Urteil des FG Münster vom 13.04.2005

FG Münster: einkünfte, anteil, gewerbesteuer, verpachtung, vermietung, kapitalvermögen, förster, beschränkung, entlastung, reform

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 10 K 3544/03 E
13.04.2005
Finanzgericht Münster
10. Senat
Urteil
10 K 3544/03 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
Streitig ist die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages i. S. des § 35 Abs. 1
Einkommensteuergesetz (EStG) insbesondere unter Berücksichtigung des sog.
horizontalen Verlustausgleichs.
Die als Eheleute gem. §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagten
Kläger erzielten im Streitjahr 2001 folgende Einkünfte:
Ehemann Ehefrau
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
als Einzelunternehmer 205.923 DM
aus Beteiligungen ./. 57.566 DM
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 63.504 DM
Einkünfte aus Kapitalvermögen ./. 1.217 DM 0 DM
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ./. 97.866 DM ./. 421 DM
Der Beklagte ermittelte unter Anwendung des Verlustausgleichs des § 2 Abs. 3 EStG die
Summe der Einkünfte des Klägers mit 49.274 DM und der Klägerin mit 63.063 DM,
errechnete unter Berücksichtigung nicht streitiger Sonderausgaben,
Vorsorgeaufwendungen und außergewöhnlicher Belastungen ein zu versteuerndes
Einkommen von 98.712 DM und setzte die Einkommensteuer für 2001 mit Bescheid vom
06.06.2002 auf 5.420,21 Euro (10.601 DM) fest.
Dabei ermäßigte er die sich tariflich nach der Splittingtabelle abzüglich eines Steuerabzugs
für ausländische Einkünfte von 50 DM ergebende Einkommensteuer von 18.882 DM nicht -
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wie von den Klägern gewünscht- um das 1,8-fache des für das Einzelunternehmen des
Klägers für 2001 festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages von 5.675 DM (= 10.215 DM),
sondern um lediglich 8.281 DM, die er nach der Formel (gewerbliche) Einkünfte des
Klägers nach Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG (hier: 49.274 DM), geteilt durch die Summe
der Einkünfte beider Kläger nach Berücksichtigung des Verlustausgleichs i.S. des § 2 Abs.
3 EStG (hier: 112.357 DM), multipliziert mit der tariflichen Einkommensteuer abzüglich 50
DM (hier: 18.882 DM) errechnete.
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage vertreten die Kläger weiterhin die
Auffassung, bei der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 EStG sei ein
Verlustausgleich i.S.d. § 2 Abs. 3 EStG nicht vorzunehmen. Insbesondere sei der sog.
horizontale Verlustausgleich durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
eine Ermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 10.215 DM
zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 15.05.2001 IV A 5 - S 2296 a - 16/02,
BStBl. I 2002, 533 weiterhin der Auffassung, bei der Berechnung des
Ermäßigungshöchstbetrages seien die Vorschriften des § 2 Abs. 3 EStG (horizontaler bzw.
vertikaler Verlustausgleich) zu berücksichtigen. Danach ergebe sich der bereits
berücksichtigte Ermäßigungshöchstbetrag von 8.281 DM.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die
Steuerakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90
Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat die tarifliche Einkommensteuer 2001 zutreffend gemäß § 35 Absatz 1
EStG nicht um 10.215 DM, sondern lediglich um einen Betrag von 8.281 DM ermäßigt.
Nach dem durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (BStBl. I S. 1433) neu eingefügten § 35 Absatz
1 Nr. 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen
Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f und 34g, soweit sie anteilig auf im zu
versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus
gewerblichen Unternehmen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 um das 1,8-fache des
jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14
des Gewerbesteuergesetzes für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags
(Gewerbesteuer-Messbetrag).
Durch die Beschränkung der Ermäßigung der Einkommensteuer auf den Anteil der
Einkommensteuer, der auf die im zu versteuerndes Einkommen enthaltenen gewerblichen
Einkünfte entfällt, ergibt sich die Notwendigkeit einer Höchstbetragsberechnung, bei der
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zunächst die im zu versteuerndes Einkommen enthaltenen "gewerblichen Einkünfte" zu
ermitteln sind.
Dabei sind gewerbliche Gewinne und Verluste aus verschiedenen Betrieben und
Mitunternehmeranteilen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG im Wege des sog. horizontalen
Verlustausgleiches miteinander zu verrechnen (im Ergebnis ebenso z.B.: Finanzgericht
Düsseldorf, Urteil von 07.05.2004 18 K 5084/03 E, EFG 2004, 1438;. Danelsing in
Blümlich, EStG § 35 Rn 34 f; Gosch in Kirchhof, EStG, § 35 Rn 17; Jachmann in
Lademann, EStG § 35, Rn 40; Ritzer/Stangl in Frotscher, EStG, § 35 Rn 48 und DStR 2002,
1068, 1073f; Cattelaens in Littmann, EStG § 35, Rn. 81).
