Urteil des FG Münster vom 20.01.2010
FG Münster (kläger, darlehen, mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, höhe, verlust, gegenstand des verfahrens, anschaffungskosten, gesellschaft, auflösung der gesellschaft, beteiligung)
Finanzgericht Münster, 7 K 5023/07 E
Datum:
20.01.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 5023/07 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.11.2007 wird der
Einkommensteuerbescheid 2005 vom 25.06.2007 dahingehend
geändert, dass ein Darlehensverlust i. H. v. 236.344,- DM bei den
Einkünften aus § 17 EStG berücksichtigt wird. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 75 v. H. dem Kläger und zu 25 v.
H. dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Streitig ist, ob und in welcher Höhe Darlehensverluste zu berücksichtigen sind.
2
Der Kläger schloss am 01.03.2001 mit Herrn L. C. einen "Vertrag über die zukünftige
Abtretung von Geschäftsanteilen sowie den Verkauf von Grundbesitz". Herr C. war zu
diesem Zeitpunkt alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der C. Metall GmbH
(GmbH) und Inhaber der Einzelfirma X. C., die wiederum Eigentümerin des von der
GmbH genutzten Betriebsgrundstücks war. In dem Vertrag regelten die Vertragsparteien
im Wesentlichen, dass der Kläger zum 01.05.2001 49 v. H. des Stammkapitals an der
GmbH erwerben werde und mit Wirkung ab 01.04.2002 die verbleibenden Anteile. Zum
01.04.2002 sollte auch der im Grundbuch von M-Stadt Blatt x verzeichnete Grundbesitz
an den Kläger übertragen werden. Das Nähere sollte der zu gegebener Zeit noch
abzuschließende Kaufvertrag regeln.
3
Mit notariellem Vertrag vom 22.05.2001 erwarb der Kläger Anteile in Höhe von 49 v. H.
an der GmbH zum Kaufpreis von 1,- DM. Nach Eintritt des Klägers blieb Herr C.
Mehrheitsgesellschafter mit 51 v. H. und weiterhin Besitzunternehmer im Hinblick auf
4
das der GmbH überlassene Geschäftsgrundstück.
Zuvor hatte der Kläger an die C. GmbH bzw. an Herrn L. C. folgende Darlehen
hingegeben:
5
29.09.2000: 300.000,- DM C. GmbH
6
01.12.2000: 100.000,- DM C. GmbH
7
01.12.2000: 100.000,- DM L. C.
8
15.05.2001: 125.000,- DM C. GmbH
9
15.05.2001: 125.000,- DM L. C.
10
Darlehenssummen: 750.000,- DM.
11
Bereits vor Hingabe des ersten Darlehens hatten sich der Kläger und Herr C. darüber
geeinigt, dass der Kläger sukzessive alle Anteile an der GmbH übernehmen sollte.
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Den Darlehensvertrag vom 29.09.2000 hat der Kläger zivilrechtlich am 05.07.2001
erfolgreich angefochten. Insoweit ist die Darlehenssumme auf Grund einer von der Bank
M-Stadt gewährten Prozessbürgschaft zurückgeführt worden.
13
Hinsichtlich der verbleibenden Darlehensbeträge hat der Kläger vor dem Landgericht I-
Stadt ein Urteil erstritten, wonach sowohl die GmbH als auch Herr C. verurteilt wurden,
die gewährten Darlehen zurückzuzahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil
des Landgerichts I-Stadt vom xx.yy.2003 X O XXX/YY Bezug genommen. Am
13.12.2005 gab Herr C. auf Betreiben des Klägers die eidesstattliche Versicherung ab.
14
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger zunächst einen
Verlust gem. § 17 EStG in Höhe von 723.752,67 DM (750.000,00 DM – abzüglich
Darlehensrückzahlung 26.247,33 DM) geltend.
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Der Beklagte, der bei Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2001 zunächst davon
ausgegangen war, dass sämtliche Darlehen der C. GmbH gewährt worden seien,
erteilte am 17.07.2003 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden
Steuerbescheid, in dem er den Verlust in Höhe von 723.752,67 DM berücksichtigte.
