Urteil des FG Münster vom 09.06.2009

FG Münster: unentgeltliche zuwendung, schutz der gläubiger, verfügung, kaufpreis, kaufvertrag, vollziehung, bereicherung, belastung, grundstückserwerb, erlass

Finanzgericht Münster, 6 K 1040/09 AO
Datum:
09.06.2009
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1040/09 AO
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides i.S. des § 191 Abs. 1
Abgabenordnung (AO), insbesondere die Frage, ob die Voraussetzungen einer
Gläubigeranfechtung nach den Vorschriften über die Anfechtung von Rechtshandlungen
eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz - AnfG)
vorliegen.
2
Die Klägerin (Kl.) lebte seit dem Jahr 2004 mit Herrn B (Vollstreckungsschuldner) in
eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Im Dezember 2005 heirateten die Kl. und der
Vollstreckungsschuldner standesamtlich. Seit Mitte 2007 ist die Ehe geschieden.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 07.03.2005 erwarb die Kl. das Grundstück "in B"
(Einfamilienhaus, Grundbuch von R, Blatt, Gemarkung R, Flur, Flurstück) von den
Eheleuten S (Verkäufer) zu einem Kaufpreis i.H. von 280.000,- EUR. Die
Besitzübergabe sollte zum 15.05.2005, nicht jedoch vor vollständiger Zahlung des
Kaufpreises stattfinden. Die Kl. wurde am 27.05.2005 als Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen.
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Den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis brachte ausschließlich der
Vollstreckungsschuldner auf. Einen Teilbetrag i.H. von 130.000,- EUR entrichtete er aus
Eigenmitteln und den Restbetrag i.H. von 150.000,- EUR finanzierte er als alleiniger
Kreditnehmer durch ein bei der Deutschen Bank H aufgenommenes Darlehen. Im
Rahmen dieser Finanzierung wurde das Grundstück durch notarielle Bestellung vom
18.04.2005 mit einer Grundschuld i.H. von 150.000,- EUR zu Gunsten der Deutschen
Bank belastet. Ansonsten war das Objekt im Zeitpunkt der Übertragung auf die Kl.
lastenfrei.
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Neben dem im Grundstückskaufvertrag vereinbarten Kaufpreis i.H. von 280.000,- EUR
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zahlte der Vollstreckungsschuldner (nach eigener Aussage gegenüber der
Staatsanwaltschaft B) im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung und nach
vorheriger Vereinbarung einen weiteren Betrag i.H. von 50.000,- EUR ("schwarz") an
die Verkäufer. Auch diesen Betrag brachte er aus Eigenmitteln auf.
Mit notarieller Bestellungsurkunde vom 11.09.2006 wurde das der Kl. übertragene
Grundstück mit einer weiteren Grundschuld i.H. von 100.000,- EUR zu Gunsten eines
Herrn G belastet.
7
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.06.2008 veräußerte die Kl. das Grundstück "in B" zu
einem Kaufpreis i.H. von 250.000,- EUR an ihre Schwester. Die Übertragung sollte frei
von eingetragenen Beschränkungen und Belastungen erfolgen.
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Der Vollstreckungsschuldner schuldet dem Land Nordrhein-Westfalen für die Zeiträume
von 1995 bis 2001 und 2003 bis 2005 rückständige Einkommen- und Annexsteuern,
rückständige Umsatzsteuern sowie rückständige steuerliche Nebenleistungen i.H. von
insgesamt 189.408,39 EUR. Sämtliche Steuern sind endgültig und unanfechtbar
festgesetzt sowie fällig und vollstreckbar. Die Steuerfestsetzungen resultieren aus einer
am 16.10.2006 zwischen der Finanzverwaltung und dem Vollstreckungsschuldner
geschlossenen tatsächlichen Verständigung (vgl. Abschrift Bl. 65 ff. der Gerichtsakte 6 V
2698/08 AO). Hinsichtlich der einzelnen Steuerrückstände wird auf die in den
Verwaltungsakten befindlichen Kontoauszüge des Beklagten (Bekl.) sowie auf die
Anlage 1 zum Duldungsbescheid vom 19.05.2008 verwiesen. Vollstreckungsversuche
des Bekl. gegenüber dem Vollstreckungsschuldner blieben bisher erfolglos.
