Urteil des FG Münster vom 21.08.2007

FG Münster: gesellschaft mit beschränkter haftung, handelsregister, firma, gesellschafter, unverzüglich, geschäftstätigkeit, akte, transportunternehmen, anfang, stammkapital

Finanzgericht Münster, 1 K 5182/05 L
Datum:
21.08.2007
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5182/05 L
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
T a t b e s t a n d
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Mit notariellem Vertrag vom 17.08.1999 errichteten die Klägerin und Herr IU unter der
Firma T & U Transport GmbH eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das
Stammkapital übernahmen die Gesellschafter je zur Hälfte. Die Gesellschaft nahm die
Geschäftstätigkeit im Januar 2001 auf. Am 02.04.2001 wurde der Antrag auf Eintragung
ins Handelsregister gestellt. Mit Zwischenverfügung vom 19.04.2001 wies das
Registergericht darauf hin, dass die Eintragung das Vorliegen der Genehmigung nach
§ 3 GüKG voraussetze. Unter dem 26.07.2001 wurde der Antrag auf Erlaubnis nach § 3
Abs. 1 GüKG gestellt. Der Landrat des Kreises S lehnte den Antrag ab. Die insoweit
erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht H nahmen die Klägerin und Herr IU in der
mündlichen Verhandlung vom 13.10.2004 zurück.
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Das Amtsgericht D wies den Antrag auf Eintragung der GmbH in das Handelsregister
durch Beschluss vom 16.11.2001 (XX AR XX/XXXX HR) zurück, nachdem für das
Transportunternehmen die Erlaubnis nach § 3 GüKG nicht erteilt worden war.
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Mit Haftungsbescheid vom 28.09.2005 nahm der Beklagte die Klägerin für Lohn- und
Annexsteuern 2001 und April bis Juli 2002 der Firma T und U GbR in Höhe von
insgesamt 16.170,66 € in Haftung. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 22.11.2005 erhob die Klägerin durch
Schreiben vom 26.12.2005 Klage. Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte gehe im
streitbefangenen Haftungsbescheid unzutreffend von einer persönlichen und
unbeschränkten Haftung der Klägerin für Steuerschulden der T & U GbR aus. Eine
solche GbR habe nie bestanden. Aus dem Gründungsvertrag vom 17.08.1999 ergebe
sich unzweifelhaft der Wille der Gesellschafter zur Gründung einer Kapitalgesellschaft.
Sie habe das Stadium der Vorgesellschaft erreicht.
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Zu Unrecht gehe der Beklagte auch davon aus, die Vorgesellschaft habe weiter
angedauert und sei nicht unverzüglich eingestellt worden, als ein Scheitern der
Gründung erkennbar gewesen sei. Es handele sich um eine echte Vorgesellschaft, so
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Gründung erkennbar gewesen sei. Es handele sich um eine echte Vorgesellschaft, so
dass eine Haftung nur in Bezug auf das eingezahlte Stammkapital der Klägerin in
Betracht komme, und zwar unter Berücksichtigung der Insolvenzordnung nur im
Rahmen einer entsprechenden Quote.
Die Vorgesellschaft habe ihre betriebliche Tätigkeit Anfang des Jahres 2001
aufgenommen und am 05.04.2001, letztlich erfolglos, die Eintragung ins
Handelsregister beantragt. Ein entsprechender Antrag habe aber jederzeit wiederholt
werden können.
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Die Gesellschaft sei fast ausschließlich im Rahmen der Möbelauslieferung für die
Firma P GmbH & Co KG tätig gewesen. Diese Firma habe das Vertragsverhältnis mit
Schreiben vom 18.09.2001 zum 31.12.2001 gekündigt. Die letzten Dienstleistungen
seien insoweit am 15.12.2001 erbracht worden. Daher habe den Mitarbeitern
überwiegend erst zum 31.12.2001 gekündigt werden können. Zwei gewerbliche
Arbeitnehmer seien noch im Rahmen der Abwicklung während des laufenden
Insolvenzverfahrens beschäftigt worden. Sie seien bis zum 14.02.2002 noch zur
Abwicklung des Auftrages der Firma HL eingesetzt worden. Die eigenen Fahrzeuge
der Gesellschaft seien am 20.12.2001 beim Straßenverkehrsamt in N abgemeldet
worden. Die Abwicklungsarbeiten seien mit geliehenen Fahrzeugen der Firma I
erledigt worden.
