 2/98, BStBl II 2000, 456)
Geschäftsguthaben von Mitgliedern einer eingetragenen Genossenschaft, deren
Mitgliedschaft durch Tod oder infolge Ausschlusses geendet habe, bei der
Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Genossenschaft als Schuldposten zu
berücksichtigen seien. Die Zugehörigkeit der Geschäftsguthaben der ausgeschiedenen
Genossen zum Eigenkapital der Genossenschaft sei zeitlich beschränkt auf die Dauer der
Mitgliedschaft dieser Genossen. Der Anspruch der ausgeschiedenen Genossen auf
Erstattung ihrer Geschäftsguthaben sei mithin eine echte Verbindlichkeit i. S. d.
Bilanzrechts und nicht nur eine systembedingt andere Bezeichnung des Eigenkapitals. Die
Nichterfüllung einer solchen Verbindlichkeit sei daher steuerlich wirksam, d.h. Gewinn
erhöhend zu berücksichtigen. Die Regelungen des Aktiengesetzes seien auf den
vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da das Aktiengesetz im Gegensatz zum GenG keine
Leistungen an die Aktionäre vorsehe. Auch erfahre das Kapital einer AG durch den
Ausschluss von Aktionären keine Wesensänderung.
Hinsichtlich des von der Klin. gestellten Hilfsantrages, den Anteil der Verbindlichkeit nicht
erfolgswirksam aufzulösen, der auf die in den Geschäftsguthaben der ehemaligen
Genossen enthaltenen Dividenden entfalle, fehle es bereits an konkreten Nachweisen
dafür, in welchem Umfang sich die Geschäftsguthaben aus stehengelassenen Dividenden
zusammengesetzt hätten.
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Am 21.03.2005 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in dem die
Beteiligten übereinstimmend die Ansicht vertreten haben, bei den Schreiben des
Finanzamtes für Großbetriebsprüfung vom 20.08.1992 und des Finanzamts B-Stadt vom
16.09.1992 handele es sich um eine Klarstellung der im Jahre 1992 zwischen den
Beteiligten getroffenen tatsächlichen Verständigung. Eine Abweichung von dem in Tz. 13
des Bp-Berichts vom 26.06.1992 niedergelegten Inhalt der tatsächlichen Verständigung
komme danach nicht bei einer Verminderung, sondern nur bei einer - tatsächlich nicht
eingetretenen - Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Auszahlungsbeträge in
Betracht. Die Beteiligten gingen daher übereinstimmend davon aus, dass die
Verbindlichkeiten aus Geschäftsguthaben ehemaliger Genossen im Jahre 1995 nur um
240.000 DM zu vermindern sind.
II.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1. Der Bekl. hat das Einkommen der X.. AG in den Veranlagungszeiträumen 1991 bis 1995
zu Unrecht um 203.981 DM (1991), 240.000 DM (1992 bis 1994) bzw. 2.425.119 DM (1995)
erhöht.
a. Der Bekl. ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den
Ansprüchen der zum 31.12.1988 aus der Y.. e.G. ausgeschiedenen Genossen auf
Auszahlung ihrer Geschäftsguthaben um echte Verbindlichkeiten gehandelt hat. Denn mit
dem Ausschluss der Genossen aus der Y.. e.G. und dem daraus resultierenden Entstehen
der Ansprüche auf Auszahlung der Geschäftsguthaben (vgl. dazu BGH-Urteil vom 24. Juni
2002 II ZR 256/01, BGHReport 2002, 925 m.w.N.) hat eine Umwandlung des auf die
ausgeschlossenen Genossen entfallenden Teils des Geschäftsguthabens der Y.. e.G. von
Eigen- in Fremdkapital stattgefunden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Januar 1959 III 89/58 U,
BFHE 68, 394, BStBl III 1959, 152 und vom 17. Mai 2002 II R 2/98, BFHE 191, 399, BStBl II
2000, 456; s.a. Förschle in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 5. Aufl. 2003, § 337 HGB Rn. 10;
zu gekündigten Geschäftsguthaben s Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, Kommentar zum KStG, § 29 KStG 1999, Rz. 90). Dem hat die Y.. e.G.
