Urteil des FG Münster vom 28.05.2004

FG Münster (Einkünfte, Unterliegen, Kapitalvermögen, Gewinnausschüttung, Beruf, Absicht, Kaufpreis, Kapitalanlage, Aufwendung, Körperschaft)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 11 K 1743/03 E
28.05.2004
Finanzgericht Münster
11. Senat
Urteil
11 K 1743/03 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Schuldzinsen zur Finanzierung
eines Geschäftsanteilserwerbes als Werbungskosten, insbesondere über die Anwendung
des sog. Halbabzugsverfahrens gemäß § 3 c Abs. 2 EStG.
Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 28. Dezember 2000 einen Geschäftsanteil an der R
GmbH (GmbH). Ausweislich des notariellen Kaufvertrages (UR Nr. 2516/00 des Notars)
war der Kaufpreis zum 2. Januar 2001 fällig (§ 3 des Vertrages). Sobald der Kaufpreis in
voller Höhe geleistet war, sollte der Geschäftsanteil mit dinglicher Wirkung auf den Kläger
übergehen (§ 8 des Vertrages). Dementsprechend war der Kläger am Gewinn der GmbH
erst ab dem Jahr 2001 beteiligt, während der Gewinn des Jahres 2000 noch dem Verkäufer
zustand (§ 4 des Vertrages).
Das Wirtschaftsjahr der GmbH entspricht dem Kalenderjahr. Im Jahr 2001 erwirtschaftete
die GmbH einen Überschuss in Höhe von 75.357,24 Euro. Infolge eines Verlustvortrages
ergab sich zum 31.12.2001 insgesamt ein Bilanzverlust in Höhe von 400.378,76 Euro.
Seit dem 2. Januar 2001 ist der Kläger Geschäftsführer der GmbH und erzielt als solcher
Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Für das im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb aufgenommene Darlehen wendete der
Kläger im Streitjahr 2001 Schuldzinsen in Höhe von 5.369,00 DM auf, die er als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht hat. Der
Beklagte berücksichtigte die Schuldzinsen im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12.
November 2002 jedoch unter Hinweis auf § 3 c Abs. 2, § 3 Nr. 40 EStG nur zu 50%
(2.684,50 DM). Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2003).
Zur Begründung seiner Klage weist der Kläger im Wesentlichen darauf hin, dass das sog.
Halbeinkünfteverfahren für offene Gewinnausschüttungen erst ab dem
Veranlagungszeitraum 2002 gelte. Nur in seltenen Ausnahmefällen - wie z.B. einer
verdeckten Gewinnausschüttung - erfolge eine entsprechende Anwendung bereits im Jahr
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2001. Ein solcher Ausnahmefall liege hingegen nicht vor. Vielmehr sei auf offene
Gewinnausschüttungen für den Veranlagungszeitraum 2001 das Anrechnungsverfahren
anzuwenden, so dass im Ergebnis der volle Werbungskostenabzug zulässig sei, und zwar
unabhängig davon, ob es tatsächlich zu einer offenen Gewinnausschüttung gekommen sei
oder nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12. November 2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2003 aufzuheben und die Einkommensteuer
unter Berücksichtigung von weiteren Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen in Höhe von 2.683,66 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass gemäß § 3c Abs. 2 EStG Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr.
40 EStG zugrundeliegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur hälftig
abziehbar sind. Ab dem Veranlagungszeitraum 2001 sei auf offene Gewinnausschüttungen
für abgelaufene Wirtschaftsjahre - d.h. Abfluss der Gewinnausschüttung für das Jahr 2001
im Jahr 2002 - das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden.
Im Streitfall seien für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 keine Gewinne offen
ausgeschüttet worden. Der Kläger wende die Werbungskosten mithin auf, um Einkünfte zu
erzielen, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung
verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die vom Kläger im Streitjahr aufgewendeten Werbungskosten unterliegen dem
Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG und sind daher vom Beklagten zu Recht nur in
Höhe von 50% berücksichtigt worden.
Schuldzinsen sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG "Werbungskosten", soweit
sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Wird ein Kredit zum
Erwerb einer Kapitalanlage aufgenommen, ist ein entsprechender wirtschaftlicher
Zusammenhang im Sinne eines Veranlassungszusammenhangs mit den Einkünften aus
"Kapitalvermögen" zu bejahen, wenn bei der Kapitalanlage nicht die Absicht der Erzielung
steuerfreier Vermögensvorteile im Vordergrund steht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1981
VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE
135, 320, BStBl II 1982, 463; vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825). Die
vom Kläger aufgewendeten Schuldzinsen sind danach grundsätzlich als Werbungskosten
bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu qualifizieren.
