Urteil des FG Münster vom 01.03.2007

FG Münster: treu und glauben, abspaltung, bilanz, buchwert, veranlagung, anmerkung, buchführung, einlage, sorgfalt, erstmaliger

Finanzgericht Münster, 6 K 2375/04 E
Datum:
01.03.2007
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2375/04 E
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 05.04.2004 werden dahingehend
geändert, dass der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 um
21.771,00 DM niedriger ausgewiesen wird. Die Berechnung der
festzusetzenden Steuer für die Streitjahre wird dem Finanamt
aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Beschluss: Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
1
Streitig ist, ob ein Buchwert für eine veräußerte Milchreferenzmenge in einem
Folgewirtschaftsjahr gewinnmindernd ausgebucht werden kann, wenn die Veräußerung
zuvor in einem bestandskräftig veranlagten Zeitraum in vollem Umfang versteuert
worden ist.
2
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 1999 und 2000
zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kl. erzielte Einkünfte aus Land-
und Forstwirtschaft. Der Gewinn für das abweichende Wirtschaftsjahr wurde durch
Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermittelt. Im Wirtschaftsjahr 1995/1996 veräußerte
der Kl. eine Milchreferenzquote für einen Preis von 32.500,00 DM. Der Kaufpreis floß in
vollem Umfang in den Gewinn ein. Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Milchquote
wurde bislang kein Buchwertabgang berücksichtigt. In ihren Steuererklärungen für die
Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 wiesen die Kl. für das Wirtschaftsjahr
1999/2000 bei den Sachanlagen Grund und Boden i. S. v. § 55 Abs. 1 EStG einen
wertmäßigen Abgang i. H. v. 28.013,00 DM für die Milchquote an. In der beigezogenen
Bilanzakte des Beklagten (Bekl.) befindet sich insoweit ein handschriftlicher Vermerk mit
folgendem Inhalt: "Verkauf Milchquote von 1996 33.750,00 kg x 0,83 = 28.013,00 DM."
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Unter Berücksichtigung dieses Ansatzes erklärten die Kl. für das Wirtschaftsjahr
1999/2000 einen Gewinn i. H. v. 23.564,00 DM, der nach ihrer Erklärung i. H. v.
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11.782,00 DM auf den Veranlagungszeitraum 1999 und i. H. v. ebenfalls 11.782,00 DM
auf den Veranlagungszeitraum 2000 fiel.
Der Bekl. folgte dieser Auffassung nicht. Mit ESt-Bescheid 1999 vom 5. September 2001
setzte er zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die ESt auf 12.082,00 DM fest.
Dabei erhöhte er den hältigen Gewinn aus dem Wirtschaftsjahr 1999/2000 um
14.007,00 DM auf 25.789,00 DM. Am 9. Oktober 2002 hob er den Vorbehalt der
Nachprüfung auf. Mit ESt-Bescheid vom 9. Oktober 2002 setzte er die ESt 2000 auf
6.198,90 EUR fest. Dabei berücksichtigte er ebenfalls den höheren hältigen Gewinn für
das Wirtschaftsjahr 1999/2000 i. H. v. 25.788,00 DM.
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Die Kl. haben mit Schreiben vom 10. September 2001 und 15. Oktober 2002 hiergegen
Einspruch eingelegt. Diesen hat der Bekl. zunächst zum Ruhen gebracht und
schließlich mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 5. April 2004 als unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung hat er Bezug genommen auf das BFM-Schreiben vom
14. Januar 2003 IV A 6-S 2134-52/02 (BStBl I 2003, 78). Danach könne aus
Billigkeitsgründen von einer Abspaltung eines Buchwerts des Grund und Bodens für
das Milchlieferrecht abgesehen werden. Eine Abspaltung müsse nicht erfolgen. Solle
eine Buchwertabspaltung dennoch erfolgen, könne der Buchwert für die
Milchreferenzmenge nur erfolgsneutral ausgebucht werden. Eine den Gewinn
mindernde Ausbuchung sei unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
EE des Bekl. verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.