zum 31.12.1988 zutreffend durch die Verminderung des ausgewiesenen Eigenkapitals und
den Ansatz entsprechender Verbindlichkeiten gegenüber den ausgeschiedenen Genossen
Rechnung getragen. Mit der Umwandlung sind die Verbindlichkeiten von der Y.. e.G. auf
die X.. AG übergangen.
b. Der Bekl. ist ebenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass die Verbindlichkeiten nach §
8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu den Bilanzstichtagen
31.12.1991 bis 1995 nicht mehr in voller Höhe zu passivieren waren. Denn nach ständiger
Rechtsprechung des BFH sind Verbindlichkeiten nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung nicht mehr zu passivieren, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung mehr
darstellen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn nach den Erfahrungen in der
Vergangenheit mit einer Geltendmachung der Forderungen durch die Gläubiger mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist oder wenn sich der
Schuldner voraussichtlich auf die Einrede der Verjährung berufen wird (s. etwa BFH-Urteil
vom 27. März 1996 I R 3/95, BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470 und BFH-Beschluss vom
15. Februar 2000 X B 121/99, BFH/NV 2000, 1450). Handelt es sich bei dem passivierten
Betrag um einen Gesamtbetrag gleichartiger oder annähernd gleichwertiger
Verpflichtungen, so ist eine Herausschätzung des Teils der mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nicht mehr geltend gemachten Forderungen geboten. Der auch in der
Steuerbilanz zu beachtende Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. § 6 Abs. 1 EStG, § 240
Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 des Handelsgesetzbuches -HGB-) hat insoweit hinter der
Forderung nach einem zutreffenden Ausweis der Vermögensverhältnisse des Kaufmannes
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zurückzutreten (s. BFH-Urteile vom 27. März 1996 I R 3/95, a.a.O.; vom 12. Dezember 1990
I R 153/86, BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479).
Im vorliegenden Fall stand einer Passivierung der Verbindlichkeiten gegenüber den
ausgeschiedenen Genossen nicht schon der Umstand entgegen, dass die Ansprüche der
ausgeschiedenen Genossen unter Berücksichtigung der gem. § 11 Abs. 3 der Satzung der
Y.. e.G. sechs Monate nach dem Ausscheiden der Genossen aus der Y.. e.G. beginnenden
Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 74 GenG) zum 31.12.1991 bereits verjährt waren. Denn
die X.. AG als Rechtsnachfolgerin der Y.. e.G. hat ausdrücklich erklärt, die Einrede der
Verjährung gegenüber den ausgeschlossenen Genossen nicht geltend zu machen.
Nach den Erfahrungen der Vergangenheit war jedoch zu den hier streitigen
Bilanzstichtagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen,
dass die Auszahlungsansprüche von den ausgeschiedenen Genossen nicht mehr in
vollem Umfang geltend gemacht werden würden. Hierfür sprach bereits der Umstand, dass
der ganz überwiegende Teil der Geschäftsguthaben ehemaligen Genossen zustand, die
durch die im Zusammenhang mit der Umwandlung der Y.. e.G. in die X.. AG durchgeführte
Anschreibeaktion postalisch nicht zu erreichen waren und von ihrem Ausschluss aus der
Y.. e.G. offenbar auch nicht durch Presseveröffentlichungen Kenntnis erhalten hatten.