Der Senat verkennt nicht, dass es als Konsequenz dieser Anwendung des sog.
horizontalen Verlustausgleich - wegen des fehlenden gewerbesteuerlichen
Verlustausgleichs - dazu kommen kann, dass in einem Betrieb mit Gewinn tatsächlich
Gewerbesteuer anfällt, für die wegen der Verluste bei anderen Gewerbebetrieben oder
gewerblichen Beteiligungen gegebenenfalls keine Entlastung nach § 35 EStG eintritt, weil
einkommensteuerlich durch den Verlustausgleich weniger oder gar keine gewerblichen
Einkünfte existieren und demzufolge kein ausreichendes Ermäßigungspotenzial vorhanden
ist. Dies ist jedoch eine notwendige Folge der vom Gesetzgeber gewählten Systematik und
Gesetzesformulierung. Bereits durch die Verwendung des Begriffs "Einkünfte" in § 35 EStG
ergibt sich, dass die Einkünfte im Sinne des § 2 EStG maßgeblich sind, also die nach dem
horizontalen Verlustausgleich verbleibenden gewerblichen Einkünfte (ebenso z.B. Wendt
in H/H/R, § 35 Rn 12 m.w.N. und in FR 2000, 1173, 1178; Neu, DStR 2000, 1933, 1935 f.).
Insoweit folgt der Senat nicht der in der Literatur (vgl. z.B. Förster, FR 2000, 866, 869;
Schmidt/Glanegger, EStG, § 35 Rn. 13; Herzig/Lochmann, DB 2000, 1728, 1731) unter
Hinweis auf die vom Finanzausschuss geänderte Formulierung ("gewerbliche Einkünfte"
statt "Betrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb", vgl. BT-Drucks. 14/3366, 21) auch
vertretenen Ansicht, dass bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte (nur) die positiven
Einkünfte jedes einzelnen Betriebes zu berücksichtigen sind. Die Formulierung wurde
lediglich geändert, um zu vermeiden, "dass eine Ermäßigung vorzunehmen ist, ohne dass
die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte mit Gewerbesteuer belastet sind" (vgl. BT-
Drucks. 14/3366, 152).
Der Anteil der gewerblichen Einkünfte an dem zu versteuerndes Einkommen und damit an
der tariflichen Einkommensteuer ist für das Streitjahr 2001 darüber hinaus unter
Berücksichtigung der übrigen Verlustausgleichsregelungen des § 2 Abs. 3 EStG zu
ermitteln. Die gewerblichen Einkünfte sind zur Ermittlung des gewerblichen Anteils an der
tariflichen Einkommensteuer um den nach § 2 Abs. 3 Satz 3 ff. EStG auf sie entfallenden
vertikalen Verlustausgleich zu mindern (ebenso: Ritzer/Stangl in Frotscher, EStG § 35, Rn
48; Jachmann in Lademann, EStG § 35, 41) und danach in das Verhältnis zum
Gesamtbetrag der Einkünfte zu setzen.
Dieser sog. vertikale Verlustausgleich, durch den positive gewerbliche Einkünfte mit
negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, führt zwar nicht zu
einer Herabsetzung des gewerblichen Anteils der Einkünfte, aber doch zu einer geringeren
tariflichen Einkommensteuer. Die negativen Einkünfte aus anderen Einkommensarten
mindern damit das Ermäßigungspotenzial, soweit sie im Rahmen des vertikalen
Verlustausgleich zu einem geminderten zu versteuerndes Einkommen und damit zu einer
geminderten tariflichen Einkommensteuer führen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind von den gewerblichen Einkünften des Klägers
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nach Verlustausgleich nur 49.274 DM in dem zu versteuerndes Einkommen enthalten.
Die gewerblichen Einkünfte betragen - nach Durchführung des horizontalen
Verlustausgleichs - 148.357 DM.
Mit diesen gewerblichen Einkünften sind nach § 2 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG zunächst die
Verluste des Klägers aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in Höhe von
insgesamt 99.083 DM zu verrechnen. Eine Übertragung dieses Verlustausgleichs auf die
Einkünfte der Klägerin (aus nichtselbstständiger Arbeit) findet nach § 2 Abs. 3 Satz 6 EStG
nicht statt.
Der so ermittelte Betrag der gewerblichen Einkünfte des Klägers von 49.274 DM ist in das
Verhältnis zur Summe der Einkünfte beider Kläger zu setzen. Wie bei § 32 c EStG a.F. hat
die Bezugnahme auf das zu versteuerndes Einkommen im Rahmen des § 35 Absatz 1
EStG nicht zur Folge, dass der Anteil der gewerblichen Einkünfte an der tariflichen
Einkommensteuer als Quotient aus gewerblichen Einkünften und zu versteuerndes
Einkommen zu berechnen wäre. Bei dieser Berechnungsweise würden die
Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen, etc. ausschließlich den Anteil der
nicht gewerblichen Einkünfte an dem zu versteuerndes Einkommen und damit an der
tariflichen Einkommensteuer mindern. Eine solche, vom Gesetzgeber nicht gewollte
Verzerrung wird bei Ermittlung des Anteils der gewerblichen Einkünfte als Quotient aus
gewerblichen Einkünften und Summe der Einkünfte vermieden. Denn hierbei beeinflussen
die Sonderausgaben, etc. die Verteilung der tariflichen Einkommensteuer auf die
verschiedenen Einkommensarten nicht mehr.
Hiernach ergibt sich nach der Formel gewerbliche Einkünfte des Klägers multipliziert mit
der tariflichen Einkommensteuer dividiert durch die Summe der Einkünfte beider Kläger der
vom Beklagten bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2001 angesetzte
Ermäßigungsbetrag nach § 35 Absatz 1 EStG.
Die Kostenentscheidung folgt aus §135 Absatz 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Absatz 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zuzulassen.