Entsprechende Werbungskosten unterliegen jedoch gemäß § 3 c Abs. 2 EStG einer
Abzugsbeschränkung. Danach dürfen - unter anderem - Betriebsausgaben oder
Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden
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Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang
stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. § 3c Abs. 2
EStG betont ausdrücklich, dass das Abzugsverbot unabhängig davon gilt, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen. Das
Gesetz fordert insoweit weder einen unmittelbaren Zusammenhang noch einen zeitlichen
Bezug zu den steu erfreien Einnahmen (so i.E. auch FG Düsseldorf Urteil vom 10. März
2003, EFG 2003, 1070). Mithin greift das Abzugsverbot unabhängig davon ein, ob die
zugehörigen Einnahmen in demselben Zeitraum erzielt worden sind oder n icht (z.B.
Dötsch in Dötsch/Eversberg/Witt, Kommentar KStG/EStG § 3c Rz 25; Erhard in Blümich
EStG § 3c Rn 43, vgl. auch Neu EFG 2003, 1071, Frotscher DStR 2001, 2045).
Die vom Kläger im Streitjahr 2001 erbrachten Zinsaufwendungen stehen in
wirtschaftlichem Zusamm enhang mit gemäß § 3 Nr. 40 lit. d EStG zur Hälfte steuerfreien
Einnahmen, so dass nur ein hälftiger Werbungsk ostenabzug (§ 3c Abs. 2 EStG) in Betracht
kommt.
Der Umstand, dass es in den Jahren 2001 oder 2002 nicht zu einer Ausschüttung und
damit auch nicht zu einer entsprechenden Besteuerung von Zinseinkünften beim Kläger
gekommen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2
EStG setzt nicht die tatsächliche Vornahme einer Gewinnausschüttun g voraus. Dies ergibt
sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Danach gilt das Abzugsverbot unabhängig davon,
i n welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen (so auch Heinicke in Schmidt
EStG § 3c Rn 26). Das Geset z spricht damit gerade nicht von vereinnahmten oder
tatsächlich geleisteten Gewinnausschüttungen, insbesondere setzt es nicht voraus, dass
Einnahmen und Werbungskosten im selben Veranlagungszeitraum zugeflossen bzw. aufg
ewendet worden sind. Maßgeblich ist allein der wirtschaftliche Zusammenhang von
Werbungskosten und den dem Hal beinkünfteverfahren unterliegenden Einnahmen.
Der Geltung des Abzugsverbotes steht im Streitfall auch nicht § 52 Abs. 8a EStG entgegen.
§ 52 Abs. 8a EStG (hierzu siehe z.B. Prinz/Otto DStR 2003, 2099) stellt für die erstmalige
Anwendung des Abzugsverb otes des § 3 c Abs. 2 EStG darauf ab, ab wann § 3 Nr. 40
EStG - und damit das sog. Halbeinkünfteverfahren - er stmals anzuwenden ist. § 3 Nr. 40
EStG ist gemäß § 52 Abs. 4a Nr. 1 EStG erstmals anzuwenden für Gewinnausschü
ttungen, auf die bei der ausschüttenden Körperschaft der nach Art. 3 des Gesetzes vom 23.
Oktober 2000 (BGBl. I S. 1433) aufgehobene Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes -
und damit das sog. Anrechnungsverfahren - nicht mehr anzuwenden ist. Das
Anrechnungsverfahren kommt letztmalig für Gewinnausschüttungen zur Anwendung, d ie
auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden
Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgel aufenes Wirtschaftsjahr beruhen, und die in dem
ersten Wirtschaftsjahr erfolgen, das in dem Veranlagungszeitra um endet, für den das
Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000
(BG Bl I S. 1433) erstmals anzuwenden ist (§ 34 Abs. 10a S. 1 Nr. 1 KStG). Das wiederum
ist nach § 34 Abs. 1 KStG (idF des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000, BGBl I S.