Gegen eine vollständige Inanspruchnahme der X.. AG aus den Forderungen der
ehemaligen Genossen auf Auszahlung ihrer Geschäftsguthaben sprach des Weiteren der
Umstand, dass die Höhe der in den Jahren 1990 und 1991 ausgezahlten Beträge
(36.436,22 DM bzw. 37.184,04 DM) im Verhältnis zu den am 31.12.1989 bzw. am
31.12.1990 noch bestehenden Verbindlichkeiten (4.153.886,56 DM bzw. 4.117.450,34 DM)
sehr gering war und mit fortschreitendem zeitlichen Abstand zum Zeitpunkt des
Ausschlusses der Genossen eher von einer abnehmenden Wahrscheinlichkeit für eine
Inanspruchnahme der X.. AG auszugehen war.
c. Über den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der X.. AG und den
daraus folgenden Umfang der Passivierung der Verbindlichkeiten gegenüber den
ehemaligen Genossen haben die Beteiligten - wie von ihnen im Termin zur mündlichen
Verhandlung bekräftigt wurde - in der Weise eine tatsächliche Verständigung getroffen,
dass die Verbindlichkeiten ab 1991 über 15 Jahre gleichmäßig erfolgswirksam aufzulösen
sein sollten. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.03.2005
ferner übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung der
Schreiben des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung A-Stadt vom 20.08.1992 und des für
die Besteuerung der X.. AG ehedem zuständigen Finanzamtes B-Stadt vom 16.09.1992
eine Abweichung von der tatsächlichen Verständigung nur dann in Betracht kommen sollte,
wenn sich die jährlichen Auszahlungsbeträge gegenüber den bisher durchschnittlich
ausgezahlten Beträgen erhöhten. Da dieser Fall vorliegend nicht eingetreten ist (die
durchschnittlichen Auszahlungsbeträge der Folgejahre lagen durchgängig unter 35.000
DM bis 45.000 DM jährlich), ist - wie zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht mehr streitig
ist - davon auszugehen, dass der Bekl. nach dem Inhalt der tatsächlichen Verständigung
nicht berechtigt war, die Passivierung der gegenüber den ehemaligen Genossen
bestehenden Verbindlichkeiten über die Beträge von 203.981 DM (1991) bzw. 240.000 DM
(1992 bis 1995) hinaus im Jahre 1995 um einen weiteren Betrag von 2.185.119 DM zu
vermindern.
Der Senat hat keine Zweifel an der Wirksamkeit dieser tatsächlichen Verständigung und
der daraus folgenden Bindung für die Beteiligten (s. dazu allgemein BFH-Urteil vom 7. Juli
2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975 m.w.N.), soweit sich die Verständigung
auf die Frage bezieht, welcher Anteil am Gesamtbestand der Verbindlichkeiten gegenüber
den ehemaligen Genossen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr
geltend gemacht werden wird. Denn dieser Teil der tatsächlichen Verständigung betrifft
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eine schwierig zu ermittelnde Sachverhaltsfrage. Er führt in Anbetracht des Umstandes,
dass bei der Schätzung von Bilanzwerten der Grundsatz vorsichtiger Bewertung zu
beachten ist (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB; s.a. BFH-Urteil vom 27. März 1996 I R 3/95, a.a.O.),
auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Dies gilt umso mehr, als
nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, dass - z.B. nach Veröffentlichung von
Entscheidungen des Amtsgerichts C-Stadt über dort gegen den Ausschluss angestrengte
Klageverfahren - weitere Genossen von ihrem Ausschluss erfahren und Ansprüche
gegenüber der X.. AG geltend machen würden.
d. Soweit der Gesamtbestand der gegenüber den ausgeschlossenen Genossen
bestehenden Verbindlichkeiten danach auf der Grundlage der zwischen den Beteiligten
getroffenen tatsächlichen Verständigung zu vermindern war, hatte dies nicht
erfolgswirksam, sondern erfolgsneutral zu erfolgen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beteiligten in der tatsächlichen Verständigung von
einer erfolgswirksamen Auflösung ausgegangen sind. Denn diesem Teil der Verständigung
kommt, da er sich nicht auf eine Sachverhalts-, sondern auf eine außerhalb des
Anwendungsbereiches der tatsächlichen Verständigung stehende Rechtsfrage bezieht
(vgl. BFH-Urteil vom 31. März 2004 I R 71/03, BFHE 206, 42, BStBl II 2004, 742 m.w.N.),
keine bindende Wirkung zu.
