Urteil des FG Köln vom 13.08.2009

FG Köln (wohnsitz in der schweiz, bundesrepublik deutschland, kläger, oecd, bewg, personengesellschaft, schweiz, völkerrechtlicher vertrag, doppelbesteuerungsabkommen, deutschland)

Finanzgericht Köln, 15 K 2900/05
Datum:
13.08.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 2900/05
Rechtskraft:
II R 51/09
Tenor:
Die Bescheide über die Feststellung der Einheitswerte des
Betriebsvermögens auf den 01.01.1994, 01.01.1995, 01.01.1996 und
01.01.1997 vom 05.03.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
14.06.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Anteile an den
Einheitswerten dem Kläger zugerechnet werden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Zurechnung des Anteils des Klägers am gesondert
festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens der Streitjahre der aufgelösten H -
KG (KG) mit damaligem Sitz in der Stadt L.
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Der Kläger hatte in den Streitjahren unstreitig seinen Wohnsitz in der Schweiz. Er war
zu 99,75 Prozent als Kommanditist neben der Komplementärin, der I - GmbH (GmbH),
an der KG beteiligt. Der Komplementärin allein oblag die Geschäftsführung. Mit Vertrag
vom 12.06.2003 übertrug die GmbH ihren Anteil an der KG auf den Kläger. Die
Mitteilung an das Handelsregister über das Ausscheiden der GmbH erfolgte am
17.09.2003.
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Die KG verwaltete in den Streitjahren neben weiteren Beteiligungen an
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften in erster Linie eine 40prozentige
Beteiligung an der J - AG (AG). Zudem war die KG verpflichtet, die Buchführung für die
C - GbR zu erledigen, ohne an dieser beteiligt zu sein, wofür sie jährlich 12.000 DM
vereinnahmte. Die Buchführungsaufgabe nahm wiederum die AG wahr, an die die KG
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selbst jährlich 12.000 DM zahlte, so dass diese Beträge letztlich an die AG durchgeleitet
wurden.
Aufgrund der eingereichten Vermögensaufstellungen der KG stellte der Beklagte
zunächst erklärungsgemäß die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf die
streitgegenständlichen Stichtage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei
rechnete er dem Kläger – ebenfalls erklärungsgemäß – seinen Anteil am jeweiligen
Einheitswert zu.
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Für die Streitjahre führte das Finanzamt für Konzernbetriebsprüfung L sodann eine
steuerliche Betriebsprüfung durch und vertrat ebenfalls die Ansicht, dass für die gemäß
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – gewerblich geprägte KG ein
Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt und anteilsmäßig dem Kläger
zugerechnet werden müsste. Hinsichtlich der – im hiesigen Verfahren unstreitigen -
Höhe der festzustellenden Einheitswerte nach der Betriebsprüfung wird auf Textziffer
6.0 des Betriebsprüfungsberichts vom 18.12.2003 verwiesen.
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Der Rechtsansicht der Prüfer folgend änderte der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung – AO - die Feststellungsbescheide und rechnete dem Kläger folgende
Anteile an den Einheitswerten zu:
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01.01.1994: ... DM
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01.01.1995: ... DM
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01.01.1996: ... DM
10
01.01.1997: ... DM
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Die Änderungsbescheide gab der Beklagte mit Datum vom 05.03.2004 sowohl dem
Bevollmächtigen der KG als auch dem Bevollmächtigen des Klägers und der GmbH
jeweils gesondert "als Empfangsbevollmächtigte für Herrn S (bzw. I - GmbH) als
Gesellschafter der aufgelösten Firma H - KG" bekannt.
