Urteil des FG Münster vom 31.03.2004

FG Münster (Belastung, Gewerbesteuer, Aussetzung, Einspruch, Personengesellschaft, Vstg, Gesellschafter, Verfassungsrecht, Meinung, Eigentumsgarantie)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 5 K 4139/00 G
31.03.2004
Finanzgericht Münster
5. Senat
Urteil
5 K 4139/00 G
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
Streitig ist, ob eine Einspruchsentscheidung (EE) isoliert aufzuheben ist, weil eine
Entscheidung wegen der Anhängigkeit von Musterverfahren noch nicht hatte ergehen
dürfen, sowie hilfsweise ob Gewerbesteuermessbeträge unter Berücksichtigung des
Halbteilungsgrundsatzes in geringerer Höhe festzusetzen sind.
Die Klägerin (Klin.) ist eine Kommanditgesellschaft (KG), deren persönlich haftende
Gesellschafterin eine GmbH ist. Für die Streitjahre setzte das Finanzamt (FA) die
Gewerbesteuermessbeträge wie folgt fest:
1995 1996 1997 1998
305.033,00 DM 193.732,00 DM 393.334,00 DM 358.025,00 DM
Zu Grunde gelegen hatten ohne Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen
Gewinne aus Gewerbebetrieb in folgender Höhe:
1995 1996 1997 1998
5.674.114,00 DM 3.483.803,00 DM 7.506.788,00 DM 7.283.206,00 DM
Gegen diese Bescheide legte die Klin. mit der Begründung Einspruch ein, dass das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 22.06.1995 2 BvL 37/91
(Bundessteuerblatt (BStBl.) II 1995, 655) aus Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz (GG) abgeleitet
habe, dass eine steuerliche Gesamtbelastung aus Einkommen-, Vermögen-, Körperschaft-
und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag von mehr als 50 v. H. des Sollertrages
verfassungswidrig sei (so genannter Halbteilungsgrundsatz). Diese Grenze sei in ihrem
Fall überschritten.
Zugleich beantragte sie, die Einspruchsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 Abgabenordnung
(AO) ruhen zu lassen, bis die als anhängig vor dem Bundesfinanzhof (BFH) und dem
BVerfG bezeichneten Verfahren entschieden worden seien - u. a. XI R 77/97 (BFH).
Das FA wies den Einspruch am 09.06.2000 mit der Begründung zurück, dass der
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bezeichnete Beschluss des BVerfG vom 22.06.1995 2 BvL 37/91 (a. a. O.) allein die
Vermögensteuer (VSt) betroffen habe. Der so genannte Halbteilungsgrundsatz sei
insbesondere auf die Gewerbesteuer nicht anwendbar. Dieser Auffassung sei auch der
BFH in seinem mittlerweile ergangenen Urteil vom 11.08.1999 XI R 77/97 (BStBl. II 1999,
771). Angesichts dessen sei auch ein Ruhen des Einspruchsverfahrens nicht in Betracht
gekommen.
Mit ihrer Klage macht die Klin. in erster Linie geltend, dass die EE verfahrensfehlerhaft
ergangen und daher aufzuheben sei. Sie weist darauf hin, dass gegen das Urteil des BFH
vom 11.08.1999 XI R 77/97 (a. a. O.) Verfassungsbeschwerde erhoben worden sei, Az. 2
BvL 2194/99. Sie ist der Auffassung, dass dieses Verfahren die selbe Rechtsfrage betreffe,
um die es im Streitfall gehe, und damit für den vorliegenden Fall vorgreiflich sei. Erst wenn
eine Entscheidung in diesem Verfahren ergangen sei, habe das Einspruchsverfahren
fortgesetzt werden dürfen.
Die Voraussetzungen für ein Ruhen des Einspruchsverfahrens hätten vorgelegen. Wegen
des Halbteilungsgrundsatzes sei eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren anhängig. Sie
behauptet, dass allein ihre Bevollmächtigten etwa 70 Klagen erhoben hätten, davon etwa
30 allein gegen das beklagte FA.
Das anhängige Verfahren vor dem BVerfG sei auch nicht völlig aussichtslos. Es sei nicht
ausgeschlossen, dass die Wirkung der Entscheidung in die Vergangenheit zurück reiche.
