Urteil des FG Köln vom 28.01.2003
FG Köln: wörtliche auslegung, arbeitslohn, einkünfte, zeitliche kongruenz, teleologische auslegung, rechtswidrigkeit, bemessungsgrundlage, bindungswirkung, steuersatz, gehalt
Finanzgericht Köln, 8 K 1213/02
Datum:
28.01.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1213/02
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde teilweise stattgegeben.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe und mit welchem Steuersatz Einkünfte
einer zunächst unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Person nach deren Wegzug
ins Ausland der deutschen Steuer hätten unterworfen werden dürfen.
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Der Kläger war von 1994 bis Anfang 1997 (Streitjahr) bei der G AG, einer inländischen
Kapitalgesellschaft, nichtselbständig tätig. Er wohnte während dieser Zeit im Inland. Mit
Wirkung zum 31.03.1997 wurde er an die Muttergesellschaft der G AG, ein US-
amerikanisches Unternehmen (G USA), versetzt. In diesem Zusammenhang zog er
schon am 08.03.1997 in die USA um.
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Die G AG bescheinigten dem Kläger auf der Lohnsteuerkarte für die Zeit vom 01.01. bis
zum 31.03.1997 einen Brutto-Arbeitslohn von 121.423,21 DM, von dem -inzwischen
unstreitig- ein Betrag von 22.485,75 DM auf eine 10-tägige Tätigkeit in den USA im
Zeitraum vor dem 08.03.1997 entfiel. Der gesamte im Streitjahr erzielte Arbeitslohn des
Klägers belief sich auf (umgerechnet) 368.997 DM. Außerdem erzielte er im Streitjahr
Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von (umgerechnet) 18.494 DM, wovon 1.279,28
DM auf die Zeit vom 01.01. bis zum 08. 03.1997 entfielen.
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Der Kläger ging in seiner Einkommensteuererklärung 1997 davon aus, dass der auf die
Zeit vom 09.03. bis zum 31.12.1997 entfallende Arbeitslohn weder in die
Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen noch bei der
Bemessung des anzuwendenden Steuersatzes zu berücksichtigen sei. Demgegenüber
unterwarf der Beklagte den gesamten für die Zeit bis zum 31.03.1997 bescheinigten
Arbeitslohn der Steuer. Den hierauf anzuwendenden Steuersatz ermittelte er gemäß §
32 b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Einbeziehung der in den
USA erzielten Einkünfte.
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Das FG Köln gab der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil vom 14.03.2000 (AZ: 8 K
543/99, EFG 2000, 1006) statt.
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Mit seiner Revision rügte der Beklagte die Verletzung des § 32 b EStG und stellte den
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Antrag, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Einkommensteuer in der
Weise festzusetzen, dass von dem auf der Lohnsteuerkarte bescheinigten Arbeitslohn
98.937 DM in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen und bei der
Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes sämtliche im Streitjahr erzielten
Einkünfte des Klägers berücksichtigt werden.
Mit Urteil vom 19.12. 2001 (Az: I R 63/00) hat der BFH das erstinstanzliche Urteil
aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Zur
Begründung hat der BFH im wesentlichen ausgeführt:
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Die Feststellung des FG ließen keine abschließende Entscheidung der Frage zu, in
welchem Umfang der vom Kläger im Inland bezogene Arbeitslohn in die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen sei.
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Soweit der Arbeitslohn dem Kläger vor dem 09.03.1997 zugeflossen sei, unterliege er
Kraft unbeschränkter Steuerpflicht des Klägers der Einkommensteuer.