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Hiergegen legte der Kläger Einsprüche ein, in denen er sich gegen die Zurechnung der
anteiligen Einheitswerte wendete und die der Beklagte jedoch nach Rücksprache mit
der Oberfinanzdirektion mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2005 als unbegründet
zurückwies. Ein Einheitswert sei für inländische Gewerbebetriebe gemäß § 19 Abs. 1
Nr. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG – festzustellen. Für beschränkt Steuerpflichtige
sei jedoch nur der inländische Teil des Betriebsvermögens festzustellen (§ 121 Abs. 2
Nr. 3 BewG), der der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliege. Dabei sei der
Betriebsstättenerlass vom 24. Dezember 1999 (BStBl I 1999, 1076) anzuwenden, nach
dem eine Beteiligung eines beschränkt Steuerpflichtigen an einer inländischen
Personengesellschaft, die eine inländische Betriebsstätte unterhalte, nach deutschem
Rechtsverständnis grundsätzlich als Unternehmen im Sinne des Art. 7 des OECD-
Musterabkommens 1992 (OECD-MA) behandelt werde. Dies gelte auch für gewerblich
geprägte Personengesellschaften, die explizit in der Textziffer 1.1.5.1 des Erlasses
erwähnt seien.
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Hiergegen hat der Kläger am 15.07.2005 die vorliegende Klage erhoben und trägt zur
Begründung im Wesentlichen vor, dass die KG originär nicht gewerblich tätig gewesen
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sei. Dies gelte auch für die Erledigung der Buchführungsaufgabe für die C - GbR, was
zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig ist (s. Bl. 120 d. FG-Akte). Allein die
gewerbliche Prägung der KG im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG führe nicht dazu,
dass das Vermögen als einer Betriebsstätte eines Unternehmens im Sinne des Art. 22
Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Schweiz (DBA CH)
zugehörig qualifiziert werden könne, da es sich insoweit um ein deutsches
Rechtsinstitut handele. Die KG sei ausschließlich vermögensverwaltend tätig, so dass
das Besteuerungsrecht für das Vermögen gemäß Art. 22 Abs. 6 DBA CH in der
Schweiz, dem Ansässigkeitsstaat des Klägers, liege. Es werde auf die Urteile des
Finanzgerichts Schleswig-Holsteins vom 27. November 2002 (Az. 2 K 148/00, EFG
2003, 376) und des Finanzgerichts Hamburgs vom 12. Juni 2003 (Az. VI 6/01, EFG
2004, 548) verwiesen, die die Ansicht des Klägers neben zahlreichen Stimmen in der
Literatur teilen würden.
Der Kläger beantragt,
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die angefochtenen Bescheide über die Feststellung der Einheitswerte des
Betriebsvermögens auf den 01.01.1994, 01.01.1995, 01.01.1996 und 01.01.1997
vom 05.03.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2005 insoweit
aufzuheben, als die Anteile an den Einheitswerten dem Kläger zugerechnet werden,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
19
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in der
Einspruchsentscheidung.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist begründet.
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Die angefochtenen Bescheide über die Einheitswerte des Betriebsvermögens der
Streitjahre in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den
Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Zurechnung der anteiligen
Einheitswerte auf den Kläger erfolgte zu Unrecht, da sie für die Vermögensbesteuerung
des Klägers nicht von Bedeutung sind, § 19 Abs. 4 BewG in der in den Streitjahren
geltenden Fassung. Das Besteuerungsrecht für die Beteiligung des Klägers an der
inländischen KG liegt gemäß Art. 22 Abs. 6 DBA CH in der Schweiz.
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I. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG wird ein Einheitswert für inländische Gewerbetriebe
festgestellt. In diesem Feststellungsbescheid sind auch Feststellungen über die
Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe
ihrer Anteile zu treffen, § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG. Diese Feststellungen erfolgen allerdings
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nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, § 19 Abs. 4 BewG.
1. An der letzten Voraussetzung fehlt es im Streitfall, da der Bundesrepublik
Deutschland für die Vermögensbesteuerung des Anteils des Klägers an der KG kein
Besteuerungsrecht zusteht.