1433) bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstim menden Wirtschaftsjahr für den
Veranlagungszeitraum 2001 der Fall (siehe auch Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach § 3
Nr. 40 EStG Anm. 47). Bei ausschüttenden inländischen Kapitalgesellschaften mit einem
dem Kalenderjahr ent sprechenden Wirtschaftsjahr gilt das Halbeinkünfteverfahren mithin
erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001.
Maßgebend ist dabei jeweils der Abfluss der Gewinnausschüttung. Dies folgt aus dem
Wortlaut des § 34 Abs. 10a EStG ("....Gewinnausschüttungen....die in dem ersten
Wirtschaftsjahr erfolgen....) und entspric ht auch der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes (so auch Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach § 3 Nr. 4 0 EStG Anm.
47).
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Demzufolge gilt für Ausschüttungen des Wirtschaftsjahres 2001, die auf einem den
gesellschaftsr echtlichen Vorschriften entsprechenden Beschluss beruhen und - letztlich
zwangsläufig - im Jahre 2002 abfließe n, das Halbeinkünfteverfahren (§ 52 Abs. 4a Nr. 1
EStG iVm § 34 Abs. 10a S. 2 Nr. 1, § 34 Abs. 1 KStG). Für an dere Ausschüttungen, d.h.
verdeckte Gewinnausschüttungen oder aber Vorabausschüttungen sowie sonstige
Leistung en gilt das Halbeinkünfteverfahren hingegen bereits ab dem
Veranlagungszeitraum 2001 (§ 34 Abs. 10a Nr. 2 KStG ).
Im Streitfall kommt mithin ein Zusammenhang lediglich mit Einkünften, die dem
Halbeinkünfteverf ahren unterliegen, in Betracht. Dabei kann dahinstehen, wie etwaige
Gewinnausschüttungen für den Veranlagungsz eitraum 2000 zu behandeln wären, denn
diese standen dem Kläger nach den Bestimmungen des Kaufvertrages nicht z u. Vielmehr
hat er die Zinsaufwendungen getätigt, um ab dem Veranlagungszeitraum 2001 Einkünfte
aus Kapitalver mögen zu erzielen. Diese wären aber in jedem Falle nach § 3 Nr. 40 d EStG
lediglich zur Hälfte der Besteuerung zu unterwerfen. Dies gilt sowohl für etwaige offene
Gewinnausschüttungen für das Jahr 2001, welche im Jahr 20 02 geflossen wären, als auch
für etwaige Vorabausschüttungen oder verdeckte Gewinnausschüttungen für das Jahr
2001, die im gleichen Jahr abgeflossen wären.
Stehen aber die vom Kläger aufgewendeten Werbungskosten - zwangsläufig - im
Zusammenhang mit Ei nkünften, auf die das Halbeinkünfteverfahren Anwendung findet,
unterliegen sie dem Abzugsverbot des § 3 c Abs. 2 EStG.
Die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen können schließlich auch nicht als
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG)
abgezogen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der Senat anschließt, sind
diesbezüglic he Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind
(vgl. BFH Beschluss vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979,
213, m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
grundsätzlich anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und
die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs gemacht werden (BFH-Urteile vom
20. Dezember 1988 VI R 55/ 84, BFH/NV 1990, 23, und vom 4. Juli 1986 VI R 227/83,
BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771, m.w.N.). Dabei setze n Werbungskosten stets einen
solchen objektiven Zusammenhang voraus, während die subjektive Absicht, mit der A
usgabe den Beruf zu fördern, kein in jedem Fall notwendiges Merkmal des
Werbungskostenbegriffs ist (BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132,
431, BStBl II 1981, 368). Ist der Steuerpflichtige - wie im Stre itfall - allerdings nicht nur
Arbeitnehmer der GmbH, sondern auch deren Gesellschafter, scheidet die Annahme v on
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich aus. Denn
in diesen Fällen is t, wenn die Beteiligung nicht wegen ihres unbedeutenden Umfangs
vernachlässigt werden kann, die Aufwendung in der Regel nicht durch den Beruf des
Steuerpflichtigen, sondern durch seine Gesellschafterstellung veranlasst. Von einer durch
das Arbeitsverhältnis veranlassten Aufwendung kann nur bei Vorliegen besonderer
Umstände im Ei nzelfall ausgegangen werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1961 VI
306/60 U, BFHE 74, 163, BStBl III 1962, 6 3), die im Streifall weder vom Kläger dargelegt
noch nach Aktenlage ersichtlich sind.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.