Urteil des FG Münster vom 23.11.2010

FG Münster (kläger, gesellschafter, geschäftsführer, verhandlung, gesellschaftsvertrag, anlage, vergütung, vereinbarung, haftung, tätigkeit)

Finanzgericht Münster, 1 K 639/07 F
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 639/07 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Streitig sind die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2003 und 2004 bei den
Klägern zu 1 und zu 2 als Feststellungsbeteiligte der insolventen p Druck und Verlag
GmbH & Co. KG (bis zum 4.1.2008: p GmbH & Co. KG).
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Die p GmbH & Co. KG (im Weiteren KG) wurde am 3. September 2003 als R L GmbH &
Co. KG gegründet. Komplementärin ist die p Verwaltungs GmbH ohne Einlage. Bei
Gründung firmierte diese als R L Verwaltungs GmbH. Diese GmbH nahm bis zur
Insolvenz der KG die Geschäftsführung wahr, und zwar durch die Kommanditisten zu 1
und zu 2 sowie Herrn K, den Geschäftsführer der Beigeladenen. Zwischenzeitlich ist
auch diese GmbH insolvent. Die Kläger zu 1 und zu 2 sind die Kommanditisten der KG
mit jeweils 40.000 Euro Kommanditeinlage. Daneben hält die Beigeladene einen
Kommanditanteil von ebenfalls 40.000 Euro. Nach § 10 Abs. 1 des
Gesellschaftsvertrages sind die Gesellschafter am Gewinn und Verlust im Verhältnis
ihrer festen Kapitalanteile beteiligt. Gemäß § 10 Abs. 2 GV sind die Gewinnanteile des
einzelnen Gesellschafters, solange und soweit dessen Kapitalkonto II negativ ist, auf
diesem zu buchen. Verbleibende Gewinnanteile werden auf dem Privatkonto verbucht.
Die Gesellschafterkonten sind in § 4 des Gesellschaftsvertrages geregelt. Danach
werden u.a. Tätigkeitsvergütungen wie auch entnahmefähige Gewinnanteile und Zinsen
auf einem Privatkonto für jeden Gesellschafter gebucht (§ 4 Abs. 3 GV). Gemäß § 11 GV
darf jeder Gesellschafter Guthaben auf seinem Privatkonto entnehmen.
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In Anlage 6 des am 15.7.2004 erstellten Jahresabschlusses zum 31.12.2003 wird die
steuerliche Gewinnermittlung 2003 dargestellt. Hiernach werden Tätigkeitsvergütungen
und Zinsen für Gesellschafterdarlehen vom anteiligen Jahresfehlbetrag der
Kommanditisten abgezogen und ein entsprechend geringeres negatives anteiliges
steuerliches Ergebnis ausgewiesen. Eine solche Anlage ist für 2004 nicht aktenkundig.
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Während die Zinsen in 2003 nach der vorliegenden Anlage 6 als Einlage auf dem
Darlehenskonto der Gesellschafter gebucht worden sind, sind die dort als
Tätigkeitsvergütungen qualifizierten Beträge - was zwischen den Beteiligten auch
unstreitig ist, ausgezahlt worden.
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Die Kläger waren vor der Gründung der KG Gesellschafter der R P GmbH & Co. KG
sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH dieser GmbH, der R P
Verwaltungs GmbH. Ausweislich des vorliegenden Geschäftsführer-
Anstellungsvertrag/Dienstvertrag (§ 2) erhielt der Kläger zu 1 für seine Tätigkeit als
Geschäftsführer der R P Verwaltungs GmbH eine Vergütung von 300.000 DM
(entspricht: 153.387,56 Euro). Der Kläger zu 2 erhielt ausweislich des vorliegenden
Geschäftsführer-Anstellungsvertrag/Dienstvertrag (§ 2) für seine Tätigkeit als
Geschäftsführer der R P Verwaltungs GmbH eine Vergütung von 204.000 DM
(entspricht: 104.303, 54 Euro).
