Urteil des FG Münster vom 27.06.2008

FG Münster: grundstück, bilanzstichtag, unternehmen, wertminderung, buchwert, herstellungskosten, anschluss, zukunft, vergleichsrechnung, steuerberater

Finanzgericht Münster, 9 K 3138/06 K,G
Datum:
27.06.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 3138/06 K,G
Tenor:
Der Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 11. Januar 2006 sowie unter
Auf-hebung der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2003 der
Gewerbe-steuermessbescheid für 2000 vom 30. Oktober 2002 werden
nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.
Die Neuberechnung wird dem Beklagten übertragen, der das Ergebnis
der Klägerin unverzüglich formlos mitzuteilen und nach Rechtskraft der
Ent-scheidung die Verwaltungsakte mit dem geänderten Inhalt neu
bekannt zu geben hat.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich des Verfahrens im
ersten Rechtszug trägt die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung
in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist auch im zweiten Rechtszug noch, ob die Wertminderung eines Grundstücks
als "voraussichtlich dauerhaft" anzusehen ist und damit die Voraussetzungen für die
Vornahme einer Teilwertabschreibung erfüllt sind.
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Gegenstand der Klägerin, einer GmbH, ist das Verpacken von ............ ihre alleinige
Gesellschafterin ist die X. I. Holding B.V.
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Im Jahr 1990 errichtete die Klägerin auf einem ihr gehörenden Grundstück in W1., P.-
Straße (Grundstück 1), ein Betriebsgebäude. Die Absetzungen für Abnutzung (AfA)
nahm sie in der Folgezeit degressiv nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes in der im Jahr 1990 geltenden Fassung (EStG 1990) vor.
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Das Gebäude wurde in den Jahren 1996 und 1998 erweitert; die Klägerin aktivierte
insoweit nachträgliche Herstellungskosten. Im Streitjahr 2000 kam es zu einer weiteren
Hinzuaktivierung im Umfang von ...... DM, die nach dem Vorbringen der Klägerin die
nachträgliche Erfüllung von Brandschutzauflagen betrifft. Insgesamt beliefen sich die
Herstellungskosten des Gebäudes auf ......... DM.
Weil dieses Gebäude trotz der Erweiterungen zu klein geworden war, erwarb die
Klägerin am 28. März 2000 ein weiteres Gewerbegrundstück im selben Gewerbegebiet
(W1., M.-Straße 01 Grundstück 2). Sie errichtete darauf ein Betriebsgebäude, das im
Sommer 2001 fertiggestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Grundstück 1
unverändert betrieblich genutzt. Am 14. Januar 2005 verkaufte die Klägerin das
Grundstück 1 für ........ € netto.
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In ihrem am 23. März 2001 erstellten Jahresabschluss für das Jahr 2000 nahm die
Klägerin auf den Bilanzansatz für das Gebäude 1 eine Teilwertabschreibung von ..........
DM vor. Dabei legte sie für das Gesamtobjekt einen Teilwert von ....... DM zugrunde, ließ
aber die Bilanzansätze für den Grund und Boden (......... DM) und die Außenanlagen (.....
DM) unverändert und minderte nur den Ansatz für das Gebäude.
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Im Anschluss an eine Betriebsprüfung berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt –
FA –) die Teilwertabschreibung in den angefochtenen, nach § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung geänderten Bescheiden über die Festsetzung der Körperschaftsteuer
und des Gewerbesteuermessbetrags 2000 vom 30. Oktober 2002 nicht mehr. Zur
Begründung führte das FA – im Anschluss an das Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen (BMF) vom 25. Februar 2000 (BStBl. I 2000, 372) – aus, es handle sich
nicht um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung, weil der Teilwert nicht während
der Hälfte der restlichen Nutzungsdauer unter dem planmäßig fortgeschriebenen
Buchwert liege. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
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Der erkennende Senat hat der Klage im ersten Rechtszug stattgegeben (Urteil vom
14. Januar 2005 9 K 1564/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 683). Er hat
damals die Auffassung vertreten, abweichend von dem genannten BMF-Schreiben
genüge bei langlebigen Wirtschaftsgütern eine Prognose über die Wertentwicklung der
nächsten fünf Jahre. Zudem sei für Zwecke der Vergleichsrechnung auch der Teilwert
um planmäßige AfA zu mindern.