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Soweit der Arbeitslohn dem Kläger in der Zeit nach dem 08.03.1997 ausgezahlt worden
sei, unterliege er nur mit demjenigen Betrag der Einkommensteuer, der sich als
Gegenleistung für eine im Inland ausgeübte oder verwertete Tätigkeit des Klägers
darstelle (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
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§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG sei auch dann einschlägig, wenn ein im Ausland wohnhafter
Arbeitnehmer früher im Inland tätig gewesen sei, diese Tätigkeit inzwischen aufgegeben
habe und nunmehr eine Nachzahlung für die frühere Tätigkeit erhalte. Entscheidend sei
mithin nicht eine zeitliche Kongruenz zwischen der Lohnzahlung und der im Inland
ausgeübten Tätigkeit, sondern allein der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen
beiden. Im Streitfall lasse sich anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht
beurteilen, inwieweit die von der G AG bescheinigte Lohnzahlung, soweit sie 22.485,75
DM übersteige, in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Inlandstätigkeit des Klägers stehe, auch wenn die Angaben der G AG die widerlegbare
Vermutung eines entsprechenden Zusammenhanges begründeten. Ob ein solcher
Zusammenhang gegeben sei oder nicht , hänge davon ab, ob das Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und der G AG bis zum 31.03.1997 fortbestanden und die Zahlung
dementsprechend insgesamt in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag
geleistet worden sei. In diesem Fall wäre der Kläger, sei es wegen Urlaubs oder aus
anderen Gründen, für die Zeit vom 09.03.1997 an von seiner Arbeitsverpflichtung
gegenüber der G AG freigestellt gewesen. Dies würde jedoch nichts daran ändern, dass
sämtliche Zahlungen der Arbeitgeberin auf dem Arbeitsverhältnis beruhten und Entgelte
für die vom Kläger entfaltete Tätigkeit im Dienst der G AG seien. Soweit diese frühere
Tätigkeit im Inland geleistet worden sei, wäre auch die für die Zeit vom 09. bis zum
31.03.1997 geleistete Zahlung den inländischen Einkünften im Sinne § 49 Abs. 1 Nr. 4
EStG zuzuordnen. Im Ergebnis dasselbe gelte dann, wenn das Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und der G AG schon zum 08.03.1997 aufgelöst worden sei,
jedoch aus Kulanz- oder ähnlichen Gründen auf eine Kürzung des für März 1997
geschuldeten Arbeitslohns verzichtet worden wäre.
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Anders wäre die Rechtslage nur dann, wenn der Kläger schon zum 09.03.1997 in die
Dienste der Muttergesellschaft getreten wäre und das auf die Zeit bis zum 31.03.1997
entfallende Gehalt für deren Rechnung gezahlt worden sein sollte. In diesem Fall hätte
die genannte Zahlung keinen wirtschaftlichen Bezug zu der vorausgegangenen
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Tätigkeit des Klägers im Inland. Sie würde sich vielmehr als Entgelt für die in den USA
geleistete Arbeit im Dienste der Muttergesellschaft darstellen. Dies widerspräche
allerdings den Angaben der G AG auf der Lohnsteuerkarte des Klägers.
Sofern diese Zahlung der G AG zu steuerpflichtigen Einkünften des Klägers geführt
haben sollte, stünde deren Besteuerung in der Bundesrepublik das Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer
Steuern vom 29.08.1989 (DBA-USA) nicht entgegen. Das gelte wiederum unabhängig
davon, ob der Kläger im Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitslohns durch die G AG
noch in der Bundesrepublik ansässig (Art. 4 DBA-USA) gewesen sei oder nicht. Denn
nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 dieses Abkommens dürften Gehälter, Löhne oder ähnliche
Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen
Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit beziehe, in dem anderen Vertragsstaat
(Tätigkeitstaat) besteuert werden. Das hiernach bestehende deutsche
Besteuerungsrecht werde nicht nach Art. 15 Abs. 2 DBA-USA ausgeschlossen, da die
streitige Vergütung - eine Veranlassung der Zahlung durch das Arbeitsverhältnis mit der
G AG unterstellt - von einem in der Bundesrepublik ansässigen Arbeitgeber gezahlt
worden sei (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b DBA-USA).
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Die in der Zeit vom 01.04. bis zum 31.12. 1997 erzielten ausländischen Einkünfte des
Klägers seien entgegen der Ansicht des Klägers gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG im
Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG
sei bei der Festsetzung der Einkommensteuer unter anderem dann ein besonderer
Steuersatz (§ 32 b Abs. 2 EStG) anzuwenden, wenn ein zeitweise unbeschränkt
Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte bezogen habe, die im Veranlagungszeitraum
nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen hätten. Diese Vorschrift, die entgegen
der Ansicht des Finanzgerichts wörtlich und nicht teleologisch reduziert auszulegen sei,
sei weder verfassungswidrig, noch verstoße sie gegen das "Gebot der inneren
Sachgesetzlichkeit". Im Übrigen setze die Anwendung von § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG
abkommensrechtlich lediglich voraus, dass das einschlägige DBA die Berücksichtigung
eines Progressionsvorbehalts nicht verbiete.
