Urteil des FG Münster vom 29.11.2006

FG Münster: verfügung, wohnung, kennzeichen, verschmutzung, geldwerter vorteil, kontrolle, fahrzeug, wochenende, golf, leiter

Finanzgericht Münster, 12 K 3156/04 L
Datum:
29.11.2006
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 3156/04 L
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
G r ü n d e :
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Streitig ist, ob in der Nutzung von Firmenfahrzeugen durch Arbeitnehmer ein der
Lohnsteuer (LSt) unterliegender Vorteil liegt, für den der Arbeitgeber in Haftung zu
nehmen ist.
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Die Klägerin (Klin.) ist eine Kommanditgesellschaft (KG). Gegenstand ihres
Unternehmens ist die Herstellung, Wartung und Reparatur von Hydraulik- und
Seilaufzügen für den industriellen Bedarf und zur Personenbeförderung. Im gesamten
Bundesgebiet werden Außendienstbüros und Kundendienstzentren unterhalten.
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Den Niederlassungsleitern und Kundendienstmonteuren standen am streitigen Zeitraum
(01.10.2000 – 31.03.2003) firmeneigene Pkw’s zur Verfügung. In der Niederschrift über
die Übergabe war jeweils schriftlich festgehalten: Mir ist bekannt, daß die Nutzung des
Firmen-Pkw’s für private Zwecke untersagt ist. Fahrtenbücher wurden nicht geführt.
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Im Rahmen einer den streitigen Zeitraum betreffenden Lohnsteuer-Außenprüfung (LSt-
Ap) gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass in der Überlassung der Pkw an die
Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil liege. Zur Begründung verwies er darauf, dass
davon auszugehen sei, dass das jeweilige Kfz auch zu privaten Zwecken genutzt
werde. Fahrtenbücher, aus denen sich die tatsächliche Nutzung der Kfz habe ergeben
können, seien nicht geführt worden. Die Einhaltung eines Nutzungsverbots sei durch
den Arbeitgeber zu überwachen. Ein entsprechender Beleg sei zum Lohnkonto zu
nehmen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF-Schreiben – vom
28.05.1996 IV B 6 – S 2334 – 173/96 (BStBl. I 1996, 654, unter Tz. 5). Beides sei im
Streitfall nicht geschehen. Insbesondere sei das Abstellen der Fahrzeuge bei Urlaub,
Krankheit und nach Dienstschluß auf dem Betriebsgelände nicht überprüft worden (vgl.
Tz. 2 des Berichts über die LSt-Außenprüfung vom 2.10.2003).
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Da bei den Arbeitnehmern die hierin liegenden Vorteile als Bezüge aus dem
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Dienstverhältnis bisher nicht erfaßt worden waren, war nach Auffassung des Prüfers der
lohnsteuerpflichtige Bruttoarbeitslohn des jeweiligen Arbeitnehmers zu erhöhen. Der
geldwerte Vorteil war jeweils mit monatlich 1 v.H. des auf volle 100 DM abgerundeten
Kaufpreises der Pkw anzusetzen. Dementsprechend waren die Einkommensteuer(ESt)-
Festsetzungen der Arbeitnehmer zu ändern, denen die Firmenfahrzeuge zur Verfügung
gestanden hatten.
Lediglich bei den Arbeitnehmern A und H hatte dies nicht geschehen können, weil
beide steuerlich nicht geführt wurden. Herr A ist verheiratet und hat zwei 1995 und 1996
geborene Kinder. Ihm stand ein Firmenwagen vom Typ Golf Variant, amtliches
Kennzeichen: 1 zur Verfügung. Herr H ist ledig. Von ihm wurde ein Firmenwagen
ebenfalls vom Typ Golf Variant – amtliches Kennzeichen: 2 – gefahren.
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Für beide Arbeitnehmer war nach Auffassung des Prüfers ebenso wie bei den anderen
der jeweilige Bruttoarbeitslohn um die in der Nutzung der Pkw zu privaten Zwecken
liegenden Vorteile zu erhöhen. Hierdurch kam es bei den beiden Arbeitnehmern zu
folgender höherer Lohnsteuer (LSt) und Nebenleistungen (vgl. Tz. 3 des Berichts über
die LSt-Ap vom 02.10.2003):
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a) A Lohnsteuer Solidaritätszuschlag ev. KiSt rk. KiSt
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2000 167,70 Euro 9,22 Euro 7,55 Euro 7,55 Euro
10
2001 620,71 Euro 34,14 Euro 27,93 Euro 27,93 Euro
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2002 606,00 Euro 33,33 Euro 27,27 Euro 27,27 Euro
12
gesamt: 1.394,41 Euro 76,96 Euro 62,75 Euro 62,75 Euro
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b) H Lohnsteuer Solidaritätszuschlag rk. KiSt
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2001 234,68 Euro 12,91 Euro 21,12 Euro
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2002 957,00 Euro 52,63 Euro 86,13 Euro
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gesamt: 1.191,68 Euro 65,54 Euro 107,25 Euro
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Wegen dieser – der Höhe nach nicht streitigen – Beträge war nach Auffassung des
Prüfers die Klin. gemäß § 42 d Einkommensteuergesetz (EStG) als Arbeitgeberin in
Haftung zu nehmen (vgl. Tz. 3 des Berichts über die LSt-Ap. vom 02.10.2003).
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Das Finanzamt (FA) folgte dem Vorschlag des Prüfers. In dem Haftungs- und
Nachforderungsbescheid vom 02.10.2003 nahm es die Klin. unter anderem wegen der
oben angegebenen Beträge unter Hinweis auf den Bericht über die LSt-Ap. vom
02.10.2003 gemäß § 42 d EStG im Haftungswege in Anspruch. Hinsichtlich der übrigen
in dem Bescheid als geschuldet aufgeführten Beträge besteht kein Streit.
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Mit ihrem Einspruch machte die Klin. geltend, dass aus Anlaß einer privaten Nutzung
der Firmenfahrzeuge für die Arbeitnehmer A und H ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil nicht
anzusetzen sei. Sie verwies auf folgende Umstände:
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Nach einer schriftlichen Erklärung des Herrn A vom 02.11.2003 habe diesem ein
privater Pkw vom Typ Ford Galaxy zur Verfügung gestanden. Nach Erwerb am
21.01.2002 bis zum 01.11.2003 seien 24.668 km zurückgelegt worden. Vorher sei ein
Pkw vom Typ VW gefahren worden.
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Daneben besitze Herr A einen Oldtimer vom Typ Dutton (GB), Baujahr 1984, der für die
Monate Mai – Oktober mit einem Saisonkennzeichen zugelassen gewesen sei.
Außerdem habe ihm ein Motorrad zur Verfügung gestanden. Schließlich besitze er
einen Trecker.
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Herr H besitze ebenfalls einen eigenen Pkw vom Typ Ford Mondeo (Erstzulassung:
1999). Außerdem sei auch er Eigentümer eines Motorrades.