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Auf die Revision des FA hat der Bundesfinanzhof (BFH) das erstinstanzliche Urteil
aufgehoben (BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 22/05, BStBl. II 2006, 680). Er hat sich
der Konkretisierung des Rechtsbegriffs "voraussichtlich dauernde Wertminderung"
durch das BMF-Schreiben angeschlossen und die Sache an das FG zurückverwiesen,
weil noch tatsächliche Feststellungen zu den Teilwerten der drei einzelnen
Wirtschaftsgüter (Grund und Boden, Gebäude, Außenanlagen) erforderlich waren.
Ferner hat er ausgeführt, der Streitfall biete keine Veranlassung zu prüfen, ob eine
andere Beurteilung dann angebracht sei, wenn der Steuerpflichtige belege oder
glaubhaft mache, dass das Wirtschaftsgut künftig seinen Buchwert nicht erlösen werde
(a.a.O., unter II.2., letzter Absatz).
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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Teilwert bei Zugrundelegung der sich
aus der angewendeten AfA-Reihe ergebenden typisierten Restnutzungsdauer nicht für
die erforderliche Zeit unterhalb des planmäßig fortgeschriebenen Buchwerts liegt.
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Im zweiten Rechtszug hat das FA das Berechnungsblatt vorgelegt, auf dem die Klägerin
die Höhe der Teilwertabschreibung ermittelt hat. Darauf findet sich der folgende – vom
Steuerberater und heutigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstellte –
handschriftliche Vermerk: "Tel C. 23-3-01, ZZt ganz schlechte Rahmenbedingungen,
Industriegrundstücke sehr schlecht verkäuflich, Verkaufpreis max ... - ...’ ". Der in dem
Vermerk als Auskunftsperson genannte Herr U. C. ist als Makler bei der örtlichen
Niederlassung der Sparkassen-Immobilien GmbH tätig. Im Anschluss daran ist
zwischen den Beteiligten unstreitig geworden, dass der erzielbare Verkaufspreis für das
Gesamtgrundstück zum Bilanzstichtag mit ....... DM anzusetzen war und die Teilwerte
der Einzelwirtschaftsgüter sich wie folgt ergeben:
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– Grund und Boden:........ DM,
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– Gebäude: ......... DM,
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– Außenanlagen: ..... DM.
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Die Klägerin behauptet im zweiten Rechtszug – unter Beweisantritt sowie Vorlage
einiger Unterlagen –, sie habe sich bereits im Jahr 2000 zur Veräußerung des
Grundstücks 1 entschlossen, weil es zu klein und überflüssig geworden sei. Ihr
Steuerberater habe ihr zur Verbesserung der Bilanzstruktur zu einer Veräußerung
geraten. Sie hat ferner den von ihrem Architekten gefertigten Entwurf eines Schreibens
an die Stadt (Verkäuferin des Grundstücks 2) vom 13. Januar 2000 vorgelegt, in dem es
heißt: "Der Altbestand soll verkauft oder vermietet werden. Erste Gespräche mit Herrn C.
... erscheinen erfolgversprechend." Nach Erörterung der vorgelegten Unterlagen ist
zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug
unstreitig geworden, dass die Klägerin zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 zur
Veräußerung des – absehbar nach einem Zeitraum von sechs weiteren Monaten nicht
mehr benötigten – Grundstücks 1 innerhalb eines Zeithorizonts von zwei Jahren
entschlossen war.
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Zu der Bedeutung des im ersten Rechtszug ergangenen BFH-Urteils – insbesondere
hinsichtlich der Ausführungen unter II.2. letzter Absatz jenes Urteils – vertritt die Klägerin
die Auffassung, der BFH habe nur deshalb nicht geprüft, ob sich eine andere
Beurteilung ergeben könne, weil keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen
getroffen worden seien.
