Urteil des FG Münster vom 05.11.2002

FG Münster (Begriff, Wohnfläche, Anerkennung, Kapital, Form, Darlehen, Pauschalbetrag, Sicherheitsleistung, Einkünfte, Pauschalierung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 1 K 4938/01 F
05.11.2002
Finanzgericht Münster
1. Senat
Urteil
1 K 4938/01 F
Unter Änderung der Feststellungsbescheide 1996 und 1997 vom
24.11.2000 und der Einspruchsentscheidung vom 14.08.2001 werden die
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1996 auf ./. 719.400,50
DM und für 1997 auf ./. 489.688,50 DM festgestellt und auf die Kläger zu
je 1/2 aufgeteilt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der
Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
Strittig ist die Abziehbarkeit von Verwaltungskostenbeiträgen als Schuldzinsen neben dem
Pauschbetrag gemäß § 9a Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) 1997.
Die Kläger (Kl.) bilden eine GbR, die verschiedene Objekte vermietet. An ihr sind B und T
zu je 50 % beteiligt. In den Streitjahren 1996 und 1997 machten die Kl. pauschale
Werbungskosten gemäß § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997 geltend für die Objekte A-Str.
12/J-Str. 2 und Al-Str. 112/M-Str. 2 in Gelsenkirchen sowie P-Str. 98-114/H-Weg in E.
Zusätzlich wurden die folgenden, an die Wohnungsbauförderungsanstalt NRW (Wfa)
gezahlten Verwaltungskostenbeiträge geltend gemacht:
1. 1996 1997
A-Str. 12/J-Str. 2 4.626,50 DM 4.626,50 DM
Al-Str. 112/M-Str. 2 4.598,00 DM 4.598,00 DM
P-Str. 98-104/H-Weg 43.216,00 DM 43.216,00 DM
insgesamt 52.440,50 DM 52.440,50 DM
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Diese Verwaltungskostenbeiträge waren gemäß § 5 des Standarddarlehensvertrages der
Wfa in Höhe von 0,5% des Ursprungskapitals zu zahlen. Nach Tilgung der Darlehen zu
50% reduziert sich die Höhe der zu zahlenden Verwaltungskostenbeiträge auch auf 50%.
Mit Bescheiden vom 24.11.2000 setzte der Beklagte (Bekl.) die zuvor geschätzten
Einkünfte der Kl. ohne Anerkennung der gezahlten Verwaltungskostenbeiträge an die Wfa
für 1996 auf ./. 666.960 DM und 1997 auf ./. 437.248 DM einheitlich und gesondert fest. Mit
Schreiben vom 20.12.2000 legten die Kl. hiergegen Einspruch ein. Die Bekl. wies diese
Einsprüche mit Bescheid vom 14.8.2001 zurück.
Die Kl. verfolgten ihr Anliegen auf Anerkennung der gezahlten Verwaltungskostenbeiträge
als zusätzliche Werbungskosten durch Einlegung der Klage am 6.9.2001 weiter. Sie
begründen ihre Klage damit, dass ihrer Meinung nach die Verwaltungskostenbeiträge
unabhängig von dieser Bezeichnung Schuldzinsen sind, die gemäß § 9a S. 1 Nr. 2 Satz 2
EStG 1997 zusätzlich zum Pauschalbetrag in Höhe von 42 DM pro qm Wohnfläche
ansetzbar sind.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
unter Abänderung der Feststellungsbescheide für 1996 und 1997 in Gestalt der
Änderungsbescheide vom 24.11.2000 und der Einspruchsentscheidung vom 14.8.2001
weitere Werbungskosten in Höhe von je 52.440,50 DM in 1996 und 1997 zu
berücksichtigen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Bekl. bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass der
Begriff der Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Regelung des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2
EStG 1997 eng auszulegen sei. Er betont insbesondere, dass eine weite Auslegung des
Schuldzinsenbegriffes in diesem Zusammenhang nur möglich sei, wenn der Wortlaut
dieser Vorschrift vom Gesetzgeber auf "die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbaren
Aufwendungen" ausgeweitet worden wäre.
Der Berichterstatter hat die Streitsache am 10.10.2002 mit den Beteiligten erörtert, die
Beteiligten haben übereinstimmend in diesem Termin auf die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung verzichtet; auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne
mündliche Verhandlung.
