Urteil des FG Münster vom 22.06.2004

FG Münster (Ausländische Steuer, Begriff, Geschäft, Unternehmen, Eugh, Doppelbelastung, Doppelbesteuerung, Prüfer, Unterliegen, Neutralität)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 5 K 841/02 U
22.06.2004
Finanzgericht Münster
5. Senat
Urteil
5 K 841/02 U
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
Streitig ist, ob bei Restaurationsleistungen, die im Zusammenhang mit Reiseleistungen
erbracht werden, sog. Kettengeschäfte vorliegen, auf die § 25 Umsatzsteuergesetz (UStG)
nicht anwendbar ist.
Die Klägerin (Klin.) ist eine GmbH. Sie verkauft im Ausland zu erbringende Leistungen, die
unter anderem Verpflegungsleistungen zum Inhalt haben, als komplette
Pauschalreisepakete an andere Reiseunternehmer. Die Abnehmer sind vorwiegend
Busreiseunternehmen, die die Reisepakete im Zusammenhang mit der Beförderung in
eigenen Bussen Endabnehmern anbieten.
Bei der Klin. ist u.a. für das Streitjahr 1998 eine USt-Sonderprüfung durchgeführt worden.
Dabei ging der Prüfer davon aus, dass es sich bei den erbrachten Leistungen um sog.
Kettengeschäfte handele, bei denen die Margenbesteuerung nach § 25 UStG gem.
Abschnitt 272 UStR keine Anwendung finde. Die Besteuerung erfolge vielmehr nach den
allgemeinen Vorschriften des UStG. Dabei sei für Restaurationsleistungen bis zum
28.06.1997 § 3 a Abs. 6 UStG und ab dem 28.06.1998 § 3 a Abs. 1 UStG einschlägig. Auf
Tz. 11, 12 des Berichts vom 08.09.2000 wird Bezug genommen. Der Prüfer ging weiter
davon aus, dass Restaurationsleistungen seit dem 27.06.1998 als Dienstleistungen
anzusehen seien. Dabei sei für den Leistungsort der Unternehmensort des anbietenden
Unternehmens maßgeblich, und Restaurationsumsätze deutscher Unternehmer würden
innerhalb und außerhalb der Hoheitsgrenzen der deutschen Umsatzsteuer unterliegen, vgl.
Tz. 12 des Berichts. Insgesamt ergab sich daraus in 1998 eine höhere Mehrwertsteuer von
35.572,14 DM, vgl. Anlage zum Bericht.
Das Finanzamt – FA – folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ am 27.12.2000
einen entsprechend geänderten USt-Bescheid 1998.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung – EE - vom 16.01.2002)
verfolgt die Klin. ihr Begehren mit der Klage weiter.
Sie meint, dass die USt- Festsetzung gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoße und zu
einer nicht europarechtskonformen Doppelbesteuerung sämtlicher im Ausland erbrachten
Restaurationsleistungen führe. Als Folge der Umsetzung der EUGH-Entscheidung
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Faaborg-Gelting in nationales Recht seien alle Restaurationsleistungen als sonstige
Leistungen gem. § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG anzusehen und damit sei der Unternehmersitz des
leistenden (Haupt-)Unternehmers gem. § 3 a Abs. 1 UStG der Leistungsort.
Im Gegensatz zur Margenbesteuerung nach § 25 UStG werde bei der Regelbesteuerung
der (anteilige) Ausgangsumsatz insgesamt der Besteuerung unterworfen. Da sie, die Klin,
im Geschäft mit anderen Unternehmen stehe (B2B = business to business) müsse sie
neben der im Eingangspreis enthaltenen, in der Regel nicht vergütungsfähigen
ausländischen Umsatzsteuer auch noch die deutsche Umsatzsteuer abführen. Da sich die
Bemessungsgrundlage für den Restaurationsumsatz nicht auf den Regelaufschlag
beschränke, sondern auch den Ausgangsumsatz inklusive der bereits im Ausland
erhobenen Umsatzsteuer erfasse, führe dies zur Doppelbelastung der Umsätze. Damit
werde de facto sogar eine (deutsche) Steuer auf die (ausländische) Steuer erhoben.
Die Vorschrift des § 25 UStG beruhe auf einer fehlerhaften Differenzierung zwischen dem
B2B – Reisegeschäft und dem B2C – Geschäft (business to consumer). Ursächlich dafür
sei eine unzutreffende Auslegung des Art. 26 der 6. EG- Richtlinie. Die in § 25 UStG
verwendete Interpretation des Begriffs "Reisender" ausschließlich im Sinne des privaten
Endverbrauchs sei willkürlich und widerspreche dem weiten Wortlaut von Art. 26 der 6. EG-
Richtlinie. Dort werde der Begriff in neutraler Form verwendet, ohne zwischen
Privatpersonen (B2C) und Unternehmen (B2B) zu unterscheiden. Entsprechend müssten in
den Ländern Italien, Spanien und Frankreich B2B – Reiseleistungen nur der
Margenbesteuerung unterworfen werden, vgl. Henkel, UStB 2000, 59.