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Beide Firmenfahrzeuge seien weiß lackiert. Auf dem Untergrund sei deutlich sichtbar
das Firmenemblem auflackiert. Die Fahrzeuge seien ständig mit Material und Werkzeug
auf der Ladefläche und auf der Rückbank beladen. Im Falle einer nichtberuflichen
Nutzung müßten die Gegenstände erst entfernt werden.
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Den Einspruch wies das FA mit der Einspruchsentscheidung (EE) vom 10.05.2004 mit
im wesentlichen folgender Begründung als unbegründet zurück:
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Im Falle einer privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber überlassenen betrieblichen
Fahrzeugs sei der geldwerte Vorteil gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 – 5 EStG in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nach der 1 v.H.-Regelung zu bestimmen. Dafür, ob eine
private Nutzung vorliege, gelte ein Anscheinsbeweis. Es entspreche allgemeiner
Lebenserfahrung, dass ein betrieblicher Pkw, der zur allgemeinen Nutzung zur
Verfügung stehe, tatsächlich auch privat genutzt werde. Etwas anderes gelte nur, wenn
eine private Nutzung bei Führung eines Fahrtenbuches oder durch sonstige Umstände
ausgeschlossen sei. Im Streitfall habe aber keine Kontrolle stattgefunden. Die Klin. habe
als Arbeitgeberin die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung nicht überwacht.
Die Arbeitnehmer hätten die Fahrzeuge nach Beendigung der Arbeitszeit oder am
Wochenende nicht auf dem Betriebsgelände abgestellt und den Schlüssel abgegeben.
Im übrigen seien auch keine nachvollziehbaren Kontrollen des Benzinverbrauchs und
der km-Stände erfolgt. Die theoretische oder praktische Möglichkeit von Privatfahrten sei
damit nicht ausgeschlossen gewesen.
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Sofern die Arbeitnehmer A und H behaupteten, keinen einzigen Kilometer privat
gefahren zu sein, handele es sich um einen ungewöhnlichen, unüblichen Sachverhalt,
dessen Richtigkeit angesichts der organisatorischen Gestaltung im Streitfall nicht
unterstellt werden könne. Über Wochen hätten sich die Fahrzeuge unkontrolliert in der
Nutzungsmöglichkeit der Arbeitnehmer befunden.
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Dass beide Arbeitnehmer eigene Privatwagen zur Verfügung gehabt hätten, sei
unmaßgeblich. Material und Werkzeuge hätten im Hinblick auf Privatfahrten jederzeit
ausgeladen werden können. Den Bestätigungen der Arbeitnehmer komme kein
ausreichendes Gewicht zu, da deren Inhalt ihrem Interesse entsprochen habe.
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Hiergegen hat die Klin. Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der Haftungsbescheid
insoweit rechtswidrig sei, als sie wegen einer privaten Nutzung der Firmenfahrzeuge
durch die Arbeitnehmer A und H im Haftungswege in Anspruch worden genommen sei.
Beide hätten als Arbeitnehmer dafür zu sorgen, daß sie jederzeit bei Störungen der
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Aufzugsanlagen Abhilfe leisten könnten. Sie müßten daher ständig – auch an
Wochenenden – bereitstehen, die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Aus
diesem Grund sei es ihnen gestattet, die Firmenfahrzeuge zu Hause abstellen zu dürfen.
Von dort erfolge auch in der Regel der Einsatz, der zentral von der Firmenverwaltung mit
den zuständigen Monteuren telefonisch geregelt werde. Herrn A stünden zusätzlich
andere Fahrzeuge zur privaten Nutzung zur Verfügung, mit denen auch erhebliche
Fahrtstrecken zurückgelegt worden seien.
Herr H sei Junggeselle und fahre privat einen eigenen Pkw. Auch bei ihm sei für eine
private Nutzung des Firmenwagens kein Raum.
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Im Übrigen wiesen beide Firmenwagen eine gewisse Verschmutzung auf den Sitzen
durch den ständigen Einsatz aus.
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Sofern das FA darauf verweise, dass die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung
nicht überwacht worden sei, verbiete sich dies aus betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Der Bereitschaftsdienst könne nur dadurch effizient gestaltet werden,
dass die zuständigen Monteure zu jeder Tages- und Nachtzeit auf kürzestem Weg die
notwendigen Arbeiten schnellstens ausführen könnten. Es käme zu erheblichen
zeitlichen Verzögerungen, wenn erst das Firmengelände mit dem privaten Fahrzeug
angefahren werden müsste, um dann den Störfall an dem betroffenen Standort mit dem
Einsatz des Montagefahrzeugs zu reparieren. Aus diesem Grund seien auch die
Fahrzeuge ständig mit Werkzeugen, Ersatzteilen und Aktenunterlagen aller zu
betreuenden Kunden ausgestattet.
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Im Übrigen sei auf einen gleichgelagerten Fall zu verweisen, den das Niedersächsische
Finanzgericht mit Urteil vom 25.11.2003 1 K 191/02 (Juris-Nr. STRE 2004471110)
entschieden habe. Die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) VI R 1/04 habe das von
diesem Verfahren betroffene FA zurückgenommen.
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Die Klin. beantragt,
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den Haftungsbescheid vom 02.10.2003 und die EE vom 10.05.2004
aufzuheben.
35
Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Unter Hinweis auf die Ausführungen in der EE macht es geltend, dass wegen der
fehlenden Kontrolle des Verbots einer privaten Nutzung davon auszugehen sei, dass
eine solche Nutzung auch tatsächlich stattgefunden habe. Dafür, dass dies nicht der Fall
gewesen sei, sei die Klin. nachweispflichtig. Es sei kein Fahrtenbuch geführt worden.
Auch die sonstige Organisation habe nicht ausgereicht, dass mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, dass eine private Nutzung
stattgefunden habe.
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Für die betrieblichen Einsätze seien auch nicht nur gelegentlich die privaten Fahrzeuge
der Arbeitnehmer zum Einsatz gekommen. Insbesondere bei Herrn A sei das im
streitigen Zeitraum des öfteren der Fall gewesen. Eine mögliche Verschmutzung der
Firmenfahrzeuge aus Anlass der Einsätze könne daher nicht gegen eine private
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Nutzung dieser PKW sprechen.
Der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts im Urteil vom 25.11.2003 1 K
191/02 (a. a. O.) sei nicht zu folgen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten und die FA-Akten verwiesen.
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Am 02.05.06 hat vor dem Berichterstatter des Senats ein Erörterungstermin
stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss des Senats vom 28.07.06 ist Beweis erhoben worden, unter welchen
Umständen, für welche Zwecke und in welcher Weise den Arbeitnehmern A und H im
streitigen Zeitraum 01.10.2000 bis zum 31.03.2003 Firmenfahrzeuge zur Verfügung
gestanden hatten durch Vernehmung dieser beiden Arbeitnehmer sowie des Leiters der
Montageabteilung E als Zeugen. Auf die Niederschrift über die Beweisaufnahme vom
05.09.2006 wird verwiesen.
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Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Haftungsbescheid vom 02.10.2003 in Gestalt der EE vom 10.05.2004 ist
rechtmäßig.
