Urteil des FG Köln vom 11.12.2003

FG Köln: beachtliche gründe, ausländische gesellschaft, recht der europäischen union, international, joint venture, wirtschaftliche tätigkeit, aussetzung, kapitalgesellschaft, einkünfte

Finanzgericht Köln, 2 K 5657/99
Datum:
11.12.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 5657/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch darauf hat, dass
einbehaltene Kapitalertragsteuer gemäß § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der für das
Streitjahr 1994 geltenden Fassung auf 5 v.H. ermäßigt und der darüber hinaus gehende
Betrag gemäß § 50d Abs. 1 EStG erstattet wird.
2
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Sie wurde im Jahre
1981 im Zusammenhang mit der geschäftlichen Expansion der ..........-Gruppe errichtet.
Sie ist alleinige Gesellschafterin der "........ ............ Television Produktions GmbH" in
Deutschland. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die "........ International Holdings
N.V." auf den Niederländischen Antillen. Diese wiederum ist eine 100%-ige
Tochtergesellschaft der "........ ................... Ltd" auf den Bermudas. An dieser Gesellschaft
waren im Streitjahr die drei natürlichen Personen ....... ........, .............., mit einem Anteil
von 85 v.H., ............., ..........., und ..........................., mit je einem Anteil von 7,5 v.H.
beteiligt. Mit Wirkung vom 05. Mai 1995 haben die Gesellschafter der ........ ............ Ltd.
ihre Beteiligungen an die in Großbritannien ansässige "............. ..." veräußert. Die
Klägerin war außerdem alleinige Gesellschafterin zweier weiterer Gesellschaften in
Frankreich und den Niederlanden. Wegen der Struktur der ........-Gruppe im Einzelnen
wird auf Bl. 125 der Gerichtsakte verwiesen.
3
Die Klägerin hat einen Geschäftsführer mit Wohnsitz in den Niederlanden. Dieser
Geschäftsführer leitet des Weiteren auch die anderen niederländischen Gesellschaften
der ........-Gruppe:
4
........ International .............. B.V.,
5
........ International ............. I B.V.,
6
........ International ........... II. B.V.,
7
........ .......... B.V.,
8
........ ............ B.V. sowie über ........ .......... B.V. das Joint Venture
9
...... mit .................... TV Produkties B.V.
10
Die Klägerin hat ihren Sitz in den Geschäftsräumen einer anderen zur ........-Gruppe
gehörenden Gesellschaft (........ International ............... B.V.). Die Adresse ist wie folgt:
........ ........... B.V., .........., ............ 45, .......GP ............., Niederlande. Sie hat keinen eigenen
Telefon- und Telefaxanschluss; sie nutzt die technischen Einrichtungen der ........
International ........... B.V.
11
Die ........-Gruppe (insbesondere die ........ .......... B.V.) produziert teilweise allein,
teilweise mit Partnern Fernsehserien und sog. Game Shows (für den
Unterhaltungssektor z.B. "'..... .................."; ".............."; "............", ".............", "...............",
".............."; "......... ......"; "....... ......."). Daneben betätigt sie sich im Ankauf, Verkauf und
Lizenzierung von Filmrechten und Formaten. So wird nach Angaben der Klägerin von
den Niederlanden aus der weltweite Kauf und Verkauf sowie die Lizenzierung von
Filmen und Filmrechten, insbesondere im Verhältnis zu den USA und Europa, durch die
niederländische ........ International ............. B.V. ausgeübt. Für die Verwaltung der Kauf-
und Lizenzverträge über die Filme und Filmrechte ist eine innerbetriebliche
Organisation erforderlich. Um diese unternehmerischen Funktionen zu erfüllen, unterhält
die ........ International .......... B.V. einen eigenen Geschäftsbetrieb bestehend aus
Geschäftsleitung, Verwaltung, Rechnungswesen, Vertrieb und Marketing. Die ........
International .......... B.V. beschäftigt nach eigenen Angaben zahlreiche Mitarbeiter.
12
Die "........ .................. GmbH" schüttete im April 1994 an die Klägerin ......... DM aus.
Zugleich behielt sie nach § 43 EStG davon 25% Kapitalertragsteuer ein (....... DM).
