Urteil des FG Köln vom 10.03.2010

FG Köln (kläger, grundstück, sachlicher zusammenhang, kirche, abschluss, gegenleistung, erwerber, abschluss des vertrages, treu und glauben, ehefrau)

Finanzgericht Köln, 5 K 99/09
Datum:
10.03.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 99/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
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Streitig ist, ob die Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 24.07.2006
zu Recht nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändert werden
durfte.
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Zunächst hatte der Beklagte aufgrund des unter UR-Nr. ... des Notars P beurkundeten
Erbbaurechtsvertrages die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 24.07.2006 auf
1.108,--€ festgesetzt, wobei nur der Kapitalwert des dem Kläger anteilig übertragenen
Erbbaurechtes mit 31.675,--€ zugrunde gelegt worden war (99,3075/1.457 x 25.000 x
Vervielfältiger 18,589).
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Durch den Erbbaurechtsvertrag war unter anderem dem Kläger seitens der katholischen
Kirchengemeinde T, an deren Grundstück Gemarkung H, Flur ... Nr...., G Straße ... ein
Erbbaurecht zu 99,3075/1.457 Anteilen eingeräumt worden. Die Kirche war im
Notartermin vollmachtlos vertreten durch U. Dieser ist Geschäftsführer der Baufirma D
GmbH (D), deren Geschäftsgegenstand lautet "Architektur und Bauen, Entwicklung und
Management". Der Grundstückskaufvertrag vom 30.06.2006 wurde am 04.07.2006
durch die Mitglieder des Kirchenvorstandes F, K und R genehmigt.
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Unter II § 2 Nr. 5 dieses Vertrages war vereinbart worden, dass der Erbbauberechtigte
(Kläger und andere) den Abriss des sich seinerzeit auf dem Erbbaugrundstück
befindlichen Altgebäudes auf seine Kosten vorzunehmen habe. Mehrere
Erbbauberechtigte - so wie im Streitfall - sollten als Gesamtschuldner haften. Nach III § 3
des Vertrages wurde das Erbbaurecht für 99 Jahre vereinbart. Nach § 4 Abs. 2 sollte das
Erbbaurecht bestellt werden "für die Errichtung von 6 Reiheneinfamilienhäusern". Der
Plan hierzu sollte dem Grundstückseigentümer vorgelegt werden. Nach § 6 Abs.1 des
Vertrages verpflichtete sich der Erbbauberechtigte, das in § 4 genannte Gebäude
innerhalb von einem Jahr nach Abschluss des Vertrages bezugsfertig zu errichten. Nach
§ 6 Abs. 3 mussten dem Eigentümer des Grundstücks auf Verlangen die bei der
Bauausführung zugrunde zu legenden und zugrunde gelegten Baupläne mit
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Bauausführung zugrunde zu legenden und zugrunde gelegten Baupläne mit
Baubeschreibungen vorgelegt werden. Nach § 6 Abs. 4 verpflichtete sich der
Erbbauberechtigte, die von ihm errichteten Bauwerke einschließlich der Außenanlagen
und der besonderen Betriebseinrichtungen in einem guten Zustand zu halten und die
erforderlichen Reparaturen und Erneuerungen auf eigene Kosten vorzunehmen. Nach §
13 des Vertrages wurde eine Entschädigung und Räumungsverpflichtung bei Heimfall
und Zeitablauf vereinbart. Nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vereinbarung hat die Kirche als
Grundstückseigentümer dem Erbbauberechtigten nach Zeitablauf für das Bauwerk eine
Entschädigung in Höhe von (i.H.v.) 66 2/3 % des durch den Gutachterausschuss der
Stadt A zu ermittelnden Verkehrswertes oder von 80 % des durch die Veräußerung des
Erbbaurechtes durch den Grundstückseigentümer tatsächlich erzielten Erlöses zu
gewähren. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 wurde - bezogen auf die Gesamtgrundstücksfläche -
ein jährlicher Erbbauzins von insgesamt 25.000,66 € vereinbart. Nach Satz 3 konnte der
in Satz 2 vereinbarte Erbbauzins auf 4/5 reduziert werden, sofern der Erbbauberechtigte
nachweisen würde, dass er das Bauwerk überwiegend zu eigenen Wohnzwecken
nutze.