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Nach § 191 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine
Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die
Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig
(ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u. a. Urteil vom 13.06.1997 VI R 96/96,
Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 4).
Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es zur Haftung heranziehen will,
die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme erfüllt sind.
Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare
Rechtsentscheidung. Darin schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende
Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des FA an, ob und ggf. wen es als Haftenden in
Anspruch nehmen will. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen
des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw.
Ermessensüberschreitung) überprüfbar.
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Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klin. sind
erfüllt.
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Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er
einzubehalten und abzuführen hat. Die Klin. hatte als Arbeitgeberin für die bei ihr tätigen
Arbeitnehmer die Lohnsteuern in der jeweils zutreffenden Höhe einzubehalten und
abzuführen. Dies ist in dem streitigen Zeitraum 01.10.2000 – 31.03.2003 nicht in der
vollen Höhe geschehen.
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Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nicht selbständiger
Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge
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und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt
werden. Darunter fallen auch geldwerte Vorteile, die mit der Nutzung eines betrieblichen
Kfz zu privaten Zwecken verbunden sind. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG sind diese in
entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat
mit 1 v. H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der
Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Kann das
Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht
sich nach Satz 3 des § 8 Abs. 2 EStG der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um
0,03 v. H. des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte. Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann nach Satz 4 dieser Vorschrift mit
dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt
werden, wenn die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege
und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
nachgewiesen werden.
Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG (sog. 1%-Regelung) verstößt nicht
gegen das Grundgesetz, sondern hält sich im Gestaltungsspielraum des
Steuergesetzgebers bei Typisierungen (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.2000 III R 59/98,
BStBl. II 2000, 273).
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Im Streitfall ist aufgrund der Umstände davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer H
und A neben dem jeweiligen Lohnentgelt Vorteile in Gestalt der Nutzung von
betrieblichen Pkw zu privaten Zwecken erhalten hatten. Die aus diesem Anlass
angefallenen Lohnsteuern sind bisher nicht einbehalten und abgeführt worden.
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Den im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens als Zeugen vernommenen Arbeitnehmern
H und A hatte jeweils ein Pkw zur Verfügung gestanden. Beiden war jeweils ein Kfz
vom Typ VW Golf Variant überlassen worden, und zwar Herrn A der Pkw mit dem
amtlichen Kennzeichen 1, und Herrn H der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen 2.
Diese Fahrzeuge standen beiden auch zu einer privaten Nutzung zur Verfügung. Schon
vor dem streitigen Zeitraum waren ihnen die Pkw als Neufahrzeuge überlassen worden.
Sie werden auch heute noch von ihnen gefahren.
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Grundsätzlich kann im Fall einer Überlassung eines betrieblichen Pkws nach den
Regeln des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der Firmenwagen
auch privat genutzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 14.05.1999 VI B 258/98, BFH/NV
1999, 1330, sowie Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14.11.2001 5 K 5433/00 L,
Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 315). Dies gilt auch für den Fall der
Nutzung durch Angestellte (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom
02.02.2005 2 K 193/03, EFG 2005, 1265).
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Beide Arbeitnehmer haben zwar anlässlich ihrer Vernehmung als Zeugen in Abrede
gestellt, die ihnen überlassenen Pkw für private Zwecke genutzt zu haben. Diese
mündlichen Aussagen allein sind aber nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu
erschüttern. Soweit nämlich die Firmenfahrzeuge für sie jeder Zeit verfügbar waren,
befanden sie sich in der gleichen Situation wie jemand, der betriebliche Einkünfte erzielt
und dem ein betriebliches Fahrzeug auch für private Zwecke zur Nutzung zur Verfügung
steht. Bei der Frage, ob bei dem Betriebsinhaber ein privater Nutzungsanteil zu
berücksichtigen ist, kann auch nicht allein auf dessen Erklärungen abgestellt werden.
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Abgesehen davon liegt es auf der Hand, dass die diesbezüglichen Erklärungen der
Zeugen von ihrer eigenen Interessenlage beeinflusst sind, von der Klin. als ihrer
Arbeitgeberin nicht anderweitig zur Verantwortung gezogen zu werden, sofern sie einen
Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt haben sollten.
Für die Frage, ob der Anscheinsbeweis als erschüttert angesehen werden kann, sind
vielmehr zusätzlich die übrigen Umstände im Zusammenhang mit der möglichen
Nutzung der Firmenfahrzeuge zu würdigen. Bei der hiernach anzustellenden Abwägung
ist der Anscheinsbeweis nicht in Frage gestellt.
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Einschränkungen hinsichtlich einer möglichen privaten Nutzung der Firmenfahrzeuge
gab es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht.
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Den Arbeitnehmern waren zwar die Fahrzeuge mit der Maßgabe ausgehändigt worden,
dass ihnen jeweils bekannt war, dass die Nutzung des Firmen-Pkw für private Zwecke
untersagt war. Allein auf der Grundlage dieser Vertragsklausel vermag der Senat aber
nicht davon auszugehen, dass die Fahrzeuge tatsächlich nicht privat genutzt worden
sind. Sofern eine private Nutzung arbeitsvertraglich untersagt ist, genügt dies nicht,
wenn das Verbot vom Arbeitgeber nicht überwacht wird und Fahrtenbücher nicht geführt
werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1968 VI R 122/66, BStBl. II 1968, 361, BFH-
Beschluss vom 19.12.2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488).
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Der Auffassung des niedersächsischen Finanzgerichts im Urteil vom 25.11.2003 1 K
191/02 (a. a. O.) und des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 08.09.2004
13 K 80/02 (Juris-Nr. STRE 200570936) vermag der Senat nicht zu folgen. Danach soll
im Falle eines arbeitsvertraglichen Verbots einer privaten Nutzung eines Firmenwagens
von einer dem entgegen stehenden Privatnutzung erst dann auszugehen sein, wenn
das Verbot nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nur zum Schein
ausgesprochen worden ist, der Arbeitgeber tatsächlich also mit einer voll umfänglichen
privaten Nutzung einverstanden ist und dies gegenüber dem Arbeitnehmer auch zum
Ausdruck gebracht hat. Diese Auffassung stimmt mit den in der Rechtsprechung des
BFH gestellten Anforderungen nicht überein. Danach muss das arbeitsvertragliche
Verbot auch tatsächlich überwacht sein.
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Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass seitens der Klin. als Arbeitgeberin Vorkehrungen
getroffen waren, dass die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung auch
überwacht wurde. Der als Zeuge vernommene Leiter der Montageabteilung, Herr E, hat
eingeräumt, dass im streitigen Zeitraum die Fahrzeuge an die Arbeitnehmer – darunter
auch an die Herren A und H, um die es vorliegend geht – mehr oder weniger auf der
Basis von Vertrauen überlassen wurden. Eine Kontrolle dergestalt, dass in
Fahrtenbüchern die zurückgelegten Kilometer festgehalten wurden, hat es für den
streitigen Zeitraum noch nicht gegeben. Das haben sowohl die als Montagearbeiter
tätigen Zeugen A und H als auch der Leiter der Montageabteilung, Herr E,
übereinstimmend bekundet.
