Urteil des FG Köln vom 30.01.2008

FG Köln: gemeinde, treu und glauben, stadt, auskunft, zusage, vorsteuerabzug, eigentum, widmung, unternehmer, bindungswirkung

Finanzgericht Köln, 7 K 2926/04
Datum:
30.01.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2926/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den von
ihr in den Streitjahren durchgeführten Erschließungsmaßnahmen im Bereich des
Gewerbegebiets "IK" in L-Stadt zusteht.
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Die Klägerin wurde im Jahre 1994 unter der Firma B-GmbH der Gemeinde L-Stadt
gegründet.
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Alleingesellschafter der Klägerin war die Gemeinde L-Stadt.
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Gemäß § 2 des der Gründung zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages ist
Unternehmensgegenstand der Klägerin die Errichtung, der Bau, die Betreuung, die
Bewirtschaftung und Verwaltung von Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen,
darunter Eigenheime und Eigentumswohnungen. Das Unternehmen soll außerdem im
Bereich der Wohnungswirtschaft, des Städtebaus und der Infrastruktur anfallende
Aufgaben übernehmen, Grundstücke erwerben, belasten und veräußern sowie
Erbbaurechte ausgeben.
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Die Klägerin wurde am ...1994 ins Handelsregister eingetragen. Ausweislich des
Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts W-Stadt zum Aktz.: HR ... soll auch der
Erwerb, die Erschließung und die Veräußerung von Grundstücken zu dem Zweck, das
Angebot für Gewerbebetriebe im Gebiet der Gemeinde L-Stadt zu verbessern,
Unternehmensgegenstand der Klägerin sein.
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Am ...1998 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer verbindlichen
Auskunft betreffend die Erschließung eines Gewerbegebiets mit u.a. folgendem Inhalt:
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"Die B-GMBH beabsichtigt ernsthaft, mit der Gemeinde L-Stadt einen
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Erschließungsvertrag abzuschließen, der im wesentlichen Folgendes zum Inhalt hat:
Die Gemeinde überträgt der B-GMBH als Erschließungsträger gemäß § 124 Abs. 1
Baugesetzbuch (BauGB) die Erschließung eines Gewerbegebietes. Die B-GMBH
verpflichtet sich, die Erschließungsanlagen im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung zu erstellen. Der B-GMBH obliegt die Herstellung folgender
Erschließungsanlagen:
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1. öffentliche Erschließungsanlagen im Sinne von § 127 Abs. 2 BauGB
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a) die zum Anbau bestimmten Straßen, Fußwege einschließlich Entwässerung,
Beleuchtung und Begleitgrün,
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b) die Ausgleichsmaßnahmen,
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c) öffentliche Grünflächen,
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2. die leitungsgebundenen Einrichtungen
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a) öffentliche Kanalisation einschließlich der Grundstücksanschlüsse
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b) öffentliche Wasserleitungen einschließlich der Grundstücksanschlüsse und der
Einrichtungen für die Löschwasserversorgung
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3. die Freilegung der öffentlichen Erschließungsflächen.
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Soweit die Erschließung nicht Aufgabe der Gemeinde ist, veranlasst die B-GMBH die
Herstellung der erforderlichen Einrichtungen durch den zuständigen Träger.
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Die vorstehenden Maßnahmen führt die B-GMBH auf eigenen Grundstücken durch.
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Die Erschließungsanlagen (öffentliche Straßen, Fußwege, etc.) und weiteren
Erschließungsanlagen (Kanalisation, Wasserleitung) werden unentgeltlich an die
Gemeinde L-Stadt übertragen. Die Gemeinde wird einen Erschließungsbeitrag nach §
127 BauGB nicht erheben. Gesonderte Kanalanschlussbeiträge für die Grundstücke im
Erschließungsgebiet werden von der Gemeinde nicht festgesetzt.
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Die erschlossenen Grundstücke wird die B-GMBH unter Verzicht auf die
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 a UStG i. V. m. § 9 Abs. 2 UStG steuerpflichtig an fremde
Unternehmer veräußern. In die Veräußerungspreise fließen die Kosten für die o.g.
Erschließungsanlagen mit ein.
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Teilen Sie unsere Auffassung, dass die Übertragung der o.g. Erschließungsanlagen an
die Gemeine weder den Tatbestand des Eigenverbrauchs erfüllt noch zu einer Kürzung
des Vorsteuerabzugs führt?"
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Mit Schreiben vom 18.05.1998 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass nach seiner
Auffassung der beabsichtigte Erschließungsaufwand unteilbar mit den
Grundstücksflächen verbunden sei, die der Gemeinde übertragen werden sollten. Für
diesen Bereich handele es sich um hoheitliche Aufgaben des Empfängers, so dass für
das erforderliche Grundstücksgeschäft eine Optionsmöglichkeit nach § 4 Nr. 9 a UStG
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ausgeschlossen sei. Demzufolge würden die Vorsteuern bei der Klägerin im nicht
abzugsfähigen Bereich anfallen.
Mit Schreiben vom ...1998 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass eine Änderung
der beabsichtigten Vorgehensweise geplant sei. Dabei führte die Klägerin u.a. aus:
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"Zwischen der Gemeinde und der B-GMBH wird kein Erschließungsvertrag
abgeschlossen. Vielmehr bleibt die B-GMBH Eigentümer sämtlicher von ihr errichteter
Anlagen sowie der Grundstücke, soweit Straßen, Fußwege u. ä. angelegt wurden. Das
heißt sämtliche öffentlich zugänglichen Flächen sowie die errichteten Kanalisations-
und Wasserleitungsanlagen verbleiben im Eigentum der Klägerin. Die erschlossenen
Grundstücke wird die B-GMBH unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 a
UStG i. V. m. § 9 Abs. 2 UStG steuerpflichtig an fremde Unternehmer veräußern. In den
Veräußerungspreis fließen die Kosten für die o.g. Erschließungsanlagen mit ein.
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Teilen Sie unsere Auffassung, dass die auf die Kosten entfallende Umsatzsteuer, die
der B-GMBH für die Erschließung entstehen, als Vorsteuer abgezogen werden kann?"
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Mit Schreiben vom ...1998 wies der Beklagte die Klägerin nach Abstimmung mit dem
zuständigen Fachreferat der OFD ... darauf hin, dass auch gegen das mit Schreiben vom
19.06.1998 vorgetragene Modell im entscheidenden Punkt erhebliche Bedenken
bestünden. Denn nach dem Baugesetzbuch obliege die Erschließung der Gemeinde.
Diese könne deren tatsächliche Durchführung, nicht aber die hoheitliche Aufgabe selbst
übertragen. Insbesondere sei zu beachten, dass die Klägerin zu 100 % ein
gemeindeeigenes Unternehmen sei. Trage die Klägerin die tatsächliche Durchführung
der der Gemeinde obliegenden Erschließung, bestehe insoweit ein unmittelbares
Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Gemeinde. Die Klägerin sei aus den
zur Erfüllung dieses Leistungsverhältnisses anfallenden Vorleistungen bei Erfüllung der
gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorsteuerabzugsberechtigt. Soweit die
Klägerin der Gemeinde gegenüber aus diesem Leistungsverhältnis heraus unentgeltlich
tätig werden wolle, entstehe jedoch eine Umsatzsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3
UStG. Es handele sich dann um eine Leistung im Rahmen des Unternehmens an den
Anteilseigner. Die Bemessungsgrundlage hierfür bestimme sich nach § 10 Abs. 4 und
Abs. 5 UStG (Mindestbemessungsgrundlage).
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Mit Schreiben vom 03.08.1998 legte die Klägerin gegen die Ablehnung ihrer im
Schreiben vom 19.06.1998 dargelegten Rechtsauffassung bezüglich der Erteilung einer
verbindlichen Auskunft Einspruch ein.
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Mit Schreiben vom 28.09.1998 teilte die Klägerin in Ergänzung ihres Schreibens vom
...1998 zu dem dort geschilderten Sachverhalt mit, dass die nicht an die gewerblichen
Abnehmer zu verkaufenden Straßen und Flächen im Eigentum der Klägerin verbleiben
würden. Sie würden nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet.
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Daher fragte die Klägerin an, ob der Beklagte nunmehr die Auffassung der Klägerin
teile, dass die auf die Erschließungskosten entfallende Umsatzsteuer, die der Klägerin
für die Erschließung entstehe, als Vorsteuer abgezogen werden könne.
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Mit Schreiben vom ...1998 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:
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"In Ihren Schreiben vom ...1998 und ...1998 haben Sie den im Rahmen der
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verbindlichen Auskunft zu beurteilenden Sachverhalt nunmehr dahingehend geändert
habe, dass die B-GMBH ohne Vereinbarung eines Erschließungsvertrages mit der
Gemeinde L-Stadt die Erschließungsanlagen für ein Gewerbegebiet erstellt. Die
erschlossenen Grundstücke wird die B-GMBH unter Verzicht auf die Steuerbefreiung
nach § 4 Nr. 9 a UStG i. V. m. § 9 Abs. 2 UStG steuerpflichtig an fremde Unternehmer
veräußern. In die Veräußerungspreise werden die Erstellungskosten der
Erschließungsanlagen einfließen. Die nicht an gewerbliche Abnehmer zu verkaufenden
Straßen und Flächen verbleiben im Eigentum der B-GMBH. Insoweit erfolge keine
Übergabe an die Gemeinde L-Stadt.
Unter Berücksichtigung dieses geplanten Sachverhalts stellt die von anderen
Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für die Erstellung der
Erschließungsanlagen abzugsfähige Vorsteuer der B-GMBH dar.