Entgegen der Ansicht der Klin. ist die Verminderung des Gesamtbestandes der gegenüber
den ehemaligen Genossen bestehenden Verbindlichkeiten indes nicht schon deshalb
erfolgsneutral vorzunehmen, weil in Höhe der Minderungsbeträge von Einlagen (§ 8 Abs. 1
KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) der ehemaligen Genossen auszugehen wäre. Denn es
ist zu berücksichtigen, dass der Gesamtbestand der gegenüber den ehemaligen Genossen
bestehenden Verbindlichkeiten lediglich aus bilanzsteuerrechtlichen Gründen mit einem
geringeren Betrag in Ansatz gebracht wird. Im Gegensatz etwa zum Verzicht eines
ehemaligen Genossen auf die Auszahlung seines Geschäftsguthabens findet weder eine
Reduzierung des nominellen Gesamtbestandes der Verbindlichkeiten der X.. AG statt noch
lässt sich eine auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Verfügung ehemaliger
Genossen über die ihnen zustehenden Forderungen feststellen. Insbesondere kann
angesichts des Umstandes, dass das Gesellschaftsverhältnis der betreffenden Personen
zur Rechtsvorgängerin der X.. AG schon seit Jahren beendet war, nach Ansicht des
Senates nicht ohne weitere Anhaltspunkte von einem Verzicht der ehemaligen Genossen
auf ihre Geschäftsguthaben ausgegangen werden.
Die Herabsetzung des Gesamtbestandes der gegenüber den ehemaligen Genossen
bestehenden Verbindlichkeiten hat nach Ansicht des Senates jedoch deshalb
erfolgsneutral zu erfolgen, weil zu berücksichtigen ist, dass die Entstehung der
Verbindlichkeiten auf einem dem Gesellschaftsverhältnis zuzurechnenden Vorgang,
nämlich auf dem Ausschluss der Genossen und der daraus folgenden Umwandlung eines
Teils der Geschäftsguthaben von Eigen- in Fremdkapital beruht. Diese gesellschaftliche
Veranlassung findet nach Ansicht des Senates in den gegenüber den ehemaligen
Genossen bestehenden Verbindlichkeiten seine Fortsetzung (ähnlich FG Hessen,
Beschluss vom 21. Januar 2004 4 V 4114/03, EFG 2004, 1005 betr. die für die Einziehung
von Anteilen geschuldete Entschädigung). Die aus der Veränderung des bilanziellen
Ausweises der Verbindlichkeiten resultierenden Erträge sind daher außerhalb der
Steuerbilanz von der Besteuerung auszunehmen. In dieser Einschätzung sieht sich der
Senat dadurch bestätigt, dass auch die Umwandlung des auf die Geschäftsguthaben der
ausgeschlossenen Genossen entfallenden Anteils am Eigenkapital der Y.. e.G. in
Verbindlichkeiten im Jahre 1988 erfolgsneutral durchgeführt worden ist. Es erschiene daher
nicht sachgerecht, Erträge aus einer veränderten bilanziellen Erfassung dieser
Verbindlichkeiten erfolgswirksam zu erfassen (in diesem Sinne auch FG Sachsen-Anhalt,
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Urteil vom 11. September 2003 3 K 421/00, juris; s. auch BFH-Urteil vom 30. September
1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588 zur erfolgsneutralen Behandlung eines
zunächst gesellschaftlich veranlassten Forderungsverzichts bei Eintritt des
Besserungsfalles). Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die
Verbindlichkeiten durch stehengelassene Dividenden der ehemaligen Genossen gebildet
worden sind, denn es ist davon auszugehen, dass die von den Genossen während ihrer
Beteiligung an der Y.. e.G. stehengelassenen und den Geschäftsguthaben
gutgeschriebenen Dividenden im Wege der Einlage Teil der Geschäftsguthaben geworden
sind (vgl. BMF-Schreiben vom 18. September 1979 IV B 7 - S 2810 - 7/79, DB 1979, 1915
und Verfügung der OFD Frankfurt/Main vom 16. Juli 1984 S 2299f A - 1 - St II 10 / S 2410 A
- 20 / S 2811 A - 7 - St II 10, DB 1985, 526).