13
Mit Antrag vom 17.12.1997 begehrte die Klägerin die Erstattung der deutschen
Abzugsteuer von Kapitalerträgen gemäß § 50d i.V.mit § 44d Abs. 1 Nr. 1 EStG in der für
das Streitjahr geltenden Fassung in Höhe von .......,00 DM für die ihr am 06.04.1994 von
der o.g. Gesellschaft zugeflossenen Ausschüttung. Mit Bescheid vom 25.03.1998, der
nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, wurde die Erstattungssumme in Höhe
von ......,50 DM festgesetzt. Hierbei gewährte der Beklagte lediglich eine Teilerstattung
für jene 15 v.H., mit denen die Herren ....... und .......... zu jeweils 7,5 v.H. an der ........
......... Ltd beteiligt waren; er begrenzte diese Teilerstattung auf die verbleibenden
Höchststeuersätze von 10 v.H. und 15 v.H. nach Maßgabe der für die Herren ....... und
......... einschlägigen DBA USA bzw. DBA Australien. Die beantragte weiter gehende
Erstattung wurde versagt, weil Herr ........ als Mehrheitsgesellschafter der ........ ........... Ltd
auf den Bermudas ansässig war und ihm deshalb keine abkommensrechtliche
Entlastung zustehe.
14
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Im Laufe des
Einspruchsverfahrens gelangte der Beklagte zu der Ansicht, dass der Klägerin kein
Anspruch auf Freistellung zustehe, weil nicht auf die mittelbar beteiligten, teilweise
erstattungsberechtigten natürlichen Personen abzustellen sei, sondern allein auf die
unmittelbar beteiligte Muttergesellschaft der Klägerin, welche indessen auf den
Niederländischen Antillen residiere. Auf die Möglichkeit der Verböserung wies der
Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 21.01.1999 hin. Nachdem die Klägerin ihren
Einspruch ausdrücklich aufrecht erhielt, änderte der Beklagte am 28.06.1999 den
15
ursprünglichen Bescheid nach § 164 Abs. 2 AO ab, setzte die Erstattung auf 0 DM fest
und wies den Einspruch sodann als unbegründet zurück (Entscheidung vom
23.07.1999).
Mit der hiergegen erhobenen Klage bezieht sich die Klägerin auf ihr außergerichtliches
Vorbringen sowie auf ihren Vortrag in den Verfahren 2 K 138/97 und 2 K 5329/98. Beide
Verfahren betrafen eine Schwestergesellschaft der Klägerin, welche in gleicher Weise
gegen einen Freistellungs-Änderungsbescheid vorgegangen war. Das Verfahren 2 K
5329/98 mündete schließlich in dem Revisionsverfahren I R 38/00, welches der BFH mit
Urteil vom 20.03.2002 entschieden hat (BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819). Gegen
diese Entscheidung hat die Klägerin Verfassungsbeschwerde eingelegt (2 BvR
1378/02), über die noch nicht entschieden ist.
16
In den Verfahren 2 K 138/97 und 2 K 5329/98 wurde im Wesentlichen Folgendes
vorgetragen:
17
Der Beklagte habe sie zu Unrecht i.S.v. § 50d Abs. la EStG als ausländische
Basisgesellschaft beurteilt und die Teilfreistellung von der deutschen
Kapitalertragsteuer gemäß §§ 50d Abs. 3 i.V.m. 44d EStG auf 5 v.H. der in 1994
zugeflossenen Kapitalerträge bzw. Erstattung der darüber hinausgehenden Beträge
versagt.
18
Nach dem Wortlaut des § 50d Abs. 1a EStG habe eine ausländische Gesellschaft
(Basisgesellschaft) keinen Anspruch auf Steuerentlastung (Steuerbefreiung oder -
ermäßigung nach § 44d EStG oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung), soweit Personen an ihr beteiligt seien, denen die Steuerentlastung
nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und für die Einschaltung
der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten
und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfalte.
19
Wende man die Vorschrift vom Negativen ins Positive, so kehre sich die "und"-
Verbindung im Originaltext in eine "oder"-Verbindung der Tatbestandsvoraussetzungen
um. Danach hat eine ausländische Gesellschaft Anspruch auf Steuerentlastung, soweit
Personen an ihr beteiligt seien, denen die Steuerentlastung zustände, wenn sie die
Einkünfte unmittelbar erzielten oder für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft
wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorhanden seien oder sie eine eigene
Wirtschaftstätigkeit entfalte. Der Wortlaut der Norm bringe klar zum Ausdruck, dass eine
ausländische Gesellschaft bereits dann Anspruch auf Steuerentlastung habe, wenn nur
eine der drei negativen Tatbestandsmerkmale - Fehlen von wirtschaftlichen und sonst
beachtlichen Gründen sowie einer eigenen Wirtschaftstätigkeit - erfüllt sei. Sie habe
also schon dann Anspruch auf Steuerentlastung, wenn sonst beachtliche Gründe für
ihre Einschaltung vorlägen.
