Urteil des FG Münster vom 17.06.2008
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Finanzgericht Münster, 1 K 5087/06 G
Datum:
17.06.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5087/06 G
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d
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Streitig ist, ob die von den Gesellschaftern ausgeübte berufsmäßige Betreuungstätigkeit
zu gewerblichen Einkünften der Anwaltssozietät im Streitjahr 2001 führt.
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Die Klägerin, eine Sozietät von Anwälten, besteht seit dem 1.1.1996. Für den Zeitraum
2001 bis 2003 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen dieser
Betriebsprüfung wurde ein Honoraraufkommen von ca. 80% ermittelt, welches aus der
Tätigkeit der Anwälte für die Übernahme von Betreuungen nach dem Betreuungsgesetz
vereinnahmt wurde. Diese Tätigkeit wurde vom Beklagten als gewerblich eingestuft.
Ausgehend von der sog. "Abfärbetheorie" aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG qualifizierte der
Beklagte sämtliche Einkünfte aus der Tätigkeit der Anwaltssozietät als gewerblich.
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Der Beklagte erließ am 28.6.2006 einen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr.
Die Klägerin legte hiergegen am 12.7.2006 Einspruch ein, der durch
Einspruchsentscheidung vom 3.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen worden ist.
Am 1.12.2006 hat die Klägerin Klage eingereicht.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihre Tätigkeit aus der Übernahme von Betreuungen
nach dem Betreuungsgesetz als freiberuflich zu qualifizieren sei. Dies ergebe sich
schon daraus, dass auch die Betreuungstätigkeit als anwaltliche Tätigkeit möglich und
erlaubt sei. Die Beauftragung der Anwälte erfolge in der Regel gerade deshalb, um im
Zusammenhang mit der Betreuung eine qualifizierte rechtliche Beratung der Betreuten
zu ermöglichen. Dies gelte beispielsweise in Rentenprüfungs- und
Rentenwiderspruchsverfahren. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte im Rahmen der
Betreuung seien arbeits- und mietrechtliche Streitigkeiten sowie rechtliche Probleme im
Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften und Heimbetreuungen. Insoweit
unterscheide sich diese Art der Betreuung von der Tätigkeit anderer sog.
Berufsbetreuer. Die Tätigkeit des anwaltlichen Betreuers sei deshalb auch nicht mit der
eher verwaltenden Tätigkeit eines Insolvenzverwalters vergleichbar. Vielmehr komme
es hier auf den persönlichen Einsatz der Anwälte an. Diese erbrächten anwaltstypische
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es hier auf den persönlichen Einsatz der Anwälte an. Diese erbrächten anwaltstypische
Leistungen. Die Vormundschaftsgerichte bestellten Anwälte auch deshalb, um so
kostensparend eine umfassende Betreuung und Beratung sicherzustellen. Aus Sicht der
Klägerin sei die Berufsbetreuung lediglich ein Teilaspekt der anwaltlichen Tätigkeit und
nicht isoliert von der üblichen anwaltlichen Tätigkeit zu sehen.
Zu beachten sei zumindest für das Streitjahr aber auch der Grundsatz von Treu und
Glauben. Der Beklagte habe trotz Kenntnis der Art der Tätigkeit der Anwaltssozietät
keine Gewerbesteuererklärung angefordert und auch keine vorsorgliche
Gewerbesteuerfestsetzung durchgeführt. Die Einzelheiten über den Umfang habe er erst
2006 erfragt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gewerbesteuermessbescheid für 2001 in Gestalt der Ein- spruchsentscheidung
vom 3.11.2006 ersatzlos aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte verweist auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung, wonach die
Berufsbetreuung gewerblich sei. Dies gelte auch für den Fall, dass Anwälte als
Berufsbetreuer tätig würden. Insoweit handele es sich gerade nicht um eine
berufstypische, sondern allein um eine mit dem Beruf des Anwaltes vereinbare Tätigkeit.
Ein Fall der Verwirkung liege nicht vor. Eine Zusage hinsichtlich der Qualifizierung der
Einkünfte sei nicht gemacht worden.
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Die Sach- und Rechtslage wurde vom Berichterstatter mit den Beteiligten am 24.8.2007
erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Betreuertätigkeiten der Anwälte in der Sozietät der Klägerin sind gewerblich und
führen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dazu, dass im Streitfall alle Einkünfte aus der
Sozietät der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert
festzustellen sind. Dies erfolgte seitens des Beklagten zu Recht.
Vertrauensschutzaspekte sind nicht erkennbar.