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Mit Duldungsbescheid vom 19.05.2008 focht der Bekl. – nach vorheriger Anhörung der
Kl. - gemäß § 4 Abs. 1 AnfG die Zuwendung der Barmittel vom Vollstreckungsschuldner
an die Kl. zum Zwecke des Erwerbs des Grundstücks "in B" an. Durch die Zahlung des
Kaufpreises aus Eigenmitteln an die Verkäufer (Überweisung i.H. von 130.000,- EUR
als notariell geschuldetem Kaufpreis und 50.000,- EUR als inoffiziell geschuldetem
Kaufpreis) im Rahmen des Grundstückserwerbs habe der Vollstreckungsschuldner der
Kl. eine unentgeltliche Zuwendung (Schenkung) i.H. von insgesamt 180.000,- EUR zu
Teil kommen lassen. Dadurch seien seine Befriedigungsmöglichkeiten als
Steuergläubiger gegenüber dem Vollstreckungsschuldner eingeschränkt worden. Auf
Grund des gesetzlichen Auftrags, eine rechtzeitige Zahlung der Abgaben
sicherzustellen, sei es ermessensgerecht, die Kl. durch Duldungsbescheid in Anspruch
zu nehmen. Der Wert der bei der Kl. eingetretenen Bereicherung i.S. des § 11 Abs. 2 S.
1 AnfG entspreche dem Nominalwert der zugewandten Geldbeträge. Somit habe er –
der Bekl. – gegenüber der Kl. einen Anspruch auf Wertersatz gemäß § 11 Abs. 1 S. 2
AnfG i.H. von 180.000,- EUR aus deren Gesamtvermögen.
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Gegen den Duldungsbescheid legte die Kl. am 23.05.2008 Einspruch ein und
beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie
zunächst aus, dass eine Benachteiligung des Bekl. als Vollstreckungsgläubiger nicht
gegeben sei. Denn soweit die Mittel seinerzeit nicht zum Zwecke des
Grundstückserwerbs eingesetzt worden wären, hätte der Vollstreckungsschuldner sie
mittlerweile anderweitig verbraucht. Außerdem stelle die Übernahme der
Kaufpreiszahlung keine unentgeltliche Leistung dar, da sie zum Einen aus familiären
und moralischen Gründen sowie zum Anderen zum Zwecke der Gründung eines
gemeinsamen Hausstandes und damit in Erfüllung ehelicher Pflichten erfolgt sei.
Schließlich seien ihr die gesamten Machenschaften ihres Ehemannes – des
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Vollstreckungsschuldners – nicht bekannt gewesen. Der Bekl. sei daher nicht berechtigt,
von ihr Wertersatz zu verlangen.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides lehnte der Bekl.
mit Schreiben vom 27.05. und 15.07.2008 ab.
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Daran anschließend stellte die Kl. am 17.07.2008 beim Finanzgericht Münster einen
gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides vom
19.05.2008. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 6 V 2698/08 AO geführt. Mit
Beschluss vom 12.01.2009 lehnte der erkennende Senat den Antrag der Kl. ab.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Entscheidungsgründe verwiesen.
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Im Anschluss an den Aussetzungsbeschluss gab der Bekl. der Kl. erneut Gelegenheit
zur (weitergehenden) Begründung ihres anhängigen außergerichtlichen Rechtsbehelfs.
Die Kl. verwies insofern auf ihren bisherigen Sachvortrag. Mit Einspruchsentscheidung
vom 18.03.2009 wies der Bekl. den Einspruch der Kl. vom 23.05.2008 gegen den
Duldungsbescheid vom 19.05.2008 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der
Einzelheiten wird auf die in den Verwaltungsakten befindliche Einspruchsentscheidung
verwiesen.
14
Die Kl. hat am 02.04.2009 die vorliegende Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag
auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren gestellt.
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Zur Begründung ihrer Klage führt sie Folgendes aus:
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Der streitige Duldungsbescheid stehe schon deshalb nicht im Einklang mit dem
materiellen Recht, weil der Bekl. im Rahmen der Anfechtung das falsche Zugriffsobjekt
gewählt habe. Unzutreffenderweise gehe der Bekl. davon aus, dass vorliegend in einen
Geldbetrag vollstreckt werden dürfe. Nach der gebotenen wirtschaftlichen
Betrachtungsweise sei ihr – der Kl. – vorliegend jedoch nicht die Befreiung von einer
Kaufpreisverbindlichkeit zugeflossen, sondern vielmehr das Grundstück als solches
mittelbar zugewendet worden. Sämtliche Geschäfte, die im Zusammenhang mit dem
Grundstückserwerb stünden, seien einheitlich zu betrachten. Es verhalte sich gerade
nicht so, dass sie – die Kl. – erst ein Grundstück gekauft hätte, an dessen Finanzierung
sich der Vollstreckungsschuldner sodann maßgeblich beteiligt habe. Im Gegenteil
verhalte es sich so, dass sie auf Geheiß des Vollstreckungsschuldners als Käuferin und
spätere Eigentümerin des Grundstücks aufgetreten sei. Der Kaufpreis sei direkt an die
Verkäufer geflossen, ohne dass sie wirtschaftliches Eigentum daran erlangt habe. Auch
um die Finanzierung des Kaufpreises habe sich ausschließlich der
Vollstreckungsschuldner bemüht. Somit seien die verschiedenen Rechtshandlungen als
einheitliches Rechtsgeschäft in Gestalt einer mittelbaren Zuwendung unter Eheleuten
zu werten. Die Pflicht zur Wiederherstellung der Zugriffslage könne sich damit
ausschließlich auf das Grundstück selbst beziehen (Verweis auf Huber,
Anfechtungsgesetz10, München 2006, § 1 AnfG Rz. 20 ff., § 13 AnfG Rz. 24).