Nach Ergehen des ersten Grunderwerbsteuerbescheides vom 24.07.2006 wurde der
Kläger mit Schreiben vom 09.11.2006 vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und
Steuerfahndung A (Steufa) aufgefordert, den Erbbaurechtsvertrag, den Planungs- und
Werkvertrag mit der D, Handwerkerverträge über die patentierten Leistungspakete,
Preis- und Kalkulationsbogen der D, den Ablaufplan der D, den Projektanzahlungs- und
Reservierungsbogen der D, den Bewerbungsbogen der D sowie Kontoauszüge über die
geleisteten Zahlungen für die Erstellung des Gebäudes vorzulegen.
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Daraufhin reichte der Kläger mit Schreiben vom 04.12.2006 diverse Unterlagen ein.
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Hierzu gehörte eine Vereinbarung mit der D über eine "Projektanzahlung und
Reservierung" betreffend das Grundstück A, G Straße .... Danach wollten der Kläger und
seine Ehefrau in Erbpacht das "Mittelhaus D zum Preis von 220.000,00 € + 14.900,00 €
Keller(Mittelhaus) resp. für 230.000,00 € + 14.900,00 DM Keller(Endhaus)" erwerben.
Die D sollte das Angebot bis zur Unterzeichnung der Werkverträge bis zum 31.05.2006
reservieren. Die Reservierungsgebühr wurde mit 7.000 € festgesetzt. Die D verpflichtete
sich, auf Rechnung des Klägers und seiner Ehefrau den Erbpachtvertrag von einem
Notar vorbereiten zu lassen. Die Beurkundung sollte im Notariat P stattfinden.
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Als zweiten Beleg legte der Kläger den am 07./08.06.2006 unterzeichneten Planungs-
und Bauvertrag zwischen der D, ihm und seiner Ehefrau vor. In § 1 dieses Vertrages war
vereinbart worden, dass der Kläger und seine Ehefrau Erbbauberechtigte hinsichtlich
des Grundstücks in A, G Straße ... werden würden. Nach § 2 erteilten der Kläger und
seine Ehefrau der D den Auftrag für die Planung, Lieferung und Errichtung eines
Optima-Systemhauses, Typ Erdwärme G Straße, Mittelhaus D. In § 3 wurde vereinbart,
dass sich die Rechte und Pflichten der Vertragspartner auch nach den dem Vertrag
beigefügten Anlagen wie Baubeschreibung, Preis- und Kalkulationsbogen etc.
bestimmten. Nach § 10 des Vertrages sollte für die in § 4 genannten
Planungsleistungen ein Preis von 126.000,00 € gezahlt werden.
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Als dritten Beleg legte der Kläger den Preis- und Kalkulationsbogen der D vor. Dieser
war am 07.06.2006 unterschrieben worden und beinhaltete eine Kalkulation zum
Haustyp Reihenhaus A Haus B – E/Mittelhaus, G Straße, zum Gesamtpreis von
235.310,00 €.
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Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen erstellte der Steufa-Prüfer am
28.12.2006 einen "Verdachtprüfungsvermerk". Hierin führte er unter Punkt 2 zum Anlass
der Vorermittlungen aus, dass die Erbbaurechtsbestellung auf dem Grundstück G
Straße ... zum Zwecke der Bebauung des Grundstücks mit insgesamt 6
Einfamilienhäusern erfolgt sei. Die Grunderwerbsteuer für den Kläger und seine Ehefrau
sei am 24.07.2006 lediglich auf der Grundlage des Wertes des kapitalisierten Grund und
Bodens festgesetzt worden. Das Grundstück sei jedoch in der zweiten Jahreshälfte
2006 mit einem Gebäude bebaut worden. Es sei nicht klar, ob Erwerbsgegenstand das
Grundstück in bebautem Zustand gewesen sei. Dementsprechend sei der
Steuerpflichtige nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO aufgefordert worden, Unterlagen
einzureichen. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Unterlagen seien zwar zwei
selbständige Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung und
über die Gebäudeerrichtung getroffen worden. Es handele sich jedoch um einen
einheitlichen Vorgang. Aufgrund der rechtlichen Einheit der Verträge hätten beide
Verträge notariell beurkundet werden müssen. Diese Beurkundung sei jedoch in § 13
des Planungs- und Bauvertrags ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der Kläger hätte
gemäß § 19 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Anzeige über die Bebauung des
Grundstücks erstatten müssen. Die Formulierungen im Erbbaurechtsvertrag sprächen
dafür, dass der Steuerpflichtige habe verhindern wollen, dass das Finanzamt
Grunderwerbsteuer für den Erwerber des Hauses festsetzt. Dementsprechend werde
gegen den Kläger als Bauherr das Steuerstrafverfahren eingeleitet wegen des
Verdachts der Grunderwerbsteuerhinterziehung. Aufgrund der Nacherklärung vom
04.12.2006 liege jedoch eine wirksame Selbstanzeige vor.
