Urteil des FG Köln vom 23.04.2004

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Finanzgericht Köln, 10 K 766/04
Datum:
23.04.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 766/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Einkünfte der zusammenveranlagten Kläger bestehen aus nichtselbständigen
Einkünften des Ehemanns, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, und
gemeinschaftlichen Vermietungseinkünften. Die Kläger haben ihre
Einkommensteuererklärung in der Vergangenheit laufend verspätet (erst nach dem 31.
Mai des Folgejahres) abgegeben. Für den Veranlagungszeitraum 1998 wurden die
Kläger vom Beklagten mit Schreiben vom 18. Februar 2000 erinnert. Die
Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1999 ging - ohne Erinnerung
- im November 2000 beim Beklagten ein.
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Die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 ging am 28. Januar 2003 beim
Beklagten ein. Die Kläger entschuldigten die verspätete Abgabe in einem
Begleitschreiben damit, der Beklagte habe ab dem Jahr 2001 nicht mehr an die Abgabe
der Einkommensteuererklärungen erinnert. Der Kläger habe einen neuen beruflichen
Verantwortungsbereich übernommen, der in voll beansprucht habe. Daher sei er nicht
dazu gekommen, die Einkommensteuererklärung zu erstellen, zumal der zeitliche
Aufwand für ihn als Laien erheblich sei.
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Mit Bescheid vom 17. Februar 2003 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf
erklärungsgemäße Veranlagung wegen Versäumnis der Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2
Nr. 8 EStG ab.
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Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 22. Januar
2004) eingelegten Klage machen die Kläger geltend, die zweijährige Antragsfrist sei
den Klägern nicht bekannt gewesen. Da der Bescheid für 1996 noch nach fünf Jahren
im Anschluss an eine Betriebsprüfung beim Arbeitgeber zuungunsten der Kläger
geändert worden sei, sei der Kläger davon ausgegangen, auch fünf Jahre für die
Abgabe der Steuererklärung in Anspruch nehmen zu können. Nachdem die Kläger von
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der Antragsfrist Kenntnis erlangt hätten, sei die versäumte Handlung noch innerhalb der
Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO 1977 unverzüglich nachgeholt worden. Die Abgabefrist
sei letztlich nur um 28 Tage überschritten worden. Die Versäumung der Frist sei
unverschuldet, weil der Beklagte seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Aus §
89 AO 1977 ergebe sich vielmehr die Pflicht, eine Antragstellung anzuregen, wenn
diese offensichtlich aus Unkenntnis unterblieben sei. Unter Einbeziehung der Vorjahre
habe der Beklagte den Wunsch der Kläger nach Veranlagung ohne weiteres erkennen
können und deshalb auf die gesetzliche Ausschlussfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. EStG
hinweisen müssen.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 2003 sowie
der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2004 und Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand eine erklärungsgemäße Veranlagung für das Streitjahr 2000
durchzuführen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er ist unter Bezugnahme auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung der
Ansicht, die Frist sei aus öffentlichen Bekanntmachungen der Finanzverwaltung, der
Tagespresse und aus Broschüren, die mit den Lohnsteuerkarten des Jahres 2000
versandt worden seien, ohne weiteres erkennbar gewesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Gemäß § 46 Abs. 2 EStG wird in Fällen, in denen das Einkommen ganz oder
teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein
Steuerabzug vorgenommen worden ist, eine Veranlagung von Amts wegen nur unter
den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt. Darüber
hinaus ist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung auf Antrag des
Steuerpflichtigen - insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die
Einkommensteuer - möglich, wenn der Antrag bis zum Ablauf des auf den
Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs durch Abgabe einer
Einkommensteuererklärung gestellt wird.
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2. Seit Einführung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990,
also für Veranlagungszeiträume seit 1990 kann der Antrag nicht mehr formlos gestellt
werden, sondern nur in Form einer Einkommensteuererklärung (BFH-Urteil vom 14.
März 1989 I R 77/85, BFH/NV 1991, 311; BFH-Beschluss vom 21. Januar 1998 IV B
34/97, BFH/NV 1998, 846). § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen,
eine Veranlagung ausschließlich in seinem eigenen Interesse durchführen zu lassen
(BFH-Beschluss vom 21. Januar 1998 IV B 34/97, BFH/NV 1998, 846). Bei der
zweijährigen Frist zur Durchführung einer Antragsveranlagung, die mit § 46 Abs. 2 Satz
2 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 eingeführt wurde, handelt es sich um eine
nicht verlängerbare Ausschlussfrist. Deshalb kommt nach Ablauf der Frist - unabhängig
vom Stand der Veranlagungsarbeiten - eine Veranlagung nur noch bei Vorliegen der
Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (BFH-
Urteile 3. Juni 1986 IX R 121/83, BFHE 148, 232, BStBl II 1987, 421 vom 14. März 1989
I R 77/85, BFH/NV 1991, 311). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche
Ausschlussfrist-Regelung bestehen nicht (BFH-Urteile vom 8. April 1986 IX R 212/84,
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BFHE 147, 122, BStBl II 1986, 790, vom 14. März 1989 I R 77/85, BFH/NV 1991, 311).
Dem schließt sich das Gericht an. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die
Ausschlussfrist-Regelung hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung
angenommen (vgl. Beschluss vom 22. Oktober 1981 1 BvR 172/81,
Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1974, § 46, Rechtsspruch
2).
3. Diese Frist, die im Streitfall für den Veranlagungszeitraum 2000 am 31. Dezember
2002 ablief, haben die Steuerpflichtige versäumt, weil ihre Einkommensteuererklärung
erst am 28. Januar 2003 und damit verspätet beim Beklagten einging. Auch die
Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
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a) Nach § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen
zuzurechnen. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nach Abs. 2 der Vorschrift innerhalb
eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Wiedereinsetzung kann
allerdings auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Handlung innerhalb
der Antragsfrist nachgeholt wird.
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b) Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, weil die Fristversäumung durch
den Kläger schuldhaft war. Daran ändert auch die Behauptung nichts, die gesetzliche
Veranlagungsfrist nicht gekannt zu haben. Auf die Antragsfrist wurde nicht nur in Medien
und auf dem Erläuterungsbogen zu Einkommensteuererklärung hingewiesen, sondern
insbesondere auch in Broschüren, die den an die Steuerpflichtigen übersandten
Lohnsteuerkarten beigefügt waren. Aus der Änderung eines Steuerbescheids für ein
länger zurückliegendes Jahr gemäß § 173 AO 1977 eine Verlängerung der Abgabefrist
bzw. ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Unkenntnis der Abgabefrist herleiten zu
wollen, hält das Gericht für derart abwegig, dass es sich einer Erörterung dieses
Punktes enthält. Das Urteil in EFG 1978, 292 betrifft einen nicht vergleichbaren
Sachverhalt, weil dort jemand in Erwartung einer Einkommensteuerveranlagung die
Antragsfrist für die Abgabe eines Lohnsteuerjahresausgleichs versäumt hat.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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