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Weiter führt die Kl. zur Begründung ihrer Klage aus, dass sie durch das Eigentum an
dem Grundstück auch nicht (mehr) bereichert sei. Das Grundstück sei zur Absicherung
des Kaufpreises mit der Grundschuld zu Gunsten der Deutschen Bank i.H. von
150.000,- EUR belastet gewesen. Darüber hinaus habe eine Grundschuld i.H. von
100.000,- EUR zu Gunsten des Herrn G auf dem Grundstück gelastet. Diese
Grundschuld sei zur Besicherung eines Darlehens in gleicher Höhe bestellt worden,
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welches Herr G dem Vollstreckungsschuldner gewährt habe. Den Darlehensbetrag
habe der Vollstreckungsschuldner – entsprechend der tatsächlichen Verständigung vom
16.10.2006 - zur Tilgung der beim Bekl. bestehenden Steuerrückstände eingesetzt. Bei
einem geschätzten Grundstückswert i.H. von 260.000,- EUR sowie dem später
tatsächlich erzielten Verkaufspreis i.H. von 250.000,- EUR sei eine Bereicherung
ihrerseits im Ergebnis nicht gegeben, erst Recht wenn man berücksichtige, dass sie
zwischenzeitlich auch noch Verwendungen auf das Grundstück getätigt habe.
Des weiteren macht die Kl. geltend, dass bei ihr keine
Gläubigerbenachteiligungsabsicht bzw. keine Kenntnis einer etwaigen
Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vollstreckungsschuldners vorgelegen habe. Am
22.02.2006, mithin etwa zwei Monate nach der Eheschließung, sei der
Vollstreckungsschuldner für sie aus völlig heiterem Himmel verhaftet worden. Bis zu
diesem Zeitpunkt habe sie nicht gewusst, dass der Vollstreckungsschuldner überhaupt
Verbindlichkeiten bzw. drohenden Verbindlichkeiten bei der Finanzbehörde ausgesetzt
gewesen sei. Auch habe sie keine Kenntnis davon gehabt, dass der
Vollstreckungsschuldner ansonsten in Machenschaften verwickelt gewesen sei, die den
Charakter rechtswidriger Handlungen aufweisen könnten. Infolgedessen sei ihr zu
keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass durch die Zuwendung des Grundstücks (oder
bei abweichender Betrachtung: durch die Zuwendung der für den Grundstückserwerb
erforderlichen Mittel) Gläubiger benachteiligt würden. Der Vollstreckungsschuldner habe
beim Erwerb des Grundstücks insistiert, dass sie – die Kl. – als Käuferin im Kaufvertrag
auftreten solle. Die Motive bzw. Hintergründe habe sie seinerzeit nicht gekannt. Sie sei
diesem Ansinnen des Vollstreckungsschuldners ohne Bedenken nachgekommen, weil
sie diese Art der Gestaltung des Erwerbs eines von zukünftigen Eheleuten zu
bewohnenden Einfamilienhauses für vollkommen unproblematisch gehalten habe. Auch
die Einzelheiten der Finanzierung seien ihr nicht bekannt gewesen. Vor dem
Hintergrund ihrer Gutgläubigkeit habe sie einen eventuellen wirtschaftlichen
Mittelzufluss gemäß § 11 Abs. 2 AnfG nur insoweit zur Verfügung zu stellen, als nach
wie vor eine Bereicherung bestehe. Da dies jedoch ersichtlich nicht der Fall sei, gehe
der angefochtene Duldungsbescheid ins Leere.
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Außerdem vertritt die Kl. die Ansicht, dass es dem Bekl. angesichts der zwischen dem
Vollstreckungsschuldner und der Finanzbehörde geschlossenen tatsächlichen
Verständigung vom 16.10.2006 verwehrt sei, sie per Duldungsbescheid in Anspruch zu
nehmen. Der Bekl. müsse sich vielmehr an der Vereinbarung mit dem
Vollstreckungsschuldner festhalten lassen. Es stehe ihm nicht frei, nach Gutdünken
einerseits Rechtshandlungen mit Bindungswirkung vorzunehmen, durch die Dritte frei
würden, andererseits jedoch wieder Dritte in Anspruch zu nehmen.