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Während des Klage- bzw. Revisionsverfahrens sind am 20. März 2003 und am
11. Januar 2006 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 2000 ergangen, die die hier
streitige Frage jedoch nicht betreffen.
17
Die Klägerin beantragt,
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den Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 11. Januar 2006 sowie unter Aufhebung
der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2003 den
Gewerbesteuermessbescheid vom 30. Oktober 2002 dahingehend zu ändern, dass
eine Teilwertabschreibung gewinnmindernd berücksichtigt wird, die von einem
Teilwert nur für das Gebäude zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 vom ....... DM
ausgeht,
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hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision wegen grundsätzlicher
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Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Es vertritt die Auffassung, der von der Klägerin neu vorgetragene Sachverhalt
rechtfertige keine neue rechtliche Beurteilung. Denn die vom BFH verwendete Formel –
der Streitfall biete keine Veranlassung zu prüfen, ob eine andere Beurteilung dann
angebracht sei, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft mache, dass das Wirtschaftsgut
künftig seinen Buchwert nicht erlösen werde – decke auch das neue
Tatsachenvorbringen bereits mit ab.
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Der Senat hat am 27. Juni 2007 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist im Umfang des in der mündlichen Verhandlung eingeschränkten
Klageantrags begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind insoweit rechtswidrig
und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung – FGO –), als das FA eine Teilwertabschreibung in der nunmehr
begehrten Höhe versagt hat.
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1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die
der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an
deren Stelle tretenden Wert, vermindert um die AfA, erhöhte Absetzungen,
Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge anzusetzen. Ist
der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so
kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Teilwert ist der Betrag,
den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das
einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der
Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
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Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Ermittlung des körperschaftsteuerlichen
Einkommens (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes) sowie des
Gewerbesteuermessbetrags (§ 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes).
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2. Nach dem im ersten Rechtszug ergangenen BFH-Urteil (BStBl. II 2006, 680, unter
II.1.b) ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der
Wert des Wirtschaftsgutes den planmäßigen Rest des Buchwerts "während eines
erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen" nicht erreichen wird. Erforderlich
ist, dass der Teilwert des Wirtschaftsgutes "während seiner mutmaßlichen
Nutzungsdauer im Betrieb" überwiegend unter seinem Buchwert liegt (BFH, a.a.O.,
unter II.2.).
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Anschließend hat der BFH ausgeführt, im Besteuerungsverfahren als Massenverfahren
sei es gerechtfertigt, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern auf eine an der Eigenart des
Wirtschaftsgutes ausgerichtete Prognose im Einzelfall zu verzichten, sondern
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typisierend dann von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen, wenn der Teilwert
zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem
planmäßigen Restbuchwert liegt (Verweis auf das BMF-Schreiben in BStBl. I 2000, 372,
Tz. 6). In Tz. 6 des genannten BMF-Schreibens heißt es wiederum, die verbleibende
Nutzungsdauer sei bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG zu bestimmen.
Indirekt geht aus dem BFH-Urteil auch hervor, dass im Rahmen der erforderlichen
Vergleichsrechnung lediglich bei der Fortschreibung des Buchwerts, nicht aber beim
Teilwert Minderungen um planmäßige Abschreibungen vorzunehmen sind. Denn der
erkennende Senat hatte im ersten Rechtszug erwogen, auch den Teilwert der
maßgebenden Vergleichsgröße um planmäßige Abschreibungen zu vermindern. Hätte
der BFH sich dieser Erwägung angeschlossen, hätte er die Revision des FA
zurückweisen müssen, weil ein um planmäßige Abschreibungen geminderter Teilwert
auch nach der Hälfte der sich bei Anwendung des § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990
ergebenden Restnutzungsdauer noch unterhalb des fortgeschriebenen Buchwerts
gelegen hätte. Daraus, dass der BFH die Revision des FA für begründet erachtet hat,
lässt sich schließen, dass er die genannte Überlegung nicht für durchgreifend hält.