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Umsatzsteuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber der Gemeinde
L-Stadt bzw. umsatzsteuerpflichtiger Eigenverbrauch liegen insoweit nicht vor.
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Ich weise darauf hin, dass diese Auskunft nach Treu und Glauben Bindewirkung nur
entfaltet, wenn der später verwirklichte Sachverhalt nicht von dem, dieser Auskunft
zugrunde liegenden Sachverhalt abweicht."
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Mit Schreiben vom ...1998 bedankte sich die Klägerin für die positive Antwort des
Beklagten im Schreiben vom ...1998. Der guten Ordnung halber stellte die Klägerin
jedoch klar, dass die Erschließungsmaßnahmen durch die Klägerin natürlich aufgrund
vertraglicher Vereinbarungen erfolgten. Insoweit seien die Ausführungen der Klägerin
im Schreiben vom ...1998, wonach zwischen der Gemeinde und der Klägerin kein
Erschließungsvertrag abgeschlossen werde, nicht ganz deutlich gewesen. Gemeint
gewesen sei, dass aufgrund von Vereinbarungen im Erschließungsvertrag das
Eigentum an den Erschließungsanlagen nicht übertragen werden würde.
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Da diese Klarstellung keine Auswirkungen auf die verbindliche Auskunft habe, werde
seitens der Klägerin auf eine Rückantwort des Beklagten verzichtet.
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Am ...1998 schloss die Klägerin sodann mit der Gemeinde L-Stadt einen
Erschließungsvertrag.
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Gemäß § 1 dieses Vertrages übertrug die Gemeinde L-Stadt der Klägerin gemäß § 124
Abs. 1 BauGB die Erschließung der in dem dem Vertrag beiliegenden Lageplan in
gelber Farbe umrandeten Grundstücke, die in dem rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. ...
(.... Bauabschnitt ...) ausgewiesen seien. Der Erschließungsunternehmer, die Klägerin,
verpflichtete sich danach, die in dem beigefügten Lageplan des Bebauungsplans Nr. ...
in gelber Farbe dargestellten Erschließungsanlagen bis spätestens zum 31.12.2005 im
eigenen Namen, auf eigene Rechnung und nach Maßgabe der nachfolgenden
Vertragsbestimmungen sowie der einschlägigen Rechtsvorschriften und der
anerkannten Regeln der Technik und Baukunst zu erstellen.
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Gemäß § 2 Abs. 2 des Vertrages sollte der Klägerin als Erschließungsunternehmer zum
einen die Herstellung öffentlicher Erschließungsanlagen i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB
obliegen, und zwar in Gestalt
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- der zum Anbau bestimmten Straßen und Fußwege einschließlich Entwässerung,
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Beleuchtung, Begleitgrün und Freilegung der öffentlichen Verkehrsflächen
- der Ausgleichsmaßnahmen
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- sowie der öffentlichen Grünflächen,
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Danben sollte die Klägerin auch zur Erstellung der leitungsgebundenen Einrichtungen
verpflichtet sein, und zwar in Form
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- der öffentlichen Kanalisation einschließlich der Grundstücksanschlüsse
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- sowie der öffentlichen Wasserleitungen einschließlich der Grundstücksanschlüsse und
der Einrichtungen für die Löschwasserversorgung.
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Des weiteren oblag der Klägerin die Herstellung von Regenüberlauf- und
Regenrückhaltbecken.
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Gemäß § 9 Abs. 1 des Erschließungsvertrages sollte der gesamte
Erschließungsaufwand vom Erschließungsunternehmer, der Klägerin, getragen werden.
Die Gemeinde sollte keine Kosten übernehmen.
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Gemäß § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages sollte die Gemeinde nach Erfüllung
dieses Vertrages durch den Unternehmer, die Klägerin, einen Erschließungsbeitrag
nach § 127 BauGB nicht erheben.
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Wegen der weitern Einzelheiten wird auf den Erschließungsvertrag vom ...1998 (Bl. 121
- 127 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
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In den Streitjahren 1998 bis 2001 führte die Klägerin die ihr gemäß dem vorgenannten
Erschließungsvertrag obliegenden Erschließungsmaßnahmen durch. Die von den
beauftragten Bauunternehmungen der Klägerin hierfür in Rechnung gestellten
Vorsteuerbeträge betrugen 41.230,00 DM in 1998, 498.436,00 DM in 1999, 10.035,00
DM in 2000 und 8.193,00 DM in 2001.
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Gleichzeitig begann die Klägerin damit, einzelne Gewerbegrundstücke an Investoren
bzw. Unternehmer unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 a UStG zu
veräußern. Dabei wurde ein Kaufpreis i. H. v. netto 85,00 DM/qm in erschlossenem
Zustand (einschließlich Erschließungsbeitrag - öffentliche Straße - sowie
Anschlussbeiträge für Kanalisation und Wasserversorgung ohne
Grundstückanschlüsse) erzielt. Auf den betreffenden Kaufpreis wurde jeweils die
gesetzliche Mehrwertsteuer mit 16 % aufgeschlagen und im jeweiligen notariellen
Kaufvertrag entsprechend ausgewiesen.
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Im Rahmen der erstmaligen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre wurde die
Klägerin entsprechend ihrer Umsatzsteuererklärung und damit unter Berücksichtigung
der genannten Vorsteuerbeträge zur Umsatzsteuer veranlagt. Die jeweils unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide datierten für 1998 vom
10.01.2000, für 1999 vom 14.03.2001, für 2000 vom 03.01.2002 und für 2001 vom
21.01.2003.
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Im Rahmen einer am 27.03.2002 angeordneten und im Laufe des Jahres 2002
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durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin, u. a. auch für die Umsatzsteuer
betreffend die Jahre 1998 bis 2000 gelangte der Beklagte zu der Feststellung, dass sich
die Klägerin als Erschließungsunternehmer in dem Erschließungsvertrag vom ...1998 u.
a. zur Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB
verpflichtet habe. Nach der Rechtsprechung handele es sich insoweit um öffentliche
Straßen, Wege oder Plätze, wenn diese nach Maßgabe des Landesstraßenrechts dem
öffentlichen Verkehr gewidmet seien. Aus diesem Erfordernis der Widmung folge, dass
nur tatsächlich öffentliche Straßen keine öffentlichen Straßen i. S. des § 127 Abs. 2
BauGB seien. Würden die Erschließungsanlagen allerdings öffentlich gewidmet, seien
sie jedoch privatwirtschaftlicher Nutzung entzogen. Dies habe der Bundesfinanzhof im
Urteil vom 07.12.1988 (II R 115/88, BStBl II 1989, 302) festgestellt. Der Vorsteuerabzug
sei in diesen Fällen zu versagen, da eine Zuordnung dieser Erschließungsanlagen zum
Unternehmensvermögen nicht möglich sei. Nur wenn die Erschließungsanlagen nach
deren Fertigstellung öffentlich zu widmen, oder auf die Gemeinde zu übertragen seien,
ergebe sich für die Grundstückserwerber eine ausreichende Rechtssicherheit. Die
Klägerin habe sich in den notariellen Kaufverträgen mit den Grundstückserwerbern zur
Übertragung von Baugrundstücken in erschlossenem Zustand verpflichtet und dieses
durch den Klammerzusatz "- einschließlich Erschließungsbeitrag - öffentliche Straße - "
näher erläutert. Durch den Hinweis auf den Erschließungsbeitrag sei hier eine
öffentliche Straße i. S. des § 127 BauGB vertraglich zugesagt worden, d. h. es müsse
sich um eine öffentlich gewidmete Straße handeln. Eine andere Auslegung der
Kaufverträge würde dazu führen, dass der Grundstückserwerber zwar einen Anspruch
auf die Erschließung des erworbenen Grundstücks habe, nicht aber auf dessen
Unterhaltung durch die Klägerin. Der zwischen der Klägerin und der Gemeinde L-Stadt
als Alleingesellschafterin geschlossene Erschließungsvertrag halte einem
Fremdvergleich nicht stand. Eine private, nicht gemeindeeigene,
Erschließungsgesellschaft, hätte die Erschließung nur übernommen, wenn ihr eine
öffentliche Widmung oder eine Übertragung auf die Gemeinde nach Fertigstellung der
Erschließungsanlagen zugesagt worden wäre. Mit einem Verbleib der Anlagen im
Eigentum und in der Verantwortung der Erschließungsgesellschaft entstünden dieser
zukünftig nicht zu kalkulierende Unterhaltungskosten, die im Kaufpreis für die
erschlossenen Baugrundstücke nicht enthalten sein könnten.
Aus diesem Grunde sei der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den von ihr
durchgeführten Erschließungsmaßnahmen zu versagen.
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Auf der Grundlage dieser Feststellungen der Betriebsprüfung änderte der Beklagte
sodann mit auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Änderungsbescheiden hinsichtlich der Jahre
1998 bis 2000 vom 11.02.2003 sowie hinsichtlich des Streitjahres 2001 vom 02.07.2003
die Umsatzsteuerbescheide und berücksichtigte nunmehr die genannten
Vorsteuerbeträge aus den betreffenden Erschließungsmaßnahmen nicht mehr.
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Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein, die der Beklagte mit
Einspruchsentscheidungen vom 27.04.2004 als unbegründet zurückwies.
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Dabei stellte der Beklagte im wesentlichen darauf ab, dass sich im Streitfall die Klägerin
in dem genannten Erschließungsvertrag mit der Gemeinde L-Stadt dazu verpflichtet
habe, öffentliche Erschließungsanlagen i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB zu errichten.
