Urteil des FG Münster vom 26.03.2002

FG Münster: neue tatsache, einfluss, zuwendung, reifen, arbeitslohn, ausgabe, dienstverhältnis, steuerpflicht, dokumentation, einspruch

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 15 K 3309/99 E
26.03.2002
Finanzgericht Münster
15. Senat
Urteil
15 K 3309/99 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Streitig ist, ob ein Goldgewinn aus einer nicht vom Arbeitgeber des Klägers (Kl.)
veranstalteten Lotterie eine Einnahme des Kl. aus nicht selbständiger Arbeit darstellt.
Der Kl. war im Streitjahr 1993 nichtselbständig als Einkäufer bei einem Reifenhändler
(******KG, im Folgenden: KG) tätig. Die KG bezog ihre Reifen u. a. von der Firma A. A führte
in 1993 für die ihre Produkte vertreibenden Händler eine Goldverlosung (sog. GoldContact)
durch. Die Gewinnchance war abhängig von der Abnahmemenge der Reifen. Pro 50
abgenommene Winterreifen wurde ein "Gewinn-Zertifikat" vergeben. Jedes Gewinn-
Zertifikat war gewinnberechtigt. Die Aktion "GoldContact" richtete sich ausschließlich an
Reifenhändler. A vergab die Gewinn-Zertifikate aber regelmäßig auch an diejenigen
Personen, mit denen die tatsächlichen Geschäftskontakte abgewickelt wurden. Pro
Reifenhändler war nur eine Person gewinnberechtigt. Die Reifenhändler selbst hatten
keinen Einfluss auf die Auswahl der Personen, an welche A Gewinn-Zertifikate vergab. In
der schriftlichen Information über den "GoldContact", auf die Bezug genommen wird, vertrat
A die Auffassung, dass die Gewinne nicht steuerpflichtig seien. Weitere Einzelheiten über
die Zuteilung der Gewinn-Zertifikate und die Abwicklung der Verlosung sind wegen des
Todes des mit der Abwicklung befassten Mitarbeiters von A nicht mehr aufklärbar.
Der Kl. erhielt von A ein Gewinn-Zertifikat und sandte es mit seinem Namen versehen an A
zurück. Er gewann in 1993 einen Goldbarren im Werte von 50.000 DM. Diesen Gewinn
erklärte er in seiner Einkommensteuer(ESt)-Erklärung nicht. Der Beklagte (Bekl.) setzte die
ESt 1993 mit Bescheid vom 17.11.1994 zunächst erklärungsgemäß fest. In 1997 erhielt er
vom Goldgewinn des Kl. Kenntnis. Die ESt-Festsetzung 1993 wurde mit Bescheid vom
30.01.1998 geändert. Der Bekl. berücksichtigte darin u. a. den Gewinn als zusätzlichen
laufenden Arbeitslohn in Höhe von 50.000 DM. Der dagegen vom Kl. eingelegte Einspruch
war erfolglos (Einspruchsentscheidung - EE - vom 28.04.1999).
Dagegen richtet sich die Klage.
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Der Kl. meint, ein Veranlassungszusammenhang zwischen seiner Tätigkeit bei der KG und
der von A veranstalteten Verlosung habe nicht bestanden. Der Kl. habe lediglich seinen
Spieltrieb befriedigen wollen, als er das Gewinn-Zertifikat an A zurückgesandt habe. Diese
Teilnahme an der Verlosung sei also nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht erfolgt. Der
Gewinn sei eine mehr oder weniger zufällige Vermögenszuwendung durch A gewesen.
Der Vorgang habe in der privaten Sphäre des Kl. gelegen. Auch wenn A die Ansicht
vertrete, dass die Gewinn-Zertifikate für Reifenhändler bzw. deren Geschäftsführer
bestimmt gewesen seien, sei aufgrund des tatsächlichen Verteilungsmodus davon
auszugehen, dass die Zertifikate für jedermann zugänglich gewesen seien.