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Die Auffassung, dass es im Falle eines abstrakt ausgesprochenen Verbots einer
privaten Nutzung auch des Nachweises einer tatsächlichen Durchführung dieses
Verbots bedarf, wird im Übrigen auch vom Finanzgericht Köln im Urteil vom 20.09.2000
12 K 4477/98 (Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst – DStRE – 2001, 65) und
vom Niedersächsischen Finanzgericht in den Urteilen vom 02.02.2005 2 K 193/03
(a.a.O.) und vom 01.03.2006 2 K 53/03 (EFG 2006, 1237) vertreten. Insbesondere muss
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die Durchführung des Privatfahrtenverbots nachweisbar sein.
Im Übrigen steht auch nach Aktenlage fest, dass die Anordnungen der Klin., die sie in
ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin hinsichtlich der Verwendung der Firmenwagen
getroffen hatte, nicht immer eingehalten wurden. So waren in einer Aktennotiz, die sich –
ohne Datum – an alle Monteure und Kundendienstmitarbeiter richtete (Bl. 101 d. GA),
die Fahrer der Firmenfahrzeuge sowohl darauf hingewiesen worden, dass sie die
Firmenfahrzeuge privat nicht benutzt werden durften, als auch darauf, dass sie am
Wochenende bei der jeweiligen Niederlassung abzustellen waren. Die als Zeugen
vernommenen Arbeitnehmer haben aber übereinstimmend bekundet, dass die
Fahrzeuge auch während der Wochenenden mit nach Hause genommen wurden. Auch
wenn nach den Erläuterungen durch den ebenfalls als Zeugen vernommenen Leiter der
Montagabteilung diese von der Vorgabe der Klin. abweichende Handhabung damit zu
begründen ist, dass mit einem kurzfristig auftretenden Notfalleinsatz immer zu rechnen
war, so dass die Fahrzeuge auch am Wochenende immer zum Einsatz bereit zur
Verfügung zu stehen hatten, ändert dies nichts daran, dass die Anordnungen der Klin. in
dem Punkt, wo die Fahrzeuge an den Wochenenden abzustellen waren, nicht beachtet
zu werden brauchte. Es liegt dann die Überlegung nahe, dass die Anordnung der Klin.
auch in dem anderen Punkt – Verbot einer privaten Nutzung – tatsächlich nicht
eingehalten zu werden brauchte. Darüber hinaus trifft der angegebene Grund -
kurzfristig auftretender Notfalleinsatz - nicht für die Urlaubszeit zu. In diesem
Zusammenhang hat der Zeuge A bekundet, dass das einmal überlassene Fahrzeug
auch während des Urlaubs – also zu einer Zeit, zu der mit Notfalleinsätzen nicht zu
rechnen war – zu Hause stand.
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Gab es hiernach im streitigen Zeitraum keinerlei Kontrolle hinsichtlich einer möglichen
privaten Nutzung, brauchte der Senat auf den zusätzlich vom FA angeführten
Gesichtspunkt, dass keinerlei Unterlagen zum Lohnkonto genommen worden sind (vgl.
Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 28.05.1996 IV B 6 – S 2334 – 173/96 (a. a. O.), nicht
weiter einzugehen (zu Zweifeln hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit dieser
Anforderung vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.09.2000 12 K 4477/98, a. a. O.).
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Aus tatsächlichen Gründen waren die privaten Nutzungsmöglichkeiten ebenfalls nicht
eingeschränkt. Es handelte sich zwar um Pkw, die nach außen als Firmenfahrzeuge zu
erkennen waren. Daraus, dass das Firmenlogo angebracht war, kann aber nicht
geschlossen werden, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat.
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Die Umstände, dass die Fahrzeuge zumindest zum Teil im Kofferraumbereich mit einem
Standregal ausgerüstet waren und im Übrigen mit Material und Ersatzteilen beladen
waren, führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Regal, das sich in dem von dem
Zeugen A benutzten Pkw befand, war nicht fest eingebaut. Es konnte ebenso wie die
sonst mitgeführten Materialen und Ersatzteile kurzfristig aus dem Pkw entfernt werden.
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Eine mit der Nutzung für betriebliche Zwecke verbundene Verschmutzung der
Firmenfahrzeuge führt ebenfalls nicht notwendig zu der Annahme, dass eine private
Nutzung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen war. Zumindest von dem Zeugen
A sind in den Jahren 2000 bis 2003 insgesamt über 65.000 Km zusätzlich für
betriebliche Zwecke mit dessen privaten PKW zurückgelegt worden. Dass seine
privaten PKW aus dem Gesichtspunkt einer Verschmutzung nicht oder nur noch
eingeschränkt nutzbar waren, ist nicht ersichtlich.
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Den als Zeugen vernommenen Arbeitnehmern A und H hatten zwar noch andere
Fahrzeuge privat zur Nutzung zur Verfügung gestanden. Auch dieser Umstand führt
aber nicht zu einer Widerlegung des Anscheinsbeweises. Abgesehen davon, dass es
im Fall des Zeugen A noch eine andere Familienangehörige gegeben hat, die Inhaberin
eines Führerscheins gewesen ist, kann ein besonderes Interesse an der Nutzung des
Firmenwagens zu privaten Zwecken deswegen bestehen, weil in diesem Fall dem
Nutzer keinerlei Kosten entstehen. Zumindest lässt sich der sonst privat zu tragende
Aufwand aus Anlass der Betankung des eigenen Fahrzeugs auf diese Weise einsparen.
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Das Urteil des BFH vom 25.05.2000 VI R 195/98 (BStBl. II 2000, 690) steht der
vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Im Fall des BFH ging es um die
lohnsteuerliche Behandlung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte allein
während der Zeit einer jeweils einwöchigen Wohnungsrufbereitschaft, in der die dazu
eingeteilten Arbeitnehmer im Anschluss an den regulären Dienst zu Hause erreichbar
sein mussten. Im Streitfall ist dagegen die Nutzung eines betrieblichen Pkw allgemein
für private Zwecke zu beurteilen, wobei diese Nutzung während des gesamten Jahres
uneingeschränkt möglich war. Während im Fall des BFH die Fahrzeuge für die
besonderen Einsatzzwecke u. a. durch den Ausbau der hinteren Sitzbank besonders
umgestaltet waren, konnten im Streitfall die sonst mitgeführten Materialien und
Ersatzteile ohne weiteres aus dem Kofferraumbereich herausgenommen werden. Sie
konnten dann auch mit dem Privatwagen der Arbeitnehmer transportiert werden.
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Die Urteile des niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.11.2003 1 K 191/02 (a. a. O.),
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 08.09.2004 13 K 80/02 (a. a. O.) und des
Finanzgerichts Münster vom 28.10.2005 11 K 6266/02 E (EFG 2006, 174) stehen der
Beurteilung des Streitfalles insofern nicht entgegen, als in jenen Fällen nicht festgestellt
war, ob eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hatte. Im Streitfall ist dagegen
nach dem Anscheinsbeweis und einer Würdigung der Umstände des Falles davon
auszugehen, dass die den Arbeitnehmern A und H überlassenen PKW auch tatsächlich
von diesen privat genutzt worden sind.