Die Klage ist begründet.
Die Kl. können die hier geltend gemachten Verwaltungskostenbeiträge neben § 9a Satz 1
Nr. 2 EStG 1997 als unter den Begriff des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG fallende
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Schuldzinsen als Werbungskosten ansetzen.
§ 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 lässt ausdrücklich neben dem in Satz 1 dieser
Vorschrift geregelten Pauschalbetrag von 42 DM pro Quadratmeter Wohnfläche den Abzug
der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG geregelten Schuldzinsen zu. Der Begriff der
Schuldzinsen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG ist weit auszulegen und umfasst auch
sonstige Kreditkosten (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BStBl. II 1999, 676).
Schuldzinsen im eigentlichen Sinne sind dabei alle Leistungen in Geld oder Geldeswert,
die ein Schuldner für die Überlassung von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat (BFH-
Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BStBl. II 1973, 868). Auf die jeweils gewählte
Bezeichnung für diese Schuldzinsen kommt es nicht an.
Die dargestellte weite Auslegung des Schuldzinsenbegriffes ist im Hinblick auf die im EStG
1997 geschaffene Pauschalierung nicht einzuschränken (Niedersächsisches FG, Urteil
vom 9. September 1999 Az. VIII 776/98, EFG 2000, 116; FG Münster, Urteil vom
10.12.1999 11 K 69/99 E, EFG 2000, S. 546). So spricht der Wortlaut des § 9a Satz 1 Nr. 2
Satz 2 EStG 1997 ausdrücklich von den "nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 abziehbaren
Schuldzinsen" und stellt damit klar, dass diese in der bislang interpretierten Form gemeint
sind. Einer Ausweitung des Wortlautes des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 etwa auf
"die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 abziehbaren Aufwendungen" bedurfte es nicht. Diese
Ausweitung hätte zur Folge gehabt, dass neben den dort genannten Schuldzinsen auch
Renten und dauernde Lasten abziehbar gewesen wären. Der Schuldzinsenbegriff im
eigentlichen Sinne, soweit er sich auf die Kosten für ein Darlehen bezieht, war auf Grund
der bestehenden geklärten Begrifflichkeit bereits weit genug gefasst.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Verwaltungskostenbeiträgen nach ihrem
wirtschaftlichen Gehalt und Zweckbestimmung um Darlehenszinsen und nicht um sonstige
Kreditkosten. Die Verwaltungskostenbeiträge sind in prozentualer Abhängigkeit zur
Ursprungsdarlehenssumme zu zahlen. Sie sind darüber hinaus, wenn auch in hälftiger
Höhe, nach erfolgter 50 % Tilgung entsprechend dem reduzierten Darlehensbetrag zu
entrichten. Dies zeigt, dass sie für die Darlehensnutzung und nicht für die Bearbeitung der
Darlehensgewährung zu zahlen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.2000 I R 92/99, BStBl. II
2001, 609 für den Fall der Beurteilung der Verwaltungskostenbeiträge als
Dauerschuldentgelt i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG). Es liegen deshalb keine als sonstige
Kreditkosten zu qualifizierenden Bearbeitungsgebühren vor. Es kann sich bei den
Verwaltungskostenbeiträgen trotz ihres Wortlautes auch nicht um sonstige Kreditkosten in
Form von Gebühren für die laufende Kreditüberwachung handeln. Diese Gebühren fallen
typischerweise in gleicher absoluter Höhe an und sind nicht, wie hier erfolgt, an die Höhe
des Darlehens gekoppelt. Letztlich kann eine Differenzierung aber auch dahinstehen, da
auch solche Verwaltungskosten als Entgelt für die Überlassung von Kapital anzusehen
sind und deshalb, lägen sie vor, als sonstige Kreditkosten im Sinne der Auslegung des § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbar wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs.
3 FGO, § 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da
auf Grund der engen Auslegung der Vorschrift des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997
durch die Finanzverwaltung noch eine Vielzahl von ähnlichen Fällen zu entscheiden sind.
Somit besteht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache trotz des Aufhebens der
Vorschrift mit Wirkung zum 1. Januar 1999 fort.