20
Ihr Unternehmenszweck sei es, an der Ausweitung des europäischen Mediengeschäftes
der ........-Gruppe mitzuwirken und dieses zu koordinieren.
21
Aus der Entwicklung der Konzernstruktur seit 1975 werde deutlich, dass der Aufbau der
........-Gruppe wesentlich über die niederländischen Gesellschaften, also auch unter
Einschaltung der Klägerin, erfolgt sei. Es liege daher ein wirtschaftlicher Grund für ihre
Einschaltung vor.
22
Ihre Einschaltung habe für die ........-Gruppe noch weitere wirtschaftliche Gründe. So
habe die ........-Gruppe ihre Aktivitäten im Mediengeschäft in den Niederlanden
angesiedelt, um dort von den Kontakten zu den großen niederländischen TV-
Produzenten zu profitieren, die sich hier bekanntermaßen angesiedelt hätten und mit
geringen Kosten Soaps und Game Shows produzierten; so könnten weitere
Vertriebsmöglichkeiten für die Produkte der Klägerin genutzt werden.
23
Ihre Einschaltung habe des Weiteren rein organisatorische Gründe. Die ........-Gruppe
verfolge das unternehmerische Konzept, einzelne betriebliche Funktionen nur ganz
bestimmten Gesellschaften in den Niederlanden zuzuordnen. So hätten sie, die ........
International ........ I. B.V. und die ........ International ........ II B.V. die Aufgabe,
Beteiligungen an anderen europäischen und außereuropäischen Tochtergesellschaften
zu halten. Hingegen werde die Produktion von Filmen ausschließlich von der ........
............. B.V. wahrgenommen. Die Verwaltung der ........-Gruppe sowie der Vertrieb der
Filmrechte sei der ........ International ........ B.V. zugewiesen.
24
Sie habe Anspruch auf Steuerentlastung, da sie am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr teilnehme. Sie nehme insbesondere über ihre niederländischen
Schwestergesellschaften ........ International ........ B.V. und ........ ........ B.V. am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Der Beklagte habe bei der ........ International
........... B. V. eine eigene Wirtschaftstätigkeit anerkannt und daher eine
Freistellungsbescheinigung für Vergütungen für die Nutzung oder das Recht auf
Nutzung von Urheberrechten erteilt.
25
Die Vorschrift des § 50d Abs. 1a EStG sei schließlich bereits nicht anwendbar. Sie
verstoße gegen das Grundgesetz, gegen vorrangiges Recht der Europäischen Union
und gegen Abkommensrecht.
26
Ferner sei das vorliegende Klageverfahren auszusetzen, bis das BVerfG über die
Verfassungsbeschwerde gegen das Revisionsurteil des BFH im Verfahren I R 38/00
entschieden habe.
27
Die Klägerin beantragt,
28
den Bescheid vom 28. Juni 1999 über die Freistellung und Erstattung von
deutschen Abzugssteuem von Kapitalerträgen nach § 50d EStG i.V.m. § 44d EStG
in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 1999 (Geschäftszeichen:
St 11 3 - NL 9700853) aufzuheben und die Erstattung der auf die am 6. April 1994
in Höhe von DM ......... zugeflossenen Kapitalerträge erhobenen deutschen
Kapitalertragsteuer gemäß § 44d EStG auf DM ......., hilfsweise gemäß Art. 13 Abs.
4 DBA Niederlande-Deutschland auf DM ....... festzusetzen,
29
hilfsweise die Revision zuzulassen,
30
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Frage vorzulegen:
31
Verstoßen die Vorschriften des § 50d Abs. 1a EStG i.d.F. des Gesetzes vom
21.12.1993 sowie die Auslegung des § 42 AO durch den BFH (Urteil vom
20.03.2002 - I R 38/00) gegen Gemeinschaftsrecht und zwar insbesondere
gegen die Richtlinie 90/345 EWG (Mutter-Tochter-Richtlinie)?
32
33
Der Beklagte beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung. Er ist der Ansicht,
dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt sei.