Wegen erklärter nachträglich erstrittener Darlehensrückzahlungen in Höhe von
300.000,00 DM und Anwaltskosten in Höhe von 48.936,45 DM, die gem. § 175 Abs. 1
Nr. 2 Abgabenordnung (AO) auf das Jahr 2001 zurückbezogen wurden, erteilte der
Beklagte am 24.11.2004 einen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Änderungsbescheid, in dem der Verlust nunmehr mit 472.689,12 DM zum
Ansatz gebracht wurde.
16
Am 08.10.2001 beschloss die C. Metall GmbH die Liquidation zum 31.10.2001.
Liquidator war Herr L. C.. Ein Insolvenzverfahren wurde nicht betrieben.
17
In 2007 fand eine steuerliche Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 statt, bei der
der Prüfungszeitraum gem. § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO auf den Veranlagungszeitraum 2001
erweitert wurde. Die Einkommensteuerveranlagung 2001 stand noch unter dem
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Vorbehalt der Nachprüfung. Die Betriebsprüfung würdigte den Sachverhalt so, dass sie
private Darlehensverluste annahm, die steuerlich keine Berücksichtigung finden
konnten.
Am 06.03.2007 erteilte der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten – weiterhin
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden – Einkommensteuerbescheid, in dem
die durch die Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt wurden. Der
Verlust nach § 17 EStG wurde nicht mehr zum Ansatz gebracht, die Einkommensteuer
wurde in Höhe von zzzzz EUR festgesetzt.
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Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger am 02.04.2007 Einspruch ein.
Mit Bescheid vom 25.06.2007 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für 2001
auf und erteilte mit selbem Datum endgültige Änderungsbescheide gem. § 164 Abs. 2
AO für die Einkommensteuer 2004 und 2005. Gegenstand der Änderung waren weitere,
nicht streitige Prüfungsfeststellungen. Für 2003 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung
ohne Änderung aufgehoben. Gegen alle Bescheide legte der Kläger am 12.07.2007
Einspruch ein. Der Aufforderung des Beklagten, den erneuten Einspruch gegen die
Vorbehaltsaufhebung 2001 zurückzunehmen, da der Bescheid insoweit gem. § 365
Abs. 3 AO zum Gegenstand des Verfahrens werde, kam der Kläger nicht nach. Hierzu
erging eine gesonderte Entscheidung.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 06.11.2007 wies der Beklagte die Einsprüche vom
02.04.2007 (Einkommensteuer 2001) sowie vom 12.07.2007 (Einkommensteuer 2003,
2004 und 2005) als unbegründet zurück.
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Nach Auffassung des Beklagten wird ein Veräußerungsgewinn bzw. -verlust erst dann
realisiert, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das
Unternehmen im Ganzen veräußert worden seien und mit dem letzten Geschäftsvorfall
die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen worden sei. Im Streitfall sei zwar am
08.10.2001 die Liquidation zum 31.10.2001 beschlossen worden. Diese sei aber bei
Abfassung des Betriebsprüfungsberichtes im Mai 2007 noch nicht abgeschlossen
gewesen. Ausnahmsweise könne zwar der Zeitpunkt, in dem der Verlust realisiert
werde, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen
Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. Im vorliegenden Fall gestalte sich
der Liquidationsverlauf jedoch ausgesprochen unübersichtlich. Eine
Liquidationsschlussbilanz liege nicht vor, die Gesellschaft sei nicht gelöscht und
vollbeendet. Soweit erkennbar, sei von keinem großen Gläubiger, auch nicht vom
Kläger, ein Insolvenzantrag gestellt worden. Eine rechtliche Würdigung der weiter
gereichten Darlehen im Hinblick darauf, ob es sich dabei tatsächlich um
Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung gehandelt habe, sei in den Streitjahren nicht
anzustellen, da die streitigen Veranlagungszeiträume niemals den
Anerkennungszeitraum darstellen könnten.
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Dem Vortrag des Klägers, es habe eine faktische Mitunternehmerschaft an der L. C.