Straßen und Wege i. S. dieser Vorschrift seien regelmäßig dem öffentlichen Verkehr
gewidmete Straßen und Wege und nicht der Öffentlichkeit zugängliche Privatstraßen.
Daher müsse die Gemeinde die von der Klägerin errichteten Straßen und Wege dem
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öffentlichen Verkehr widmen. Nur in diesem Fall ergebe sich für die
Grundstückserwerber eine ausreichende Rechtssicherheit. Der zwischen der Klägerin
und der Gemeinde L-Stadt abgeschlossene Erschließungsvertrag halte daher letztlich
einem Fremdvergleich nicht stand. Eine nicht gemeindeeigene, also rein private
Erschließungsgesellschaft hätte unter diesen Umständen die Erschließung nicht
übernommen.
Die Klägerin könne sich für ihre Vorsteuerabzugsberechtigung auch nicht auf die
Erteilung einer verbindlichen Auskunft durch den Beklagten berufen.
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Die Klägerin habe nämlich im Rahmen ihres Antrags auf Erteilung einer verbindlichen
Auskunft vom ...1998 unmissverständlich erklärt, dass zwischen ihr und der Gemeinde
L-Stadt kein Erschließungsvertrag abgeschlossen werde. Dies habe insbesondere im
Hinblick auf die mehrfach modifizierten Anfragen im Vorfeld keinen anderen Schluss
zugelassen, als dass eben im Gegensatz zu den vorherigen Fallkonstellationen kein
Vertrag abgeschlossen werden solle. Jedenfalls sei in der daraufhin schließlich erteilten
verbindlichen Auskunft in der Sachverhaltsdarstellung ausdrücklich davon
ausgegangen worden, dass die Klägerin die Erschließungsanlagen für die Gemeinde L-
Stadt ohne Vereinbarung eines Erschließungsvertrages herstellen solle. Da der von der
Klägerin tatsächlich verwirklichte Sachverhalt, nämlich der Abschluss eines
Erschließungsvertrages mit der Gemeinde L-Stadt, von den dem Beklagten zuletzt
mitgeteilten Sachverhalt deutlich und in einem wesentlichen Punkt abweiche, könne die
erteilte verbindliche Auskunft keine Bindungswirkung für den Beklagten entfalten.
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Im Rahmen ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend,
dass entgegen der Auffassung des Beklagten die Vorschrift des § 127 Abs. 2 BauGB
nicht zwingend vorsehe, dass durch eine private Erschließungsgesellschaft erstellte
Erschließungsanlagen zwingend öffentlich zu widmen seien.
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Im Streitfall seien die betreffenden Erschließungsanlagen im Eigentum der Klägerin
verblieben und nicht öffentlich gewidmet worden. Insbesondere bestehe auch keine
Pflicht zur öffentlichen Widmung dieser Erschließungsanlagen, und zwar weder aus §
127 BauGB, noch aus § 6 Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (StrWG).
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Durch die nicht erfolgte Widmung der betreffenden Erschließungsanlagen als öffentlich-
rechtliche Straßen und Wege ergebe sich auch keine Unsicherheit für die Erwerber.
Vielmehr folge aus dem abgeschlossenen Erschließungsvertrag eindeutig, dass die
Klägerin sich zur Unterhaltung der Anlagen zugunsten der späteren Erwerber
verpflichtet habe.
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Des weiteren sei im Streitfall auf die Verfügung der OFD ... vom 22.09.2004
hinzuweisen, wonach das BMF-Schreiben vom 07.06.1977 dann weiterhin Geltung
habe, wenn die betreffenden Eingangsumsätze in Gestalt der Bauleistungen bis zum
18.08.2000 getätigt worden seien. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt.
Entsprechend den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 07.06.1977, richte sich die
Abziehbarkeit der auf die Anlagen entfallenden Vorsteuern nach der umsatzsteuerlichen
Behandlung der Ausgangssätze des Bauunternehmers, nämlich der Verwendung des
erschlossenen Grundstücks. Dies solle sowohl in den Fällen gelten, in denen die
betreffenden erschlossenen Grundstücke auf die Gemeinde unentgeltlich übertragen
würden, als auch für die Fälle, in denen die Erschließungsanlagen im Eigentum des
Erschließungsträgers verblieben.
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Im Streitfall sei entscheidend, dass die Kosten für die Herstellung der
Erschließungsanlagen insgesamt von der Klägerin getragen worden und später
umsatzsteuerpflichtig an die Grundstückserwerber weiter belastet worden seien, so dass
die Erschließungsmaßnahmen den steuerpflichtigen Umsätzen an die privaten
Grundstückserwerber zuzurechnen seien. Die Erschließungsmaßnahmen seien im
Streitfall vollumfänglich für die entgeltlichen, steuerpflichtigen, Grundstückslieferungen
an die privaten Erwerber verwendet worden. Daher könne die auf den
Eingangsleistungen, die Erschließungsmaßnahmen, beruhende Vorsteuer abgezogen
werden, da die betreffenden Eingangsleistungen in direkten und unmittelbaren
Zusammenhang mit den Ausgangsleistungen, der umsatzsteuerpflichtigen Veräußerung
der betreffenden erschlossenen Grundstücke als dem auf der nachfolgenden Stufe
getätigten Umsatz, stünden.
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Demgegenüber sei kein Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und der Gemeinde
L-Stadt erfolgt, denn die Erschließungsanlagen seien im Eigentum der Klägerin
verblieben. Eine Widmung, zu der die Klägerin im übrigen auch nicht verpflichtet sei, sei
ebenfalls nicht erfolgt. Auch habe die Gemeinde L-Stadt der Klägerin keinen Zuschuss
für die Erschließung sämtlicher Grundstücke gezahlt. Die Klägerin habe im Vorfeld des
Abschlusses des Erschließungsvertrages ausdrücklich auf eine Inanspruchnahme von
Landesmitteln verzichtet. Des weiteren hätten die Leistungsbezüge auch nicht einer
Erschließung von öffentlichen Flächen und Straßen gedient, da diese nicht auf die
Gemeinde übertragen worden seien. Folglich stünden die Erschließungskosten auch
nicht in einem direkten Zusammenhang mit einer Lieferung der Grundstücke an die
Gemeinde. Eine solche Lieferung sei nicht erfolgt, vielmehr seien die
Erschließungsmaßnahmen unmittelbar für die entgeltliche Grundstückslieferung an die
privaten Erwerber verwendet worden.
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Demzufolge seien die Eingangsaufwendungen auch nicht einer fiktiven unentgeltlichen
Leistung der Klägerin an die Gemeinde L-Stadt zuzuordnen, sondern allein und
unmittelbar an die umsatzsteuerpflichtigen Veräußerungen der Baugrundstücke an die
Enderwerber gebunden.
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Bereits aus dem Wortlaut der mit den Grundstückserwerbern geschlossenen
Kaufverträge ergebe sich, dass sich der Preis inklusive der
Erschließungsaufwendungen verstehe. Auch damit werde deutlich, dass die Kosten der
Eingangsleistungen direkt den Verkaufsumsätzen zuzuordnen seien, da sie
ausschließlich Kostenelemente dieser Ausgangsumsätze seien. Dies sei in den
Preiskalkulationen, die die Klägerin für die Grundstücke angestellt habe, eindeutig
niedergelegt.
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Demzufolge würde im Streitfall eine Mindestbemessungsgrundlage auch nur dann eine
Rolle spielen, wenn die Klägerin aus den Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug in
Anspruch genommen hätte, und die Erschließungsanlagen unentgeltlich auf ihre
Gesellschafterin übertragen hätte. Aufgrund der Tatsache, dass keine
Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der Gemeinde L-Stadt bestehe, könnten
die im Rahmen der Erschließung entstandenen Kosten aber auch nicht einem solchen
Verhältnis zugeordnet werden.
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Würde man anders verfahren, käme es im Streitfall zu einer ungerechtfertigten
umsatzsteuerlichen Doppelbelastung, denn die Erschließungsaufwendungen würden
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einerseits, wie auch tatsächlich geschehen, inklusive Umsatzsteuer an die
Grundstückserwerber weiterbelastet. Andererseits würde die Umsatzsteuer aus der
Herstellung der Anlagen aber im Rahmen einer fiktiven unentgeltlichen Leistung der
Klägerin an die Gemeinde L-Stadt dieser ein zweites Mal entstehen.
Damit könne im Streitfall lediglich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang
zwischen dem Eingangsumsatz und dem Umsatz der nachfolgenden Stufe, dem
Verkauf der Grundstücke an die Enderwerber, vorliegen, und die Klägerin sei daher zum
Vorsteuerabzug berechtigt.
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Letztlich dürfe der Klägerin der Vorsteuerabzug auch deshalb nicht versagt werden, weil
die Auskunft des Beklagten vom ...1998 verbindliche Wirkung entfalte. Soweit der
Beklagte demgegenüber auf dem Standpunkt stehe, dass die betreffende Auskunft eine
solche verbindliche Wirkung nicht entfalte, da der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt
von dem durch den Beklagten bei Erteilung der Auskunft angenommenen Sachverhalt
abweiche, so sei dies nicht zutreffend.