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Der Kläger begründet seine Klage im zweiten Rechtszug hinsichtlich der
Gehaltszahlung für die Zeit vom 09.03. bis 31.03.1997 zunächst wie folgt:
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Er sei im Rahmen eines Projektes mit Wirkung bis zum 31.03.1997 nach Deutschland
zur G AG entsandt worden. Dass er bereits am 09.03. in die USA zurückkehren würde,
sei ursprünglich nicht geplant gewesen. Anlässlich dieser Entsendungen von der
Konzernmutter in den USA an die Töchter im Ausland, die zwar rein rechtlich gesehen
selbständige Unternehmen seien, aber tatsächlich doch weltweit eine große Firma
darstellten, sei es grundsätzlich üblich, wenn ein Arbeitnehmer früher als geplant
zurückgeholt werde und es sich nur um eine kurze Zeitspanne handele, dass der
bisherige Arbeitgeber, hier die G AG, bis zum vorgesehenen Ende der Abordnung
weiterzahle und der neue Arbeitgeber, hier G USA, obwohl der Arbeitnehmer bereits bei
ihm tätig sei, mit der Zahlung erst zum ursprünglich vorgesehenen Termin beginne. Eine
Weiterbelastung des zuviel gezahlten Lohnes an den neuen Arbeitgeber erfolge dann
nicht.
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Trotz der Tätigkeit für seinen US-Arbeitgeber ab dem 09.03.1997 habe er von diesem
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keine Gehaltszahlung für den Zeitraum bis zum 31.03.1997 erhalten. Das Gehalt für die
Zeit vom 09.03.1997 bis zum 31.03.1997 sei ausweislich der in den Steuerakten
befindlichen Kopie des US-Steuerformulars 2555 folgerichtig in den USA besteuert
worden, da der Kläger in den USA für einen in den USA ansässigen Arbeitgeber tätig
gewesen sei. Eine Besteuerung in Deutschland entfalle daher mangels inländischer
Besteuerungsgrundlage.
Der Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG entfalle wegen
Verfassungswidrigkeit sowie DBA-Rechtswidrigkeit dieser Vorschrift.
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Obgleich der BFH zu dem Ergebnis gelange, § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG sei bei wörtlicher
Auslegung nicht verfassungswidrig, werde beantragt, nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) darüber die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht einzuholen. Dazu sei
das Gericht verpflichtet, wenn es in Anbetracht der erstinstanzlichen Gründe trotz des
Urteils des BFH eine wörtliche Auslegung von § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG für
verfassungswidrig halten sollte.
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An der Einleitung eines Normenkontrollverfahrens sei das Gericht nicht etwa gehindert,
weil es formell an die Rechtsauffassung des BFH gebunden sei. Das Gericht sei
vielmehr aufgrund der durch Art. 97 Abs. 1 GG verbürgten richterlichen Unabhängigkeit
dazu berechtigt, eine eigene Rechtsauffassung zu vertreten und seiner Entscheidung zu
Grunde zu legen, auch wenn das im Rechtszug übergeordnete Gericht einen
gegenteiligen Standpunkt einnehme (Sachs, GG, Art. 97 Rz. 15). Dies gelte auch bei
Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Rückverweisung durch den BFH, da dem
keines der Bindungsinstitute Feststellungswirkung oder Rechtskraft entgegenstünden.
Grob fehlerhaft sei die Entscheidung des BFH vom 19.12.2001 vor allem deshalb, weil
der BFH den bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.3.1971
(BVerfGE 30, 272) übersehen oder bewusst missachtet habe. Nach diesem Beschluss
bedürfe die Berücksichtigung der durch ein DBA freigestellten Einkünfte bei der
Bemessung des Steuersatzes einer Rechtsgrundlage im DBA, eine Feststellung, die
auch für den BFH bindend sei. Dieser Verstoß gegen bindende Rechtsprechung des
BVerfG könne das FG im Rückverweisungsverfahren nun nicht seinerseits dazu
veranlassen, die bindende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls
zu missachten.
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Hierzu und hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Berücksichtigung der
ausländischen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts im Streitfall werde auf
das zu den Akten gereichte Gutachten von W verwiesen. Hiernach verstoße eine
wörtliche Auslegung des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG gegen Art 3 GG. Dies ergebe sich aus
der Ungleichbehandlung von nur zeitweise und ganzjährig beschränkt Steuerpflichtigen.