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Im Rahmen der für die Streitjahre eingereichten Feststellungserklärungen wurden
Vergütungen an die Kommanditisten als solche auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage
von der Klägerseite qualifiziert. Dies hatte zur Folge, dass die Kläger diese Zahlungen
mit den Verlustzuweisungen verrechneten und entsprechend geringere Verluste als
laufende Einkünfte ansetzten.
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Der Beklagte sah die Vergütungen an die Kommanditisten dagegen als
Sonderbetriebseinnahmen bzw. als Vergütungen auf schuldrechtlicher Grundlage bei
den Klägern und die Beigeladene an. Folglich stellte der Beklagte entsprechend
geringere Verlustzuweisungen in 2003 und in 2004 und Sonderbetriebseinnahmen in
Höhe der Vergütungen fest. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechenden
Feststellungsbescheide und zusammenfassend auf die Schreiben des Beklagten vom
19.7.2007 im vorliegenden Verfahren (Bl. 27 d. GA) und im hiermit verbundenen
Verfahren 1 K 672/07 F (dort Bl. 24 d. GA) verwiesen. Der Beklagte begründete seine
Rechtsansicht in den Feststellungsbescheiden damit, dass eine gesellschaftsrechtliche
Grundlage für eine Anstellung nicht ersichtlich sei und sich dies auch nicht aus dem
Gesellschaftsvertrag ergebe. Die Bescheide für 2003 und 2004 über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren
Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG datieren vom 8.9.2006.
8
Die Klägervertreter haben im Namen der p GmbH & Co. KG, vormals R L GmbH & Co.
KG, am 6.10.2006 Einsprüche eingelegt, diese aber nicht begründet. Durch
Entscheidungen vom 15.1.2007 hat der Beklagte diese Einsprüche als unbegründet
zurückgewiesen.
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Am 15.2.2007 hat die KG hiergegen Klagen eingereicht, die nach Durchführung des
Erörterungstermins verbunden worden sind. Die Klägerseite ist der Ansicht, dass die
Qualifizierung der Zahlungen als Gehälter falsch ist. Es handele sich um
Vorabgewinnvergütungen. Aus dem Gesellschaftsvertrag der KG ergebe sich kein
Anhaltspunkt, dass die den Klägern und der Beigeladenen gezahlten Vergütungen auf
Grund eines schuldrechtlichen Anspruchs zugeflossen seien. Von der
Tätigkeitsvergütung, die zur Klassifizierung als Sonderbetriebseinnahme führe, seien
Entgelte für Mitunternehmer zu unterscheiden. Diese seien Entgelt für die Übernahme
von Unternehmerrisiko und Unternehmereigenschaft. Die Kläger hätten keine Verträge
neben dem Gesellschaftsvertrag mit der KG geschlossen.
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Die Klägerseite verweist hinsichtlich der Qualifizierung der Vergütung auf das Urteil des
FG Nürnberg vom 10.12.2002 (II 553/2000). Ohne klare Vereinbarung sei hiernach von
einem Gewinnvoraus auszugehen. Gegenüber dem Kläger zu 2 habe deshalb auch der
Insolvenzverwalter einen Rückforderungsanspruch von mehr als 500.000 Euro bereits
geltend gemacht.
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Die Kläger beantragen,
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die Bescheide für 2003 und 2004 über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes
nach § 15a Abs. 4 EStG vom 8.9.2006, jeweils in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 15.1.2007 dahingehend zu ändern, dass die
Vergütungen der KG an die Klägerin wie in den eingereichten
Feststellungserklärungen beantragt, Berücksichtigung finden,
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hilfsweise im Unterliegensfall
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die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte verweist auf die Begründung in den Feststellungsbescheiden und trägt
ergänzend vor, dass bislang keine Unterlagen eingereicht worden sind, aus denen sich
ergibt, dass die Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage zu zahlen gewesen
seien.