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Der daraufhin gegenüber dem Kläger ergangene, nunmehr auf 5.226,--€ lautende,
Änderungsbescheid vom 28.06.2007, der neben der Erbbauzinsverpflichtung i.H.v.
31.675,--€ auch die anteiligen Baukosten des Klägers i.H.v. 117.655,--€ (1/2 von
235.310,00 €) erfasste, wurde im Einspruchsverfahren am 08.08.2007 erneut geändert
und auf 5.004,--€ reduziert, indem die Erbbauzinsbelastung wegen Selbstnutzung
gemäß § 15 des Erbbaurechtsvertrages um 20 %, das heißt um 6.335,00 € gemindert
wurde. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch durch Entscheidung vom
15.12.2008 als unbegründet zurück.
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Zur Begründung führte er aus, im Streitfalle seien die Baukosten in die
Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Es
handele sich um den Fall eines einheitlichen Vertragswerkes. Die katholische
Kirchengemeinde Q habe innerhalb des Projektes "B" beschlossen gehabt, den auf dem
Grundstück G Straße ... in A angesiedelten Kindergarten zu schließen und zusammen
mit dem benachbarten Pfarrhaus abzureißen, um dort Einfamilienhäuser im Wege des
Erbbaurechts errichten zu lassen. Zu diesem Zwecke habe die Kirchengemeinde das
Projekt für Bauträger ausgeschrieben. Unter verschiedenen Angeboten habe die Firma
D am 17.03.2006 den Zuschlag für die Baumaßnahme erhalten. Das Erbbaurecht habe
dabei nur erworben werden können, wenn die Bebauung des Grundstücks durch die
Firma D erfolgen würde. Für die notarielle Beurkundung des Erbbaurechts am
30.06.2006 habe die katholische Kirchengemeinde ihren Vertreter, Herrn U, entsandt.
Bei Herrn U handele es sich um den Vertreter der D, der die gesamten Verhandlungen
über die Bebauung mit der Kirchengemeinde geführt habe. Hieraus werde deutlich,
dass das ganze Projekt, das heißt die Grundstücksübertragung bzw. die Erstellung des
Erbbaurechts einerseits und die Bebauung mit Einfamilienhäusern andererseits, nur aus
einer Hand habe realisiert werden sollen. Zudem habe die D auch die notarielle
Beurkundung vorbereitet. Nach den vorliegenden Unterlagen des Notariats P habe die
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D bereits vor Beurkundung die Bauunterlagen, das heißt das Werbematerial für die
geplante Bebauung durch die D, die Baupläne, die Abgeschlossenheitsbescheinigung
etc., beim Notar eingereicht, damit dieser die notarielle Beurkundung habe vorbereiten
können. Das Angebot der D, das in einer Verpflichtungserklärung von dieser gegenüber
der katholischen Kirchengemeinde gemündet sei, habe so ausgesehen, dass 6
Einfamilienhäuser errichtet und die Abbruchkosten von den Bauherren übernommen
werden sollten, die Baukosten mit 235.510,00 € für das Mittelhaus und 245.400,00 € für
das Endhaus festgelegt wurden und die Erbbauberechtigten als Bauherren mit der D
einen Planungs- und Werkvertrag abschließen sollten. Der D habe es auch oblegen, die
jeweiligen Erwerber bzw. Bauherren auszusuchen. In dem Auswahlverfahren hätten die
Vertreter der D möglichen Bauherren schon vor Abschluss des Erbbaurechtsvertrages
konkrete Angaben zur Höhe der Erbpacht und den Bauplänen gemacht. So sei den
Erwerbern der Bauplan vom 30.03.2006 bereits vorgelegt und gleichzeitig mitgeteilt
worden, dass die monatliche Rate in einer bestimmten Höhe zu entrichten sei. Aus all
diesen Umständen ergebe sich, dass der Kläger ein bebautes Grundstück erhalten
habe. Alle seine Aufwendungen gehörten zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung,
die vom Kläger für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt worden sei.