Beide seien unter verschiedene Ziffern des § 32 b Abs. 1 EStG zu subsumieren, wobei §
32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Gegensatz zu der im Streitfall anwendbaren Nr. 2, die
Anwendbarkeit des Progressionsvorbehaltes von seiner Zulassung im DBA abhängig
mache. Schließlich seien auch die Vorschriften des DBA-USA selbst unzutreffend
angewandt worden, indem der BFH festgestellt habe, die Anwendung des
Progressionsvorbehaltes sei stets gestattet, wenn es nicht durch das DBA verboten
werde. Damit habe der BFH auch gegen die verbindliche Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts verstoßen. Ferner verstoße § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG gegen
EU-Recht. Dies sei im Streitfall i. V. m. der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift
deshalb von Bedeutung, weil ein US-Bürger nach Art. 24 DBA-USA nicht schlechter
gestellt werden dürfe als ein Deutscher, auf den § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG wegen dessen
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EU-Rechts- und Verfassungswidrigkeit nicht angewandt werden dürfte. Aus der EU-
Rechtswidrigkeit der Vorschrift ergebe sich daher ein weiterer Gleichheitsverstoß, der
die Vorschrift auch im Verhältnis zu US-Bürgern verfassungswidrig mache.
Der Kläger beantragt,
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1. unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 23.09.1998 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 04.01.1999 die Einkommensteuer 1997 unter
Berücksichtigung steuerpflichtiger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in
Höhe von 61.627,73 DM ohne Anwendung des Progressionsvorbehalts
festzusetzen,
2. hilfsweise das Verfahren auszusetzen und nach Artikel 100 Abs. 1 GG die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, über die Frage der
Verfassungswidrigkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG,
3. hilfsweise die Frage der EU-Rechtswidrigkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG dem
EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
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Der Beklagte beantragt,
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1. die Einkommensteuer in der Weise festzusetzen, dass von dem auf der
Lohnsteuerkarte bescheinigten Arbeitslohn 98.937,00 DM in die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen und bei der
Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes sämtliche im Streitjahr erzielten
Einkünfte des Klägers berücksichtigt werden,
2. die Hilfsanträge abzuweisen,
3. hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Hinsichtlich der Gehaltszahlung vom 09.03.1997 bis 31.03.1997 weise er darauf hin,
dass der Bundesfinanzhof in seinem Urteil unter II 2. ausgeführt habe, unter welchen
Voraussetzungen der Arbeitslohn hier der Besteuerung zu unterwerfen sei. Der Kläger
habe nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Besteuerung in den USA
gegeben seien. Der Arbeitslohn sei von dem inländischen Arbeitgeber gezahlt worden.
Dieser habe ihn wirtschaftlich getragen. Der Kläger trage vor, dass er nach dem
08.03.1997 nicht für den inländischen Arbeitgeber in den USA tätig geworden sei.
Daher sei nach den Umständen davon auszugehen, dass der Arbeitslohn für die
ehemalige inländische Tätigkeit gezahlt worden sei z. B. als Urlaubsabgeltung und
somit im Inland steuerpflichtig sei.
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Die Ausführungen des Klägers zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm
könnten in dem vorliegenden Verfahren dahinstehen. Der Senat sei nach § 126 Abs. 5
Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Ausführungen des BFH im Verfahrenszug
gebunden. Der BFH habe die Norm für verfassungsgemäß gehalten. Die Kritik an der
Entscheidung des BFH sei in diesem Verfahren nicht entscheidungserheblich. Soweit
der Kläger der Auffassung sei, dass die Verfassungsmäßigkeit ausnahmsweise in
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einem Verfahren nach Art. 100 GG überprüft werden könne, entspreche dies nicht der
herrschenden Auffassung. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit der
Entscheidung der Bindungswirkung des Urteils im ersten Rechtszug bereits befasst und
entschieden, dass auch die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der
Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO unterliege. Dies solle sogar dann gelten, wenn
das Revisionsgericht die Frage der Verfasssungsmäßigkeit nicht ausdrücklich
behandelt habe. Wenn, wie hier, der BFH aber einzig und allein über gerade diese
Frage zu entscheiden gehabt habe, würde das Recht des FG über die Frage der
Verfassungsmäßigkeit erneut entscheiden zu dürfen, zur völligen Aushöhlung der
Vorschrift des § 126 Abs. 5 FGO führen. Auch die Frage des Verstoßes gegen EU-Recht
sei im Termin zur mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden. Dass diese
Argumente keinen Niederschlag im Urteil gefunden hätten, liege einzig daran, dass sie
im vorliegenden Fall keine Rolle spielten, da der Kläger nicht in einen Staat der EU
verzogen sei. Im übrigen habe der BFH diese Gründe auch in seiner Entscheidung vom
15.05.2002, I R 40/01, als nicht einschlägig behandelt und einen Verstoß gegen EU-
Recht abgelehnt. Aber auch aus einem formalen Grund sei hier eine Überprüfung der
Norm am Maßstab der EU-Rechtes nicht vorzunehmen. Selbst wenn dieses hier
einschlägig sein sollte, so sei die Überprüfung durch § 126 Abs. 5 FGO ebenfalls
ausgeschlossen, da es dafür, wie oben ausgeführt, nicht darauf ankomme, dass sich
das Revisionsgericht mit der Sache ausdrücklich befasst habe.
Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 03.12. 2002 wurde der Kläger gebeten
mitzuteilen, wann das Märzgehalt ausgezahlt wurde bzw. bei einer Zahlung des
Gehaltes nach dem 08.03. mitzuteilen, in welchem wirtschaflichen Zusammenhang
dieses Gehalt stand und ob die G die Gehaltszahlungen aus Kulanzgründen nicht
zurückgefordert hätten oder ob diese Zahlungen für Rechnungen des amerikanischen
Arbeitgebers erfolgt sei. Da der Kläger diese Fragen innerhalb der ihm gesetzten Frist
nicht beantwortet hatte, wurde er mit Verfügung vom 15.01.2003 unter Setzung einer
Frist nach § 79 b Abs. 2 FGO aufgefordert, die an ihn gerichteten Fragen spätestens bis
zur mündlichen Verhandlung am 28.01.2003 zu beantworten sowie den Vortrag durch
geeignete Unterlagen nachzuweisen.
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Auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten und des BFH sowie auf den
Inhalt des Terminsprotokolls wird verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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1) Die Klage ist begründet, insoweit als der auf eine vor dem 08.03.1997 in den USA
ausgeführte zehntägige Tätigkeit entfallende Arbeitslohn in Höhe von 22.485,75 DM
nach den im ersten Rechtszug vom Kläger vorgelegten Unterlagen unstreitig nicht in die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer im Inland einzubeziehen ist. Der Beklagte
hat seinen Klageabweisungsantrag insoweit eingeschränkt.
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Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.
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2) Zu Recht hat der Beklagte den vom Kläger in der Zeit zwischen dem 08.03.1997 und
dem 31.03.1997 von der G AG erhaltenen Arbeitslohn in die Bemessungsgrundlage für
die Einkommensteuer im Inland einbezogen.
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Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass diese Zahlung in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in den USA stand. Der BFH hat hierzu in seinem
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das Verfahren an den erkennenden Senat zurückverweisenden Urteil vom 19.12.2001, I
R 63/00 ausgeführt, der Arbeitslohn der dem Kläger für die Zeit vom 09.03. - 31.03.1997
ausgezahlt worden sei, unterliege nur dann der Einkommensteuer, wenn er sich als
Gegenleistung für eine im Inland ausgeübte oder verwertete Tätigkeit des Klägers
darstelle (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), wofür allerdings angesichts der Umstände eine
widerlegbare Vermutung bestehe. Ob dies der Fall sei, sei abhängig von dem
wirtschaftlichen Hintergrund, vor dem diese Lohnfortzahlung stattgefunden habe. Nicht
in wirtschaftlichem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der G AG stünde die
Zahlung dann, wenn der Kläger bereits am 09.03.1997 in die Dienste von G USA
getreten wäre und die G AG das auf die Zeit bis zum 31.03.1997 entfallende Gehalt für
Rechnung der Konzernmutter gezahlt hätte. Die Zahlung würde sich dann als Entgelt für
die in den USA geleistete Arbeit im Dienst von G USA darstellen. Auf die Ausführungen
des BFH im Einzelnen, an die der erkennende Senat nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden
ist, wird verwiesen.