72
Soweit die Klägerin im Schreiben vom ...1998 erklärt habe, dass der Abschluss eines
Erschließungsvertrages zwischen der Klägerin und der Gemeinde L-Stadt nicht
vorgesehen sei, so liege hierin eine lediglich nicht erhebliche Modifikation des bereits
mit Schreiben vom 06.05.1998 mitgeteilten Sachverhalts. Denn die Erklärung, keinen
Erschließungsvertrag mit der Gemeinde L-Stadt abschließen zu wollen, enthalte
lediglich die Aussage, keinen Vertragsabschluss in der zuvor beabsichtigten Form
herbeiführen zu wollen. Die Klägerin sei weiterhin in Übereinstimmung mit dem zuerst
gestellten Antrag davon ausgegangen, dass es selbstverständlich zu einem irgendwie
geachteten vertraglichen Einverständnis zwischen den Vertragsparteien kommen
musste, denn die vorgesehene Änderung habe nur darin bestanden, dass die Klägerin
nunmehr Eigentümerin der Flächen und Anlagen bleiben sollte.
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Unzweifelhaft habe auch der Inhalt der weiteren Erörterungen zwischen den Parteien
gezeigt, dass keine grundlegende Sachverhaltsänderung vorgenommen worden sei,
von der der Beklagte aufgrund der engen Einbindung durch die Klägerin keine Kenntnis
gehabt habe.
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Nach erneuter Negativbescheidung des Antrags vom ...1998 habe sich im Rahmen
einer Besprechung im Umsatzsteuerreferat der damaligen OFD Köln ergeben, dass als
wesentlicher Punkt des vorliegenden Sachverhalts nicht der Abschluss eines
Erschließungsvertrages anzusehen sei, sondern vielmehr, dass die erschlossenen
Straßenflächen nicht durch eine förmliche Allgemeinverfügung öffentlich gewidmet
werden.
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Als für den Beklagten erkennbare unmittelbare Folge dieser Besprechung des
Schreibens des Beklagten vom ...1998 sei seitens der Klägerin daraufhin am
28.09.1998 ein weiterer Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt
worden, in dem nunmehr erklärt worden sei, dass auf die öffentliche Widmung der
Anlagen verzichtet werde. Diesen Antrag habe der Beklagte am ...1998 positiv
beschieden.
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Soweit daher in der verbindlichen Auskunft vom ...1998 auf das Fehlen eines
Erschließungsvertrages mit der Gemeinde L-Stadt eingegangen werde, so sei dies nur
dahingehend zu verstehen, dass auf einen Vertragsabschluss im klassischen Sinne
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verzichtet werde, nicht aber generell auf eine vertragliche Übereinkunft.
Der die Auskunft erteilende Sachbearbeiter sei folglich über den Sachverhalt
vollumfänglich informiert gewesen, der auch in allen wesentlichen Punkten mit dem
erörterten Sachstand und den in den früheren Anträgen dargelegten Gegebenheiten
übereingestimmt habe.
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Die Beteiligten seien mithin nicht von wesentlich abweichenden Sachverhalten
ausgegangen. Bestehe aber eine solche Sachverhaltsidentität, trete eine
Bindungswirkung ein.
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Darüber hinaus habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom ...1998 zur Vermeidung von
Missverständnissen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie weiterhin von dem
Abschluss vertraglicher Vereinbarungen zwischen ihr und der Gemeinde L-Stadt
ausgehe und lediglich aufgrund dieser Vereinbarungen kein Eigentum an den
Erschließungsanlagen auf die Gemeinde L-Stadt mehr übertragen werden solle. Diese
Klarstellungen seien in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Erteilung der verbindlichen
Auskunft vom 02.10.1998 erfolgt.
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Aufgrund der fehlenden Rückäußerung durch den Beklagten habe nur davon
ausgegangen werden können, dass sich auch aus der Sicht des Beklagten aus der
Klarstellung keine entscheidende Änderung für die verbindliche Auskunft ergeben habe
und der Beklagte die Darstellungen der Klägerin bereits bei Erteilung der Auskunft in
der vorliegenden Weise gewürdigt habe.
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Durch die ausgebliebene Rückantwort habe der Beklagte einen Vertrauenstatbestand
geschaffen. Denn insoweit sei der Eindruck erweckt worden, dass gerade keine
wesentliche Modifikation des zugrunde gelegten Sachverhalts stattgefunden habe.
Denn das Schweigen bestätige letztlich die berechtigte Annahme der Klägerin, der
Beklagte würde ihre Auffassung, dass sich gerade keine Auswirkungen auf die
verbindliche Auskunft ergeben würden, teilen.
82
Darüber hinaus habe sich der Weg zur Erlangung der verbindlichen Auskunft als ein
längerer Diskussionsprozess dargestellt, in dessen Verlauf der Beklagte ständig
eingebunden gewesen sei. Mehrere Anfragen der Klägerin zur rechtlich korrekten
Behandlung der berechneten Umsatzsteuer vom 06.05.1998, 19.06.1998 und
schließlich vom 28.09.1998, sowie die mündliche Erörterung im Umsatzsteuerreferat der
damaligen OFD ... machten deutlich, dass der Beklagte zu jeder Zeit über das Vorhaben
der Klägerin und die diesbezüglichen Modifikationen informiert gewesen sei. Bereits
deshalb könne im Zeitpunkt der letzten Anfrage der Klägerin auch nicht von einer
grundlegenden Sachverhaltsänderung ausgegangen werden. Tatsache sei, dass der
Beklagte von Anbeginn an mit sämtlichen wesentlichen Sachverhaltsgrundlagen
vertraut gewesen sei, die ihm im Verlauf der fast sechsmonatigen Diskussion seitens
der Klägerin mehrfach unterbreitet worden seien.
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Insbesondere habe die Klägerin in ihrem letzten Antragsschreiben vom 28.09.1998
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie an der Erteilung der verbindlichen Auskunft
ein besonderes steuerliches Interesse habe, da der Abschluss des
Erschließungsvertrages nur bei Bejahung der von ihr vertretenen Rechtsauffassung
erfolgen solle. Schon in der Besprechung im Umsatzsteuerreferat der damaligen OFD ...
vom 22.06.1998 habe die Klägerin nicht geäußert, vom Abschluss eines
84
Erschließungsvertrages gänzlich Abstand nehmen zu wollen. Kernpunkt der
Besprechung sei gewesen, dass für eine positive Bescheidung der beiden
vorangegangenen Anfragen vom 06.05.1998 und 19.06.1998 nicht der Abschluss eines
Erschließungsvertrages, sondern vielmehr der Verzicht auf eine öffentliche Widmung
der Straßenflächen ausschlaggebend gewesen sein sollte.
Deshalb könne sich der Beklagte nicht darauf stützen, dass eine grundlegende
Sachverhaltsänderung stattgefunden habe.
85
Die Gemeinde L-Stadt hat auf Anfrage des Gerichts am 02.01.2008 mitgeteilt, dass die
Erschließungsanlagen im IK in L-Stadt in zivilrechtlichen Eigentum der Klägerin stehen
und diesbezüglich aktuelle Grundbuchauszüge des Amtsgerichts W-Stadt vorgelegt.
86
Sie hat des weiteren darauf hingewiesen, dass eine öffentliche, förmliche Widmung der
im Gewerbegebiet IK befindlichen Straßen bisher nicht erfolgt sei und sich die Straßen
daher auch nicht im Straßenverzeichnis befinden würden.
87
Die Klägerin beantragt,
88
Vorsteuerbeträge in Höhe von 41.230,00 DM in 1998, 498.436,00 DM in 1999,
10.035,00 DM in 2000 und 8.193,00 DM in 2001 zum Abzug zuzulassen und die
Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend herabzusetzen,
89
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
90
Der Beklagte beantragt,
91
die Klage abzuweisen,
92
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
93
Der Beklagte hat im Streitfall keinen Zweifel daran, dass die Gemeinde L-Stadt durch
die Klägerin trotz der offensichtlich immer noch fehlenden formellen Widmung die
Anlieger so behandele, als seien sie Anlieger einer öffentlichen Straße. Da die
Gewerbetreibenden seinerzeit in gleichlautenden Kaufverträgen einen Kaufpreis je qm
in erschlossenem Zustand einschließlich Erschließungsbeitrag für öffentliche Straßen
sowie Anschlussbeiträge für die Kanalisation entrichtet hätten, hätten sie davon
ausgehen müssen und können, dass die Gemeinde eben hieraus ihre Berechtigung zur
Erhebung der Straßenreinigungsgebühren oder der Gebühren für Winterdienste
schöpfe. Es könne daher nicht darauf ankommen, dass es bisher an der förmlichen
Widmungsverfügung, aus welchen Gründen auch immer, fehle.
94
Die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin könne im Streitfall auch nicht aus einer
mit verbindlicher Wirkung erteilten verbindlichen Auskunft oder Zusage abgeleitet
werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe der der verbindlichen Zusage
zugrunde liegende Sachverhalt gerade nicht in allen wesentlichen Punkten mit dem
Antragssachverhalt übereingestimmt. Es sei vielmehr eine grundlegende
Sachverhaltsänderung vorgenommen worden. Wesentlich sei allein schon die
Tatsache, dass ein Erschließungsvertrag, von dem vorher keine Rede gewesen sei,
zwischen der Klägerin und der Gemeinde abgeschlossen worden sei. So irre die
Klägerin, wenn sie davon ausgehe, der Beklagte hätte auch bei vorheriger Kenntnis des
95
Erschließungsvertrages eine verbindliche Zusage in dieser Form erteilt. Wäre dem
Beklagten nicht nur der Erschließungsvertrag als solcher, sondern auch dessen Inhalt
bekannt gewesen, hätte er die Zusage in dieser Form verbindlich gerade nicht erteilt.