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Zwar ist der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes in
der in den Streitjahren geltenden Fassung – VStG – mit seinem inländischen Vermögen
im Sinne des § 121 BewG beschränkt vermögensteuerpflichtig. Dazu zählt gemäß §§
121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BewG auch das inländische Betriebsvermögen. Gemäß § 97
Abs. 1 Nr. 5 BewG bilden inländische Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 3
EStG, also auch gewerblich geprägte Personengesellschaften, Gewerbebetriebe im
Sinne des Bewertungsgesetzes. Auf den Begriff des aktiven "Betriebs" kommt es
insoweit nicht an. Jedoch sind im Streitfall die Vorschriften des
Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland – Schweiz (DBA CH) zu beachten, da
der Kläger in der Schweiz unstreitig seinen Wohnsitz hatte und dieser das
Besteuerungsrecht über das Vermögen des Klägers zusteht. Ob die Schweiz tatsächlich
eine Vermögensteuer erhebt, ist unbeachtlich.
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2. Gemäß Art. 22 Abs. 2 DBA CH steht dem Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht
nur für das bewegliche Vermögen zu, welches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte
eines Unternehmens darstellt oder welches zu einer der Ausübung eines freien Berufes
dienenden festen Einrichtung gehört. Soweit die weiteren Tatbestände des Art. 22 DBA
CH nicht eingreifen, steht dem Ansässigkeitsstaat nach der Auffangklausel des Art. 22
Abs. 6 DBA CH das Besteuerungsrecht zu.
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a. Im Streitfall ist das Vermögen der KG weder dem Betriebsvermögen einer
Betriebsstätte eines Unternehmens noch einer festen Einrichtung eines Freiberuflers
zuzuordnen. Das Vermögen der KG setzt sich weit überwiegend aus Aktien der AG und
im Übrigen aus weiteren Beteiligungen an Personengesellschaften und
Kapitalgesellschaften sowie Forderungen und Bankbeständen zusammen.
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b. Entgegen der Ansicht des Beklagten können diese Vermögensgegenstände nicht als
Betriebsvermögen eines Unternehmens im Sinne des DBA CH qualifiziert werden.
Weder Art. 22 DBA CH noch Art. 7 DBA CH "Unternehmensgewinne" enthält eine
eigene Definition des Begriffs des "Unternehmens". Nach Art. 3 Abs. 1 lit. f DBA CH
bedeutet "Unternehmen eines Vertragsstaates", dass es von einer in einem
Vertragsstaat ansässigen Person betrieben oder dass es von einer in dem anderen
Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird. Entscheidend stellt das DBA CH auf
das Merkmal des Betriebs eines Unternehmens ab, ohne dieses weiter zu definieren.
Jedoch weist schon das Wort "Betrieb" auf eine aktive Tätigkeit des Unternehmers am
Markt hin, an der es bei der reinen Vermögensverwaltung – so wie sie auch die KG im
Streitfall ausübt – gerade fehlt, da ein Verwalter eigenen Vermögens an der
Fruchtziehung aus seiner bestehenden Vermögenssubstanz interessiert ist, ohne
sichtbar nach außen am Markt Güter oder Leistungen anbieten zu wollen.
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c. Da der Wortlaut des Abkommens nicht eindeutig ist und noch
Interpretationsspielräume offen lässt, wird sich der Begriff des Unternehmens letztlich
nach dem Recht des Anwenderstaates, Art. 3 Abs. 2 DBA CH bestimmen lassen
müssen. Gerade diese abkommensrechtliche Begriffsbestimmung des Unternehmens
wird im deutschen Recht insbesondere bei Personengesellschaften kontrovers
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diskutiert.
aa. Die Finanzverwaltung sieht abkommensrechtlich jede gewerbliche Tätigkeit einer
Personengesellschaft im Sinne des § 15 EStG als Betrieb eines Unternehmens an.