Das Einkommen der X.. AG ist daher - unter Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - in
den Jahren 1991 bis 1995 um 203.981 DM (1991), 240.000 DM (1992 bis 1994) bzw.
2.425.119 DM (1995) zu vermindern. Mit der Anordnung dieser Rechtsfolge geht der Senat
nicht i.S.v. § 96 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- über den Antrag der Klin.
hinaus, denn die von der Klin. begehrte Behandlung des Gesamtbestandes der
Verbindlichkeiten gegenüber ausgeschiedenen Genossen in den Steuerbilanzen bis zum
31.12.1995 als steuerliches EK 04 umfasst auch eine erfolgsneutrale Behandlung der
Auflösungsbeträge.
3. Entgegen der Ansicht der Klin. können weder der Gesamtbestand der Verbindlichkeiten
noch die Auflösungsbeträge als Teil des EK 04 erfasst werden. Für den Gesamtbestand
der Verbindlichkeiten folgt dies bereits daraus, dass die Umwandlung von Eigen- in
Fremdkapital bereits im Jahre 1988 erfolgte und ein Zugang beim EK 04 - wenn man von
einer sofortigen (Wieder-) Einlage ausgehen wollte - mithin in der Gliederungsrechnung
zum 31.12.1988 hätte berücksichtigt werden müssen.
Für die Streitjahre kommt ein Zugang zum EK 04 in Höhe der Auflösungsbeträge nach
Ansicht des Senates zum einen deshalb nicht in Betracht, weil die aus
bilanzsteuerrechtlichen Gründen vorzunehmende Herabsetzung des Gesamtbestandes der
Verbindlichkeiten gegenüber ehemaligen Genossen - wie oben ausgeführt - keinen
Einlagetatbestand erfüllt. Unabhängig davon ist ein Zugang beim EK 04 in Höhe der
Auflösungsbeträge auch deshalb ausgeschlossen, weil Einlagen nach der Rechtsprechung
des BFH den Bestand an EK 04 erst dann erhöhen, wenn sie der Körperschaft tatsächlich
zufließen (s. BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92
und vom 31. März 2004 I R 72/03, BFH/NV 2004, 1423). Ein tatsächlicher Zufluss in Höhe
der Auflösungsbeträge ist bei der X.. AG in den Streitjahren jedoch nicht eingetreten. Die
Auflösungsbeträge sind daher zum 31.12.1991 bis 1995 nicht als Zugänge im EK 04,
sondern - da sie keinem anderen Teilbereich des verwendbaren Eigenkapitals zugeordnet
werden können - in sinngemäßer Anwendung von § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. als sonstige
Vermögensmehrungen im EK 02 zu erfassen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 23. Oktober 1992
I R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154 und vom 22. Oktober 1998 I R 122/97, BFHE
187, 273, BStBl II 1999, 101).
4. Der Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 ist als
Folge des für die Einheitsbewertung verbindlichen Ansatzes der Verbindlichkeiten in der
Steuerbilanz (§ 109 Abs. 1 Bewertungsgesetz -BewG-) in der Weise zu ändern, dass die
Verbindlichkeiten betreffend die Geschäftsguthaben der ehemaligen Genossen
entsprechend dem Ansatz in der Steuerbilanz zum 31.12.1995 um 2.185.119 DM auf
2.350.119,84 DM zu erhöhen sind. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich
der Bestand der in der Steuerbilanz zum 31.12.1995 zu berücksichtigenden
Steuerschulden dadurch verringert, dass die Verminderung der gegenüber den ehemaligen
Genossen bestehenden Verbindlichkeiten in den Jahren 1991 bis 1995 nach den
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vorstehenden Ausführungen erfolgsneutral vorzunehmen ist.
Die Berechnung der geänderten Steuer- und Feststellungsbeträge wird dem Bekl.
übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115
Abs. 2 Nr. 1 FGO).