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Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Klägervertretern und dem
Beklagten am 3.6.2008 erörtert. Durch Beschluss vom 19.6.2008 wurde das Verfahren 1
K 672/07 F betreffend dem Streitjahr 2003 mit diesem Verfahren verbunden. Am
4.5.2009 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet worden. Im
Anschluss ist die Klage auf die Gesellschafter der KG als Feststellungsbeteiligte
umgestellt worden. Am 5.7.2009 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Komplementärin eröffnet worden. Durch Beschluss vom 25.6.2010 ist der Rechtsstreit
insoweit abgetrennt worden. Nach der in der mündlichen Verhandlung vom 9.11.2010
durch den Geschäftsführer der Beigeladenen erklärten Klagerücknahme ist diese noch
in der Verhandlung beigeladen worden. Dieser Klagerücknahme war die Erklärung des
Geschäftsführers der Beigeladenen vorausgegangen, dass die Beigeladene für ihre
Leistungen gegenüber der KG entsprechende Rechnungen erstellt habe.
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Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung damit einverstanden erklärt,
dass der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden darf. Gleichzeitig baten sie
um Vertagung, um in der Folgezeit eine Einigung zu erörtern. Eine solche Einigung
konnte nicht erzielt werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Senat ist aufgrund der Gesamtumstände zu der Überzeugung gekommen, dass die
streitigen Zahlungen an die Kläger sowie an die Beigeladene aufgrund
schuldrechtlicher Vereinbarungen erfolgten. Die hieraus zu ziehenden rechtlichen
Konsequenzen hat der Beklagte korrekt vorgenommen.
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Die Klage hat keinen Erfolg, da davon auszugehen ist, dass eine Zahlung an die
Mitunternehmer aufgrund einer Tätigkeit oder für Gesellschafterdarlehen als
Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HS. 2 EStG zu qualifizieren ist. Somit
können diese Zahlungen gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit dem Anteil der
Kläger und der Beigeladenen am Verlust der KG verrechnet werden.
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Dass hier Tätigkeitsvergütungen und Zinsen für Gesellschafterdarlehen vorliegen, ergibt
sich zur Überzeugung des Senats schon aus Anlage 6 des Jahresabschlusses zum
31.12.2003. In dieser Anlage ist hinsichtlich der fraglichen Zahlungen an die Kläger
bzw. die Beigeladene von Tätigkeitsvergütungen und "Zinsen Gesellschafterdarlehen"
die Rede. Die steuerrechtlichen Folgen werden dementsprechend dargestellt.
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Es ist für den Senat nicht erkennbar, warum diese Handhabung durch einen
Wirtschaftsprüfer noch am 15.7.2004 bei Fertigstellung des Berichts über die Erstellung
des Abschlusses für das Rumpfwirtschaftsjahr der KG vom 3.9.2003 bis 31.12.2003
erfolgt, wenn, wie von Klägerseite behauptet, gerade solche schuldrechtlichen Verträge
nicht vorliegen sollen.
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Die Klägerseite hat im Verfahren auch nicht dargelegt, warum man später zu einer
anderen steuerrechtlichen Behandlung der Vergütungen an die Kommanditisten
gekommen ist.
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Vielmehr beruft sich die Klägerseite darauf, dass vertragliche Vereinbarungen
hinsichtlich dieser Vergütungen nicht vorliegen sollen. Dies widerspricht der bisherigen
Handhabung von Zahlungen an die Kläger durch die Vorgänger-KG, die R P GmbH &
Co. KG. Auch hat der Geschäftsführer der Beigeladenen in der durchgeführten
mündlichen Verhandlung am 9.11.2010 erklärt, dass die Beigeladene für die an sie
erfolgten Zahlungen Rechnungen erstellt habe. Somit steht fest, dass zumindest die
Zahlungen an eine Kommanditistin doch aufgrund von schuldrechtlichen
Vereinbarungen erfolgten.