Diese gelte selbst dann, wenn die Personengesellschaft nicht originär gewerblich,
sondern etwa vermögensverwaltend tätig sei, jedoch nach der Fiktion des § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG gewerblich geprägt als Gewerbebetrieb gelte (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 24.12.1999, Az. IV B 4-S 1300-111/99, BStBl I
1999, 1076 sog. "Betriebsstättenerlass" dort Tz. 1.1.5.1). Auch in der Literatur wird
dieser Ansicht, etwa von Buciek (in: Flick/Wassermeyer/Kempermann,
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, 25. EGL 07/2003, Art. 7 Rn.
33) grundsätzlich gefolgt, allerdings mit dem Hinweis, dass der Gepräge-Grundsatz
wegen der vorrangigen Art. 6 und 24 DBA CH sich typischerweise nicht auswirke.
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bb. In weiten Teilen der Literatur wird hingegen zu Art. 7 DBA CH / OECD-MA die
Ansicht vertreten, die auch auf Art. 22 Abs. 2 DBA CH übertragen werden kann
(Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 69. EGL 05/1997, Art. 22
OECD-MA Rn. 41 und 42), dass die bloße Vermögensverwaltung auch dann keine
Geschäftstätigkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. f DBA CH (wortidentisch mit Art. 3 Abs.
1 lit. c OECD-MA) darstelle, wenn sie von einer gewerblich geprägten
Personengesellschaft ausgeübt werde. Aus deutscher Sicht sei Unternehmen nur das,
was unter § 15 Abs. 2 EStG als originärer Gewerbebetrieb definiert werde. Ein
Unternehmen kraft Rechtsform sei letztlich nicht sachgerecht (so Wassermeyer in:
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 106. EGL 01/2009, Art. 7 OECD-MA Rn.
16a, 49; Hemmelrath in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008,
Art. 7 OECD-MA Rn. 57; Strunk/Kaminski in: Strunk/Kaminski/Köhler,
Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Band 1, 8. EGL 12/2006, Art. 7
OECD-MA Rn. 29; Blumers, DB 2008, 1765, 1767; Lüdicke, IStR 2004, 208).
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cc. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte folgt in der jüngsten Zeit – in mit dem
Streitfall nicht identischen Konstellationen - der herrschenden Meinung in der Literatur.
Insoweit wird insbesondere auf die Urteile des Finanzgerichts Hamburg vom 22. August
2006 (Az. 7 K 255/04, EFG 2007, 105 unter II.3.b.bb. zum DBA Kanada) und des
Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. April 2009 (Az. 17 K 1070/07 F, n.v. unter II.1.b.
m.w.N. zum DBA Großbritannien) verwiesen. Über die Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Düsseldorf hat der Bundesfinanzhof bislang noch nicht entschieden (Az.
I R 49/09).
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dd. Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht an, dass allein die gewerbliche
Prägung einer Personengesellschaft nach deutschem Recht (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG)
diese nicht zu einem Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne wandelt. Nach Art.
3 Abs. 1 lit. f. DBA CH kommt es für die Annahme eines Unternehmens entscheidend
auf die tatsächliche Betätigung der Personengesellschaft an. Dies folgt bereits aus dem
Wortlaut der Vorschrift, die einen Betrieb eines Unternehmens und damit eine aktive
Tätigkeit am Markt voraussetzt. Die reine Verwaltung eigenen Vermögens einer
Personengesellschaft – wie die der KG – stellt jedoch auch nach deutschem
Verständnis keinen Geschäftsbetrieb dar (siehe auch § 14 AO). Es fehlt insoweit an dem
Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Sinne des § 15
Abs. 2 EStG (vgl. nur Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rn. 46 ff.).