Ob der diesbezügliche Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung
hinsichtlich der Gepflogenheiten des Konzerns bei vorzeitiger Beendigung von
Versetzungen ausreicht, einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Gehaltszahlung ab
dem 09.03.1997 mit der Tätigkeit des Klägers in den USA aufzuzeigen, kann letztlich
dahinstehen, denn der Kläger hat diesen von dem Beklagten ausdrücklich bestrittenen
Tatsachenvortrag nicht nachgewiesen und dementsprechend die für einen
wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Inland bestehende Vermutung nicht
widerlegt. Unterlagen, wie z. B. eine Bescheinigung des US-Arbeitgebers, dass der
Kläger in diesem Zeitraum tatsächlich bei ihm tätig war und für diese Tätigkeit von dem
deutschen Arbeitgeber entlohnt wurde, entsprechend einer im Konzern üblichen
Handhabung, sind vom Kläger jedoch nicht vorgelegt worden, obwohl er mit Verfügung
vom 15.01.2003 von der Berichterstatterin nach § 79 b FGO aufgefordert worden war,
den wirtschaftlichen Hintergrund der Zahlung ab dem 09.03.1997 spätestens bis zur
mündlichen Verhandlung am 28.01.2003 zu klären und den Vortrag durch geeignete
Unterlagen nachzuweisen. Auch entsprechende Beweisanträge hat der Kläger nicht
gestellt.
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3) Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Einbeziehung sämtlicher
von ihm im Streitjahr erzielten Einkünfte bei der Bestimmung des Steuersatzes nach
Anwendung des sogenannten Progressionsvorbehaltes für verfassungswidrig hält.
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a) Dies ergibt sich insoweit aus dem Urteil des BFH vom 19.12.2001 I R 63/00, wonach
dieser weder Veranlassung für eine teleologische Auslegung des eindeutigen Wortlauts
des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG sieht, noch in der wörtlichen Anwendung dieser Vorschrift
auf den Streitfall einen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG erkennt. Auch einen Verstoß
gegen das Gebot der inneren Sachgesetzlichkeit sowie ein Verstoß gegen die
Vorschriften des DBA-USA konnte der BFH nicht feststellen. Auf die Begründung des
BFH im einzelnen wird verwiesen.
38
An diese rechtliche Beurteilung des BFH ist der erkennende Senat nach § 126 Abs. 5
FGO gebunden. Eine Abweichung von den im BFH-Urteil vom 19.12.2001
niedergelegten Grundsätzen käme nur bei geändertem Sachverhalt in Betracht. Der zu
beurteilende Sachverhalt hat sich jedoch im Streitfall gegenüber dem ersten Rechtszug
unstreitig nicht verändert. Den Ausführungen des Klägers, dass die Bindung nach § 126
Abs. 5 FGO nicht für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Gesetzen gelten könne,
da die Untergerichte in diesem Fall an Entscheidungen der zurückverweisenden
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Gerichte strenger gebunden wären, als an Gesetze, die sie generell auf ihre
Verfassungsmäßigkeit zu prüfen hätten, kann nicht gefolgt werden. Zweck der Vorschrift
des § 126 Abs. 5 FGO ist es zu verhindern, dass die endgültige Entscheidung einer
Sache dadurch verzögert oder verhindert wird, dass sie zwischen Vorinstanz und
Revisionsgericht hin- und hergeschoben wird, weil keines der beiden Gerichte seine
Rechtsauffassung ändert. Es handelt sich um eine - gesetzlich angeordnete und daher
zulässige - Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Richter bei der
Gesetzesanwendung nur an das Gesetz und an sein Gewissen gebunden ist. Dieser
Grundsatz wird durch die Vorschrift des § 126 Abs. 5 FGO insofern eingeschränkt, als
die Vorinstanz das in Betracht kommende Recht in dieser Sache nur in der Auslegung
anwenden darf, die das Revisionsgericht für zutreffend hält. § 126 Abs. 5 FGO
institutionalisiert lediglich, um den erstrebten Erfolg zu erzielen, die ohnehin
bestehende, sich aus dem Instanzenzug ergebende Autorität des übergeordneten
Gerichts, wodurch vermieden werden soll, dass sich die Vorinstanz im Einzelfall nicht
an die der Zurückverweisung zugrundeliegende Rechtsauffassung des
Revisionsgerichts hält (Entscheidung des gemeinsamen Senats der Obersten
Gerichtshöfe des Bundes Az. GmS - OGB 1/72 vom 06.02.1973 NJW 1973, 1273 und
BFH-Urteil vom 02.04.1996 VII R 119/94, BFH/NV 1996, 306). Dieser Bindungswirkung
nach § 126 Abs. 5 FGO unterliegen auch die vom BFH vorgenommenen
verfassungsrechtlichen Erwägungen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