Insbesondere die Bezugnahme im Erschließungsvertrag auf § 127 Abs. 2 BauGB hätte
dem Antragsverfahren dann nicht nur einen anderen Erörterungsverlauf gegeben,
sondern auch zu einer völlig anderen rechtlichen Würdigung geführt. Die Rechtsfragen,
die jetzt in diesem Klageverfahren kontrovers erörtert würden, wären bereits vor
Erteilung der verbindlichen Auskunft diskutiert worden. Dass der Beklagte mit
sämtlichen wesentlichen Sachverhaltsgrundlagen vertraut gewesen sei, werde vor
diesem Hintergrund bestritten.
Entscheidungsgründe
96
Die Klage ist nicht begründet.
97
Der Klägerin steht zwar entgegen der Auffassung des Beklagten der Vorsteuerabzug
aus ihren Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Herstellung der
streitbefangenen Erschließungsanlagen zu. In identischer Höhe steht dieser
Vorsteuerabzugsberechtigung jedoch die Umsatzsteuerpflicht der seitens der Klägerin
an die Gemeinde L-Stadt erbrachten Ausgangsleistungen gegenüber.
98
I. Hinsichtlich derjenigen Vorsteuerbeträge, die der Klägerin im Zusammenhang mit der
Herstellung der Erschließungsanlagen im Gewerbegebiet IK in L-Stadt entstanden sind,
ist diese zunächst einmal dem Grunde nach vorsteuerabzugsberechtigt gemäß § 15
Abs. 1 Nr. 1 UStG.
99
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des
§ 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen,
die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge abziehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind
hinsichtlich der Vorsteuerbeträge für die von der Klägerin in Anspruch genommenen
Leistungen der Bauunternehmen zur Herstellung der Erschließungsanlagen im
Gewerbegebiet IK in L-Stadt erfüllt.
100
2. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die
Steuer für Leistungsbezüge, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze
verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten
Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil
zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der
jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom
Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist, § 15 Abs. 4 UStG.
101
Im Streitfall hat die Klägerin die von ihr bezogenen Eingangsleistungen in Gestalt der
Bauleistungen zur Errichtung der Erschließungsanlagen gerade nicht zur Ausführung
umsatzsteuerfreier Ausgangsleistungen verwendet. Die betreffenden
Eingangsleistungen stehen vielmehr in einem unmittelbaren
Verwendungszusammenhang mit den von der Klägerin insoweit an die Gemeinde L-
Stadt erbrachten Ausgangsleistungen in Gestalt der Durchführung der streitbefangenen
Erschließungsmaßnahmen.
102
3. Überträgt eine Gemeinde die Erschließung eines Bebauungsgebiets, das im
103
Eigentum einer gemeindeeigenen, aber selbständigen Erschließungsträgergesellschaft
steht, dieser Erschließungsträgergesellschaft, die das Bebauungsgebiet sodann in
erschlossenem Zustand an private Investoren veräußert, so kann die in der Errichtung
der betreffenden Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen liegende Leistung
dieser Erschließungsträgergesellschaft gedanklich unterschiedlichen Leistungsebenen
zugeordnet werden.
So kann die Durchführung der Erschließungsmaßnahme als eine Eingangsleistung
angesehen werden, die mit der Veräußerung der nunmehr erschlossenen
Bebauungsflächen an die privaten Investoren als Ausgangsumsatz (erste
Leistungsebene) in unmittelbarem Zusammenhang steht, denn immerhin werden durch
die Erschließung werthaltigere Bebauungsflächen geschaffen und veräußert.
104
Im Falle der vereinbarten Rückübertragung der Erschließungsflächen und
Erschließungsanlagen seitens des Erschließungsträgers auf die betreffende Gemeinde,
was in der Praxis wohl den Regelfall darstellen dürfte, könnte die insoweit maßgebliche
Ausgangsleistung aber gerade auch in dieser Rückübertragung (zweite
Leistungsebene) zu sehen sein, denn letztlich sind die Erschließungsmaßnahmen als
Eingangsleistungen gegenständlich den betreffenden Erschließungsflächen und
Erschließungsanlagen zugeordnet, was einen unmittelbaren
Verwendungszusammenhang zwischen den Erschließungsmaßnahmen und der
Übertragung der betreffenden Flächen und Anlagen nahe legen würde. Diese zweite
Leistungsebene scheidet im Streitfall allerdings angesichts der, zur Überzeugung des
Senats feststehenden, nicht erfolgten Rückübertragung der Erschließungsflächen und
Erschließungsanlagen auf die Gemeinde aus.
105
Aber auch für den Fall, dass der Erschließungsträger die von ihm geschaffenen
Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen nicht auf die Gemeinde überträgt,
kann eine an die Gemeinde gerichtete Leistung als für den notwendigen
Verwendungszusammenhang maßgeblicher Ausgangsumsatz vorliegen. Denn
verpflichtet sich der Erschließungsträger in einem entsprechenden
Erschließungsvertrag gegenüber einer Gemeinde, die an sich ihr, der Gemeinde, nach
den einschlägigen Bestimmungen des Baugesetzbuchs obliegende Erschließung eines
Bebauungsgebiets vorzunehmen, so erbringt der Erschließungsträger damit aber
zugleich eine sonstige Leistung gegenüber der Gemeinde und zwar in Gestalt einer
Geschäftsbesorgung oder allgemeinen Dienstleistung (dritte Leistungsebene).
106
Im Streitfall stehen aber die von der Klägerin im Zusammenhang mit den
Erschließungsmaßnahmen bezogenen Eingangsleistungen auf der vorgenannten
dritten Leistungsebene in einem unmittelbaren Verwendungszusammenhang mit der
gegenüber der Gemeinde L-Stadt erbrachten Geschäftsbesorgung in Gestalt der
Durchführung der betreffenden Erschließungsmaßnahmen.
107
a) Der Bundesfinanzhof hat hinsichtlich der Leistungen, die ein privater
Erschließungsträger in der Rechtsform einer GmbH zur Herstellung von öffentlichen
Erschließungsanlagen zur Erfüllung entsprechender Verpflichtungen aus einem
Erschließungsvertrag im Sinne des § 124 BauGB erbringt, ausgeführt, dass die
Zurechnung von mit Vorsteuerbeträgen belasteten Leistungsbezügen zu
Verwendungsumsätzen nicht nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von
Eingangsumsätzen erfolgen könne. Das Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von
Eingangsumsätzen widerspreche vielmehr den gemeinschaftsrechtlich geltenden
108
Vorgaben zur Prüfung des Zusammenhangs der Eingangsumsätze mit
Verwendungsumsätzen nach Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie (vgl. das Urteil des BFH
vom 09.11.2006 V R 9/04, BStBl II 2007, 285 m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH
sowie des BFH). Nach Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist der Steuerpflichtige zum
Vorsteuerabzug befugt, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke
seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (z.B. Urteil vom 08.06.2000 C-98/98 -
Midlandbank - DStRE 2000, 927) ist Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie so auszulegen, dass
grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem
bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden
Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, bestehen muss, damit der Steuerpflichtige
zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden
kann (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2005 V R 14/04, BFH/NV 2006, 1233). Das Recht auf
Vorsteuerabzug ergibt sich grundsätzlich daraus, dass die Aufwendungen für den
Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind. Der vom
Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck ist dabei unerheblich. Da § 15 UStG auf
Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie beruht, ist auch diese Vorschrift nach den vorstehend
aufgeführten Grundsätzen auszulegen. Ausfluss dieser Rechtsgrundsätze ist nach
Auffassung des BFH der Vorrang eines gegenständlichen verstandenen
Verwendungszusammenhangs von Eingangs- und Ausgangsleistung vor einer nur
wirtschaftlichen Zurechnung bzw. einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. BFH-
Urteil vom 09.11.2006 V R 9/04, a.a.O).
109
b) Mit den vorgenannten Grundsätzen ist jedoch die Auffassung der Klägerin, wonach
die betreffenden Eingangsleistungen, also die Herstellung der Erschließungsflächen
und Erschließungsanlagen, mit den Grundstücksveräußerungen an die privaten
Investoren in direkten, konkreten und unmittelbaren Zusammenhang stehe, nicht zu
vereinbaren. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind im Streitfall die
Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen im IK in L-Stadt nicht für die
Grundstücksverkäufe an die privaten Investoren im umsatzsteuerlichen Sinne verwendet
worden. Denn die betreffenden Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen sind
gerade nicht auf die privaten Investoren übertragen worden, diesen also nicht geliefert
worden im Sinne eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und
Ausgangsumsätzen. Die privaten Investoren und Grundstückserwerber profitieren zwar,
jedenfalls was die Benutzbarkeit der Grundstücke anbelangt, unmittelbar von dem
Umstand, dass sich die betreffenden Grundstücke in einem erschlossenen Zustand
befinden,. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Eigenschaft des betreffenden
Grundstücks aufgrund der von der Klägerin durchgeführten Erschließungsmaßnahmen
und nicht um eine Lieferung oder sonstige Leistung, die die Klägerin auf der Grundlage
einer schuldrechtlichen Verpflichtung im Rahmen eines Leistungsaustauschs an die
Grundstückserwerber erbracht hat. Auch der Umstand, dass es aufgrund der
Durchführung der Erschließung zu einer Werterhöhung hinsichtlich der veräußerten
Grundstücke gekommen ist, kann insoweit nicht ausschlaggebend für die Zuordnung
der betreffenden Eingangsleistungen zu den Grundstücksveräußerungen sein.