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Diese Auslegung wird durch systematische Erwägungen bekräftigt. Zu Recht folgert
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Wassermeyer, dass das abkommensrechtliche Prinzip des Vorrangs der spezielleren
Einkunftsarten (z.B. Art. 7 Abs. 8 DBA CH) das im deutschen Steuerrecht verankerte
Subsidiaritätsprinzip der Einkunftsarten verdrängt (in: Debatin/Wassermeyer,
Doppelbesteuerung, 106. EGL 01/2009, Art. 7 OECD-MA Rn. 16a; Schaumburg,
Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, § 16 Rn. 16.230; in diese Richtung bereits das
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.08.1995, I R 112/94, BStBl II 1996, 563 unter II.3.
zur Erfassung von Zinsen). Dies hat zur Folge, dass im Abkommensrecht Einkünfte nicht
nach deutschem Steuerrecht wegen der Subsidiaritätsklauseln (§§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3,
23 Abs. 2 EStG) in andere, abkommensrechtliche Einkunftsarten umqualifiziert werden
dürfen. Dies gilt auch für die gewerbliche Prägung einer Personengesellschaft gemäß §
15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die jedenfalls in Fällen der Vermögensverwaltung zu einer
Umwidmung der Einkunftsart, etwa aus Kapitalvermögen oder Vermietung und
Verpachtung, in solche aus Gewerbebetrieb nach deutschem Steuerrecht führt (ebenso
Urteil des Finanzgericht Düsseldorf vom 28.04.2009, 17 K 1070/07 F, n.v. unter II.1.b.).
Schließlich erscheint das Ergebnis auch im Hinblick auf die Zielsetzung des
Doppelbesteuerungsabkommens sachgerecht (vgl. auch Strunk/Kaminski in:
Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Band 1,
8. EGL 12/2006, Art. 7 OECD-MA Rn. 29). Das Doppelbesteuerungsabkommen, als ein
bilateraler völkerrechtlicher Vertrag, verfolgt das Ziel, das in beiden Vertragsstaaten
bestehende Besteuerungsrecht aufzuteilen, damit der Steuerbürger nicht in beiden
Staaten belastet wird (s. Eingangsformel des DBA CH). Die Regelung des § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG ist dagegen als eine im Zusammenhang mit der deutschen Gewerbesteuer
zu sehende Missbrauchsvermeidungsvorschrift (BT-Drs. 10/4513 S. 22; 10/3663 S. 1,
6 f.), etwa um die Flucht aus der zwingend der Gewerbesteuerpflicht unterfallenden
Kapitalgesellschaft (§ 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes) in die
Personengesellschaft, ohne Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiken,
zu vermeiden. Diese einseitige Sichtweise nur eines der Vertragsstaaten kann diesem
abkommensrechtlich jedoch nicht das Besteuerungsrecht zu Lasten des anderen
Vertragsstaats zuweisen. Hinzu kommt, dass § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zeitlich erst mit
dem Steuerbereinigungsgesetz 1986 (Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I 1985, 2436,
2447), also nach Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens am 11. August 1971,
in das deutsche Einkommensteuergesetz eingefügt worden ist, nach dem der
Bundesfinanzhof seine sogenannte "Gepräge-Rechtsprechung" (grundlegend dazu das
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.03.1966, IV 233/65, BStBl III 1966, 171) mit der
Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25. Juni 1984 (GrS 4/82,
BStBl II 1984, 751) aufgegeben hatte. Eine einseitige gesetzgeberische Erweiterung
des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland durch Ausdehnung ihres
innerstaatlichen Begriffs des Gewerbebetriebs auf bestimmte, unstreitig
vermögensverwaltende Gesellschaften kann im Sinne des Abkommensrechts jedoch
keinen Bestand haben.
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Somit handelt es sich bei den Vermögensgegenständen der KG nicht um
Betriebsvermögen eines Unternehmens im Sinne des Art. 22 Abs. 2 DBA CH, so dass
nach der Auffangnorm des Art. 22 Abs. 6 DBA CH der Schweiz als Ansässigkeitsstaat
das Besteuerungsrecht für den Anteil des Klägers am Vermögen der KG zusteht. Eine
entsprechende Feststellung durfte mithin nicht durchgeführt werden.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1
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1. Halbsatz, Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zuzulassen, da eine Klärung des Bundesfinanzhofs zur
abkommensrechtlichen Begriffsbestimmung des Unternehmens im Zusammenhang mit
gewerblich geprägten Personengesellschaften bislang noch aussteht.
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