36
Entscheidungsgründe
37
Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
38
Das Klageverfahren war nicht nach § 74 FGO auszusetzen. Der angefochtene Bescheid
vom 28.6.1999 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der
Beklagte hat zu Recht die (teilweise) Freistellung der von der Klägerin im Streitjahr 1994
bezogenen Kapitalerträge von der inländischen Besteuerung abgelehnt. Die
Notwendigkeit einer Vorlage der von der Klägerin im Hilfsantrag aufgeworfenen
Rechtsfrage an den EuGH ist nicht vorhanden.
39
A.
40
Eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO kommt nicht in Betracht.
41
Nach dieser Vorschrift kann ein finanzgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder
Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen
anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
Die Aussetzung des Verfahrens ist grundsätzlich eine Ermessensentscheidung des
erkennenden Gerichts, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und
die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind (vgl. z.B. Gräber/Koch, FGO, 5. Aufl.
2002, § 74 Rn. 7, 11; BFH-Beschluss vom 31.7.1997 IX B 13/97, BFH/NV 1998, 201).
Danach besteht eine Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens , wenn vor dem BVerfG
bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall
anzuwendende Norm anhängig ist, bei den FG zahlreiche Parallelverfahren anhängig
sind (Massenverfahren) und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes
berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit
der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens
hat (z.B. BFH-Beschluss vom 7.2.1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992,
408; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 FGO Tz. 17 m.w.N.).
42
Eine Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens besteht danach nicht. Zwar ist beim BVerfG
eine Verfassungsbeschwerde in einem Parallelverfahren anhängig, jedoch sind bei den
Finanzgerichten nicht zahlreiche einschlägige Verfahren anhängig. Vielmehr handelt es
sich um ein Einzelverfahren, das keine Breitenwirkung entfalten wird. Abgesehen davon
weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass mit der Verfassungsbeschwerde nicht die
Verfassungswidrigkeit nationaler Normen geltend gemacht, sondern nur deren
verfassungswidrige Anwendung im Einzelfall.
43
Der Senat übt sein Ermessen im Hinblick auf das Alter des Verfahrens deshalb
dahingehend aus, von einer Aussetzung des Verfahrens abzusehen.
44
Ein Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO i.V. mit § 251 ZPO scheidet mangels
Zustimmung des Beklagten ebenfalls aus.
45
B.
46
Der Beklagte hat zu Recht die (teilweise) Freistellung der von der Klägerin im Streitjahr
1994 bezogenen Kapitalerträge von der inländischen Besteuerung abgelehnt. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf (Teil-)Freistellung.
47
I.
48
Der Beklagte war zunächst nicht aus formellen Gründen gehindert, den ursprünglichen
Teil-Freistellungsbescheid vom 25.03.1998 zum Nachteil der Klägerin abzuändern.
Zwar stand dieser Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164
AO, so dass ein Berufen auf § 164 Abs. 2 AO im Änderungsbescheid vom 28.6.1999
nicht möglich war. Jedoch erging der Änderungsbescheid nach angekündigter
Verböserung im Einspruchsverfahren. Hierzu war der Beklagte nach §§ 365 Abs. 1, 367
Abs. 2 AO berechtigt. Eines Rückgriffs auf eine Korrekturvorschrift bedurfte es nicht.
49
II.
50
Der Beklagte hat zu Recht einen Erstattungsanspruch der Klägerin verneint. Die
begehrte Ermäßigung des Steuerabzugs scheitert entgegen der Auffassung der
Klägerin an § 50d Abs. 1a EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung.
51
Nach § 50d Abs. 1 EStG kann der Gläubiger von Kapitalerträgen die völlige oder
teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten (Kapitalertrag-)Steuer
verlangen, wenn diese Einkünfte nach § 44d EStG nicht oder nur nach einem unter 25
v.H. liegenden Steuersatz besteuert werden dürfen.
52
Die Voraussetzungen des § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG sind zwar erfüllt. Denn
die Klägerin war im April 1994 zu 100 v.H. an der ausschüttenden inländischen
Kapitalgesellschaft beteiligt. Die Klägerin ist eine Muttergesellschaft im Sinne des § 44d
Abs. 2 EStG. Die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift liegen unstreitig vor.
53
Allerdings ist die Klägerin eine funktionslose Basisgesellschaft i.S. des § 50d Abs. 1a
EStG.
54
Nach dieser Vorschrift hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf
Steuerermäßigung nach § 44d EStG, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die
Steuerermäßigung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und für
die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche
Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.
55
Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt.