Das Finanzgericht (FG) Münster habe in dem Urteil vom 04.05.2000 3 K 8622/97 VSt
(Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 911) ebenfalls die Auffassung vertreten,
dass eine EE erst dann habe ergehen dürfen, wenn die betreffende höchstrichterliche
Entscheidung ergangen sei.
Sie, die Klin., habe auch ein berechtigtes Interesse daran, dass das FA erneut über ihre
außergerichtlichen Rechtsbehelfe entscheide. Erst wenn die Musterentscheidung bekannt
sei, könne sie das Kostenrisiko für eine möglicherweise noch zu erhebende Klage
abschätzen.
Sollte allerdings die EE vom 09.06.2000 nicht isoliert wegen Verfahrensfehlern aufzuheben
sein, seien die Gewerbesteuermessbeträge 1995 bis 1998 unter Berücksichtigung des
Halbteilungsgrundsatzes neu festzusetzen. Die Frage, wie konkret die steuerliche
Gesamtbelastung unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes zu berechnen sei,
sei offen. In diesem Zusammenhang äußert sie die Erwartung, dass das BVerfG in dem
noch offenen Verfahren eine detaillierte Berechnungsweise entwickeln werde.
Nach dem Halbteilungsgrundsatz sei jedenfalls die steuerliche Gesamtbelastung eines
Steuerpflichtigen beschränkt. Insofern müssten die vorliegend streitigen
Gewerbesteuermessbeträge herabzusetzen sein. In diesem Zusammenhang verweist sie
auf die in der Anlage zum Schriftsatz vom 08.03.2004 dargestellten Berechnungen (Bl. 54
d. Gerichtsakte).
Im Übrigen regt die Klin. an, das gerichtliche Verfahren gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung
(FGO) auszusetzen, bis das Verfahren vor dem BVerfG 2 BvL 2194/99 sowie ein weiteres
Verfahren 1 BvL 112/04 entschieden worden seien. Die Existenz dieses letzt genannten
Verfahrens sei dem Senat aus anderen bei ihm anhängigen Verfahren bekannt. Bei der zu
treffenden Entscheidung seien die gleichen Maßstäbe zu beachten wie bei einer
Entscheidung über das Ruhen eines Einspruchsverfahrens durch das FA.
Die Klin. beantragt,
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die EE vom 09.06.2000 aufzuheben,
hilfsweise,
unter Aufhebung der EE vom 09.06.2000 die Gewerbesteuermessbeträge 1995
bis 1998 um folgende Beträge herabzusetzen:
1995: 277.558,- DM
1996: 184.990,- DM
1997: 337.694,- DM
1998: 303.456,- DM
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es macht geltend, dass die EE nicht verfahrensfehlerhaft ergangen sei.
Die Ausführungen des BVerfG zum Halbteilungsgrundsatz seien auf den Streitfall nicht
anzuwenden. Selbst eine Belastung mit Einkommen- und Gewerbeertragsteuer von
insgesamt rund 60 v. H. des zu versteuernden Einkommens sei nicht verfassungswidrig.
Einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens werde nicht zugestimmt. Das vor dem BVerfG
anhängige Verfahren sei offensichtlich aussichtslos.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten und die FA-Akten verwiesen.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, §
90 Abs. 2 FGO.
Die Klage ist unbegründet.
Ein Ruhen des Verfahrens oder eine Aussetzung des Verfahrens kommen nicht in Betracht.
Nach § 155 FGO i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des
Verfahrens anzuordnen, wenn beide Beteiligte dies beantragen und anzunehmen ist, dass
wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen
diese Anordnung zweckmäßig ist. Im Streitfall hat lediglich die Klin. das Ruhen des
Verfahrens beantragt. Das FA als beklagter Beteiligter hat sich aber mit dem Ruhen nicht
einverstanden erklärt.
Das Verfahren ist auch nicht gemäß § 74 FGO von der Entscheidung auszusetzen, bis eine
höchstrichterliche Entscheidung in den Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvL 2194/99
bzw. 1 BvL 112/04 ergangen ist.