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Sind hiernach die mit der privaten Nutzung der Firmenwagen verbundenen geldwerten
Vorteile als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zusätzlich zu erfassen, war die
hierauf entfallende Lohnsteuer einschließlich der Nebenabgaben (KiSt und
Solidaritätszuschlag) einzubehalten und abzuführen. Dies aber war nicht geschehen.
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Der Höhe nach sind die aus diesem Anlass angefallenen Lohnsteuern und
Nebenabgaben nicht zu beanstanden. Einwendungen gegen die Berechnungen des FA
hat die Klin. nicht geltend gemacht.
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Die vom FA nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, gerade die
Klin. in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Als Ermessensentscheidung ist
sie nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler
(Ermessensüberschreitung bzw. Ermessensfehlgebrauch) zu überprüfen. Soweit die
Haftung eines Arbeitgebers reicht, sind zwar nach § 42 d Abs. 3 Satz 1 EStG der
Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Eine Inanspruchnahme der
Arbeitnehmer A und H scheitert im Streitfall aber bereits daran, dass beide steuerlich
nicht geführt wurden. Eine andere Person als die der Klin. kam damit für eine
Inanspruchnahme im Wege der Haftung der Lohnsteuern, um die es im Streitfall geht,
nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Lediglich bei den Arbeitnehmern A und H hatte dies nicht geschehen können, weil
beide steuerlich nicht geführt wurden. Herr A ist verheiratet und hat zwei 1995 und 1996
geborene Kinder. Ihm stand ein Firmenwagen vom Typ Golf Variant, amtliches
Kennzeichen: 1 zur Verfügung. Herr H ist ledig. Von ihm wurde ein Firmenwagen
ebenfalls vom Typ Golf Variant – amtliches Kennzeichen: 2 – gefahren.
74
Für beide Arbeitnehmer war nach Auffassung des Prüfers ebenso wie bei den anderen
der jeweilige Bruttoarbeitslohn um die in der Nutzung der Pkw zu privaten Zwecken
liegenden Vorteile zu erhöhen. Hierdurch kam es bei den beiden Arbeitnehmern zu
folgender höherer Lohnsteuer (LSt) und Nebenleistungen (vgl. Tz. 3 des Berichts über
die LSt-Ap vom 02.10.2003):
75
a) A Lohnsteuer Solidaritätszuschlag ev. KiSt rk. KiSt
76
2000 167,70 Euro 9,22 Euro 7,55 Euro 7,55 Euro
77
2001 620,71 Euro 34,14 Euro 27,93 Euro 27,93 Euro
78
2002 606,00 Euro 33,33 Euro 27,27 Euro 27,27 Euro
79
gesamt: 1.394,41 Euro 76,96 Euro 62,75 Euro 62,75 Euro
80
b) H Lohnsteuer Solidaritätszuschlag rk. KiSt
81
2001 234,68 Euro 12,91 Euro 21,12 Euro
82
2002 957,00 Euro 52,63 Euro 86,13 Euro
83
gesamt: 1.191,68 Euro 65,54 Euro 107,25 Euro
84
Wegen dieser – der Höhe nach nicht streitigen – Beträge war nach Auffassung des
Prüfers die Klin. gemäß § 42 d Einkommensteuergesetz (EStG) als Arbeitgeberin in
Haftung zu nehmen (vgl. Tz. 3 des Berichts über die LSt-Ap. vom 02.10.2003).
85
Das Finanzamt (FA) folgte dem Vorschlag des Prüfers. In dem Haftungs- und
Nachforderungsbescheid vom 02.10.2003 nahm es die Klin. unter anderem wegen der
oben angegebenen Beträge unter Hinweis auf den Bericht über die LSt-Ap. vom
02.10.2003 gemäß § 42 d EStG im Haftungswege in Anspruch. Hinsichtlich der übrigen
in dem Bescheid als geschuldet aufgeführten Beträge besteht kein Streit.
86
Mit ihrem Einspruch machte die Klin. geltend, dass aus Anlaß einer privaten Nutzung
der Firmenfahrzeuge für die Arbeitnehmer A und H ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil nicht
anzusetzen sei. Sie verwies auf folgende Umstände:
87
Nach einer schriftlichen Erklärung des Herrn A vom 02.11.2003 habe diesem ein
privater Pkw vom Typ Ford Galaxy zur Verfügung gestanden. Nach Erwerb am
21.01.2002 bis zum 01.11.2003 seien 24.668 km zurückgelegt worden. Vorher sei ein
Pkw vom Typ VW gefahren worden.
88
Daneben besitze Herr A einen Oldtimer vom Typ Dutton (GB), Baujahr 1984, der für die
Monate Mai – Oktober mit einem Saisonkennzeichen zugelassen gewesen sei.
Außerdem habe ihm ein Motorrad zur Verfügung gestanden. Schließlich besitze er
einen Trecker.
89
Herr H besitze ebenfalls einen eigenen Pkw vom Typ Ford Mondeo (Erstzulassung:
1999). Außerdem sei auch er Eigentümer eines Motorrades.
90
Beide Firmenfahrzeuge seien weiß lackiert. Auf dem Untergrund sei deutlich sichtbar
das Firmenemblem auflackiert. Die Fahrzeuge seien ständig mit Material und Werkzeug
auf der Ladefläche und auf der Rückbank beladen. Im Falle einer nichtberuflichen
Nutzung müßten die Gegenstände erst entfernt werden.
91
Den Einspruch wies das FA mit der Einspruchsentscheidung (EE) vom 10.05.2004 mit
im wesentlichen folgender Begründung als unbegründet zurück:
92
Im Falle einer privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber überlassenen betrieblichen
Fahrzeugs sei der geldwerte Vorteil gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 – 5 EStG in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nach der 1 v.H.-Regelung zu bestimmen. Dafür, ob eine
private Nutzung vorliege, gelte ein Anscheinsbeweis. Es entspreche allgemeiner
Lebenserfahrung, dass ein betrieblicher Pkw, der zur allgemeinen Nutzung zur
Verfügung stehe, tatsächlich auch privat genutzt werde. Etwas anderes gelte nur, wenn
eine private Nutzung bei Führung eines Fahrtenbuches oder durch sonstige Umstände
ausgeschlossen sei. Im Streitfall habe aber keine Kontrolle stattgefunden. Die Klin. habe
als Arbeitgeberin die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung nicht überwacht.
Die Arbeitnehmer hätten die Fahrzeuge nach Beendigung der Arbeitszeit oder am
Wochenende nicht auf dem Betriebsgelände abgestellt und den Schlüssel abgegeben.
Im übrigen seien auch keine nachvollziehbaren Kontrollen des Benzinverbrauchs und
der km-Stände erfolgt. Die theoretische oder praktische Möglichkeit von Privatfahrten sei
damit nicht ausgeschlossen gewesen.