Besitzfirma vorgelegen, sei nicht zu folgen. Tatsächliche Anhaltspunkte für gewerbliche
Beteiligungseinkünfte seien nicht ersichtlich. Das Landgericht I-Stadt habe im
zivilrechtlichen Verfahren die Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen Herrn L. C.
auf ausgereichte Darlehen gestützt. Der Versuch von Herrn C., den Darlehensverträgen
über den Wortlaut hinaus Inhalt beizumessen, sei gescheitert. Das Urteil sei nach
Zurücknahme der Berufung beim OLG Hamm rechtskräftig. An dieser Beurteilung
ändere auch der mit Urkundenrollen-Nummer zz/01 des Notars I. C1 geschlossene
23
Vertrag vom 01.03.2001 nichts. Hierin hätten der Kläger und Herr L. C. Modalitäten über
die zukünftige Abtretung von Geschäftsanteilen an der C. Metall GmbH sowie den
Verkauf des von der GmbH genutzten Grundbesitzes vereinbart. Dies belege, dass eine
Mitunternehmerschaft geplant gewesen sei, die tatsächlich jedoch nicht vollzogen
worden sei. Die Feststellungen hierzu seien auch nicht im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung zu treffen. Eine gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderliche
Verlustfeststellung, die gem. § 182 AO Bindungswirkung für die streitige
Einkommensteuerfestsetzung hätte, sei nicht erfolgt und auch nicht beantragt worden.
Mit der am 05.12.2007 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er habe die Absicht
gehabt, sich als Mitunternehmer in der Einzelfirma sowie als Mitgesellschafter und
Geschäftsführer der C. Metall GmbH unternehmerisch zu betätigen. Insoweit habe eine
Betriebsaufspaltung bestanden. Die Finanzierung des Engagement sei nur formal im
Wege so gezeichneter Darlehen erfolgt. Faktisch habe es sich um Kapital gehandelt,
dass wie Eigenkapital des Klägers behandelt worden sei.
24
Es sei vereinbart worden, dass der Kläger die C. Unternehmen übernehmen und Herrn
C. über diese Unternehmen später alimentieren sollte. Dass Herr C. und seine Berater
den Kläger seinerzeit über den Status der Unternehmen insbesondere über die
Werthaltigkeit der Assets der Unternehmen arglistig getäuscht hätten, sei erst später
deutlich geworden und habe zur Anfechtung geführt.
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Die Liquidation der C. GmbH werde sei Jahren von Herrn C. betrieben. Welche
Veräußerungserlöse Herr C. bislang erzielt habe, sei dem Kläger nicht bekannt. Er gehe
jedoch davon aus, dass Erlöse nicht erzielt worden seien. Die Betriebsimmobilie stehe
seit Jahren leer. Sie sei über den Verkehrswert hinaus belastet und damit auch faktisch
nicht verwertbar.
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Die Hingabe der Finanzmittel an die C. Unternehmen habe der Erzielung von
Einnahmen im Sinne von §§ 15, 19, 20, EStG gedient. Es sei mit den gesetzlichen
Vorgaben nicht vereinbar, die entstandenen Verluste als steuerrechtlich unbeachtliche
Tatbestände zu behandeln. Angesichts der maroden wirtschaftlichen Situation der C.
Unternehmen dürfte die Zuführung von Finanzmitteln des Klägers bei Hingabe der Mittel
objektiv Eigenkapital ersetzend gewesen seien. Subjektiv natürlich nicht, weil C. den
Kläger ja betrogen habe.
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Nach Auffassung des Klägers kommt es aber auf den Eigenkapital ersetzenden
Charakter der Finanzmittel nicht einmal an. Schon auf der den Eigenkapitalersatzregeln
vorgeschalteten Ebene der Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben bzw.
Anschaffungskosten sei der Verlust steuerrechtlich abzugsfähig. Für die Annahme, bei
dem Verlust handele es sich um einen privaten Verlust, bestünden keine Anhaltspunkte,
weil der Kläger faktischer Mitunternehmer gewesen sein dürfte. Diese sei auch in den
vertraglichen Vereinbarungen dokumentiert.