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Die Mitarbeiter J und R seien zur Vorbereitung der gutachterlichen Tätigkeit des vom
Insolvenzgericht beauftragten Sachverständigen eingesetzt gewesen. Weitergehende
werbende, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeiten seien nicht erfolgt. Die
Geschäftstätigkeit sei unverzüglich eingestellt worden, als bekannt geworden sei, dass
die Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen würde und sie infolge der
Kündigung der Auftraggeber vermögenslos und überschuldet gewesen sei. Insoweit
sei das Insolvenzverfahren eingeleitet worden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Haftungsbescheid vom 28.09.2005 und die Ein-
spruchsentscheidung vom 22.11.2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus, die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als
Gesellschafterin der GbR folge aus den §§ 421, 427 und 718 BGB. Die
Inanspruchnahme der GbR als Steuerschuldnerin sei erfolglos geblieben. Daher sei die
Klägerin in Haftung zu nehmen gewesen. Neben dem Entschließungsermessen habe
der Beklagte auch das Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Der Mitgesellschafter IU
sei ebenfalls in Haftung genommen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze und die Verwaltungsakten verwiesen. Der Senat hat am 21.08.2007
mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Beklagte hat die Klägerin zutreffend als Haftende für die Steuerschulden der T und
U GbR in Höhe von insgesamt 16.170,66 € in Haftung genommen.
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Nach § 191 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft
Gesetzes für eine Steuer haftet, wobei die Haftung sowohl auf steuerrechtlichen als
auch auf zivilrechtlichen Haftungsvorschriften beruhen kann.
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Mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages vom 17.08.1999
ist die T & U Transport GmbH errichtet und die Klägerin Gesellschafterin dieser GmbH
i.G. geworden. Solange die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen ist, besteht
sie als Vorgesellschaft (Vor-GmbH), für die es gesetzliche Regelungen nicht gibt.
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Die Klägerin haftet nach den von der Rechtsprechung für eine gesellschaftsrechtliche
Beteiligung an einer Vorgesellschaft entwickelten Grundsätzen. Die Vorgesellschaft
wird als sog. "unechte Vorgesellschaft" behandelt, wenn die GmbH nicht in das
Handelsregister eingetragen wird, weil u.a. die Gründer von vornherein nicht die Absicht
hatten, die Eintragung als GmbH zu erreichen, oder wenn der Eintragungsantrag nicht
ernsthaft weiterbetrieben wird, insbesondere, weil bestehende Eintragungshindernisse
nicht beseitigt oder Eintragungsunterlagen nicht unverzüglich beschafft werden oder
weil die Gesellschaft trotz Ablehnung des Eintragungsantrags und Wegfalls des
Gründungsziels ihre Geschäfte weiterbetreibt. Auf die unechte Vorgesellschaft werden
die Regeln einer zivilrechtlichen Personengesellschaft angewandt. Eine "echte Vor-
GmbH" liegt dagegen vor, wenn und solange die Gesellschafter der Vorgesellschaft die
Geschäftstätigkeit einverständlich aufgenommen haben und mit dem Ziel der Eintragung
der Gesellschaft in das Handelsregister betreiben (BFH, Urteil vom 7. April 1998 VII R
82/97, BFHE 185, 356, BStBl II 1998, 532 m.w.N.; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil
vom 9. Januar 2002 1 K 202/00, EFG 2002, 1131 mit Anm. Braun; BGH, Urteil vom
4.11.2002 II ZR 204/00 GmbHR 2003, 97 m.w.N., mit Anm. Schmidt; Scholz/Schmidt,
GmbG, 9. Aufl. 2000, § 11 Rdnr. 143).