Nach dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Klageverfahren
auszusetzen, wenn vor dem BVerfG ein nicht als aussichtslos erscheinendes
Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den
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Finanzgerichten zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der
Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer
Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen
Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (ständige Rechtsprechung,
vgl. u. a. BFH-Beschlüsse vom 07.02.1992 III B 24, 25/91, BStBl. II 1992, 408, vom
08.05.1992 III B 138/92, BStBl. II 1992, 673, und vom 27.11.1992 III B 133/91, BStBl. II
1993, 240 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Im Streitfall und im Verfahren 2 BvL 2194/99 vor dem BVerfG geht es nicht um die selben
anzuwendenden Normen.
Vorliegend geht es darum, in welcher Höhe der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag in
den Streitjahren zu ermitteln ist. Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer sind nach
§ 6 Gewerbesteuergesetz (GewStG) der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital. Durch
Zusammenrechnung der Steuermessbeträge, die sich nach dem Gewerbeertrag und dem
Gewerbekapital ergeben, wird gemäß § 14 GewStG ein einheitlicher
Gewerbesteuermessbetrag gebildet. Nach § 7 GewStG ist maßgeblicher Gewerbeertrag
der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der
bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2)
entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um
die in §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge. Das Gewerbekapital ist nach Maßgabe des § 12
GewStG zu ermitteln.
Das beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvL 2194/99 betrifft
dagegen die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Frage, in welcher Höhe nach
den Vorschriften des EStG Einkommensteuer (ESt) festzusetzen ist. Denn es bezieht sich
auf das Urteil des BFH vom 11.08.1999 XI R 77/97 (a. a. O.). Bei dessen Sachverhalt war
streitig, ob für das Jahr 1994 die ESt auf einen bestimmten in der Klage bezeichneten
Betrag herabzusetzen war.
Der Hinweis der Klin. auf das in jüngster Zeit anhängig gewordene Verfahren vor dem
BVerfG - 1 BvL 112/04 - führt zu keiner anderen Beurteilung. Es bezieht sich - wie dem
Senat in dem bei ihm anhängig gewesenen Verfahren 5 K 6813/00 G bekannt geworden ist
- auf einen Beschluss des BFH in dem Verfahren II B 68/02. Darin aber ging es um die
Festsetzung von VSt. Diese Frage ist vom Streitfall nicht betroffen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klin. sind die von ihr angeführten Verfahren vor dem
BVerfG auch nicht "irgendwie" für die Entscheidung des Streitfalls von Bedeutung. Denn
von ihnen sind mit der ESt und VSt andere Rechtsgebiete betroffen als im vorliegenden
Rechtsstreit, bei dem es um die Festsetzung von GewSt-Messbeträgen geht.
Soweit in der Rechtsprechung eine in dieser Weise - "irgendwie" - bezeichnete Bedeutung
als ausreichend angesehen wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.07.1990 I R 12/90, BStBl
II 1990, 986, vom 07.02.1992 III B 24, 25/91, a. a. O., und vom 08.05.1992 III B 138/92, a. a.
O.) waren jene Fälle insofern anders gelagert, als es wenigstens um dasselbe
Rechtsgebiet gegangen war. Betroffen von den auszusetzenden Verfahren und von den
beim BVerfG anhängigem Verfahren war nämlich jeweils die ESt. Im Streitfall geht es aber
nicht einmal um dasselbe Rechtsgebiet.
Die Hinweise der Klin. auf die weiteren Punkte, die außerdem Gegenstand des Verfahrens
vor dem BVerfG 1 BvL 112/04 sein sollen, vermögen eine Aussetzung des vorliegenden
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Verfahrens ebenfalls nicht zu rechtfertigen. In der Rechtsprechung ist grundsätzlich geklärt,
unter welchen Voraussetzungen ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 2
S. 2 AO und eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens nach § 74 FGO zu erfolgen hat.
Weitere Verfahren vor dem BVerfG sind dem Senat nicht bekannt.
Der Umstand, dass gegen das Urteil des Senats in dem Verfahren 5 K 6354/00 G eine
Nichtzulassungsbeschwerde erhoben ist, spielt keine Rolle. Ein Klageverfahren ist gemäß
§ 74 FGO nur dann auszusetzen, wenn ein vor dem BVerfG anhängiges Verfahren als
Musterverfahren anzusehen ist. Darauf, ob vor dem BFH Revisionsverfahren anhängig sind
oder möglicherweise sein werden, kommt es nicht an.