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Dass in einem solchen Fall Zahlungen an andere Kommanditisten allein aufgrund von
gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen erfolgen sollen, erscheint lebensfremd. Es ist
auch im Verfahren nicht weiter substantiiert dargelegt worden. Nachweise über eine
gesellschaftsrechtliche Vereinbarung fehlen. So sind keine Gesellschafterbeschlüsse
vorgelegt worden. Dass aber eine Zahlung dann, wenn fremde Dritte Gesellschafter
einer Kommanditgesellschaft sind, ohne Vereinbarung erfolgt, ist untypisch und für den
Senat nicht vorstellbar.
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Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass entsprechende
Regelungen im vorliegenden Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart worden sind. Dort
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finden sich keine Regelungen, die es ermöglichen, dass einzelne Gesellschafter ein
Gewinnvoraus beziehen. Wie solche Zahlungen im Rahmen der erst abschließend
durchzuführenden Gewinnverteilung zu berücksichtigen sind, bleibt unklar.
Das Gesagte zeigt eindeutig, dass Zahlungen an die Kläger nicht aufgrund
gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung erfolgt sein können. Diese Zahlungen erfolgten
vielmehr aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen und somit steuerrechtlich als
Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
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Auch die Handhabung über die Einrichtung und Handhabung der Gesellschafterkonten
wie im Gesellschaftsvertrag der KG vereinbart, weist eindeutig darauf hin, dass die
fraglichen Zahlungen nur aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen,
insbesondere als Tätigkeitsvergütungen und gerade nicht als Gewinnvoraus an die
Kläger und die Beigeladene ausgezahlt worden sind. Der Gesellschaftsvertrag sieht
nämlich in § 4 GV vor, dass eine Verbuchung von Beträgen, u.a. auch von
Tätigkeitsvergütungen, auf dem Privatkonto der Gesellschafter erfolgt. Nur Guthaben auf
diesen Privatkonten können nach § 11 GV entnommen werden. Eine Entnahme von
Gewinnanteilen ist dagegen nur möglich, wenn das Kapitalkonto II nicht negativ ist. Da
die fraglichen Zahlungen für die Dienste als Kommanditisten bei der KG ausgezahlt,
also entnommen worden sind, können sie nur als Tätigkeitsvergütungen qualifiziert
werden. Das gleiche gilt auch für die Zinsen, da diese nicht auf dem Kapitalkonto II
sondern auf dem Darlehenskonto als Einlage gebucht worden sind.
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Zu bedenken ist insoweit auch, dass die KG von Anfang an unter Verlusten litt. Folglich
führten Entnahmen stets dazu, dass die Kommanditeinlagen als nicht erbracht galten.
Etwas anderes gilt nur für die Auszahlung eines angemessenen Dienstleistungsentgelts
- gerade nicht einer Gewinnentnahme. Eine solche Tätigkeitsvergütung verhinderte das
Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten nach §§ 172 Abs. 4 Satz 2, 171 Abs. 1
HGB (BFH-Urteil vom 23.1.2001 VIII R 30/99, BStBl II 2001, 621 Tz. 22). Für den Senat
ist es deshalb nicht vorstellbar, dass die KG im vorliegenden Fall eine Vergütung an die
Kommanditisten auszahlen sollte, die zu einem Wiederaufleben der Haftung dieser
führt. Dass nunmehr der Insolvenzverwalter ausweislich des Klägervortrags eine
Haftung zumindest eines der Kommanditisten für möglich erachtet, ist kein Nachweis
dafür, dass hier tatsächlich ein Gewinnvoraus vereinbart worden ist. Gerade dies ist
auch der Grund, warum Sonderbetriebseinnahmen nicht zu den Gewinnen nach § 15a
Abs. 2 EStG gehören (Schmidt-Wacker, § 15a EStG, Rz. 73 mwN.).
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Der Beklagte hat die als Sonderbetriebseinnahmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei den
Klägern und der Beigeladenen zu qualifizierenden Zahlungen im Rahmen des § 15a
EStG zutreffend berücksichtigt. Insoweit verweist der Senat auf die Begründung der
Feststellungsbescheide.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Außergerichtliche Kosten
der Beigeladenen sind gemäß § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig, da diese keinen
Antrag gestellt hat.
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Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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