93
Sofern die Arbeitnehmer A und H behaupteten, keinen einzigen Kilometer privat
gefahren zu sein, handele es sich um einen ungewöhnlichen, unüblichen Sachverhalt,
dessen Richtigkeit angesichts der organisatorischen Gestaltung im Streitfall nicht
unterstellt werden könne. Über Wochen hätten sich die Fahrzeuge unkontrolliert in der
Nutzungsmöglichkeit der Arbeitnehmer befunden.
94
Dass beide Arbeitnehmer eigene Privatwagen zur Verfügung gehabt hätten, sei
unmaßgeblich. Material und Werkzeuge hätten im Hinblick auf Privatfahrten jederzeit
ausgeladen werden können. Den Bestätigungen der Arbeitnehmer komme kein
ausreichendes Gewicht zu, da deren Inhalt ihrem Interesse entsprochen habe.
95
Hiergegen hat die Klin. Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der Haftungsbescheid
insoweit rechtswidrig sei, als sie wegen einer privaten Nutzung der Firmenfahrzeuge
durch die Arbeitnehmer A und H im Haftungswege in Anspruch worden genommen sei.
Beide hätten als Arbeitnehmer dafür zu sorgen, daß sie jederzeit bei Störungen der
Aufzugsanlagen Abhilfe leisten könnten. Sie müßten daher ständig – auch an
Wochenenden – bereitstehen, die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Aus
diesem Grund sei es ihnen gestattet, die Firmenfahrzeuge zu Hause abstellen zu dürfen.
Von dort erfolge auch in der Regel der Einsatz, der zentral von der Firmenverwaltung mit
den zuständigen Monteuren telefonisch geregelt werde. Herrn A stünden zusätzlich
96
andere Fahrzeuge zur privaten Nutzung zur Verfügung, mit denen auch erhebliche
Fahrtstrecken zurückgelegt worden seien.
Herr H sei Junggeselle und fahre privat einen eigenen Pkw. Auch bei ihm sei für eine
private Nutzung des Firmenwagens kein Raum.
97
Im Übrigen wiesen beide Firmenwagen eine gewisse Verschmutzung auf den Sitzen
durch den ständigen Einsatz aus.
98
Sofern das FA darauf verweise, dass die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung
nicht überwacht worden sei, verbiete sich dies aus betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Der Bereitschaftsdienst könne nur dadurch effizient gestaltet werden,
dass die zuständigen Monteure zu jeder Tages- und Nachtzeit auf kürzestem Weg die
notwendigen Arbeiten schnellstens ausführen könnten. Es käme zu erheblichen
zeitlichen Verzögerungen, wenn erst das Firmengelände mit dem privaten Fahrzeug
angefahren werden müsste, um dann den Störfall an dem betroffenen Standort mit dem
Einsatz des Montagefahrzeugs zu reparieren. Aus diesem Grund seien auch die
Fahrzeuge ständig mit Werkzeugen, Ersatzteilen und Aktenunterlagen aller zu
betreuenden Kunden ausgestattet.
99
Im Übrigen sei auf einen gleichgelagerten Fall zu verweisen, den das Niedersächsische
Finanzgericht mit Urteil vom 25.11.2003 1 K 191/02 (Juris-Nr. STRE 2004471110)
entschieden habe. Die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) VI R 1/04 habe das von
diesem Verfahren betroffene FA zurückgenommen.
100
Die Klin. beantragt,
101
den Haftungsbescheid vom 02.10.2003 und die EE vom 10.05.2004
aufzuheben.
102
Das FA beantragt,
103
die Klage abzuweisen.
104
Unter Hinweis auf die Ausführungen in der EE macht es geltend, dass wegen der
fehlenden Kontrolle des Verbots einer privaten Nutzung davon auszugehen sei, dass
eine solche Nutzung auch tatsächlich stattgefunden habe. Dafür, dass dies nicht der Fall
gewesen sei, sei die Klin. nachweispflichtig. Es sei kein Fahrtenbuch geführt worden.
Auch die sonstige Organisation habe nicht ausgereicht, dass mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, dass eine private Nutzung
stattgefunden habe.
105
Für die betrieblichen Einsätze seien auch nicht nur gelegentlich die privaten Fahrzeuge
der Arbeitnehmer zum Einsatz gekommen. Insbesondere bei Herrn A sei das im
streitigen Zeitraum des öfteren der Fall gewesen. Eine mögliche Verschmutzung der
Firmenfahrzeuge aus Anlass der Einsätze könne daher nicht gegen eine private
Nutzung dieser PKW sprechen.
106
Der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts im Urteil vom 25.11.2003 1 K
191/02 (a. a. O.) sei nicht zu folgen.
107
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten und die FA-Akten verwiesen.
108
Am 02.05.06 hat vor dem Berichterstatter des Senats ein Erörterungstermin
stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
109
Mit Beschluss des Senats vom 28.07.06 ist Beweis erhoben worden, unter welchen
Umständen, für welche Zwecke und in welcher Weise den Arbeitnehmern A und H im
streitigen Zeitraum 01.10.2000 bis zum 31.03.2003 Firmenfahrzeuge zur Verfügung
gestanden hatten durch Vernehmung dieser beiden Arbeitnehmer sowie des Leiters der
Montageabteilung E als Zeugen. Auf die Niederschrift über die Beweisaufnahme vom
05.09.2006 wird verwiesen.
110
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
111
Die Klage ist unbegründet.
112
Der Haftungsbescheid vom 02.10.2003 in Gestalt der EE vom 10.05.2004 ist
rechtmäßig.
113
Nach § 191 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine
Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die
Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig
(ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u. a. Urteil vom 13.06.1997 VI R 96/96,
Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 4).
Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es zur Haftung heranziehen will,
die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme erfüllt sind.
Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare
Rechtsentscheidung. Darin schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende
Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des FA an, ob und ggf. wen es als Haftenden in
Anspruch nehmen will. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen
des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw.
Ermessensüberschreitung) überprüfbar.
114
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klin. sind
erfüllt.
115
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er
einzubehalten und abzuführen hat. Die Klin. hatte als Arbeitgeberin für die bei ihr tätigen
Arbeitnehmer die Lohnsteuern in der jeweils zutreffenden Höhe einzubehalten und
abzuführen. Dies ist in dem streitigen Zeitraum 01.10.2000 – 31.03.2003 nicht in der
vollen Höhe geschehen.
116
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nicht selbständiger
Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge
und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt
werden. Darunter fallen auch geldwerte Vorteile, die mit der Nutzung eines betrieblichen
Kfz zu privaten Zwecken verbunden sind. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG sind diese in
entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat
mit 1 v. H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der
117
Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Kann das
Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht
sich nach Satz 3 des § 8 Abs. 2 EStG der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um
0,03 v. H. des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte. Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann nach Satz 4 dieser Vorschrift mit
dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt
werden, wenn die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege
und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
nachgewiesen werden.
Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG (sog. 1%-Regelung) verstößt nicht
gegen das Grundgesetz, sondern hält sich im Gestaltungsspielraum des
Steuergesetzgebers bei Typisierungen (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.2000 III R 59/98,
BStBl. II 2000, 273).