Entsprechend würden deutsche Paketreiseveranstalter und damit auch sie, die Klin, im EU-
Ausland als Reiseveranstalter angesehen, so dass ihr konsequenterweise die
Vorsteuervergütung gem. Art. 26 Abs. 4 der 6. EG Richtlinie auf den Leistungseinkauf von
Reisevorleistungen versagt werde.
Wegen des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer sei es daher geboten, die
Restaurationsleistungen der Margenbesteuerung zu unterwerfen.
Die weite Auslegung des Begriffs der Reisenden werde nach Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie des
Rates vom 13.07.1990 über Pauschalreisen bestätigt.
Die Lösung des Problems könne sich insgesamt nur auf europäischer Ebene ergeben.
Die Klin beantragt,
den USt-Bescheid 1998 vom 27.12.2000 und die EE vom 16.01.2002 aufzuheben,
im Unterliegensfall die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem EUGH gem. Art. 234 EGV vorzulegen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der EE.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Klage hat keinen Erfolg.
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Das Finanzamt hat die betragsmäßig unstreitigen Umsätze von 222.388,37 DM zu Recht
der Umsatzsteuer unterworfen.
Im Streitfall ist die Besteuerung nach Margen schon deshalb nicht möglich, weil § 25 Abs. 1
UStG tatbestandlich nicht eingreift. Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für
Reiseleistungen eines Unternehmens, die nicht für das Unternehmen des
Leistungsempfängers bestimmt sind.
Diese Auslegung hat der BFH ausdrücklich in BStBl II 2004, 308, 309 Nr. III 1 der
Entscheidungsgründe und in BStBl II 1997, 160, 162 Nr. III 2 a aa als zutreffend
angesehen. Sie wird auch in der Literatur geteilt, vgl. Bunjes/Geist, UStG 7. Aufl., § 25
UStG Rn 3; Schroeder/Fuchs, UVR 1989, 103, 104 Tz. B 1. Damit unterliegen
Reiseleistungen, die gegenüber Unternehmern erbracht werden – sog. B2B – Verfahren,
dem allgemeinen Steuersatz.
Entgegen der Ansicht der Klin. verstößt diese deutsche Regelung in § 25 Abs. 1 UStG nicht
gegen Art. 26 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Der in der deutschen Fassung benutzte Begriff
"des Reisenden" betrifft nur Endkunden betrifft. Das wird im Wortlaut dadurch ergänzt, dass
die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten müssen. Stellt man
auf die Klin. ab, so tritt sie gegenüber den Reisenden nicht im eigenen Namen auf, da sie
im B2B – Geschäft nur gegenüber einem Abnehmer – Unternehmung - tätig wird.
Gegenüber den Reisenden tritt sie überhaupt nicht auf. Der Gesamtzusammenhang stellt
entgegen der Rechtsmeinung der Klin. auf Reisende als Endverbraucher ab, weil die
Vorschrift sonst im Zusammenhang nicht verständlich wären. Das wird nach Ansicht des
Senats durch die englische und französische Fassung bestätigt.
Wenn Art. 26 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie entsprechend der Meinung der Klin so wohl auf
alle Reisenden als auch auf Reisebüros angewendet würde, würde die Sonderregelung
ihren Sinn verlieren. Damit würde der Begriff des Reisenden/customers/voyageur mit dem
des Wiederverkäufers/resellers gleichgestellt, obwohl diese Personengruppe gerade nicht
selbst diese Reiseleistungen als Reisende in Anspruch nimmt.
Die vom deutschen Gesetzgeber umgesetzte Regelung führt auch nicht zu einem Verstoß
gegen den Neutralitätsgrundsatz. Das Problem liegt nicht in der Besteuerung der
Ausgangsumsätze, die der Senat für eine zutreffende Umsetzung des Art. 26 der 6. EG-
Richtlinie hält. Ein etwaiger Verstoß kann sich nur daraus
ergeben, dass die Klin. gegebenenfalls keine Vorsteuer aus ihren Eingangsleistungen
geltend gemacht hat.
Für einen derartigen Abzug von Vorsteuern ist eine Eingangsrechnung erforderlich. Auf
derartige Rechnungen hat die Klin. gem. Art. 22 Abs. 3 a der 6. EG-Richtlinie einen
zivilrechtlichen Anspruch. Wenn sie ihre Vertragspartner nicht – gegebenenfalls
zivilrechtlich - dazu verpflichtet, kann sie sich auch nicht auf die angebliche
Doppelbesteuerung berufen. Ein Problem einer Doppelbelastung oder ein Verstoß gegen
den Neutralitätsgrundsatz liegt nicht vor. Ein Grund für die Vorlage gem. Art. 234 EGV ist
danach nicht ersichtlich.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen
nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.