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Schließlich trägt die Kl. noch vor, dass die Vollziehung des Duldungsbescheides für sie
mit einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte
verbunden sei. Sie verfüge über keinerlei Vermögenswerte, die über
Einrichtungsgegenstände, Kleidungsstücke und ähnliche Gegenstände des
persönlichen Bedarfs hinausgingen. Sie sei nicht einmal Eigentümerin eines
Kraftfahrzeugs. Aktuell absolviere sie eine Umschulungsmaßnahme, während derer sie
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch
(SGB II) beziehe. Die Vollziehung des Duldungsbescheides würde die Einleitung eines
Privatinsolvenzverfahrens notwendig machen und damit ihren wirtschaftlichen
Niedergang bedeuten. Auch die wirtschaftliche Situation und die
Gesamtlebensumstände ihres minderjährigen Kindes wären davon negativ betroffen.
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Die Kl. beantragt,
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den Duldungsbescheid vom 19.05.2008 und die Einspruchsentscheidung vom
18.03.2009 aufzuheben,
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ihr unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt W () Prozesskostenhilfe zu
gewähren.
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Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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Der Bekl. verweist im Rahmen seiner Gegenäußerung auf den Aussetzungsbeschluss
des erkennenden Senats vom 12.01.2009 und auf den Inhalt seiner
Einspruchsentscheidung vom 18.03.2009.
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Der erkennende Senat hat am 09.06.2009 mündlich in der Sache verhandelt. Auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten 6 K
1040/09 AO, 6 V 1042/09 AO und 6 V 2698/08 AO sowie auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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I. Der angefochtene Duldungsbescheid vom 19.05.2008 und die
Einspruchsentscheidung vom 18.03.2009 sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in
ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Der Bekl. hat die Zuwendung der Barmittel
i.H. von 180.000,- EUR durch den Vollstreckungsschuldner an die Kl. für den Kauf des
Grundstücks "in B" in zutreffender Weise gemäß § 1 Abs. 1, § 2, § 4 Abs. 1 und 2, § 11
Abs. 1 und 2, § 13 AnfG angefochten und die Kl. zu Recht durch einen
Duldungsbescheid i.S. des § 191 Abs. 1 AO in Anspruch genommen.
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1) Die Anfechtungsberechtigung des Bekl. ergibt sich aus § 2 AnfG.
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Danach ist zur Anfechtung von Rechtshandlungen des Vollstreckungsschuldners
außerhalb des Insolvenzverfahrens jeder Gläubiger berechtigt, der einen
vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, vorausgesetzt die
Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners hat nicht zu einer
vollständigen Befriedigung geführt. Die im Duldungsbescheid vom 19.05.2008 nach Art,
Zeitraum und Höhe aufgeführten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen waren fällig
und vollstreckbar. Die Vollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners
blieb bisher erfolglos und verspricht aktuell auch keinen Erfolg.
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Für die Anfechtungsberechtigung ist es nicht von Bedeutung, dass den Festsetzungen
der rückständigen Steuern eine zwischen dem Vollstreckungsschuldner als
Steuerpflichtigem und der Finanzbehörde geschlossene tatsächliche Verständigung
über die Besteuerungsgrundlagen zugrunde liegt. Der Bekl. hat auch – entgegen der
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Ansicht der Kl. – mit dem Abschluss der tatsächlichen Verständigung vom 16.10.2006
nicht auf die Anfechtungsberechtigung bzw. den Erlass eines Duldungsbescheides
verzichtet. Dem von der Kl. vorgelegten Protokoll über die Abwicklung eines
steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist ein Verzicht auf
Anfechtungsmöglichkeiten nicht zu entnehmen. Die in dem Protokoll unter Punkt 3.2.2.
vereinbarten Regelungen zur "Schadenswiedergutmachung" beziehen sich in erster
Linie auf das eingeleitete Steuerstrafverfahren und beschränken weder die
Vollstreckungsmöglichkeiten des Bekl. im Besteuerungsverfahren noch schließen sie
eine Anfechtung von Rechtshandlungen nach dem AnfG aus (das zeigt auch die
Formulierung "soll erfolgen"). Gegen einen Verzicht auf bestehende
Anfechtungsmöglichkeiten spricht ferner, dass eine tatsächliche Verständigung nur der
Beseitigung von Zweifeln bei der Steuerfestsetzung dient und sich daher überhaupt nur
auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erstrecken kann. Hingegen ist die
öffentliche Hand mit Blick auf die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit
der Besteuerung nicht befugt, auf Vollstreckungsmöglichkeiten bzw. die Berechtigung
einer Gläubigeranfechtung nach dem AnfG zu verzichten. Schließlich hat der
Vollstreckungsschuldner selbst die getroffene Vereinbarung auch insofern nicht
eingehalten, als die ab dem 01.01.2007 zu leistenden monatlichen Ratenzahlungen
nach Auskunft des Bekl. nicht absprachegemäß erbracht worden sind.