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Der Kläger beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 06.03.2007 dahingehend abzuändern,
dass Darlehensverluste in Höhe von 423.753,00 DM sowie Veräußerungskosten in
Höhe von insgesamt 48.936,00 DM (Summe: 472.689,00 DM) als
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkannt werden;
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hilfsweise, die vorgenannten Beträge in den Streitjahren 2003, 2004 bzw. 2005 zu
berücksichtigten;
31
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32
Der Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen;
34
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
35
Zur Begründung verweist er auf die angefochtene Einspruchsentscheidung, auf die
Bezug genommen wird.
36
Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage am 16.10.2008 mit den Beteiligten
erörtert. Auf das Protokoll zum Erörterungstermin wird verwiesen.
37
Der Senat hat am 20.01.2010 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird
Bezug genommen.
38
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39
Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte Darlehensverluste in Höhe von 236.344,00
DM im Streitjahr 2005 steuerlich unberücksichtigt gelassen hat. Die auf Herabsetzung
der Einkommensteuer 2001 gerichtete Klage ist unbegründet, weil die Darlehen im
Veranlagungszeitraum 2001 noch werthaltig waren. Soweit der Kläger die
Berücksichtigung der an Herrn C. hingegebenen Darlehen begehrt, ist die Klage
ebenfalls unbegründet.
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1. Die Herrn C. aufgrund der Darlehensverträge vom 01.12.2000 bzw. 15.05.2001
überlassenen und später ausgefallenen Geldbeträge stellen – entgegen der Auffassung
des Klägers – keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 15
EStG dar. Da es zu einer Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und Herrn C. bzw.
zur Übernahme des Besitzunternehmens nicht gekommen ist, lägen im Streitfall
allenfalls vergebliche Betriebsausgaben vor, die einen Unterfall der
vorweggenommenen bzw. vorab entstandenen Betriebsausgaben bilden. Es ist in der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass Betriebsausgaben
anfallen können, bevor im Rahmen einer Einkunftsart Einnahmen erzielt werden (vgl.
BFH-Urteil vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl. II 1988, 992). Die
Aufwendungen können auch dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen
des Steuerpflichtigen nicht zu den Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare
Beziehung zu den Einkünften besteht (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1983 VIII R 160/82,
BFHE 140, 216, BStBl. II 1984, 307 m. w. N). Voraussetzung ist allerdings, dass nicht
mit den Aufwendungen nur irgendeine noch unsichere Einkommensquelle angestrebt
wird, vielmehr muss zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart
eine klar erkennbare Beziehung bestehen (BFH-Urteile vom 18. Juli 1972 VIII R 12/68,
BFHE 106, 513, BStBl. II 1972, 930 und vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72,
BStBl. II 1988, 992).
41
Im Streitfall hat der Kläger mit Herrn C. (persönlich) Darlehensverträge über eine
Gesamtsumme von 225.000,00 DM geschlossen. Der Darlehensvertrag vom 01.12.2000
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enthält die Auflage, das Darlehen der GmbH als Liquiditätshilfe zur Verfügung zu
stellen. Das Darlehen vom 15.05.2001 ist Herrn C. "zur Finanzierung eines Darlehens
an die Firma C. Metall-GmbH zur Verfügung gestellt" worden. Aufgrund des eindeutigen
Wortlauts der Verträge kann der Senat einen Zusammenhang mit der ursprünglich
geplanten Übernahme des Besitzunternehmens des Herrn C. nicht erkennen. Auch ein
Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 EStG scheidet aus, da insofern Herr C. und
nicht der Kläger der GmbH das Geld zur Verfügung gestellt hat.
2. Es ist jedoch ein Verlust aus den an die GmbH hingegebenen Darlehen in Höhe von
236.344,00 DM (225.000,00 DM – anteilige Tilgung in Höhe von 13.124,00 DM zzgl.
anteilige Kosten in Höhe von 24.468,00 DM) zu berücksichtigen, da insoweit
nachträglich Anschaffungskosten vorliegen, welche mit dem Nennwert zu bewerten
sind.