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Im Streitfall haben die Gesellschafter der T & U Transport GmbH i.G. von vornherein
keine Eintragungsabsicht im Sinne dieser Rechtsprechungsgrundsätze gehabt. Das
ergibt sich daraus, dass sie die Eintragung der Gesellschaft nicht ernsthaft verfolgt
haben.
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Zum einen haben sie den Eintragungsantrag erst am 02.04.2001 gestellt, obwohl bereits
Anfang Januar der Geschäftsbetrieb aufgenommen worden war. Sinn und Zweck der
Rechtsprechung zur Haftung bei einer Vorgesellschaft ist es, bei aufgenommenem
Geschäftsbetrieb die Haftungsgrundsätze einer eingetragenen GmbH schon vor der
Eintragung anzuwenden, wenn die Eintragung ernsthaft verfolgt wird. Die Gesellschafter
müssen ohne schuldhaftes Zögern die Voraussetzungen für die Eintragung der GmbH in
das Handelsregister schaffen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen. Das bedeutet,
dass sie den Antrag zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister
unverzüglich stellen müssen. Das haben die Klägerin und ihr Mitgesellschafter im
Streitfall tatsächlich jedoch erst drei Monate nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit
getan.
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Auch nachdem das Registergericht unter dem 19.04.2001 auf das Eintragungshindernis
der fehlenden Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 GüKG hingewiesen hatte, haben sie diese
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Erlaubnis nicht unverzüglich beantragt, sondern wiederum weitere drei Monate bis zur
Antragstellung - am 26.07.2001 - verstreichen lassen.
Vor diesem Hintergrund kann es letztlich dahinstehen, ob eine unechte Vorgesellschaft
mit der Folge der persönlichen Haftung der Klägerin für die im Haftungsbescheid
aufgeführten Steuern auch deshalb anzunehmen ist, weil die GmbH i.G. ihre
Geschäftstätigkeit nach Ablehnung des Eintragungsantrags durch das Registergericht
nicht umgehend aufgegeben hat. Dass ein Liquidationsbeschluss gefasst und die
Gesellschaft umgehend liquidiert worden ist, ist nicht ersichtlich. Zwar sind gegenüber
der Mehrzahl der Arbeitnehmer, nicht jedoch gegenüber allen, zum 31.12.2001
Kündigungen ausgesprochen worden (s. Bl. 82 FG-Akte). Diese Kündigungen waren
jedoch nicht Folge einer Unternehmensliquidation. Sie waren als
Anpassungsreaktionen darauf erforderlich, dass der maßgebende Geschäftspartner, die
Firma P GmbH & Co. KG, mit Schreiben vom 18.09.2001 (Bl. 79 FG-Akte) die
Einstellung der Zusammenarbeit zum 31.12.2001 mitgeteilt hatte. Der mit Schreiben
vom 11.12.2001 von der Sparkasse D abgelehnte Kreditwunsch (Bl. 36 FG-Akte) der
GmbH i.G. spricht nicht für eine Liquidation des Unternehmens, sondern für eine
Fortführungsabsicht. Ob die GmbH i.G. vertraglich verpflichtet war, gegenüber der P
GmbH & Co. KG bis Mitte Dezember Transportleistungen zu erbringen, und ob keine
Möglichkeit bestand, sich aus den Verpflichtungen angesichts des Scheiterns der
GmbH-Eintragung zu lösen, ist nicht klar. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Auflösung der
Geschäftsbeziehungen zur HL.
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Als Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft, die als Transportunternehmen kein
Handelsgewerbe betreibt, haftet die Klägerin nach § 718 i.V.m. §§ 421, 427 BGB für die
Verbindlichkeiten, die während des Bestehens der Vorgesellschaft entstanden sind.
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Das Entschließungs- und Auswahlermessen, die Klägerin als Haftende in Anspruch zu
nehmen, ist in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt worden. Die Inanspruchnahme
der Gesellschaft war nach Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
aussichtslos. Der Mitgesellschafter IU ist ebenfalls in Haftung genommen worden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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