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3. Der erkennende Senat ist im zweiten Rechtszug gemäß § 126 Abs. 5 FGO an die
rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den BFH – die er nach nochmaliger
Überprüfung auch in der Sache für überzeugend hält – gebunden. Hingegen besteht
keine Bindung an die im ersten Rechtszug vom erkennenden Senat festgestellten
Tatsachen, die gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch im Revisionsverfahren maßgebend
waren. Die Beteiligten können im zweiten Rechtszug neue Tatsachen vortragen; das FG
kann neue Tatsachenfeststellungen treffen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1999 I R 78/98,
BFH/NV 2000, 63, unter II.3.a; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 126 FGO Tz. 87, mit weiteren Nachweisen).
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Von dieser Möglichkeit zum Vortrag neuer Tatsachen haben sowohl das FA als auch
die Klägerin Gebrauch gemacht: Während der erkennende Senat im ersten Rechtszug
für die drei Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Gebäude und Außenanlagen einen
Gesamt-Teilwert von ....... DM festgestellt hatte, hat das FA im zweiten Rechtszug
erstmals den Vermerk mit der Maklerauskunft vorgelegt, wonach der Verkaufspreis
maximal ....... - ....... DM betrage. Anschließend haben sich die Beteiligten darauf
verständigt, dass zum Bilanzstichtag ein Gesamterlös von ....... DM zu erzielen gewesen
wäre.
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Umgekehrt hatte der erkennende Senat im ersten Rechtszug keinerlei Feststellungen
dazu getroffen, ob die Klägerin bereits am Bilanzstichtag zur Veräußerung des
Grundstücks entschlossen gewesen war und welchen Umfang die "Nutzungsdauer im
Unternehmen" aus Sicht des Bilanzstichtags voraussichtlich erreichen würde. Zu
diesem Fragenkreis – auf den es dem Senat bei seiner damaligen rechtlichen
Beurteilung ersichtlich nicht ankam – ist in den Tatbestand des Senatsurteils lediglich
der damalige Klägervortrag aufgenommen worden, das Grundstück sei am 14. Januar
2005 – dem Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG – für ....... € veräußert
worden. Ferner heißt es – wiederum nicht als Feststellung, sondern lediglich als
Wiedergabe des vom Senat damals weder überprüften noch in anderer Weise
gewürdigten Vortrags der Klägerin –, diese habe die Teilwertabschreibung damit
begründet, dass die Immobilie im Jahre 2000 betrieblich nicht mehr benötigt worden sei
und sich als unverkäuflich erwiesen habe. Dies bezieht sich auf folgenden Satz aus der
Klageschrift im ersten Rechtszug (Bl. 3 der Akte 9 K 1564/03): "Die Klägerin schrieb in
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ihrem Jahresabschluss 2000 eine betrieblich nicht mehr benötigte Immobilie, die sich
als unverkäuflich erwies, auf den unstreitigen Teilwert ... ab." Weder in der
Einspruchsentscheidung noch in den gesamten gerichtlichen Akten des ersten
Rechtszugs einschließlich des Revisionsverfahrens finden sich weitere Ausführungen,
die den Schluss darauf zulassen, dass bereits im ersten Rechtszug die Frage einer
Veräußerungsabsicht der Klägerin eine Rolle gespielt haben könnte.
Hingegen ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im zweiten Rechtszug
unstreitig geworden, dass die Klägerin zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 zur
Veräußerung des Grundstücks 1 innerhalb eines Zeithorizonts von zwei Jahren
entschlossen war.
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4. Der Senat hat keine Bedenken, diesen nunmehr übereinstimmenden Sachvortrag der
Beteiligten seiner Überzeugungsbildung (§ 96 FGO) zugrunde zu legen.