Fehlt es hiernach schon im Ausgangspunkt an einer Vorgreiflichkeit von Verfahren vor dem
BVerfG für das vorliegende Verfahren, kann offen bleiben, ob auch die weiteren
Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens erfüllt sind. Insbesondere kann
dahingestellt bleiben, ob das von der Klin. bezeichnete Verfassungsbeschwerdeverfahren
2 BvL 2194/99 nicht von vornherein aussichtslos erscheint.
Die EE vom 14.09.2000 ist rechtmäßig ergangen.
Das FA war nicht verpflichtet, das Einspruchsverfahren weiter ruhen zu lassen. Nach § 363
Abs. 2 AO ruht zwar das Einspruchsverfahren insoweit, wie wegen der
Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei
dem EUGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der
Einspruch hierauf gestützt wird. Diese Voraussetzungen haben entgegen der
Rechtsauffassung der Klin. aber nicht vorgelegen. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren 2
BvL 2194/99 betrifft nach den vorstehenden Ausführungen nicht die im Streitfall
anzuwendenden Rechtsnormen der §§ 6 ff GewStG bei der Ermittlung der einheitlichen
Gewerbesteuermessbeträge. Damit kam angesichts der Gleichstellung beider Verfahren
(vgl. BFH-Beschluss vom 08.05.1992 III B 138/92, a. a. O.) ein Ruhen des
Einspruchsverfahrens aus diesem Grund ebenso wenig in Betracht wie heute die
Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 74 FGO.
Soweit ersichtlich ist, waren auch im Zeitpunkt der EE am 09.06.2000 weder beim BVerfG
andere Verfahren noch beim BFH Verfahren von der Art anhängig, in denen es um die
Rechtsfrage gegangen ist, ob von einer Personengesellschaft unter Einbeziehung von
einkommensteuerlichen Belastungen ihrer an ihr beteiligten Gesellschafter gegenüber
einem an sie - die Personengesellschaft - ergangenen Gewerbesteuermessbescheid ein
Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz geltend gemacht wurde. Das von der Klin. in
diesem Zusammenhang angeführte Verfahren beim BFH XI R 77/97 hatte die Belastung
mit ESt betroffen. Das in anderen gerichtlichen Verfahren von der Klin. bezeichnete
Verfahren vor dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 112/04 war zum damaligen
Zeitpunkt noch nicht anhängig.
Die Ausführungen des FG Münster im Urteil vom 04.05.2000 3 K 8622/97 VSt, (a. a. O.)
führen zu keiner anderen Beurteilung. Denn in jenem Fall ging es um die Rechtmäßigkeit
eines die Vermögensbesteuerung betreffenden Bescheides. Nach den Feststellungen des
FG waren im Zeitpunkt der EE in jenem Verfahren zu der weiteren Anwendbarkeit des
VStG mehrere Verfahren beim BFH anhängig. Vorliegend geht es aber nicht um die
Rechtmäßigkeit eines Vermögensteuerbescheides.
Soweit das FG Düsseldorf in einem Gerichtsbescheid vom 06.09.2002 - Az: 16 K 451/99 G
- hinsichtlich der GewSt eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, vermag ihr der Senat
nicht zu folgen. Seine Meinung hat das Gericht auch nicht weiter begründet.
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Die Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 1995 bis 1998 sind
rechtmäßig.
Das FA hat die Besteuerungsgrundlagen jeweils aus dem Gewerbeertrag - vgl. § 7 ff
GewStG - und dem Gewerbekapital - vgl. § 12 GewStG - ermittelt. Es ist nicht ersichtlich,
dass diese Bescheide nicht dem geltenden GewStG entsprechen. Hierzu hat die Klin. auch
nichts geltend gemacht.
Einen Verstoß gegen Verfassungsrecht vermag der Senat nicht zu sehen. Die
Gewerbesteuer ist weder verfassungswidrig noch verletzt sie Europarecht (vgl. BFH-Urteil
vom 18.09.2003 X R 2/00, BStBl. II 2004, 17).