110
Denn unter Berücksichtigung des Vorrangs einer gegenständlichen Zurechnung von
Eingangsumsätzen vor einer wie auch immer gearteten wirtschaftlichen
Betrachtungsweise bleibt insoweit dennoch festzuhalten, dass den privaten
Grundstücksinvestoren zwar erschlossene Bebauungsflächen veräußert worden sind,
die Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen als solche aber im Eigentum der
111
Klägerin verblieben sind.
Mit der Durchführung der Erschließungsmaßnahmen ist die Klägerin vielmehr ihrer
vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Gemeinde L-Stadt nachgekommen, für eine
sach- und fachgerechte Erschließung des betreffenden Gebiets zu sorgen und damit die
vertraglich zugesagte Geschäftsbesorgung für die Gemeinde L-Stadt zu erbringen. Auch
wenn die betreffenden Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen bislang noch
nicht auf die Gemeinde L-Stadt übertragen worden sind, so stehen die
Erschließungsmaßnahmen dennoch in einem unmittelbaren
Verwendungszusammenhang mit dem diesbezüglichen Ausgangsumsatz der Klägerin
an die Gemeinde L-Stadt, nämlich mit der Erfüllung der entsprechenden
Geschäftsbesorgungsverpflichtung. Denn ohne Inanspruchnahme der betreffenden
Herstellungsarbeiten auf der Eingangsseite hätte letztlich nicht die zugesagte
Dienstleistung in Gestalt der erfolgreichen, sach- und fachgerechten Erschließung des
Bebauungsgebietes als Ausgangsumsatz an die Gemeinde verwirklicht werden können.
Mit der Inanspruchnahme der Eingangsleistungen hat die Klägerin dabei praktisch
zeitgleich die ihr obliegende Ausgangsleistung an die Gemeinde L-Stadt erbracht.
112
Die Gemeinde L-Stadt hat somit im Rahmen des Erschließungsvertrages vom
18.11.1998 von der ihr nach § 124 Abs. 1 BauGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch
gemacht, die Durchführung der grundsätzlich ihr als dem zuständigen Hoheitsträger
obliegenden Erschließung von Grundstücken gemäß § 123 BauGB auf die Klägerin zu
übertragen. Damit erbringt die Klägerin aber eine sonstige Leistung in Gestalt einer
konkreten Dienstleistung für die Gemeinde L-Stadt, der ansonsten die Vornahme der
betreffenden Erschließungsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch oblegen hätte. Und
diese von der Klägerin erbrachte Dienstleistung beruht auch auf einem
synallagmatischen Leistungsaustauschverhältnisses in Gestalt einer schuldrechtlichen
Vertrages.
113
II. Die Klägerin hat diese sonstige Leistung gegenüber der Gemeinde L-Stadt auch
entgeltlich im Sinne des § 10 Abs. 1 UStG erbracht.
114
1. Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung als gegen Entgelt ausgeführt und deshalb
als steuerbarer Umsatz im Sinne de § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zu erfassen ist, setzt
das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung
und einer empfangenen Gegenleistung voraus. Der Leistungsempfänger muss
identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner
Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen
Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. BFH-Urteil vom 09.11.2006 V R 9/04, a.a.O., mit
Nachweisen zur Rspr. des EuGH).
115
In Fällen, in denen ein anderer Unternehmer die Erfüllung der Aufgaben einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit
Geldzahlungen erhält, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen des
Leistenden mit dem Zahlungen, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der
Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung richtet. Bei
Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen
Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor
(vgl. BFH-Urteil vom 09.11.2006 V R 9/04, a.a.O.).
116
2. Im Streitfall sieht der Erschließungsvertrag vom ...1998 zwar in § 9 vor, dass der
117
gesamte Erschließungsaufwand vom Erschließungsunternehmen zu tragen sei und die
Gemeinde L-Stadt keine Kosten übernehme.
In § 9 Abs. 2 dieses Vertrages wird jedoch festgelegt, dass nach Erfüllung des
Erschließungsvertrages durch den Erschließungsträger die Gemeinde keinen
Erschließungsbeitrag nach § 127 BauGB von den Grundstückseigentümern erheben
wird. Der erkennende Senat sieht in diesem Verzicht auf die Geltendmachung der
Erschließungsbeiträge, die die Gemeinde ansonsten, sofern sie die
Erschließungsmaßnahmen selbst und unmittelbar durchgeführt hätte, nach den
Bestimmungen des Baugesetzbuches von den Eigentümern der betreffenden
erschlossenen Grundstücke hätte erheben können, eine konkrete Gegenleistung
gegenüber der Klägerin für die von ihr, der Klägerin, erbrachten sonstigen Leistungen im
Zusammenhang mit der Übernahme der betreffenden Erschließungsmaßnahme. In
wirtschaftlicher Hinsicht ermöglicht es erst dieser Verzicht auf die Erhebung von
Erschließungsbeiträgen gegenüber der Klägerin dieser, selbst im Rahmen der
Grundstücksveräußerungen die anteiligen Aufwendungen für die betreffenden
Erschließungsmaßnahmen in den Grundstückskaufpreis einzurechnen und offen
auszuweisen. Wäre für die Grundstückserwerber insoweit nicht sichergestellt, dass nicht
auch noch die Gemeinde ihnen gegenüber Erschließungsbeiträge geltend macht, würde
sich ein Kaufpreis, der ausdrücklich einschließlich der Erschließungsbeiträge für
öffentliche Straßen sowie Anschlussbeiträge für Kanalisation und Wasserversorgung
ohne Grundstücksanschlüsse in den Kaufverträgen ausgewiesen ist, nicht durchsetzen
lassen. In wirtschaftlicher Hinsicht stellt sich dieser Vorgang praktisch wie ein
abgekürzter Leistungsweg dar. Anstelle der von den Vertragsbeteiligten an sich
gewollten Abtretung der Erschließungsbeitragsansprüche der Gemeinde an die
Klägerin als Entgelt für die von der Klägerin erbrachten Erschließungsleistungen,
belassen es die Beteiligten vielmehr bei der schlichten Zusage der Gemeinde, von der
Erhebung der Erschließungsbeträge abzusehen und ermöglicht es dieser Vorgang erst
der Klägerin, die Erschließungsaufwendungen selbst und unmittelbar bei den
Grundstückserwerbern geltend zu machen. Dieser Vorgang steht aber in wirtschaftlicher
Hinsicht einer Abtretung des an sich der Gemeinde zustehenden Anspruchs auf
Erhebung von Erschließungsbeiträgen gegen die Eigentümer der betreffenden
erschlossenen Grundstücke an die Klägerin gleich.
118
In Anbetracht dieses in wirtschaftlicher Hinsicht als Abtretung anzusehenden Verzichts
der Gemeinde L-Stadt auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen, ist daher von
einem entgeltlichen Leistungsaustausch der zwischen der Klägerin und der Gemeinde
L-Stadt im Hinblick auf die von der Klägerin erbrachten Erschließungsleistungen
auszugehen.
119
3. Aber selbst wenn man sich dieser Sichtweise des erkennenden Senats nicht
anschließen wollte und mithin davon ausgehen würde, dass die Klägerin sich zur
Erbringung einer unentgeltlichen Leistung an die Gemeinde L-Stadt verpflichtet hat und
mithin die Verpflichtung zur Durchführung der Erschließungsmaßnahmen und
Übernahme der Erschließungsaufwendungen unentgeltlich der Gemeinde L-Stadt
zugesagt hat, würde sich auch aus dieser Handhabung eine Umsatzsteuerpflicht
ergeben. Denn einer Lieferung gegen Entgelt wird nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG jede
andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes bzw. einer sonstigen Leistung
gegen Entgelt wird nach § 3 Abs. 9 a Nr. 2 UStG die unentgeltliche Erbringung einer
anderen sonstigen Leistung durch Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des
Unternehmens liegen, gleichgestellt.
120
III. Im Streitfall steht daher der zu gewährenden Vorsteuerabzugsberechtigung der
Klägerin hinsichtlich der im Rahmen der Erschließungsmaßnahmen entstandenen
Vorsteuern eine zumindest gleich hohe Umsatzsteuerpflicht im Hinblick auf die von der
Klägerin gegenüber der Gemeinde L-Stadt erbrachten Dienstleistung in Gestalt der
Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung der entsprechenden
Erschließungsmaßnahmen gegenüber. Soweit hierbei von einer entgeltlichen Leistung
der Klägerin gegenüber der Gemeinde L-Stadt im Hinblick auf den Verzicht auf die
Erhebung von Erschließungsbeiträgen durch die Gemeinde L-Stadt auszugehen sein
sollte, so umfasst die Bemessungsgrundlage im Sinne der Besteuerungsgrundlage
ohne weiteres zumindest die Höhe der streitigen Erschließungskosten, wenn nicht
sogar im Hinblick auf einen Gewinnzuschlag von einer höheren Bemessungsgrundlage
auszugehen sein sollte. Soweit die Klägerin die betreffenden
Erschließungsmaßnahmen tatsächlich der Gemeinde L-Stadt unentgeltlich zugesagt
haben sollte, so würde sich die Erschließungsleistung nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10
Abs. 4 Nr. 2 u. Nr. 3 UStG nach den Kosten, die bei der Ausführung des Umsatzes
entstanden sind, bemessen (sog. Mindestbemessungsgrundlage). Denn die Klägerin
hat insoweit im Sinne § 10 Abs. 5 UStG sonstige Leistungen an ihren
Alleingesellschafter, die Gemeinde L-Stadt, ausgeführt.