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Zwar lassen sich aus dem Umstand, dass die Klägerin das Grundstück 1 am 14. Januar
2005 tatsächlich veräußert hat, für sich genommen weder Rückschlüsse für noch gegen
das Bestehen einer Veräußerungsabsicht am Bilanzstichtag ziehen. Denn ein zeitlicher
Abstand von mehr als vier Jahren ist zu lang, um aus einem später objektiv
eingetretenen Ereignis Rückschlüsse auf vorhandene Absichten am Bilanzstichtag
ableiten zu können.
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Jedoch gründet sich die Überzeugung des Senats – neben dem übereinstimmenden
Beteiligtenvorbringen – zunächst darauf, dass die Klägerin bereits mehr als ein halbes
Jahr vor dem Bilanzstichtag mit der Errichtung eines auf ihre betrieblichen Bedürfnisse
zugeschnittenen Gebäudes auf dem Grundstück 2 begonnen hatte. Der gesamte
tatsächliche Ablauf war darauf gerichtet, das zu klein gewordene und keine
Erweiterungsmöglichkeiten mehr bietende Grundstück 1 kurzfristig durch das
Grundstück 2 zu ersetzen. Der Betrieb der Klägerin zeichnete sich durch eine
kontinuierliche Ausweitung des Geschäfts aus, die bereits in den Jahren 1996 und 1998
erhebliche Erweiterungen des auf dem Grundstück 1 befindlichen Betriebsgebäudes
erforderlich gemacht hatte, obwohl dieses Gebäude bei Vornahme dieser
Erweiterungen noch relativ neu war. Nur zwei Jahre nach der letzten Erweiterung war
der Platzbedarf wiederum derart angewachsen, dass eine Fortsetzung des Betriebs auf
dem Grundstück 1 nicht möglich war. Dass das im selben Gewerbegebiet gelegene,
aber mit besseren Erweiterungsmöglichkeiten versehene Grundstück 2 das Grundstück
1 nicht lediglich ergänzen, sondern vollständig ersetzen sollte, zeigt auch der spätere
tatsächliche Ablauf, da die Klägerin ihren Betrieb nur ein halbes Jahr nach dem
Bilanzstichtag vollständig auf das Grundstück 2 verlagert hat. Anhaltspunkte dafür, dass
die kurzfristig erfolgte Beendigung der eigenbetrieblichen Nutzung des Grundstücks 1
auf einem erst nach dem Bilanzstichtag gefassten neuen Entschluss der Klägerin
beruhte, sind nicht ersichtlich.
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Ferner hat sich die Klägerin am 23. März 2001 – und damit noch vor der Aufstellung der
Bilanz zum 31. Dezember 2000 – bei dem ortsansässigen Makler C. nach dem aktuell
zu erzielenden Verkaufspreis für das Grundstück 1 erkundigt. Eine solche Anfrage kann
aber nur mit einer bestehenden Veräußerungsabsicht erklärt werden.
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Auch der Entwurf des Architektenschreibens vom 13. Januar 2000 – fast ein Jahr vor
dem hier maßgebenden Bilanzstichtag – spricht dafür, dass die Klägerin bereits vor dem
Ankauf des Grundstücks 2 geplant hatte, das Grundstück 1 zu veräußern. Dies gilt
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ungeachtet dessen, dass in diesem Schreiben auch von einer eventuellen
Grundstücksvermietung die Rede ist und daher allein aus diesem Schreiben noch nicht
auf eine unbedingte Veräußerungsabsicht geschlossen werden könnte. Auch der
Makler C. – der vor der Aufstellung der Bilanz für das Streitjahr zu der Situation auf dem
Grundstücksmarkt befragt worden ist und später tatsächlich an der Veräußerung des
Grundstücks 1 mitgewirkt hat – ist in diesem Architektenschreiben bereits erwähnt. Dies
spricht dafür, dass der spätere tatsächliche Ablauf weitgehend bruchlos auf den
ursprünglichen – am Bilanzstichtag bereits vorhandenen – Planungen fußte.