118
Im Streitfall ist aufgrund der Umstände davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer H
und A neben dem jeweiligen Lohnentgelt Vorteile in Gestalt der Nutzung von
betrieblichen Pkw zu privaten Zwecken erhalten hatten. Die aus diesem Anlass
angefallenen Lohnsteuern sind bisher nicht einbehalten und abgeführt worden.
119
Den im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens als Zeugen vernommenen Arbeitnehmern
H und A hatte jeweils ein Pkw zur Verfügung gestanden. Beiden war jeweils ein Kfz
vom Typ VW Golf Variant überlassen worden, und zwar Herrn A der Pkw mit dem
amtlichen Kennzeichen 1, und Herrn H der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen 2.
Diese Fahrzeuge standen beiden auch zu einer privaten Nutzung zur Verfügung. Schon
vor dem streitigen Zeitraum waren ihnen die Pkw als Neufahrzeuge überlassen worden.
Sie werden auch heute noch von ihnen gefahren.
120
Grundsätzlich kann im Fall einer Überlassung eines betrieblichen Pkws nach den
Regeln des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der Firmenwagen
auch privat genutzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 14.05.1999 VI B 258/98, BFH/NV
1999, 1330, sowie Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14.11.2001 5 K 5433/00 L,
Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 315). Dies gilt auch für den Fall der
Nutzung durch Angestellte (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom
02.02.2005 2 K 193/03, EFG 2005, 1265).
121
Beide Arbeitnehmer haben zwar anlässlich ihrer Vernehmung als Zeugen in Abrede
gestellt, die ihnen überlassenen Pkw für private Zwecke genutzt zu haben. Diese
mündlichen Aussagen allein sind aber nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu
erschüttern. Soweit nämlich die Firmenfahrzeuge für sie jeder Zeit verfügbar waren,
befanden sie sich in der gleichen Situation wie jemand, der betriebliche Einkünfte erzielt
und dem ein betriebliches Fahrzeug auch für private Zwecke zur Nutzung zur Verfügung
steht. Bei der Frage, ob bei dem Betriebsinhaber ein privater Nutzungsanteil zu
berücksichtigen ist, kann auch nicht allein auf dessen Erklärungen abgestellt werden.
Abgesehen davon liegt es auf der Hand, dass die diesbezüglichen Erklärungen der
Zeugen von ihrer eigenen Interessenlage beeinflusst sind, von der Klin. als ihrer
Arbeitgeberin nicht anderweitig zur Verantwortung gezogen zu werden, sofern sie einen
Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt haben sollten.
122
Für die Frage, ob der Anscheinsbeweis als erschüttert angesehen werden kann, sind
vielmehr zusätzlich die übrigen Umstände im Zusammenhang mit der möglichen
Nutzung der Firmenfahrzeuge zu würdigen. Bei der hiernach anzustellenden Abwägung
ist der Anscheinsbeweis nicht in Frage gestellt.
123
Einschränkungen hinsichtlich einer möglichen privaten Nutzung der Firmenfahrzeuge
gab es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht.
124
Den Arbeitnehmern waren zwar die Fahrzeuge mit der Maßgabe ausgehändigt worden,
dass ihnen jeweils bekannt war, dass die Nutzung des Firmen-Pkw für private Zwecke
untersagt war. Allein auf der Grundlage dieser Vertragsklausel vermag der Senat aber
nicht davon auszugehen, dass die Fahrzeuge tatsächlich nicht privat genutzt worden
sind. Sofern eine private Nutzung arbeitsvertraglich untersagt ist, genügt dies nicht,
wenn das Verbot vom Arbeitgeber nicht überwacht wird und Fahrtenbücher nicht geführt
werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1968 VI R 122/66, BStBl. II 1968, 361, BFH-
Beschluss vom 19.12.2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488).
125
Der Auffassung des niedersächsischen Finanzgerichts im Urteil vom 25.11.2003 1 K
191/02 (a. a. O.) und des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 08.09.2004
13 K 80/02 (Juris-Nr. STRE 200570936) vermag der Senat nicht zu folgen. Danach soll
im Falle eines arbeitsvertraglichen Verbots einer privaten Nutzung eines Firmenwagens
von einer dem entgegen stehenden Privatnutzung erst dann auszugehen sein, wenn
das Verbot nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nur zum Schein
ausgesprochen worden ist, der Arbeitgeber tatsächlich also mit einer voll umfänglichen
privaten Nutzung einverstanden ist und dies gegenüber dem Arbeitnehmer auch zum
Ausdruck gebracht hat. Diese Auffassung stimmt mit den in der Rechtsprechung des
BFH gestellten Anforderungen nicht überein. Danach muss das arbeitsvertragliche
Verbot auch tatsächlich überwacht sein.
126
Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass seitens der Klin. als Arbeitgeberin Vorkehrungen
getroffen waren, dass die Einhaltung des Verbots einer privaten Nutzung auch
überwacht wurde. Der als Zeuge vernommene Leiter der Montageabteilung, Herr E, hat
eingeräumt, dass im streitigen Zeitraum die Fahrzeuge an die Arbeitnehmer – darunter
auch an die Herren A und H, um die es vorliegend geht – mehr oder weniger auf der
Basis von Vertrauen überlassen wurden. Eine Kontrolle dergestalt, dass in
Fahrtenbüchern die zurückgelegten Kilometer festgehalten wurden, hat es für den
streitigen Zeitraum noch nicht gegeben. Das haben sowohl die als Montagearbeiter
tätigen Zeugen A und H als auch der Leiter der Montageabteilung, Herr E,
übereinstimmend bekundet.
127
Die Auffassung, dass es im Falle eines abstrakt ausgesprochenen Verbots einer
privaten Nutzung auch des Nachweises einer tatsächlichen Durchführung dieses
Verbots bedarf, wird im Übrigen auch vom Finanzgericht Köln im Urteil vom 20.09.2000
12 K 4477/98 (Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst – DStRE – 2001, 65) und
vom Niedersächsischen Finanzgericht in den Urteilen vom 02.02.2005 2 K 193/03
(a.a.O.) und vom 01.03.2006 2 K 53/03 (EFG 2006, 1237) vertreten. Insbesondere muss
die Durchführung des Privatfahrtenverbots nachweisbar sein.