121
IV. Die festgestellte Umsatzsteuerpflicht betrifft auch den jeweils identischen
Veranlagungszeitraum, in dem die Vorsteuer für die entsprechende Eingangsleistung
entstanden ist.
122
Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 1 UStG entsteht die Steuer bei der
Berechnung nach vereinbarten Entgelten, wie im Streitfall, mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Da die
betreffenden Bauleistungen auf der Seite der Eingangsleistungen jeweils zugleich
sachlich und zeitgleich derjenigen Leistungsverpflichtung entspricht, die der Klägerin
gegenüber der Gemeinde L-Stadt auf der Ausgangsseite oblag, und da die Klägerin mit
der Empfangnahme der Bauleistungen praktisch zeitgleich und gegenständlich
identisch ihre Leistung gegenüber der Gemeinde L-Stadt erbracht hat, ist im Streitfall
von der insoweit zeitgleichen Entstehung der Vorsteuerabzugsbeträge und der hiermit
im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Umsatzsteuerpflicht auszugehen.
123
V. Soweit die Klägerin demgegenüber geltend gemacht hat, dass die vorstehend
dargestellte Rechtsauffassung des erkennenden Senats letztlich zu einer
umsatzsteuerlichen Doppelbelastung der Klägerin führen würde, da sie bereits
gegenüber den Grundstückserwerbern die Erschließungsleistungen
umsatzsteuerpflichtig abgerechnet und die hierauf entfallende Umsatzsteuer abgeführt
habe, so ist dieser Einwand letztlich nicht durchgreifend. Der Umstand, dass die
Klägerin im Streitfall auf die streitbefangenen Erschließungsleistungen praktisch
zweimal Umsatzsteuer abzuführen hat, nämlich einmal im Rahmen ihrer
umsatzsteuerpflichtigen Geschäftsbesorgungsleistung gegenüber der Gemeinde L-Stadt
auch zum anderen im Rahmen der umsatzsteuerpflichtigen Veräußerung der
Baugrundstücke in erschlossenem Zustand an die privaten Investoren, beruht allein auf
dem Umstand, dass die Klägerin den privaten Investoren gegenüber nicht nur die
Grundstücksveräußerung unter Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt hat, sondern
auch die Durchführung der betreffenden Erschließungsmaßnahmen. Denn die
Erschließungsaufwendungen hätte die Klägerin eben nicht gegenüber den privaten
Investoren mit Umsatzsteuerausweis abrechnen dürfen, sondern diese waren allein der
124
Gemeinde L-Stadt gegenüber, entsprechend dem insoweit bestehenden
Leistungsaustauschverhältnisses, umsatzsteuerpflichtig abzurechnen.
Damit hat die Klägerin aber die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 2 UStG 1999 ausgelöst und
hat die von ihr selbst im Rahmen der Grundstücksveräußerungen unter
Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zu tragen.
125
Allein der Umstand, dass die Klägerin neben der Lieferung der Grundstücke an die
privaten Investoren auch die Erschließungsleistungen mit anteilig in den
Grundstückskaufpreis eingerechnet und der Umsatzsteuer unterworfen hat, führt im
Streitfall zu der von der Klägerin gerügten doppelten Umsatzsteuerbelastung. Die
Klägerin hätte insoweit vielmehr den Grundstückserwerbern lediglich den Kaufpreis
allein für die Grundstücke umsatzsteuerpflichtig in Rechnung stellen dürfen. Hinsichtlich
der Erschließungskostenanteile hätte vielmehr eine umsatzsteuerpflichtige Abrechnung
gegenüber der Gemeinde L-Stadt erfolgen müssen und hätte diese Position unter
Berücksichtigung des dargestellten "Abtretungsverhältnisses" gegenüber den
Grundstückserwerbern, jedenfalls ohne Umsatzsteuerausweis abgerechnet bzw. besser
bloß geltend gemacht werden müssen. Rechnet die Klägerin jedoch die
Erschließungsleistungen gegenüber den Grundstückserwerbern unter offenem Ausweis
der hierauf entfallenden Umsatzsteuer ab, so schuldet sie diesen Umsatzsteuerbetrag
gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1999.
126
VI. Soweit sich die Klägerin auf einen Vertrauensschutz im Hinblick auf die Anwendung
des BMF-Schreibens vom 07.06.1977 (UR 1977, 179), dessen Anwendung mit der
Verfügung der OFD Düsseldorf vom 22.09.2004 (DB 2004, 2243) auf all diejenigen
Fälle, in denen die hinsichtlich des Vorsteuerabzugs streitbefangenen Umsätze vor dem
18.08.2000 ausgeführt wurden, angeordnet worden ist, beruft, so vermag der Senat dem
sich nicht anzuschließen. Die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften der
Finanzverwaltung für die Finanzgerichte ist relativ schwach ausgeprägt.
Verwaltungsvorschriften im Sinne von Organisationsvorschriften,
Gesetzesanwendungsvorschriften sowie Ermessensrichtlinien binden zunächst einmal
die nachgeordneten Behörden. Darüber hinaus können allenfalls sogenannte
Ermessensrichtlinien, also solche Verwaltungsvorschriften, die die Ausübung von
Ermessen in einer bestimmten Art und Weise regeln, in Verbindung mit Artikel 3
Grundgesetz, dem sogenannten Gleichbehandlungsgrundsatz, in Gestalt der
sogenannten Selbstbindung der Verwaltung zu einer Bindungswirkung auch für die
Gerichte führen. Bei den von der Klägerin angesprochenen Verwaltungsvorschriften
handelt es sich jedoch gerade nicht um sogenannte Ermessensrichtlinien oder
Ermessensanordnungen, sondern um sogenannte norminterpretierende
Verwaltungsvorschriften, die für den internen Verwaltungsgebrauch anordnen, wie
bestimmte Regelungen des Umsatzsteuergesetzes anzuwenden bzw. bestimmte
Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszulegen sind. Solche
norminterpretierenden Vorschriften können die Gerichte auf keinen Fall binden. Die
Auslegung der Gesetze obliegt den Gerichten in eigener Zuständigkeit. Die Gerichte
sind insoweit nicht an die Rechtsauffassung der Beteiligten, weder an diejenige des
Klägers, noch an die der Finanzverwaltung gebunden (vgl. hierzu allgemein Gersch in
Klein, 9. Auflage 2006, § 4 AO Rn. 9-12 m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des
BFH).
127
VII. Die Klägerin kann sich letztlich auch nicht auf die Verbindlichkeit der vom Beklagten
erteilten Auskunft vom ...1998 mit Erfolg berufen.
128
1. Grundsätzlich darf die Finanzbehörde auch außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle
eine rechtlich verbindliche Auskunft - Zusage - erteilen. Zwar hat der Gesetzgeber in
Teilbereichen die verbindliche Zusage geregelt, z.B. in den §§ 204 ff. AO, § 42 e EStG.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Finanzbehörde über die gesetzlich geregelten
Fälle hinaus rechtlich verbindliche Auskünfte erteilen darf. Die Voraussetzungen, unter
denen eine Auskunft oder Zusage die Finanzbehörde rechtlich bindet, hat der
Bundesfinanzhof in einer umfangreichen Judikatur herausgearbeitet. Die
Finanzverwaltung hat sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im wesentlichen
angeschlossen und die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung einer
verbindlichen Auskunft im Erlasswege näher geregelt. Der Bundesfinanzhof leitet die
Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft oder Zusage aus dem Grundsatz von
Treu und Glauben ab und qualifiziert die verbindliche Auskunft daher nicht als
Verwaltungsakt. Die Finanzbehörde sei daher nach Treu und Glauben daran gehindert,
einen materiell-rechtlich entstandenen Steueranspruch geltend zu machen, wenn sie
eine davon abweichende verbindliche Zusage rechtswirksam erteilt habe.
Voraussetzung sei aber, dass der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Auskunft eine
wirtschaftliche Disposition getroffen habe, er also im Hinblick auf die verbindliche
Auskunft oder Zusage tatsächlich Vertrauen ausgeübt habe (vgl. zur Zulässigkeit,
Rechtsnatur und zu den Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft nur Intemann in
Pahlke/König, Abgabenordnung 1. Auflage 2004, § 204 AO Rn. 64 ff., m.w.N. zur Rspr.
des BFH).
129
Eine verbindliche Auskunft kann nur hinsichtlich der steuerlichen Behandlung eines
noch nicht verwirklichten Sachverhalts abgegeben werden. Sie wirkt deswegen stets
nur für eine künftige Gestaltung, nicht etwa für einen bereits abgeschlossenen
Sachverhalt. Eine verbindliche Auskunft oder Zusage kann nur auf Antrag des
Steuerpflichtigen erteilt werden. Dabei kommt es darauf an, dass der Steuerpflichtige
den Sachverhalt, der steuerlich beurteilt werden soll, vollständig und richtig darstellt. Die
genannte Bindungswirkung nach Treu und Glauben tritt nur ein, wenn der
Steuerpflichtige den der Zusage zugrundegelegten Sachverhalt auch exakt und
vollständig erfüllt. Erfüllt er ihn nicht exakt und vollständig, tritt die Bindungswirkung
nicht ein (vgl. Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Stand März 2003, vor
§§ 204-207 AO Rn. 31.1, m.w.N. zur Rspr. des BFH). Insbesondere ist die
Finanzbehörde nach Treu und Glauben nicht an das vom Steuerpflichtigen Begehrte
gebunden, wenn der Sachverhalt in wesentlichen Punkten unvollständig oder ungenau
dargelegt worden ist (vgl. Sauer, a.a.O., Rn. 24). Insoweit besteht auch keine Pflicht der
Finanzbehörde zur weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts. Das Risiko einer
missverständlichen oder die wirklichen Gegebenheiten verfehlenden Sachdarstellung
trägt in diesem Zusammenhang eindeutig der Steuerpflichtige (vgl. Rüsken in Klein, 9.