Ebenfalls bruchlos in dieses Bild fügt sich ein, dass die Klägerin das Grundstück 1 nach
der Verlagerung ihres Betriebs auf das Grundstück 2 an einen Dritten zwischenvermietet
hat. Denn dieser Mietvertrag war mit einmonatiger Frist zum jeweiligen Monatsende
kündbar. Angesichts der vom Vertreter der Klägerin überzeugend dargelegten
Schwierigkeiten, das auf die besonderen Verhältnisse der Klägerin zugeschnittene
Grundstück 1 wegen der schlechten Marktlage kurzfristig zu einem akzeptablen Preis zu
veräußern, stellt eine solche kurzfristig kündbare Zwischenvermietung bis zu einem
endgültigen Verkauf ein wirtschaftlich sinnvolles Verhalten dar.
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Keine Bedeutung misst der Senat hingegen dem Umstand bei, dass die Klägerin im
Jahr 2000 beim Bilanzansatz des Gebäudes 1 eine Nachaktivierung von ...... DM
vorgenommen hat. Insbesondere hat der Senat keine Zweifel daran, dass dieser Betrag
– entsprechend dem Klägervorbringen – nicht auf eine nochmalige Erweiterung der
produktiv einsetzbaren Nutzfläche des Gebäudes, sondern lediglich auf die Erfüllung
von Brandschutzauflagen entfällt. So heißt es in der – in niederländischer Sprache
gehaltenen – vorgelegten Rechnung u.a.: "Rookluiken gemonteerd" (= Rauchluken
montiert). Hierauf werden Abschlagzahlungen aus dem Jahr 1998 angerechnet, so dass
es sogar nahe liegt, dass die baulichen Maßnahme als solche bereits im Jahr 1998 – im
Zusammenhang mit der unstreitigen zweiten Erweiterung – durchführt worden ist. Hatte
die Nachaktivierung ihre Ursache aber in der Erfüllung von Brandschutzauflagen, dann
lässt sie nicht notwendig den Schluss auf die Absicht einer weiteren betrieblichen
Nutzung des Grundstücks 1 auch über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Bauten auf
dem Grundstück 2 hinaus zu. Denn im Zeitpunkt des Erstellens der eingereichten
Schlussrechnung benötigte die Klägerin das Grundstück 1 noch ein volles Jahr für ihre
Produktion; eine Stilllegung der Produktion für den Fall der Nichterfüllung der Auflagen
hätte zu wirtschaftlichen Einbußen geführt, die die Kosten der Erfüllung der
Brandschutzauflagen weit überstiegen hätten.
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5. Ausgehend von der rechtlichen Beurteilung des Begriffs der "voraussichtlich
dauernden Wertminderung" durch das im ersten Rechtszug ergangene BFH-Urteil und
der tatsächlichen Feststellung, dass die Klägerin zum Bilanzstichtag zu einer
Veräußerung des Grundstücks 1 innerhalb der nächsten zwei Jahre entschlossen war,
ist unter den besonderen – dem Senat erstmals im zweiten Rechtszug bekannt
gewordenen – Umständen des Streitfalls eine voraussichtlich dauernde Wertminderung
zu bejahen.
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a) Der Senat versteht das im ersten Rechtszug ergangene BFH-Urteil dahingehend,
dass nur für den Regelfall eine Typisierung der Restnutzungsdauer anhand der AfA-
Reihen des § 7 Abs. 4, 5 EStG vorzunehmen ist. Im BFH-Urteil selbst ist von diesen
AfA-Reihen ohnehin nicht die Rede; ihre Einbeziehung folgt erst aus dem Verweis auf
Tz. 6 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2000, 372. In seinen vorangehenden tragenden
Erwägungen spricht der BFH aber von einem Vergleich der Werte "während eines
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erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen" bzw. "während seiner
mutmaßlichen Nutzungsdauer im Betrieb". Auch in Tz. 4 des vom BFH in Bezug
genommenen BMF-Schreibens heißt es, grundsätzlich sei von einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsguts die
Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils "der voraussichtlichen
Verweildauer im Unternehmen" nicht erreichen werde.