Die Änderungsbescheide hätten auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden dürfen, da
erst nach Ergehen des Grunderwerbsteuerbescheides vom 24.07.2006 aufgrund der
Ermittlungen der Steufa die Tatsachen festgestellt worden seien, die zur Annahme eines
sogenannten einheitlichen Vertragswerkes führten. - Wegen weiterer Einzelheiten wird
auf die in den Steuerakten befindliche Einspruchsentscheidung verwiesen.
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Dagegen richtet sich die Klage.
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Der ursprüngliche Grunderwerbsteuerbescheid habe nicht geändert werden dürfen,
sodass die Änderungsbescheide hierzu aufzuheben seien. Bemessungsgrundlage für
die festzusetzende Grunderwerbsteuer sei die Gegenleistung. Diese könne nur
bestehen aus Leistungen, die vom Erwerber an den Veräußerer oder einen Dritten zu
erbringen seien. Beim Erwerb von Erbbaurechten seien grundsätzlich solche
Leistungen, die dem Erwerber selbst zugute kommen, keine Gegenleistung. Verpflichte
sich ein Erbbauberechtigter im Rahmen der Bestellung des Erbbaurechts zur Errichtung
eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück, sei davon auszugehen, dass die
Baumaßnahme dem Erwerber als zukünftigem Inhaber des Erbbaurechts zugute
komme. Schon nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das Erbbaurecht gelte,
dass aufgrund des Erbbaurechts das auf dem Grundstück errichtete Bauwerk
wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts werde. Enthalte der Erbbaurechtsvertrag
eine Regelung, dass dem Grundstückseigentümer nach Beendigung des Erbbaurechts
die vom Erbbauberechtigten vertragsgemäß auf dem Erbbaugrundstück geschaffenen
Sachwerte entschädigungslos zufallen, könne hierin eine Gegenleistung im Sinne des §
9 Abs. 1 GrEStG liegen. Verpflichte sich dagegen der Erbbauberechtigte in einem
Erbbaurechtsbestellungsvertrag zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem
Erbbaugrundstück sowie zu dessen ordnungsgemäßer Unterhaltung während der
Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts und erhalte er dann bei Erlöschen desselben vom
Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des
Verkehrswertes, so kämen die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig
alleine dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute, sodass die
Gebäudeherstellungsverpflichtung eine rein eigennützige Erwerberleistung und damit
keine Gegenleistung im Sinne des § 9 GrEStG sei. Das auf dem Erbbaugrundstück
stehende Bauobjekt behalte durch ständige Instandhaltungsverpflichtung seinen
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ursprünglichen Verkehrswert, sodass dieser am Ende der Erbbauzeit dem
ursprünglichen Verkehrswert bei Herstellung entspreche. In Höhe von 2/3 der
Herstellungskosten sei somit eine eigennützige Erwerberleistung gegeben, sodass die
Grunderwerbsteuer entsprechend zu mindern sei.
Soweit der Beklagte die Entschädigung als unerheblich ansehe, da es sich im Streitfalle
um ein einheitliches Vertragswerk handele, sei festzustellen, dass nach Aktenlage nicht
ersichtlich sei, dass der Erbbaurechtsvertrag zwischen dem Kläger und der
Kirchengemeinde nur Bestand haben sollte, wenn auch der Bauvertrag mit der D
aufrechterhalten bliebe. Der Erbbaurechtsvertrag einerseits und der Werkvertrag
andererseits sollten nicht miteinander stehen und fallen. Der tatsächliche Umstand, dass
der Kläger das Erbbaurecht erworben habe mit der Auflage, auf dem Grundstück ein
Wohnhaus zu errichten, reiche für eine rechtliche Verknüpfung beider Verträge nicht
aus, weil allein der Bauvertrag vom Bestand des Erbbaurechtsvertrages abhängig
gewesen sei, nicht aber umgekehrt.