128
Im Übrigen steht auch nach Aktenlage fest, dass die Anordnungen der Klin., die sie in
ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin hinsichtlich der Verwendung der Firmenwagen
getroffen hatte, nicht immer eingehalten wurden. So waren in einer Aktennotiz, die sich –
129
ohne Datum – an alle Monteure und Kundendienstmitarbeiter richtete (Bl. 101 d. GA),
die Fahrer der Firmenfahrzeuge sowohl darauf hingewiesen worden, dass sie die
Firmenfahrzeuge privat nicht benutzt werden durften, als auch darauf, dass sie am
Wochenende bei der jeweiligen Niederlassung abzustellen waren. Die als Zeugen
vernommenen Arbeitnehmer haben aber übereinstimmend bekundet, dass die
Fahrzeuge auch während der Wochenenden mit nach Hause genommen wurden. Auch
wenn nach den Erläuterungen durch den ebenfalls als Zeugen vernommenen Leiter der
Montagabteilung diese von der Vorgabe der Klin. abweichende Handhabung damit zu
begründen ist, dass mit einem kurzfristig auftretenden Notfalleinsatz immer zu rechnen
war, so dass die Fahrzeuge auch am Wochenende immer zum Einsatz bereit zur
Verfügung zu stehen hatten, ändert dies nichts daran, dass die Anordnungen der Klin. in
dem Punkt, wo die Fahrzeuge an den Wochenenden abzustellen waren, nicht beachtet
zu werden brauchte. Es liegt dann die Überlegung nahe, dass die Anordnung der Klin.
auch in dem anderen Punkt – Verbot einer privaten Nutzung – tatsächlich nicht
eingehalten zu werden brauchte. Darüber hinaus trifft der angegebene Grund -
kurzfristig auftretender Notfalleinsatz - nicht für die Urlaubszeit zu. In diesem
Zusammenhang hat der Zeuge A bekundet, dass das einmal überlassene Fahrzeug
auch während des Urlaubs – also zu einer Zeit, zu der mit Notfalleinsätzen nicht zu
rechnen war – zu Hause stand.
Gab es hiernach im streitigen Zeitraum keinerlei Kontrolle hinsichtlich einer möglichen
privaten Nutzung, brauchte der Senat auf den zusätzlich vom FA angeführten
Gesichtspunkt, dass keinerlei Unterlagen zum Lohnkonto genommen worden sind (vgl.
Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 28.05.1996 IV B 6 – S 2334 – 173/96 (a. a. O.), nicht
weiter einzugehen (zu Zweifeln hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit dieser
Anforderung vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.09.2000 12 K 4477/98, a. a. O.).
130
Aus tatsächlichen Gründen waren die privaten Nutzungsmöglichkeiten ebenfalls nicht
eingeschränkt. Es handelte sich zwar um Pkw, die nach außen als Firmenfahrzeuge zu
erkennen waren. Daraus, dass das Firmenlogo angebracht war, kann aber nicht
geschlossen werden, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat.
131
Die Umstände, dass die Fahrzeuge zumindest zum Teil im Kofferraumbereich mit einem
Standregal ausgerüstet waren und im Übrigen mit Material und Ersatzteilen beladen
waren, führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Regal, das sich in dem von dem
Zeugen A benutzten Pkw befand, war nicht fest eingebaut. Es konnte ebenso wie die
sonst mitgeführten Materialen und Ersatzteile kurzfristig aus dem Pkw entfernt werden.
132
Eine mit der Nutzung für betriebliche Zwecke verbundene Verschmutzung der
Firmenfahrzeuge führt ebenfalls nicht notwendig zu der Annahme, dass eine private
Nutzung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen war. Zumindest von dem Zeugen
A sind in den Jahren 2000 bis 2003 insgesamt über 65.000 Km zusätzlich für
betriebliche Zwecke mit dessen privaten PKW zurückgelegt worden. Dass seine
privaten PKW aus dem Gesichtspunkt einer Verschmutzung nicht oder nur noch
eingeschränkt nutzbar waren, ist nicht ersichtlich.
133
Den als Zeugen vernommenen Arbeitnehmern A und H hatten zwar noch andere
Fahrzeuge privat zur Nutzung zur Verfügung gestanden. Auch dieser Umstand führt
aber nicht zu einer Widerlegung des Anscheinsbeweises. Abgesehen davon, dass es
im Fall des Zeugen A noch eine andere Familienangehörige gegeben hat, die Inhaberin
eines Führerscheins gewesen ist, kann ein besonderes Interesse an der Nutzung des
134
Firmenwagens zu privaten Zwecken deswegen bestehen, weil in diesem Fall dem
Nutzer keinerlei Kosten entstehen. Zumindest lässt sich der sonst privat zu tragende
Aufwand aus Anlass der Betankung des eigenen Fahrzeugs auf diese Weise einsparen.
Das Urteil des BFH vom 25.05.2000 VI R 195/98 (BStBl. II 2000, 690) steht der
vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Im Fall des BFH ging es um die
lohnsteuerliche Behandlung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte allein
während der Zeit einer jeweils einwöchigen Wohnungsrufbereitschaft, in der die dazu
eingeteilten Arbeitnehmer im Anschluss an den regulären Dienst zu Hause erreichbar
sein mussten. Im Streitfall ist dagegen die Nutzung eines betrieblichen Pkw allgemein
für private Zwecke zu beurteilen, wobei diese Nutzung während des gesamten Jahres
uneingeschränkt möglich war. Während im Fall des BFH die Fahrzeuge für die
besonderen Einsatzzwecke u. a. durch den Ausbau der hinteren Sitzbank besonders
umgestaltet waren, konnten im Streitfall die sonst mitgeführten Materialien und
Ersatzteile ohne weiteres aus dem Kofferraumbereich herausgenommen werden. Sie
konnten dann auch mit dem Privatwagen der Arbeitnehmer transportiert werden.
135
Die Urteile des niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.11.2003 1 K 191/02 (a. a. O.),
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 08.09.2004 13 K 80/02 (a. a. O.) und des
Finanzgerichts Münster vom 28.10.2005 11 K 6266/02 E (EFG 2006, 174) stehen der
Beurteilung des Streitfalles insofern nicht entgegen, als in jenen Fällen nicht festgestellt
war, ob eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hatte. Im Streitfall ist dagegen
nach dem Anscheinsbeweis und einer Würdigung der Umstände des Falles davon
auszugehen, dass die den Arbeitnehmern A und H überlassenen PKW auch tatsächlich
von diesen privat genutzt worden sind.
136
Sind hiernach die mit der privaten Nutzung der Firmenwagen verbundenen geldwerten
Vorteile als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zusätzlich zu erfassen, war die
hierauf entfallende Lohnsteuer einschließlich der Nebenabgaben (KiSt und
Solidaritätszuschlag) einzubehalten und abzuführen. Dies aber war nicht geschehen.
137
Der Höhe nach sind die aus diesem Anlass angefallenen Lohnsteuern und
Nebenabgaben nicht zu beanstanden. Einwendungen gegen die Berechnungen des FA
hat die Klin. nicht geltend gemacht.
138
Die vom FA nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, gerade die
Klin. in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Als Ermessensentscheidung ist
sie nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler
(Ermessensüberschreitung bzw. Ermessensfehlgebrauch) zu überprüfen. Soweit die
Haftung eines Arbeitgebers reicht, sind zwar nach § 42 d Abs. 3 Satz 1 EStG der
Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Eine Inanspruchnahme der
Arbeitnehmer A und H scheitert im Streitfall aber bereits daran, dass beide steuerlich
nicht geführt wurden. Eine andere Person als die der Klin. kam damit für eine
Inanspruchnahme im Wege der Haftung der Lohnsteuern, um die es im Streitfall geht,
nicht in Betracht.
139
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
140