23.06.1970 II BvL 49/69 BVerfG 29, 34).
b) Insoweit kommt auch eine Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke einer
Richtervorlage durch den erkennenden Senat nach Artikel 100 Abs. 1 GG nicht in
Betracht. Recht und Pflicht zur Aussetzung und Vorlage bestehen nur, soweit die
Rechtsauffassung des Gerichts nach den prozessualen Vorschriften im gegebenen
Verfahrensabschnitt für die Entscheidung noch maßgebend ist. Bejaht ein
übergeordnetes Gericht in einem zurückverweisenden Urteil die Verfassungsmäßigkeit
eines Gesetzes, so ist damit für die bis dahin mit der Sache befassten Instanzen die
Frage der Verfassungsmäßigkeit endgültig entschieden. Die Rechtsauffassung des
übergeordneten Gerichts tritt an die Stelle der Meinung des untergeordneten Gerichts
mit der Folge, dass dieses nun nicht mehr verpflichtet, aber auch nicht mehr berechtigt
ist, das anzuwendende Gesetz selbst auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.1970 II BvL 49/69 a. a. O.).
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c) Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag
scheitert bereits an der Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO.
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Zwar nimmt der BFH in seinem hier bindenden Urteil vom 19.12.2001 nicht ausdrücklich
zur Frage der EU-Rechtswidrigkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG Stellung. Als vom BFH
in seiner Revisionsentscheidung geprüft und mithin abschließend rechtlich beurteilt
gelten jedoch nicht nur die im Urteil ausdrücklich erwähnten rechtlichen Erwägungen,
sondern auch die Beurteilungen, die der dort ausgesprochenen Rechtsauffassung
logisch vorausgehen (BFH-Urteil vom 13.09.2000 I R 57/99, BFH/NV 2001, 458 m. w.
N.).
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Umstritten ist allerdings, ob die Bindungswirkung nach § 126 Abs. 5 FGO auch für
gemeinschaftsrechtliche Vorfragen gilt (offengelassen in BFH-Urteil vom 02.04.1996 VII
R 119/94, BFH/NV 1996, 306). Dies kann im Streitfall jedoch dahinstehen, denn der
Kläger stützt seinen Antrag auf Vorlage an den EuGH letztlich auf eine
verfassungsrechtliche Frage. Er führt aus, dass für ihn als US-Bürger EU-Recht zwar
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nicht gelte, dass aber bei EU-Rechtswidrigkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG eine
Ungleichbehandlung nach Art. 3 GG darin zu sehen sei, dass ein US-Bürger nicht
schlechter gestellt werden dürfe, als ein Deutscher, auf den diese Vorschrift wegen
deren EU-Rechtswidrigkeit nicht anwendbar wäre. Im Streitfall war daher die Frage der
EU-Rechtswidrigkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Vorfrage, die der BFH im
Rahmen der Verfassungsmäßigkeit der Norm zu überprüfen hatte, mit der Folge, dass
auch diese Frage der Bindungswirkung nach § 126 Abs. 5 FGO unterliegt, und zwar
auch dann, wie bereits ausgeführt, wenn sie wie im Streitfall nicht ausdrücklich im Urteil
erwähnt worden ist.
Da bereits § 126 Abs. 5 FGO den Senat an einer Vorlage an den EuGH hindert, stellt
sich im Streitfall die Frage des in Art. 177 EWG-Vertrag eingeräumten
Vorlageermessens nicht.
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4) Die Steuer berechnet sich wie folgt:
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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 98.937,-- DM ./. Werbungskosten 4.944,-- DM
Gesamtbetrag der Einkünfte 93.993,-- DM ./. Sonderausgaben 3.996,-- DM zu
versteuernde Einkünfte 89.997,-- DM
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Steuersatz unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2
i. V. m. § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 1997 (Bemessungsgrundlage 376.380,-- DM) x
46,931 %
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Festgesetzte Steuer 42.236,-- DM
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5) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 Satz 1, 135 Abs. 2 FGO.
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