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Mit ihrer am 3. Mai 2004 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kl. ihr
Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine
Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG vorliegen. Soweit eine Bilanzberichtigung
nicht möglich sei, sei der falsche Bilanzansatz grundsätzlich in der Schlussbilanz des
ersten Jahres, dessen Veranlagung geändert werden könne, erfolgswirksam richtig zu
stellen. Die Kl. weisen darauf hin, dass die im Wirtschaftsjahr 1995/1996 veräußerte
Milchquote ordnungsgemäß in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen worden
sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die geänderte Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung
noch nicht bekannt gewesen. Die Finanzverwaltung habe sich nach langen Beratungen
erst mit BMF-Schreiben vom 14. Januar 2003 entschlossen, die BFH-Rechtsprechung
anzuwenden und die BFH-Urteile im BStBl zu veröffentlichen. Damit sei der
Bilanzansatz des Grund und Bodens nur bis zur Bilanz für das Wirtschaftsjahr
1998/1999 nicht fehlerhaft, da er zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung den Vorgaben der
Finanzverwaltung, den steuerlichen Bilanzierungsgeboten und –verboten und der bis
dahin vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen habe. Die Kl. sind
der Auffassung, dass der Buchwert des Grund und Bodens in der Schlussbilanz des
Wirtschaftsjahres 1999/2000, als erste zu berichtigende Bilanz gewinnwirksam zu
verringern sei und zwar i. H. d. Anteils den auf die abzuspaltende Milchquote
entfallenden Betrages von 21.771,00 DM. Die Kl. halten die Auffassung im BMF-
Schreiben vom 14. Januar 2003, wonach die Bilanzberichtigung erfolgsneutral zu
erfolgen habe, für falsch. Die Milchquote sei nach den Grundsätzen des BFH
gewinnwirksam i. H. d. abgespaltenen Buchwerts auszubuchen. Die Kl. verweisen auf
die Kommentierung von Stapperfend in Hermann/Heuer/Raupach Loseblattkommentar
zur Est und KSt zu § 4 EStG Anmerkung 432 und in Leingärtner Besteuerung der
Landwirte Kap. 29 Rdnr. 85. Ferner weisen sie auf das Urteil des BFH vom 21. Oktober
1976 IV R 222/72, BFHE 120, 369, BStBl II 1977, 148 und auf die BFH-Urteile vom 05.
März 1998 IV R 8/95, BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54; vom 25. November 1999 IV R
64/98, BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61; vom 24. August 2000 IV R 11/00, BFHE 192,
7
547, BStBl II 2003, 64 und vom 24. August 2000 IV R 42/99, BFHE 193, 107, BStBl II
2003, 67 hin.
Die Kl. beantragen,
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1. den ESt-Bescheid für 1999 in Gestalt der EE vom 05.04.2004 abzuändern und die
ESt unter Berücksichtigung des Buchwertabgangs für Milchquote i.H.v. 21.771,00
DM um 4.038,00 DM niedriger festzusetzen,
2. den ESt-Bescheid für 2000 in Gestalt der EE vom 05.04.2004 abzuändern und die
ESt unter Berücksichtigung des Buchwertabgangs für Milchquote i.H.v. 21.771,00
DM um 4.076,00 DM niedriger festzusetzen,
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hilfsweise,
11
für den Fall der vollen oder teilweisen Abweisung der Klage die Revision
zuzulassen.
12
Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
hilfsweise,
15
die Revision zuzulassen.
16
Er verweist noch einmal auf das BMF-Schreiben vom 14. Januar 2003, wo unter Rdnr.
20 zu der Problematik der Bilanzberichtigung Ausführungen gemacht werden. Danach
sei die Bilanzberichtigung erfolgsneutral durchzuführen, da sich durch die Abspaltung
des Milchlieferrechts vom Bodenwert des Grund und Bodens an der Fehlerquelle keine
Gewinnauswirkung ergeben habe. Die Bilanzansätze seien grundsätzlich in der
Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung geändert worden sei, richtig zu
stellen. Der Bekl. verweist insoweit auf den Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142. Gebiete die
Fehlerursache eine erfolgsneutrale Gewinnberichtigung, so sei sie innerhalb der
Steuerbilanz erfolgswirksam auszuweisen, und außerhalb der selben nach Einlage-
/Entnahmegrundsätzen wieder zu neutralisieren. Der Bekl. verweist insoweit auf das
BFH-Urteil vom 6. August 1998 IV R 67/97, BFHE 186, 402, BStBl II 1999, 14. Im
Übrigen nimmt er Bezug auf die Ausführungen in seiner EE vom 05.04.2004.
17
Der Senat hat am 1. März 2007 in der Sache mündlich verhandelt; auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
18
Die Klage ist begründet.