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Selbst wenn man von einem einheitlichen Vertragswerk ausgehe, sei dies im Streitfalle
unbeachtlich, da nach der rechtlichen Prüfungsreihenfolge zunächst die Feststellung zu
treffen sei, was Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei. Danach sei zu prüfen, was als
grunderwerbsteuerliche Gegenleistung für den Erwerb des bebauten oder unbebauten
Grundstücks zugrunde zu legen sei. Dementsprechend habe auch der Bundesfinanzhof
(BFH) in seiner in BStBl II 2003, 199 veröffentlichten Entscheidung im Anschluss an die
Feststellung, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs nur das unbebaute Grundstück
sei, die Frage gestellt, ob die Gebäudeerrichtungsverpflichtung Teil der Gegenleistung
für den Erwerb des unbebauten Grundstücks sei. Diese Prüfungsreihenfolge ändere
sich nicht, wenn festgestellt werde, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das
bebaute Grundstück sei. Auch in diesem Falle sei im zweiten Prüfungsschritt die Frage
nach dem Umfang der Gegenleistung zu beantworten.
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Der Kläger beantragt,
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den Grunderwerbsteuerbescheid vom 28.06.2007 in Gestalt der Änderung vom
08.08.2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.12.2008
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
22
Er bleibt bei seiner bisher vertretenen Auffassung, dass es sich im Streitfall um ein
einheitliches Vertragswerk handele, so dass die Bemessungsgrundlage auch die
Baukosten erfassen müsse. Die Tatsache, dass der Erbbaurechtsvertrag bei Ablauf der
Pachtzeit eine Entschädigung für aufstehende Gebäude mit dem Verkehrswert vorsehe,
alternativ eine Verlängerung auf die Restnutzungsdauer, sei nicht
entscheidungserheblich. In dem BFH-Urteil BStBl II 2003, 199 sei ausgeführt, dass eine
Gebäudeherstellungsverpflichtung des Erwerbers regelmäßig keine Gegenleistung für
die Bestellung des Erbbaurechts darstelle, wenn bei Erlöschen des Erbbaurechts eine
Entschädigung vereinbart sei. Hieraus sei jedoch nicht abzuleiten, dass bei
Vereinbarung einer Entschädigung in einem Erbbaurechtsvertrag die
Gebäudeerrichtung selbst stets als eigennützige Erwerberleistung anzusehen sei. Im
übrigen werde auf die Entscheidung des BFH in BFH NV 2006, 1880 hingewiesen.
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Dieses Urteil sei auf den Streitfall anzuwenden.
Nachdem der Pfarrer der Kirchengemeinde am 03.06.2009 mitgeteilt hatte, dass
zwischen Herrn U und der Kirchengemeinde keine finanziellen Absprachen getroffen
worden seien, hat das Gericht die Mitglieder des seinerzeit verantwortlich zeichnenden
Kirchenvorstandes dazu gehört, wie der notarielle Vertrag vom 30.06.2006 zustande
gekommen sei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 121 bis 131
der FG-Akte verwiesen.
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Im Beweistermin wurden dem Gericht weitere Schriftstücke vorgelegt, unter anderem
vom 20.03.2006 (Schreiben D an Kirche im Anschluss an Zuschlag vom 17.03.2006),
vom 10.04.2006 (Verpflichtungserklärung D gegenüber Kirche) und vom 13.04.2006
(Protokoll zur Besprechung im Generalvikariat vom 13.04.2006). - Wegen des Inhaltes
im Einzelnen wird auf den in der FG-Akte befindlichen Hefter verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Durch den notariellen Vertrag vom 30.06.2006 wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr.
1 GrEStG erfüllt, da der Kläger hierdurch den Anspruch auf Übertragung eines
Grundstücks bzw. eines diesem gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gleichstehenden
Erbbaurechts (vgl. Urteil des BFH vom 28.11.1967 II R 37/66, BStBl II 1968, 223)
erworben hatte.