2) Der Vollstreckungsschuldner hat der Kl. aus seinem Vermögen Barmittel i.H. von
130.000,- EUR zur Tilgung eines Teils des notariell vereinbarten
Grundstückskaufpreises sowie weitere Barmittel i.H. von 50.000,- EUR für die Tilgung
der außervertraglich mit den Verkäufern des Grundstücks vereinbarten Zusatzzahlung
zur Verfügung gestellt. Darin liegen jeweils anfechtbare Rechtshandlung, die zu einer
objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt haben (§ 1 Abs. 1 AnfG).
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a) Unerheblich ist dabei, ob einerseits der Vollstreckungsschuldner der Kl. die zum
Zwecke des Grundstückserwerbs notwendigen Barmittel zunächst überlassen und diese
die Beträge sodann bestimmungsgemäß verwendet hat, oder ob andererseits der
Vollstreckungsschuldner selbst den vertraglich vereinbarten Kaufpreis auf das
Notaranderkonto eingezahlt sowie die zusätzliche "Schwarzzahlung" an die Verkäufer
des Grundstücks geleistet hat. In der letztgenannten Alternative hätte der
Vollstreckungsschuldner die Kl. von einer Verbindlichkeit i.H. von 130.000,- EUR befreit
und durch die Übernahme der Zahlung von 50.000,- EUR ihr erst die Möglichkeit zum
Abschluss des Kaufvertrages eingeräumt. In beiden Fällen sind die Mittel jedenfalls dem
Vermögen des Vollstreckungsschuldners entzogen, dem Vermögen der Kl. zugewandt
und damit die Befriedigungsmöglichkeiten des Bekl. als Gläubiger objektiv
beeinträchtigt worden (vgl. FG Niedersachsen, Urteil v. 31.03.2006, 15 K 161/05, EFG
2008, 427).
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b) Dem Einwand der Kl., der Bekl. habe im Rahmen der Anfechtung auf das falsche
Zugriffsobjekt abgestellt, weil ihr vom Vollstreckungsschuldner kein Bargeld, sondern
allenfalls das Grundstück mittelbar zugewendet worden sei, vermag der erkennende
Senat nicht zu folgen. Rein (formal-)rechtlich betrachtet war die Kl. als Partei am
Kaufvertrag beteiligt. Die aus dem Kaufvertrag resultierenden Rechte und Pflichten
traten in ihrer Person ein. Die Hingabe der Barmittel durch den Vollstreckungsschuldner
hat dazu geführt, dass die Kl. in einem ersten Schritt zunächst erst mal die Gelegenheit
zur Schließung des Kaufvertrages erhielt (Zahlung 50.000,- EUR) und in einem zweiten
Schritt von einer aus dem Kaufvertrag bestehenden Verbindlichkeit frei geworden ist
(Zahlung 130.000,- EUR). Die Übertragung des Grundstücks dagegen ist durch die
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Verkäufer als vorherige Eigentümer erfolgt, nicht durch den Vollstreckungsschuldner.
Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob eine sog. mittelbare Zuwendung i.S. des Rechts
der Einzelgläubigeranfechtung überhaupt vorliegt. Typisch für die Fälle der sog.
mittelbaren Zuwendung ist nämlich, dass der Vollstreckungsschuldner schuldrechtlich
berechtigt ist, einen Gegenstand zu fordern, diesen jedoch durch Anweisung oder
Abtretung über eine Mittelsperson einem Dritten zukommen lässt (vgl. Huber, AnfG10, §
1 AnfG Rz. 20, 21 "Grundmodell", § 11 AnfG Rz. 15, nach Art eines klassischen Vertrags
zugunsten Dritter). Diese Konstellation ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Vielmehr
war die Kl. selbst aus dem Grundstückskaufvertrag schuldrechtlich berechtigt und
verpflichtet. Der Vollstreckungsschuldner hingegen war weder berechtigt, die
Grundstücksübertragung zu fordern, noch verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen. Der
Vollstreckungsschuldner hat der Kl. als eigenständiger Partei des
Grundstückskaufvertrages daher nicht das Grundstück selbst (das Grundstück ist
vielmehr von den Verkäufern übereignet worden), sondern die zu dessen Erwerb
erforderlichen Mittel zugewandt.