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Diese Bestimmung schützt
grundsätzlich nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten. Etwas
anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen
übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen,
dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben (Beschluss des BVerfG vom 31.05.1988 I BvL
22/85, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtsentscheidung (BVerfGE) 78, 232).
Es bestehen schon Bedenken, ob bei der Beurteilung dieser Frage überhaupt auf den
Gewerbesteuermessbetrag abzustellen ist. Denn er ist lediglich Grundlage für den unter
Anwendung des jeweils gültigen Hebesatzes zu erteilenden Gewerbesteuer-Bescheid.
Dieser weist allein die Höhe der festgesetzten Gewerbesteuer aus, mit der ein
Steuerpflichtiger belastet ist.
Selbst wenn es auf den Gewerbesteuermessbescheid ankommen sollte, kann im Streitfall
von einer erdrosselnden Wirkung aber keine Rede sein. Denn die gewerblichen Erträge
sind im Streitfall mit weniger als 25 v. H. mit Steuern belastet. Das zeigt folgende Übersicht.
Hierbei geht der Senat aus Vereinfachungsgründen von einem Hebesatz der Gemeinde
von einheitlich 400 v. H. aus.
1995
1996
1997
1998
Gewerbliche Gewinne
5.674.114,00
DM
3.483.803,00
DM
7.506.788,00
DM
7.283.206,00
DM
Gewerbesteuer-
messbeträge
305.033,00
DM
193.732,00
DM
393.334,00
DM
358.025,00
DM
x Hebesatz
400 v. H.
400 v. H.
400 v. H.
400 v. H.
Gewerbesteuer- liche
Belastung
1.220.132,00
DM
774.928,00
DM
1.573.336,00
DM
1.432.100,00
DM
Vermögensteuer- liche
Belastung
59.925,00 DM 64.023,00 DM 0,00 DM
0,00 DM
Belastung gesamt
1.280.057,00
DM
838.951,00
DM
in v. H.
22,56 v. H.
24,08 v. H.
20,96 v. H.
19,66 v. H.
Sonstige steuerliche Belastungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat eine Belastung
mit ESt, die von den an der Klin. beteiligten Gesellschaftern zu tragen ist, außer Betracht zu
bleiben. Denn bei der Klin und den an ihr beteiligten Personen handelt es sich um jeweils
eigenständige Rechtssubjekte mit jeweils eigener steuerlicher Belastung.
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Fehlt es schon aus diesem Grund an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die
Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge in den Streitjahren fehlerhaft sein könnten,
kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom
22.06.1995 2 BvL 37/91 (a. a. O.) - wie die Klin. meint - überhaupt dazu führen können,
dass die Belastung eines Steuerpflichtigen mit Ertragssteuern zu begrenzen ist. An dieser
Rechtsauffassung bestehen nämlich deswegen Bedenken, weil diesem Beschluss für die
Entscheidung über eine mögliche Verfassungsmäßigkeit der Belastung durch ESt und
Gewerbeertragsteuer eine Bindung gemäß § 31 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz
(BVerfGG) nicht zukommen dürfte. Denn dieser Beschluss ist allein zur VSt ergangen (vgl.
BFH-Urteile vom 11.08.1999 XI R 77/97, a. a. O., und vom 18.09.2003 X R 2/00, a. a. O.,
sowie Urteil des FG Münster vom 20.09.1999 11 K 7976/97 E, EFG 2000, 130). Die Klin.
verkennt, dass allein dem Tenor einer Entscheidung des BVerfGG Gesetzeskraft zukommt.
Dieser aber lautet im Verfahren 2 BvL 37/91 wie folgt:
a. § 10 Nr. 1 Vermögensteuergesetz (VStG) ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum
1983 in allen seitherigen Verfassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar, als er
den Einheitswert gebundenen Grundbesitz und das zu Gegenwartswerten erfasste
Vermögen mit dem selben Steuersatz belastet.
a. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember
1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin
anwendbar.
Dass von dieser Entscheidungsformel der Gewerbesteuermessbetrag nicht tangiert ist, liegt
auf der Hand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht
vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.257.247,30 EUR (= 4.414.792,00 DM) festgesetzt.
Begründung:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 25 Gerichtskostengesetz.