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Die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 in der Fassung der
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Einspruchsentscheidung vom 5. April 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in
ihren Rechten.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz darf der Steuerpflichtige die
Vermögensübersicht (Bilanz) nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes nicht entspricht. Die durch diese Regelung eröffnete
Möglichkeit der Bilanzberichtigung setzt voraus, dass die ursprüngliche Bilanz in dem
zu korrigierenden Punkt unrichtig ist. Ist eine solche Berichtigung an der Fehlerquelle
aber nicht mehr möglich, weil die Bescheide bestandskräftig sind und keine
Änderungsvorschrift für die Bescheide eingreift, so ist die Korrektur grundsätzlich in der
Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung
möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann eine Bilanz aber
nicht bereits deshalb berichtigt werden, weil sie bei rückschauender Betrachtung, also
zu einem späteren Zeitpunkt als der Bilanzaufstellung, objektiv gegen Grundsätze der
ordnungsgemäßen Buchführung verstößt. Vielmehr ist ein Bilanzansatz im Sinne von §
4 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz als richtig anzusehen, wenn er den
Kenntnisstand wiederspiegelt, den der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der
Bilanzaufstellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung haben konnte. Das
gilt auch dann, wenn nach Bilanzaufstellung Erkenntnisse gewonnen werden, nach der
die Bilanzierung nunmehr objektiv fehlerhaft erscheint. Hieraus ergibt sich zum einen,
dass eine Rechtsprechungsänderung dann nicht zur Unrichtigkeit eines Bilanzansatzes
führt, wenn dieser Bilanzansatz zur Zeit der Bilanzaufstellung der vorliegenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (siehe BFH-Urteil vom
12. November 1999 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl. II 1993, 392). Zum anderen folgt
aus diesem Grundsatz auch, dass ein Bilanzansatz als richtig anzusehen ist, wenn im
Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu
der Bilanzierungsfrage ergangen ist, jedoch die kaufmännische Sorgfalt eingehalten
wurde (siehe BFH-Urteil vom 5. April 2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006,
688, kritisch dazu Herzig/Nitzschke "Bilanzberichtigung in den Fällen erstmaliger
höchstrichterlicher Rechtsprechung" DB 2007, 304).
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Im Streitfall kommt eine Bilanzänderung nach diesen Grundsätzen in Betracht, weil der
Bilanzansatz auch unter Berücksichtigung dieses subjektiven Fehlerbegriffs als falsch
anzusehen ist.
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Die Milchlieferrechte, für die nunmehr im nachhinein eine Bilanzänderung und eine
Gewinnminderung über die Ausbuchung eines vom Grund und Bodens abgespalteten
Buchwertes begehrt werden, waren bereits im Wirtschaftsjahr 1995/1996 verkauft
worden. Nachdem der BFH in seinen beiden Urteilen vom 5. März 1998 (IV R 8/95,
BFHE 185, 434, BStBl. II 2003, 54 und IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl. II 2003, 56)
entschieden hatte, dass im Rahmen einer Betriebsaufgabe die gemeinen Werte des
Grund und Bodens und der Milchreferenzmengen dem nach § 55 Abs. 1
Einkommensteuergesetz pauschalierten Wert des Grund und Bodens gegenüber zu
stellen sind, so dass die Verlustklausel des § 56 Abs. 6 Einkommensteuergesetz greifen
kann, war erst mit Urteil vom 25. November 1999 (IV R 64/98, BFHE 190, 214, BStBl. II
2003, 61) und dem folgend mit den beiden weiteren Urteilen vom 24. August 2000 IV R
11/00, BFHE 192, 547, BStBl. II 2003, 64 und IV R 42/99, BFHE 193, 107, BStBl. II
2003, 67) entschieden worden, dass es sich bei den Milchlieferungsrechten um
selbständige, immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, die losgelöst vom Grund und Boden
zu bilanzieren und dementsprechend steuerlich auch als selbständige Wirtschaftsgüter
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zu behandeln sind. Bis dahin war eine Abspaltung der Milchlieferrechte sowohl nach
der Rechtsprechung als auch nach der Verwaltungspraxis nicht erforderlich. Das zeigt
auch die Neuregelung der Bewertung von Milchlieferrechten, die im Zusammenhang mit
landwirtschaftlichem Grund und Boden steht, durch das BMF-Schreiben vom 14. Januar
2003 (a.a.O.), in dem erstmalig eine Abspaltung eines Wirtschaftsgut für
Milchlieferrechte vom Grund und Boden auch von der Verwaltung als zulässig
angesehen wird. Dementsprechend ist zwar die Behandlung von Grund und Boden, die
bis zum Bekanntwerden der genannten Urteile im Zusammenhang mit
Milchlieferungsrechten stand und bei dem keine gesonderten Werte für
Milchlieferungsrechte abgespalten waren, als richtig im Sinne des § 4 Abs. 1
Einkommensteuergesetz zu sehen. Da aber ab diesem Zeitpunkt nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Milchlieferungsrechte eigenständige
Buchwerte anzusetzen waren, wurden ab diesem Zeitpunkt die bisherigen Buchansätze
des Grund und Bodens falsch und bedurften einer Berichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1
Einkommensteuergesetz.