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Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass das Rechtsinstitut der mittelbaren
Zuwendung im Recht der Einzelgläubigeranfechtung und damit im Anwendungsbereich
des AnfG maßgeblich zur Begründung von (zusätzlichen) Anfechtungssituationen und
damit zum Schutz der Gläubiger herangezogen wird (so auch in der von der Kl. zitierten
Entscheidung des Reichsgerichts, Urteil v. 02.10.1931, VII 564/30, RGZ 133, 290; s.a.
Huber, AnfG10, § 1 AnfG Rz. 20 ff.). Die Kl. dagegen versucht, sich mit dem Rekurs auf
eine bloß mittelbare Grundstückszuwendung (mit Blick die spätere Belastung des
Grundbesitzes sowie den Verkauf zu einem im Vergleich zum Erwerb erheblich
niedrigeren Wert) argumentativ dem Anspruch des Bekl. zu entziehen. Mit Blick auf
diese umgekehrte Wertungslage kann nach Auffassung des Gerichts dahingestellt
bleiben, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung auch die Anfechtung einer mittelbaren
Grundstückszuwendung gerechtfertigt wäre. Jedenfalls ist es vorrangig gerechtfertigt, in
der Hingabe der Barmittel durch den Vollstreckungsschuldner eine isolierte
unentgeltliche Zuwendung und damit eine eigenständig anfechtbare Rechtshandlung zu
erblicken. Entscheidend ist außerdem, dass der Zweck der Gläubigeranfechtung darin
besteht, Gegenstände, welche ein Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat,
dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder zu erschließen und die durch die
Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand des
Schuldnervermögens wieder zu ermöglichen (Huber, AnfG10, Einf. Rz. 9, § 1 AnfG Rz.
23, § 11 AnfG Rz. 14). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht
sachgerecht, die anfechtbare Rechtshandlung vorliegend in der Zuwendung von
Barmitteln bzw. der Befreiung von Verbindlichkeiten und nicht in einer mittelbaren
Grundstückszuwendung zu sehen. Denn das Grundstück "in B" gehörte zu keinem
Zeitpunkt zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners. Dem Vermögen des
Vollstreckungsschuldners und damit dem Gläubigerzugriff entzogen wurden faktisch
vielmehr die Barmittel i.H. von 180.000,- EUR.
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Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Bundesfinanzhof bei der Erbschaft- und
Schenkungsteuer unter bestimmten Voraussetzungen von einer mittelbaren
Grundstücksschenkung ausgeht, wenn der Schenker dem Bedachten das Geld für den
Erwerb eines Grundstücks zur Verfügung stellt (vgl. etwa BFH, Urteil v. 13.03.1996, II R
51/95, BStBl. II 1996, 548; Urteil v. 17.06.1998, II R 51/96, BFH/NV 1998, 1378; Urteil v.
10.11.2004, II R 44/02, BStBl. II 2005, 188). Denn die Erbschaft- und Schenkungsteuer
setzt bei der Frage nach dem Gegenstand einer Schenkung bei der Bereicherung
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(Vermögensmehrung) des Bedachten an und fragt, über welchen Gegenstand der
Bedachte infolge der Zuwendung frei verfügen kann. Dagegen stellt das Recht der
Gläubigeranfechtung vorrangig auf das verminderte Vermögen des
Vollstreckungsschuldners ab und fragt danach, welche Vermögensgegenstände letztlich
dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger entzogen worden sind.
c) Eine objektive Gläubigerbenachteiligung scheidet schließlich auch nicht deswegen
aus, weil der Vollstreckungsschuldner ohne die angefochtene Rechtshandlung
möglicherweise anderweitig über das Barvermögen verfügt hätte und dieses somit
ebenfalls dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger entzogen worden wäre.
Hypothetische Kausalverläufe sind im Recht der Einzelgläubigeranfechtung regelmäßig
nicht zu berücksichtigen (Huber, AnfG10, § 1 AnfG Rz. 53 f.).
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3) Der Anfechtungstatbestand des § 4 Abs. 1 und 2 AnfG ist erfüllt.
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Danach sind unentgeltliche Leistungen des Vollstreckungsschuldners anfechtbar, die
nicht früher als vier Jahr vor der Anfechtung vorgenommen worden sind und sich nicht
bloß auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk mit geringem Wert beziehen. Ein
subjektiver Tatbestand (Gläubigerbenachteiligungsabsicht) ist dabei nicht erforderlich
(Huber, AnfG10, § 4 AnfG Rz. 11).