Auf der Grundlage des im ersten Rechtszug ergangenen BFH-Urteils ist geklärt und für
den Senat bindend, dass jedenfalls dann, wenn keine besonderen Anhaltspunkte für
eine abweichende Sachverhaltskonstellation vorliegen, die "Nutzungsdauer im
Unternehmen", die "mutmaßliche Nutzungsdauer im Betrieb" bzw. die "voraussichtliche
Verweildauer im Unternehmen" derjenigen Restnutzungsdauer entspricht, die das
Wirtschaftsgut bei Anwendung der typisierten AfA-Reihen des § 7 Abs. 4, 5 EStG hat.
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Hingegen hat der Streitfall, so wie er sich dem erkennenden Senat und dem BFH im
ersten Rechtszug dargestellt hat, keine Veranlassung geboten, um zu prüfen (vgl. BFH,
a.a.O., unter II.2. letzter Absatz), ob bei einer für den jeweiligen Bilanzstichtag
festgestellten Veräußerungsabsicht statt der typisierten Restnutzungsdauer der AfA-
Reihen lediglich die – kürzere – voraussichtliche tatsächliche Verweildauer im Betrieb
für den vorzunehmenden Vergleich zwischen dem gesunkenen Teilwert und dem
fortgeschriebenen Buchwert maßgebend ist.
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Der erkennende Senat versteht das BFH-Urteil dahingehend, dass in ihm angelegt ist,
in derartigen Ausnahmefällen darauf abzustellen, ob der Teilwert den fortgeführten
Buchwert während eines erheblichen Teils der voraussichtlichen tatsächlichen
Verweildauer im Betrieb unterschreitet. Dies folgt aus der mehrfachen Verwendung von
Begriffen, die auf die betriebsbezogenen Verhältnisse abstellen ("Nutzungsdauer im
Unternehmen", "mutmaßliche Nutzungsdauer im Betrieb", "voraussichtliche
Verweildauer im Unternehmen"). Ferner hat der BFH angeführt, das Vorsichtsprinzip
wiege bei abnutzbarem Anlagevermögen ohnehin weniger schwer, weil Verluste im
Anlagevermögen regelmäßig nicht in naher Zukunft realisiert und Wertminderungen
durch die AfA allmählich wieder aufgeholt werden. Dieser – für den Regelfall zutreffende
– Gedanke kann indes dann nicht mehr tragen, wenn das Wirtschaftsgut kurzfristig
veräußert werden soll, sich der Verlust also bereits in naher Zukunft realisieren wird.
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b) Nach Auffassung des Senats ist es allerdings nur dann gerechtfertigt, auf die
(einzelfallabhängige) voraussichtliche Nutzungsdauer im Unternehmen anstatt auf die
(typisierte) Restnutzungsdauer nach den AfA-Reihen abzustellen, wenn die
Veräußerungsabsicht zum Bilanzstichtag hinreichend konkret ist. Weder genügt eine
allgemeine Absicht, das Wirtschaftsgut bei sich bietender günstiger Gelegenheit zu
veräußern noch reicht es aus, wenn die Veräußerung lediglich eine Option unter
mehreren darstellt. Vielmehr muss die Planung des Steuerpflichtigen – anhand
objektiver Umstände erkennbar – primär auf eine Veräußerung des Wirtschaftsguts
gerichtet sein.