Auflage 2006, § 204 AO Rn. 23, m.w.N. zur Rspr. des BFH).
130
2. Insoweit ist für den Streitfall festzustellen, dass die Klägerin eindeutig im Rahmen
ihres wiederholten Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vom ...1998
mitgeteilt hat, dass zwischen ihr und der Gemeinde L-Stadt kein Erschließungsvertrag
abgeschlossen werde. Dieser nach Auffassung des Senats in höchstem Maße
wesentliche Sachverhaltsbestandteil weicht in grundlegender Art und Weise von dem
tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, nämlich dem tatsächlich am 18.11.1998
abgeschlossenen Erschließungsvertrag zwischen der Klägerin und der Gemeinde L-
Stadt ab, so dass die vom Beklagten erteilte Auskunft vom 02.10.1998 keine
Bindungswirkung nach Treu und Glauben entfalten kann.
131
a. Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass es sich diesbezüglich in Anbetracht
der Komplexität der Gesamtumstände um eine relativ unwesentliche
Sachverhaltskomponente gehandelt habe, so kann der erkennende Senat diesen
Standpunkt nicht nachvollziehen. Angesichts der umsatzsteuerlichen
Gesamtproblematik, die mit der Durchführung von Erschließungsmaßnahmen durch
selbständige Erschließungsträgergesellschaften verbunden ist, insbesondere was die
einzelnen Sachverhaltskomponenten anbelangt (Rückübertragung der Grundstücke auf
die Gemeinde, Widmung der Grundstücke, Art und Umfang der
Erschließungsmaßnahmen, die Frage, inwieweit einzelne Erschließungsanlagen auf
die Gemeinde oder einen privaten Grundstücksinvestor übertragen werden und dergl.),
ist es aus Sicht des Senats unverzichtbar, dass genauestens dargelegt wird, welche
Erschließungsmaßnahmen im einzelnen durchgeführt werden und auf welcher
Verpflichtungsgrundlage, Verpflichtung gegenüber den privaten Grundstücksinvestor
oder Verpflichtung gegenüber der Gemeinde, die betreffenden
Erschließungsmaßnahmen vorgenommen werden.
132
b. Soweit die Klägerin darüber hinaus darauf hinweist, aus den mit den verschiedenen
Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Zusage einhergehenden Gesprächen der
Klägerin mit dem Beklagten bzw. dem zuständigen Fachreferat der Oberfinanzdirektion
... seien die tatsächlichen Umstände, nämlich der geplante Abschluss eines
Erschließungsvertrages mit der Gemeinde L-Stadt, bekannt gewesen, so vermag der
erkennende Senat dies weder dem Sachvortrag der Klägerin noch dem vorliegenden
Aktenmaterial mit ausreichenden Eindeutigkeit zu entnehmen.
133
c. Aber selbst wenn sich eine solche Absicht möglicherweise im Rahmen der
Besprechungen angedeutet haben sollte oder sogar ausdrücklich zur Sprache
gekommen sein sollte, so wäre dieser Sachverhaltshinweis durch die eindeutige
Antragstellung im Schreiben vom ...1998 entkräftet worden, wonach eben kein
Erschließungsvertrag mit der Gemeinde L-Stadt abgeschlossen werden sollte. Der sich
dann insoweit ergebende Widerspruch zwischen dem Antragsschreiben vom ...1998
und den diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellungen, wonach doch ein solcher Vertrag
abgeschlossen werden sollte, würde ebenfalls dazu führen, dass dann der Sachverhalt
eben doch nicht vollständig, eindeutig und klar und vor allen Dingen zutreffend
dargestellt worden ist, sondern vielmehr in höchstem Maße widersprüchlich. Dass ein
solcher unklarer und widersprüchlicher Sachverhalt nicht Grundlage für eine
verbindliche Auskunft oder Zusage sein kann, gilt um so mehr, als es nicht Aufgabe des
Beklagten gewesen ist, hier den Sachverhalt noch einmal von sich aus weiter
aufzuklären bzw. zu ermitteln.
134
d. Und auch der Umstand, dass die Klägerin nachträglich am ...1998 zur Klarstellung
noch einmal darauf hingewiesen hat, dass entgegen der Darstellung im Antrag vom
...1998 nun doch ein Vertrag zwischen ihr und der Gemeinde L-Stadt abgeschlossen
werden sollte, führt nicht zu einer nachträglichen Bindungswirkung der vom Beklagten
erteilten Auskunft. Entscheidend ist insoweit, dass vor Erteilung der Auskunft der zu
beurteilende Sachverhalt klar und eindeutig, vollständig und zutreffend dargelegt wird.
Sachverhaltsklarstellungen im Anschluss an die erteilte Auskunft können nicht dazu
führen, dass diesbezügliche Mangelhaftigkeiten nachträglich geheilt werden können.
135
e. Der Senat sieht insoweit auch keine Verpflichtung des Beklagten nach Treu und
Glauben, im Hinblick auf die Sachverhaltsrichtigstellung der Klägerin vom ...1998
136
unverzüglich die Klägerin darauf hinzuweisen, dass dann die erteilte Auskunft vom
...1998 keine verbindliche Wirkung entfalten kann. So ist zum einen nicht ersichtlich,
dass dem Beklagten insoweit bekannt gewesen ist, dass zu diesem Zeitpunkt der
betreffende Erschließungsvertrag noch nicht abgeschlossen gewesen ist, sondern erst
am ...1998 unterzeichnet worden ist. Zudem musste der steuerlich beratenen Klägerin
bekannt gewesen sein, dass in Anbetracht einer derartigen Unvollständigkeit des
Sachvortrags in einem wesentlichen Sachverhaltsumstand die vom Beklagten erteilte
Auskunft vom ...1998 keine verbindliche Wirkung entfalten konnte.
Und letztlich hat die Klägerin selbst im Schreiben vom ...1998 darauf hingewiesen, dass
eine Rückantwort des Beklagten nicht erforderlich sei.
137
f. Letztlich kann die Klägerin auch ebenso wenig mit Erfolg den Standpunkt vertreten,
die Notwendigkeit des Abschlusses eines Erschließungsvertrages sei bereits aus
rechtlichen Gründen, insbesondere vor dem Hintergrund der Regelungen des
Baugesetzbuches so offensichtlich und eindeutig gewesen, dass der Beklagte hätte
erkennen müssen, dass sich die Klägerin insoweit nur missverständlich ausgedrückt
hat, der Abschluss eines Erschließungsvertrages zwischen der Klägerin und der
Gemeinde L-Stadt vielmehr selbstverständliche und zwingend notwendige Grundlage
des geplanten Sachverhalts gewesen ist. Denn diese Eindeutigkeit vermag der Senat
den Regelungen des Baugesetzbuchers gerade nicht zu entnehmen, vielmehr erscheint
es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Erschließung eines Gewerbegebietes
ganz in die Hand eines privaten Investors oder einer Investorengruppe gegeben wird,
und zwar ohne Abschluss eines Erschließungsvertrages mit der betreffenden
Gemeinde. Zudem hatte der Beklagte nur die umsatzsteuerliche Beurteilung des ihm
ganz konkret vorgetragenen Sachverhalts vorzunehmen, und nicht darüber zu wachen,
ob die Klägerin auch die Bestimmungen des Baugesetzbuches und alle sonstigen
allgemeinen bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorgaben beachtete.
138
VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
139
IX. Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher
Bedeutung zu. Der Bundesfinanzhof hat zwar zuletzt in den genannten Entscheidungen
vom 20.12.2005 (V R 14/04, a.a.O.) und 09.11.2006 (V R 9/04, a.a.O.) zu den
Leistungsaustauschsbeziehungen zwischen einem Erschließungsträger in der
Rechtsform einer GmbH und der betreffenden Gemeinde grundsätzlich Stellung
genommen. Diesen Entscheidungen lagen jedoch Sachverhalte zugrunde, in denen der
betreffende Erschließungsträger nach Durchführung der Erschließungsmaßnahmen die
betreffenden Erschließungsflächen und Erschließungsanlagen an die Gemeinde
übertragen hat. Eine solche Sachverhaltskonstellation ist im Streitfall nicht gegeben. Im
Streitfall ist der Erschließungsträger vielmehr Eigentümer der Erschließungsflächen
Erschließungsanlagen geblieben und diese wurden auch nicht dem öffentlichen
Verkehr gewidmet. Der erkennende Senat wendet aber die Grundsätze der
vorgenannten Entscheidungen auch auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation an
und sieht auch in diesem Fall die maßgebliche Leistungsaustauschbeziehung im
Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde, und zwar gerichtet auf die
Erbringung einer sonstigen Leistung, nämlich auf die Durchführung der
Erschließungsmaßnahmen als Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung.
Demgegenüber besteht nach Auffassung des erkennenden Senats auch in diesem Fall
kein Verwendungszusammenhang zwischen den Erschließungsmaßnahmen und der
Grundstücksveräußerung an die privaten Investoren. Angesichts der Komplexität und
140
der praktischen Bedeutung des Themas sollte diese Sichtweise des erkennenden
Senats allerdings einer höchstrichterlichen Überprüfung unterzogen werden.