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a. Auflösung der GmbH
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45
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch
der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter
innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und
er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der
Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z. B. Senatsurteil vom
24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl. II 1999, 339). Der BFH hat in
ständiger Rechtsprechung entschieden, dass unter "aufgelöst" i.S. des § 17 Abs. 4 EStG
die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil
vom 03.10.1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361; BFH-Urteil vom 03.06.1993 VIII R
81/91, BStBl. II 1994, 162). Danach ist die Kapitalgesellschaft, hier die GmbH, i.S. des §
17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz oder
Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre.
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Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt hier nur die Auflösung durch den Beschluss
der Gesellschafter gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zum 31.10.2001 in Betracht. Nach der
Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich sodann der Zeitpunkt der Entstehung des
Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. BFH-
Urteil vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162). Hieraus leitet die BFH-
Rechtsprechung ab, dass im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation der
Gewinn oder Verlust grundsätzlich erst auf den Zeitpunkt des Abschlusses der
Liquidation zu ermitteln ist.
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Im Streitfall ist die abschließende Liquidation zwar bis zum Tag der mündlichen
Verhandlung nicht erfolgt. Der Senat ist aber dennoch der Auffassung, dass der Verlust
im Veranlagungszeitraum 2005 endgültig festgestanden hat. Denn fordert man für die
Verlustrealisierung i. S. des § 17 das "Feststehen" des Verlustes bezüglich der
nachträglichen Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 25.03.2003 VIII R 24/02 n. v.), kann
es allenfalls darauf ankommen, ob die verlustbegründenden Umstände feststanden (vgl.
auch BFH-Urteil vom 26.01.1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922). Das ist im Streitfall
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für 2005 zu bejahen. Weder auf der Gesellschafts- noch auf der Gesellschafterebene
war noch mit einer Auskehrung von Vermögen an den Kläger zu rechnen. Die
Gesellschaft war seit Jahren völlig überschuldet. Es zeichneten sich keine wesentlichen
Veränderungen ab, die den endgültigen Verlust der Einlage des Klägers in Frage
stellen konnten. Während der Kläger noch im Veranlagungszeitraum 2003
zivilrechtliche Urteile gegen Herrn C. und die GmbH erstritten hatte, bestanden seine
Bemühungen in den nächsten zwei Jahren ausschließlich darin, seine Ansprüche zu
realisieren. Dass dies praktisch unmöglich ist, steht nach Auffassung des erkennenden
Senats spätestens mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Herrn C. am
13.12.2005 fest.
b. Vorliegen nachträglicher Anschaffungskosten
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50
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB, der für das gesamte
Ertragssteuerrecht gilt, Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB
auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch
nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen Darlehen und andere
Finanzierungshilfen, z. B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere
Rechtshandlungen i.S. des § 32 a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden
Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 06.07.1999 VIII R 9/98, BStBl. II 1999, 817).
Maßgebend dafür, ob die Finanzierung eigenkapitalersetzenden Charakter hat und
damit auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist, ob ein Gesellschafter
der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital
zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine
dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (BFH-Urteil
vom 04.03.2008 IX R 80/06, BStBl. II 2008, 577).
51
Eine Krise liegt immer vor, wenn bereits Insolvenz (Überschuldung oder
Zahlungsunfähigkeit) eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.1997 VIII R 23/93,
BStBl. II 1999, 342). Eine Überschuldung der Gesellschaft liegt grundsätzlich nur dann
vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten die
bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und
die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens
ausreicht (vgl. BGH-Urteil vom 12.0.1999 II ZR 87/98, BB 1999, 1887; Urteil FG
Düsseldorf vom 19.10.1999 13 K 7553/95 F, EFG 2000, 257). Zahlungsunfähigkeit liegt
regelmäßig vor, wenn die Liquiditätslücke der Gesellschaft 10 % oder mehr der fälligen
Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder
fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern der Gesellschaft ein Zuwarten
nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (BGH-Urteil vom
52
24.05.2005 IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134).
Für das Klagebegehren bedeutet dies, dass die Voraussetzungen für die Entstehung
nachträglicher Anschaffungskosten in Höhe von 236.344,00 DM als erfüllt anzusehen
sind. Die Gesellschaft hat sich bereits ab dem Veranlagungszeitraum 1999 durchgängig
in der Krise befunden. Hierfür spricht, dass die GmbH bereits in diesem Jahr bei einem
Umsatz von 3.245.75,00 DM einen Verlust von 285.834,00 DM erzielt hat. Der zum
31.12.1999 nicht durch Eigenkapital gedeckte Freibetrag belief sich auf 553.425,00 DM.