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Die Anfechtungsfrist hat der Bekl. eingehalten (§§ 4, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 AnfG). Im
Zeitpunkt des Erlass des Duldungsbescheides waren nach der Zuwendung der
Barmittel durch den Vollstreckungsschuldner an die Kl. im Jahr 2005 noch keine vier
Jahre verstrichen. Die zur Verfügung gestellten Barmittel stellen auch keine
gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke dar (§ 4 Abs. 2 AnfG).
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Die Zuwendung der Barmittel erfolgte zudem unentgeltlich. Unentgeltlichkeit liegt
gemäß § 4 Abs. 1 AnfG vor, wenn die angefochtene Leistung ohne Rechtspflicht
erbracht wird und keine Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt (Huber,
Anfechtungsgesetz10, München 2006, § 4 AnfG Rz. 14 ff., 16). Diese Voraussetzungen
sind im Streitfall erfüllt. Die Kl. hatte keine rechtlichen Ansprüche auf die zum Erwerb
des Grundstücks zur Verfügung gestellten Barmittel gegenüber dem
Vollstreckungsschuldner. Dass sich der Vollstreckungsschuldner nach dem Vortrag der
Kl. in der Einspruchsbegründung moralisch bzw. aus familiären Gründen (etwa im
Hinblick auf die anstehende Eheschließung) zur Hingabe der Barmittel und damit zur
Beteiligung am Grundstückserwerb verpflichtet sah, ist insofern ohne Bedeutung (zu
sog. ehebedingten Zuwendungen vgl. auch Huber, AnfG10, § 4 AnfG Rz. 34 f.).
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4) Der Bekl. hat die Rechtsfolgen seiner Anfechtung zutreffend in einem auf Zahlung
gerichteten Wertersatzanspruch gegenüber der Kl. gesehen (§ 11 Abs. 1 S. 1 u. 2 i.V.
mit § 13 AnfG).
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Nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG muss dem Gläubiger das zur Verfügung gestellt werden,
was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des
Vollstreckungsschuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Der
Anfechtungsanspruch ist daher grundsätzlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung in
den jeweiligen Gegenstand gerichtet, den die Anfechtungsklage bzw. der
Duldungsbescheid zudem gemäß § 13 AnfG genau bezeichnen muss. Etwas anderes
gilt jedoch, wenn es dem Anfechtungsgegner aus rechtlichen oder tatsächlichen
Gründen unmöglich ist, dem Gläubiger das anfechtbar Erworbene zum zwangsweisen
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Zugriff zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen besteht ein auf Zahlung gerichteter
Wertersatzanspruch (§ 11 Abs. 1 S. 2 i.V. mit § 13 AnfG). So verhält es sich regelmäßig
bei anfechtbaren Geldentnahmen aus dem Vermögen des Vollstreckungsschuldners
(vgl. Huber, AnfG10, § 11 AnfG Rz. 20, 37). Auch im vorliegenden Fall sind die vom
Vollstreckungsschuldner zu Gunsten der Kl. eingesetzten Barmittel i.H. von 180.000,-
EUR als solche nicht mehr vorhanden, so dass der Anfechtungsanspruch des Bekl. auf
Zahlung eines entsprechenden Betrages als Wertersatz gerichtet ist.
5) Auf die Privilegierung des § 11 Abs. 2 AnfG kann sich die Kl. nicht berufen.
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Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 AnfG hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung diese
nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Aufgrund der durch den
Vollstreckungsschuldner zur Verfügung gestellten Barmittel war und ist die Kl. um einen
Geldbetrag i.H. von insgesamt 180.000,- EUR bereichert. In Höhe von 130.000,- EUR ist
zunächst die Verpflichtung, die sich direkt aus dem Grundstückskaufvertrag zu Lasten
der Ast. als Vertragspartei ergab, durch die Leistung des Vollstreckungsschuldners
erloschen. In Höhe von weiteren 50.000,- EUR ist ferner die Verpflichtung, die sich aus
der mit den Verkäufern des Grundstücks getroffenen "inoffiziellen" (außerhalb des
Grundstückskaufvertrages getroffenen) Zahlungsvereinbarung ergab, erloschen. Zwar
war die Kl. – jedenfalls nach ihrem Sachvortrag - nicht direkt aus dieser maßgeblich vom
Vollstreckungsschuldner getroffenen Nebenabrede verpflichtet. Sie war als
Vertragspartei des Grundstückskaufvertrages und als spätere Eigentümerin des
Grundstücks aber die Nutznießerin dieser Zahlung, ohne die der
Grundstückskaufvertrag nicht zustande gekommen wäre. Da die Bereicherung der Kl.
hier in den zur Verfügung gestellten Barmitteln bzw. der Befreiung von Verbindlichkeiten
liegt, sind spätere Nutzungen, Verwendungen, Wertminderungen, die das Grundstück
betreffen, unbeachtlich.