Der Kl. beantragt,
den ESt-Bescheid 1993 vom 30.01.1998 in Gestalt der
EE vom 28.04.1999 aufzuheben,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf seine EE und trägt ergänzend vor, nur die Reifenhändler und deren
Arbeitnehmer hätten die Möglichkeit zur Teilnahme an der Verlosung gehabt.
Die Sache wurde am 21.06.2001 vor dem Berichterstatter erörtert. Es wurde am 29.01.2002
vor dem beauftragten Richter der Zeuge F vernommen. Die Sache wurde am 26.03.2002
vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf die Protokolle Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Der Bekl. durfte den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1993 vom 17.11.1994 gemäß §
173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Der Goldgewinn des Kl. war eine neue Tatsache im Sinne
dieser Vorschrift. Die Änderungsbefugnis wird vom Kl. auch nicht in Zweifel gezogen.
1. Der Goldgewinn gehört als Sachbezug (§ 8 Abs. 2 EStG) zu den Einkünften des Kl.
aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Als "Bezug" im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist nicht die Ausgabe bzw. der Erhalt
des Gewinnzertifikats (= Gewinnchance) anzusehen, sondern erst der tatsächliche Gewinn
(BFH in BStBl II 1994, 254). Der Gewinn ist im Streitfall "für eine Beschäftigung" des Kl. im
privaten Dienst angefallen. Ein Vorteil oder Bezug eines Arbeitnehmers, der nicht vom
Arbeitgeber, sondern von einem Dritten zugewendet wird, ist nur dann als Arbeitslohn
anzusehen, wenn zwischen der Zuwendung des Dritten und der Arbeitsleistung des
Arbeitnehmers eine innere Verknüpfung besteht und der Dritte nicht gegen den Willen und
die Interessen des Arbeitgebers handelt. Demgegenüber ist eine Zuwendung nicht durch
das Dienstverhältnis veranlasst, wenn sie auf eigenen unmittelbaren rechtlichen oder
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Dritten beruht
(BFH in BStBl II 1991, 337).
Im Streitfall bestand ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Leistung des Kl. als
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Reifeneinkäufer und dem Gewinn des von der A ausgelosten Goldes. Wenn der Kl. kein
Einkäufer gewesen wäre, hätte er kein Gewinnzertifikat erhalten. Die Behauptung des Kl.,
es sei "aufgrund des tatsächlichen Verteilungsmodus davon auszugehen, dass die Lose für
jedermann zugänglich waren", ist durch die Aussage des Zeuge F widerlegt. F hat nämlich
ausgesagt, dass Außenstehende nicht an der Goldverlosung teilnehmen konnten. Die
Verlosung sollte - wie aus der schriftlichen Ankündigung ersichtlich - den Umsatz von A
steigern bzw. das Verhältnis zu den Vertragshändlern verbessern. Daher hätte es aus Sicht
von A wenig Sinn gemacht, wenn die Zertifikate auch solchen Personen zugänglich
gemacht worden wären, die mit dem Reifenabsatz nichts zu tun gehabt haben.
Die Rechtsfrage (sh. dazu BFH in BStBl 1991, 802; FG München vom 01.03.2001 SIS-
Dokumentation), ob auch ein Gewinn aus "veruntreuten" Losen steuerpflichtig wäre, kann
dahinstehen, denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kl. das Los ohne
oder sogar gegen den Willen seines Arbeitgebers zur Verlosung eingeschickt hat. Auch
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kl. und A kollusiv zu Lasten des
Arbeitgebers des Kl. zusammengewirkt haben und das Los quasi "Bestechungsgeld"
darstellt (sh. dazu BFH in BStBl II 2000, 396).
Der Umstand schließlich, dass in der schriftlichen Information von A über die
Goldverlosung mitgeteilt wurde, die Gewinne seien nicht steuerpflichtig, ist unerheblich.
Dieser (rechtlich unzutreffende) Hinweis hat auf die Steuerpflicht keinen Einfluss.
Maßgeblich sind die Steuergesetze.
1. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1 FGO und § 13
Gerichtskostengesetz. Die Revision war nicht zuzulassen, weil eine Einzelfallentscheidung
unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangen ist.