Im Veranlagungszeitraum 2000 erzielte die GmbH einen Verlust in Höhe von
989.391,00 DM und der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich auf
1.451.816,00 DM.
53
An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass die Darlehen vor
Übernahme der Beteiligung hingegeben wurden. Auch vergeblich aufgewendete oder
vorweggenommene Anschaffungskosten bleiben Anschaffungskosten. Es gelten die
von der Rechtsprechung für vorab entstandene Betriebsausgaben oder
Werbungskosten entwickelten Grundsätze entsprechend (BFH-Urteil vom 20.04.2004
VIII R 4/02, BStBl. II 2004, 597). Sie können deshalb auch im Rahmen des § 17 EStG
berücksichtigt werden, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten
Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung stehen. Davon ist im Streitfall
hinsichtlich der der GmbH gewährten Darlehen – insbesondere aufgrund der zeitlichen
Nähe – auszugehen. Bereits vor Abschluss des hier nicht streitigen Darlehensvertrags
vom 29.09.2000 hatten sich der Kläger und Herr C. darüber geeinigt, dass der Kläger
sukzessive alle Anteile an der GmbH übernehmen sollte. Drei Monate nach Abschluss
des Darlehensvertrags vom 01.12.2000 wurde am 01.03.2001 ein entsprechender
Vorvertrag geschlossen. Die letzte Darlehenshingabe erfolgte schließlich eine Woche
vor dem notariellen Anteilsveräußerungsvertrag vom 22.05.2001.
54
c. Bewertung der nachträglichen Anschaffungskosten mit dem Nennwert
55
56
Grundsätzlich erfolgt nach der Rechtsprechung des BFH eine Bewertung mit dem
Nennwert, wenn Darlehen bereits in der Krise hingegeben wurden (vgl. BFH-Urteil vom
31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Wie bereits dargelegt, kann als sicher
angesehen werden, dass sich die GmbH zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung in der
Krise befunden hat. Nach Auffassung des Senats ist es auch unschädlich, dass die
Darlehen bereits vor Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt wurden, da
nach den Grundsätzen der vorweggenommenen Werbungskosten/Betriebsausgaben
auf den betrieblichen Veranlassungszusammenhang abzustellen ist (vgl. Ausführungen
unter b)). Entscheidend ist vielmehr, dass in dem Fall, in dem Darlehen vor Begründung
der wesentlichen Beteiligung gewährt werden, die Wertminderung von Ansprüchen des
Gesellschafters nach Begründung der maßgeblichen Beteiligung eingetreten sein muss
(vgl. Blümich/Ebling, § 17 EStG Rdnr. 215). Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt.
Nachdem der Kläger bereits eine Rückzahlung des Darlehens aus dem Vertrag vom
29.09.2000 in Höhe von 300.000,00 DM erreichen konnte, erwirkte er durch das Urteil
des Landgerichts I-Stadt vom 10.04.2003 titulierte Ansprüche sowohl gegen Herrn C. als
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auch gegen die GmbH in Höhe der Darlehensbeträge zuzüglich Zinsen und Kosten.
Erst im anschließenden Vollstreckungsverfahren (dieses wurde durch die Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung durch Herrn C. am 13.12.2005 beendet) stand mit
Sicherheit fest, dass eine Darlehensrückzahlung nicht mehr erfolgen würde. Die
Bewertung hat somit mit dem Nennwert in Höhe von 236.344,00 DM zu erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 151 Abs. 1 Satz 1 1. HS; Abs. 3
FGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).
58
Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die vorgenommene Bewertung der bereits
vor der Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährten Darlehen mit ihrem
Nennwert wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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