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Ob die Privilegierung des § 11 Abs. 2 S. 1 AnfG zusätzlich deshalb ausgeschlossen ist,
weil die Kl. nach den Umständen hätte wissen müssen, dass die unentgeltlichen
Leistungen des Vollstreckungsschuldners dessen Gläubiger benachteiligen (§ 11 Abs. 2
S. 2 AnfG), braucht der erkennende Senat damit nicht zu entscheiden. In diesem
Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass hinreichend vernünftige
(wirtschaftliche) Gründe dafür, dass die Kl. ein Grundstück zu Alleineigentum erwirbt,
welches als mit dem Vollstreckungsschuldner gemeinsam zu nutzender
Familienwohnsitz vorgesehen war und zudem ausschließlich durch den
Vollstreckungsschuldner finanziert worden ist, nicht ersichtlich sind. Ferner hat die Kl. in
der Vergangenheit mit dem Vollstreckungsschuldner zunächst in nichteheähnlicher
Lebensgemeinschaft und später im Rahmen der geschlossenen Ehe zusammen gelebt.
Vor diesem Hintergrund bestehen an der vorgetragenen Gutgläubigkeit der Kl.
jedenfalls erhebliche Zweifel.
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6) Der Bekl. hat die materielle Anfechtung formell ordnungsgemäß durch
Duldungsbescheid i.S. des § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht. Aus dem
Duldungsbescheid vom 19.05.2008 lassen sich eindeutig Duldungspflichtiger und
Steuerschuldner sowie die einzelnen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, für
die eine Duldungspflicht besteht, gegliedert nach Art, Zeitraum und Höhe erkennen. Die
notwendigen Ermessenserwägungen hinsichtlich der Erschließung zum Erlass des
Duldungsbescheides halten einer Überprüfung am Maßstab des § 102 S. 1 FGO stand.
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7) Lediglich hilfsweise weist der erkennende Senat auf Folgendes hin: Im Falle der von
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der Kl. angenommenen mittelbaren Grundstückszuwendung wäre zwar der Tenor des
Duldungsbescheides vom 19.05.2008 fehlerhaft und der Duldungsbescheid insofern
rechtswidrig, die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Kl. wären bei Erlass eines neuen
(korrigierten) Duldungsbescheide jedoch entsprechend. Für das eigentlich dem
Vollstreckungszugriff des Bekl. zur Verfügung zu stellende Grundstück könnte der Bekl.
in Anbetracht der zwischenzeitlichen (Weiter-)Veräußerung Wertersatz gemäß § 11 Abs.
1 S. 2 AnfG verlangen. Die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld i.H. von
100.000,- EUR zugunsten des Herrn G wäre in diesem Zusammenhang unbeachtlich,
weil die Kl. der Belastung aufgrund einer freiwilligen (vom Grundstückserwerb
unabhängigen) Entscheidung zugestimmt hat, die Belastung der mittelbaren
Zuwendung durch den Vollstreckungsschuldner zeitlich nachfolgte und daher ein
Zusammenhang insofern nicht erkennbar ist.
Auch die von der Kl. behauptete und aus dem Verkauf an die Schwester zu einem
Kaufpreis i.H. von 250.000,- EUR abgeleitete Wertminderung des Grundstücks führte
nicht zu einer Entreicherung der Kl. Zunächst ist bereits fraglich, ob der Wert des
Grundstücks im Zeitpunkt des Erlasses des Duldungsbescheides tatsächlich nur
250.000,- EUR betragen hat. Immerhin hat der Vollstreckungsschuldner für den Erwerb
des Grundstücks durch die Kl. insgesamt 330.000,- EUR aufgewendet. Da es sich beim
Ankauf des Grundstücks um einen Vertrag zwischen fremden Dritten handelte, während
der Verkauf des Grundstücks von der Kl. an ihre Schwester unter nahen Angehörigen
vollzogen wurde, muss – jedenfalls nach Aktenlage – davon ausgegangen werden,
dass der Ankaufpreis dem Verkehrswert des Grundstücks eher entspricht als der spätere
Verkaufspreis. Darüber hinaus war die Kl. spätestens seit der Anhörung zum
Duldungsbescheid und damit jedenfalls im Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs an ihre
Schwester nicht mehr gutgläubig im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 AnfG i.V.
mit den zivilrechtlichen Vorschriften des Bereicherungsrechts.
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II. Aus den vorstehend aufgeführten Entscheidungsgründen war auch der Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. Beschluss aus der mündlichen
Verhandlung vom 09.06.2009).
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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IV. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 115 Abs. 2 FGO).
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