56
An der Klägerin war unmittelbar als Anteilseignerin die ........ International ....... N.V. mit
Sitz auf den Niederländischen Antillen beteiligt. Dieser Gesellschaft hätte keine
Steuerentlastung zugestanden, hätte sie die Kapitalerträge unmittelbar erzielt. Denn mit
den Niederländischen Antillen besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen. Aufgrund
57
der Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren I R 38/00 (Urteil vom 20.03.2002,
BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819) steht zudem fest, dass nur auf die unmittelbar an der
Klägerin beteiligten Personen abzustellen ist und nicht auf die in der Beteiligungskette
weiter hinten stehenden mittelbar Beteiligten, die teilweise abkommensberechtigt
wären. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf das beiden Beteiligten bekannte BFH-Urteil vom 20.03.2002
verwiesen.
Es wird kontrovers diskutiert, in welchem Verhältnis die Regelungen des § 50d Abs. 1a
EStG a.F. und § 42 AO zueinander stehen, insbesondere, ob § 50d Abs. 1a EStG a.F.
als speziellere Regelung der allgemeinen abgabenrechtlichen Regelung des § 42 AO
vorgeht (vgl. hier und im Folgenden BFH in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 m.w.N.,
dem sich der erkennende Senat auch insoweit anschließt). Der Streitfall erfordert aber
keine abschließende Beantwortung dieser Fragen, da hier die Voraussetzungen beider
Vorschriften erfüllt sind.
58
Nach ständiger höchstrichterlicher - und vom Senat geteilter - Rechtsprechung (vgl.
BFH-Urteile vom 19.1.2000 I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222; vom
23.10.1992 I R 40/89, BFHE 166, 323, BStBl II 1992, 1026; vom 10.6.1992 I R 105/89,
BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029) erfüllt die Zwischenschaltung von
Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im Ausland den
Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn hierfür wirtschaftliche oder sonst beachtliche
Gründe fehlen. Werden im Inland erzielte Einnahmen zur Vermeidung inländischer
Steuer durch eine ausländische Kapitalgesellschaft "durchgeleitet", gilt dies auch dann,
wenn es sich bei dem Sitzstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft - wie im Streitfall -
nicht um ein Niedrigbesteuerungsland handelt (BFH-Urteil vom 29.10.1997 I R 35/96,
BFHE 184, 476; BStBl II 1998, 235). Insoweit decken sich die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 AO und § 50d Abs. 1a EStG a.F.
59
Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Existenz der Klägerin fehlen, so
dass gleichermaßen der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO und des § 50d Abs. 1a EStG
a.F. vorliegt. Eine eigene Wirtschaftstätigkeit der Klägerin lässt sich nicht feststellen.
60
Bei der Klägerin handelt es sich nach ihrem eigenen in Bezug genommenen Vortrag um
eine Domizilgesellschaft, d.h. eine Gesellschaft ohne eigenes Personal, ohne eigene
Geschäftsräume und ohne eigene Geschäftsausstattung. Damit begründet die
tatsächlich gewählte Gestaltung bereits die Vermutung, dass die Klägerin nicht selber
wirtschaftlich tätig ist (zu dieser Vermutung siehe BFH-Urteil vom 28.01.1992 VIII R
7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84 sowie BFH in BFHE 198, 514, BStBl II 2002,
819).
61
Die Klägerin hat diese Vermutung nicht entkräftet. So folgt aus ihrem in Bezug
genommenen Vortrag, dass sie selbst nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
teilnimmt, sondern allenfalls über ihre Schwestergesellschaften. Für eine derartige
Zurechnung fremder Tätigkeiten fehlt es indessen an einer Rechtsgrundlage. Weder §
50d EStG noch andere Vorschriften sehen im Rahmen der Prüfung der
Missbräuchlichkeit der Einschaltung ausländischer Gesellschaften eine derartige
Zurechnung vor. Die Klägerin selbst hält lediglich drei Beteiligungen. Für eine
wirtschaftliche Tätigkeit wäre erforderlich, dass die Klägerin selbst unternehmerische
Handlungen ausführt. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die in den
beigezogenen Akten des Verfahrens 2 K 5329/98 befindlichen Gewinn- und
62
Verlustrechnungen der Klägerin auf den 30.6.1994 und auch auf den 30.6.1995
enthalten keine Positionen wie entsprechende Einnahmen oder auf der Ausgabenseite
z.B. Provisionen, Werbekosten, Löhne und Gehälter.