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Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die Tätigkeit von Berufsbetreuern
gewerblich ist. Wie bereits im Urteil vom 12.5.2004 (1 K 842/03 G, EFG 2004, 1459)
ausgeführt, führt eine Tätigkeit als Berufsbetreuer weder zu einer freiberuflichen
Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch zu einer sonstigen selbständigen Tätigkeit
i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG sondern zu einer gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 EStG.
Die Tätigkeit eines Berufsbetreuers ist schon deshalb keine einem Katalogberuf i.S.d. §
18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit selbst keine einem
solchen Beruf vergleichbare Ausbildung nötig ist. Hinsichtlich der Breite und Tiefe der
Kenntnisse ist es gerade nicht ersichtlich, dass diese etwa der eines Rechtsanwaltes
oder Notars entsprechen muss (so auch schon FG Düsseldorf, Urteil vom 23. September
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2003, 9 K 7943/00 F, AO, EFG 2004, 36). Dieser Ansicht hat sich auch der BFH in
seinem Urteil vom 4.11.2004 (IV R 26/03, BStBl II 2005, 288) angeschlossen, der
ausdrücklich auf den Beruf des Betreuers i.S.d. §§ 1896ff. BGB abstellt. Auch das
BVerwG qualifiziert eine Tätigkeit i.S.d. § 1896ff. BGB als gewerblich (BVerwG-
Beschluss vom 11.3.2008 6 B 2/08 – juris).
Etwas anderes kann sich nach Ansicht des Senats nicht deshalb ergeben, weil hier
Rechtsanwälte als Betreuer i.S.d. §§ 1896ff. BGB bestellt worden sind. Entscheidend für
die Beurteilung, ob eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt, ist
die konkret ausgeübte Berufstätigkeit und nicht etwa nur die Berufsbezeichnung der
diese Tätigkeit Ausübenden. Andernfalls wäre die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende
steuerliche Belastungsgleichheit verletzt. Es ist gerade sachlich nicht zu rechtfertigen,
dass Steuerpflichtige, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in einem Bereich ansiedeln, der
als gewerblich zu qualifizieren ist, nur deshalb besser gestellt werden, weil sie ein
Studium absolviert haben, dass zu einer in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten
Berufsbezeichnung berechtigt (so auch BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 10/06, BFH/NV
2007, 601, welches die Rechtsprechung des Senats im Fall eines gewerblich tätigen
Architekten (FG Münster, Urteil vom 30.11.2005, 1 K 6112/02 G, EFG 2006, 585)
bestätigte). Steuerlich nicht relevant sind deshalb ggf. erfolgte Veränderungen im
standesrechtlichen oder tatsächlichen Bereich der Berufsbilder der Katalogberufe (so
ausdrücklich auch BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 10/06, BFH/NV 2007, 601).
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Die Tätigkeit eines Berufsbetreuers erstreckt sich auch nicht nur auf
vermögensverwaltende Tätigkeiten i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom
4.11.2004 IV R 26/03, BStBl II 2005, 288). Dies gilt erst recht für Rechtsanwälte als
Berufsbetreuer, wenn diese, wie von Klägerseite vorgetragen, auch rechtliche Beratung
und Prozessführung vornehmen.
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Die Klägerin hat, da sie nicht ausschließlich Tätigkeiten i.S.d. § 18 EStG ausübt,
insgesamt gewerbliche Tätigkeiten gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Gemäß § 15 Abs. 3
Nr. 1 EStG ist eine Personengesellschaft, die teils gewerblich und teils freiberuflich tätig
ist, in vollem Umfang gewerblich tätig (BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 9/06, BStBl II
2007, 266). Diese Regelung ist verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1
BvL 2/04, DB 2008, 1243). Unstreitig ist die GbR aufgrund der Anwaltstätigkeit zu ca.
80% als Berufsbetreuer und damit gewerblich tätig, so dass die GbR insgesamt eine
gewerbliche Tätigkeit ausübt.
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Gründe, hier aus Vertrauensschutzaspekten von einer Gewerblichkeit der Einkünfte für
das Streitjahr 2001 Abstand zu nehmen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind die
Überlegungen des Niedersächsischen Finanzgerichts aus dem Beschluss vom
21.8.2006 (5 V 10096/06, EFG 2006, 1923) hier nicht weiterführend, da das Streitjahr
erstmalig im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung geprüft worden ist. Unbeachtlich
ist aus Sicht des Senats auch, ob hinsichtlich der steuerlichen Problematik eine
Kenntnis des Beklagten schon in Vorjahren begründet worden ist oder nicht. Gerade im
Hin-blick auf die Art und den Umfang einer Tätigkeit kann er sich vorbehalten, diese im
Rahmen einer späteren steuerlichen Außenprüfung abschließend zu beurteilen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 AO.
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Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht gegeben.
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