Soweit der Beklagte dem BMF-Schreiben vom 14. Januar 2003 (a.a.O.) in Rdnr. 20 folgt
und die Bilanzberichtigung erfolgsneutral durchführt, ist dem nicht zu folgen. Zwar heißt
es in Rdnr. 20 des besagten BMF-Schreibens wörtlich: "Ist eine Abspaltung des
Buchwertes des Milchlieferungsrechtes vom Buchwert des Grund und Bodens (noch)
nicht vorgenommen worden, sind die Bilanzansätze insoweit fehlerhaft. Da sich durch
die Abspaltung des Milchlieferungsrechts vom Buchwert des Grund und Bodens an der
Fehlerquelle keine Gewinnauswirkungen ergeben hat, ist auch die Bilanzberichtigung
erfolgsneutral durchzuführen. Die Bilanzansätze sind grundsätzlich in der Schlussbilanz
des ersten Jahres, dessen Veranlagung geändert werden kann, richtig zu stellen
(Beschluss des Großen Senates des BFH vom 29. November 1965, BStBl. 1966 III, S.
142). Gebietet die Fehlerursache eine erfolgsneutrale Berichtigung, so ist sie innerhalb
der Steuerbilanz erfolgswirksam auszuweisen und außerhalb derselben nach Einlage-
/Entnahmegrundsätzen wieder zu neutralisieren (BFH-Urteil vom 6. August 1998, BStBl.
1999, II S. 14). Die Berichtigung bereits aufgestellter Bilanzen kann allerdings
unterbleiben, wenn der Fehler die Höhe der Steuerschuld nicht berührt hat. In diesem
Fall ist die Anfangsbilanz des Wirtschaftsjahres zu berichtigen, für das zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung dieses BMF-Schreibens noch kein Jahresabschluss aufgestellt
worden ist (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1991, BStBl. 1992 II S. 512). Eine
Bilanzberichtigung kann nur insoweit vorgenommen werden, als ein Bilanzierungsfehler
noch vorliegt, die betroffenen Wirtschaftsgüter also noch vorhanden sind (BFH-Urteil
vom 12. Februar 1998, BStBl. II S. 503)."
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Die im BMF-Schreiben vom 14. Januar 2003 (a.a.O.) in Rdnr. 20 vertretene Auffassung
wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Denn Bilanzierungsfehler mit
Gewinnauswirkung sind grundsätzlich in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen
Veranlagung noch geändert werden kann, mit Gewinnauswirkung richtig zu stellen (vgl.
z. B. Stapperfend in Hermann/Heuer/Raupach Loseblattkommentar zur Est und KSt zu §
4 EStG Anmerkung 431und Schmidt/Heinicke EStG Kommentar 25. Auflage 2006 § 4
Rdnr. 715). Es ist zwar zutreffend, dass die Abspaltung der Buchwerte der
Milchreferenzmenge vom Grund und Boden grundsätzlich erfolgsneutral zu erfolgen hat.
Gleichwohl wirkt sich aber der Buchwertabgang "Milchreferenzmenge" nicht
erfolgsneutral aus. Denn der Veräußerungsgewinn aus den Milchreferenzmengen wird
unter Abzug der Buchwerte ermittelt (s. BFH-Urteil vom 20. März 2003 IV R 37/02
a.a.O.). Der Gewinn ist somit niedriger. Dem hat der Beklagte im vorliegenden Fall aber
keine Rechnung getragen, weil er den Buchwertabgang erfolgsneutral bewertet hat. Die
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Kläger machen jedoch zu Recht geltend, dass damit nicht berücksichtigt ist, dass der
Abgang des Buchwertes in Höhe von 21.771,00 DM ebenfalls erfolgswirksam zu
berücksichtigen sei.
Zwar widerspricht diese Auffassung dem Prinzip der periodengerechten
Gewinnermittlung und beseitigt im Ergebnis auch ggf. die Wirkung der Verjährung. Der
BFH hat es jedoch teilweise für ausreichend erachtet, diese Grundsätze im Rahmen von
Treu und Glauben zugunsten der zutreffenden Ermittlung des Totalgewinns zu
durchbrechen (s. BFH-Beschluß vom 30. März 1994 I B 81/93, BFH/NV 1995, 192; BFH-
Urteile vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407 und vom
16. Mai 1990 X R 72/87 , BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044 m.w.N.). Der Senat sah es
im vorliegenden Fall ebenfalls für gerechtfertigt an, den Grundsatz der zutreffenden
Ermittlung des Totalgewinns zugunsten der Kläger anzuwenden, da Sie die
Entwicklung der Rechtsprechung des BFH zum Buchwertansatz bei der Milchquote im
Zeitpunkt der Gewinnrealiserung nicht kennen konnten und somit nicht treuwidrig
gehandelt haben.
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Die Berechnung der neu festzusetzenden Steuern der Streitjahre war dem Beklagten
gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die Revision
war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von der
Auffassung in dem BMF-Schreiben vom 14. Januar 2003 (a.a.O.) ab.
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