Abgesehen davon hält die Klägerin auch keine unternehmerische Organisation vor, mit
welcher sie derartige Handlungen ausführen könnte. Denn sie unterhält keine eigenen
Geschäftsräume, keine Geschäftsausstattung, sie hat kein Personal und sie besitzt
keinen Telefon- und Telefaxanschluss. Daher kann ihrem außergerichtlichen Vortrag,
sie koordiniere die Tätigkeit der drei Tochtergesellschaften und verschaffe ihnen
Geschäftskontakte über ihren Sitz in Hilversum im Medienpark, nicht gefolgt werden.
63
Auch im Übrigen sind wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung
der Klägerin nicht ersichtlich.
64
Die Klägerin diente nicht als sog. Länderholding, da es neben ihr zwei weitere
Gesellschaften in der ........-Gruppe gab, die Anteile an deutschen Kapitalgesellschaften
hielten.
65
Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, inwiefern die weiteren vorgebrachten Gründe
für die Notwendigkeit der Einschaltung der Klägerin sprechen sollen.
66
Soweit die Klägerin hierzu außergerichtlich vorgetragen hat, ihre Aufgabe habe in der
Ausweitung des europäischen Mediengeschäftes der ........-Gruppe gelegen, um am
Wachsen des europäischen Medienmarktes teilzunehmen, vermag der Senat dem nicht
zu folgen. Denn es ist nicht erkennbar, mit welchen Mitteln die Klägerin diese Aufgabe
hat wahrnehmen wollen. Gleiches gilt für den Vortrag, sie habe über ihre
Tochtergesellschaften den europäischen Markt erschließen wollen. Denn damit stellt
sich wieder die Frage der Zurechnung fremder Tätigkeiten. Welche Rolle die Klägerin
bei der Beschaffung günstiger Konditionen für den Vertrieb von ........-Produkten gespielt
haben will, ist nicht erkennbar. Abgesehen davon stellt sich bei all diesen Tätigkeiten
die Frage, weshalb gerade der Klägerin als ein Teil in einer großen
Unternehmensgruppe diese Aufgaben zugefallen sein sollen. Die Funktion der Klägerin
im Rahmen des Gesamtkonzerns ist nicht erkennbar.
67
§ 50d Abs. 1a EStG widerspricht nicht höherrangigem Recht. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidung vom 16.12.1999
im Verfahren 2 K 5329/98 sowie auf die Ausführungen des BFH im Revisionsurteil I R
38/00 vom 20.03.2002 (BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819). Beide Entscheidungen sind
den Beteiligten bekannt.
68
Aus diesem Grunde kommt nach Auffassung des Senats auch eine Vorlage der von der
Klägerin im Hilfsantrag aufgeworfenen Rechtsfrage an den EuGH nicht in Betracht.
Denn ausweislich Art. 1 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie steht diese Richtlinie der
Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von
Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegen. Damit wird dem nationalen
Gesetzgeber sowie den nationalen Gerichten als Kontrollinstanz gerade ermöglicht,
nationale Missbrauchsvorschriften wie z.B. § 50d Abs. 1a EStG zu erlassen und durch
die nationalen Gerichte auszulegen. Dies gilt zumindest für Fälle der vorliegenden Art,
in denen eine "klassische" Basisgesellschaft zwischen geschaltet worden ist (hierzu
BFH in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819).
69
III.
70
Die Revision war nicht zuzulassen.
71
Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
72
Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) scheidet
aus.
73
Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da
sie keine neuen Gesichtspunkte betrifft, die nicht schon in der neueren Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofes behandelt worden sind und die damit eine erneute
Entscheidung rechtfertigen könnten (zu dieser Voraussetzung grundsätzlicher
Bedeutung vgl. BFH-Beschluss vom 07.03.1994 V B 95/93, BFH/NV 1995, 650 m.w.N.).
74
Die - vorliegend möglicherweise für die Klägerin hohe - wirtschaftliche Bedeutung des
Falles ist für die Bedeutung des Rechtsstreites im revisionsrechtlichen Sinne, welche
nur die rechtliche Bedeutsamkeit meint, unerheblich (vgl. BFH, Beschluss vom
23.11.1994 - II B 111/93, BFH/NV 1995, 624).
75
Die Zulassung der Revision ist darüber hinaus auch nicht für die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Der BFH hat im
Revisionsverfahren betreffend eine Schwestergesellschaft der Klägerin (BFH in BFHE
198, 514, BStBl II 2002, 819) grundlegend zu den auch vorliegend streitigen
Rechtsfragen Stellung genommen.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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