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Dass der Steuerpflichtige hilfsweise – für den Fall, dass eine Veräußerung nicht
durchführbar sein sollte – noch eine Alternativplanung verfolgt, hält der Senat hingegen
für unschädlich. Auch muss die Veräußerungsabsicht nicht den Grad der "unbedingten
Veräußerungsabsicht" im Sinne der Rechtsprechung zum gewerblichen
Grundstückshandel erreichen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R
14/99, BStBl. II 2002, 811). Denn an die Feststellung einer unbedingten
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Veräußerungsabsicht knüpft die Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel
sehr weitreichende Rechtsfolgen (Annahme steuerpflichtiger gewerblicher Einkünfte
statt nicht steuerbarer privater Vermögensverwaltung, obwohl möglicherweise nur ein
einziges Grundstück veräußert worden ist), die mit den in Fällen wie dem vorliegenden
in Rede stehenden Rechtsfolgen (Entscheidung über die bereits vorgezogene oder erst
nachträgliche Realisierung einer ohnehin eingetretenen Wertminderung) in ihrem
Gewicht nicht annähernd vergleichbar sind.
c) Im Streitfall waren bei der Klägerin die nach Auffassung des Senats zu stellenden
Anforderungen an den erforderlichen Grad und die Konkretheit der
Veräußerungsabsicht erfüllt (vgl. die Würdigung unter 4.).
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Da aus der Sicht des Bilanzstichtags 31. Dezember 2000 die voraussichtliche
Restnutzungsdauer des Grundstücks im Unternehmen der Klägerin noch zwei Jahre
betragen hat, ist für den Vergleich mit dem gesunkenen Teilwert der fortgeschriebene
Buchwert zur Hälfte dieser Restnutzungsdauer – also der Buchwert zum 31. Dezember
2001 – heranzuziehen. Denn die Hälfte der Restnutzungsdauer ist vom BFH als
"erheblicher Teil der Nutzungsdauer im Unternehmen" angesehen worden. Nichts
anderes kann gelten, wenn die Nutzungsdauer im Unternehmen – wie hier –
ausnahmsweise nicht nach den typisierten AfA-Reihen, sondern nach den konkreten
Absichten des Steuerpflichtigen zu bemessen ist.
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Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile unstreitig geworden, dass die Teilwerte des
Grund und Bodens und der Außenanlagen zum Bilanzstichtag nicht unter die jeweiligen
Buchwerte (......... DM bzw. ..... DM) gesunken waren und die Wertminderung allein auf
das Wirtschaftsgut "Gebäude" entfällt.
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Ferner ist zwischen den Beteiligten unstreitig geworden, dass der Teilwert des
Gebäudes zum 31. Dezember 2000 – ausgehend von einem erzielbaren Verkaufspreis
für das Gesamtgrundstück i.H.v. ....... DM – sich auf ....... DM belaufen hat.
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Ausweislich der – von den Beteiligten insoweit nicht in Frage gestellten – Berechnung
in Tz. 12 des Bp-Berichts hat der Buchwert des Gebäudes sich zum 31. Dezember 2000
(nach Normal-AfA, aber vor Teilwertabschreibung) auf ....... DM belaufen. Die jährliche
AfA beträgt ...... DM. Mindert man den Buchwert von....... DM um den für das Jahr 2001
zu erwartenen Normal-AfA-Betrag von ...... DM, ergibt sich ein fortgeschriebener
Buchwert von ....... DM. Dieser liegt noch oberhalb des Teilwerts von ....... DM. Damit
wird der Teilwert für mehr als die Hälfte der voraussichtlichen Restnutzungsdauer im
Unternehmen unterhalb des fortgeführten Buchwerts liegen.
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6. Die Entscheidung des Senats führt zu einer Minderung des Gewerbesteueraufwands
der Klägerin. Dies ist bei der Ermittlung der geänderten Festsetzungen gegenläufig zu
berücksichtigen. Die Berechnung der Höhe der Steuer- und Messbetragsfestsetzungen
wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
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7. Die Kostenentscheidung nach dem Verhältnis des jeweiligen Unterliegens und
Obsiegens – ausgehend von dem im ersten Rechtszug gestellten und bis zum Beginn
der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug aufrecht erhaltenen Klageantrag –
beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 der
Zivilprozessordnung.
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Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115
Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu, weil der BFH bisher nicht über einen Sachverhalt zu entscheiden
hatte, in dem der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, dessen
Teilwert gesunken war, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach dem
Bilanzstichtag verkaufen wollte.
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