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Die Höhe der aufgrund dessen festzusetzenden Grunderwerbsteuer bemisst sich
gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Gegenleistung ist jede
Leistung, die der Erwerber eines Grundstücks bzw. - wie im Streitfalle - derjenige, dem
an diesem Grundstück ein Erbbaurecht eingeräumt wird, als Entgelt für den
Grunderwerb bzw. die Bestellung des Erbbaurechts gewährt und die der
Grundstückseigentümer als Veräußerer oder Besteller für seine Leistung empfängt
(Urteil des BFH vom 02.03.2006 II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880 m.w.N.; Hofmann,
Kommentar zum GrEStG, 8. Auflage, § 8 Anm. 2 u. 3 m.w.N.; Sack in Boruttau,
Kommentar zum GrEStG, 16. Auflage, § 9 Anm. 553). Entscheidend ist dabei, was
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Maßgebend hierfür ist der tatsächliche Zustand
des Grundstücks bzw. Erbbaurechts, wobei zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des
sogenannten einheitlichen Vertragswerks erfüllt sind (Urteil des BFH vom 02.03.2006 II
R 39/04 a.a.O.; Urteil des BFH vom 23.10.2002 II R 81/00, BStBl II 2003, 199 m.w.N.;
Pahlke in Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 3. Auflage, § 9 Anm. 168; Sack
a.a.O.).
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Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs die Bestellung des Erbbaurechts an einem
Grundstück mit vom Veräußerer noch herzustellenden Gebäude, also ein Erbbaurecht
an einem bebauten Grundstück, so sind neben den vom Erbbauberechtigten zu
zahlenden Erbbauzinsen auch dessen Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes
durch den Veräußerer Bestandteil der Gegenleistung im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG
(Sack a.a.O.). Ist dagegen Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Erbbaurecht nur an
einem unbebauten Grundstück, so sind die vom Erbbauberechtigten daneben
eingegangenen Verpflichtungen zur Veränderung des tatsächlichen Zustands des
Grundstücks daraufhin zu untersuchen, ob sie Gegenleistungen im Sinne des § 9 Abs. 2
Nr. 1 GrEStG darstellen. Dies ist der Fall, wenn es sich um Leistungen handelt, die dem
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Veräußerer oder einem Dritten zugute kommen. Handelt es sich dagegen um
eigennützige Erwerberleistungen, das heißt um Leistungen, die nur dem Erwerber
zugute kommen, so sind diese nicht unter § 9 GrEStG zu subsumieren (Urteil des BFH
vom 23.10.2002 II R 81/00 a.a.O.; Sack a.a.O.).
Dies berücksichtigend war im Streitfall zunächst zu prüfen, ob der Kläger an dem im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 30.06.2006 noch unbebauten Grundstück ein
Erbbaurecht mit einem vom Veräußerer noch herzustellenden Gebäude erworben hatte,
das heißt die Voraussetzungen für ein einheitliches Vertragswerk erfüllt sind, was nach
dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu bejahen ist.
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Entscheidend für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerkes ist nicht, ob sich der
Verträgen lässt sich ein entsprechender Erwerb feststellen, wenn zwischen den
Verträgen ein rechtlicher oder ein so enger tatsächlicher Zusammenhang besteht, dass
der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält (vgl. nur
Urteil des BFH vom 23.11.1994 II R 53/94, BStBl II 1995, 331 m.w.N.). Dies setzt voraus,
dass nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Grundstücksveräußerer bzw.
der Besteller des Erbbaurechts selbst oder ein mit ihm zusammen wirkender Dritter dem
Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu
verändern, das heißt das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen
(Urteil des BFH vom 02.03.2006 II R 39/04 a.a.O.). Dazu ist neben dem Abschluss des
Grundstückskauf- bzw. Erbbaurechtsvertrages auch der Abschluss eines Bauvertrages
mit der Veräußererseite, das heißt mit dem Grundstückseigentümer bzw. mit einem mit
ihm in o.a. Sinne zusammenwirkenden Dritten erforderlich. Diese sogenannte
Veräußererseite muss zivilrechtlich zur Übereignung bzw. Erbbaurechtsbestellung und
Bebauung verpflichtet sein (Urteil des BFH vom 02.03.2006 II R 39/04 a.a.O.).
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Zwischen mehreren Verträgen besteht über den Fall einer rechtlichen
Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens hinaus zum einen dann ein so enger sachlicher
Zusammenhang, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtung ein bebautes Grundstück
erhält, wenn dieser im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bzw.
Erbbaurechtsvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der
Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb
feststand, dass er das Grundstück nur in bebautem Zustand erhalten würde (Urteil des
BFH vom 02.03.2006 II R 39/04 a.a.O.). Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen
Kauf- und Bauvertrag wird zum anderen dadurch indiziert, das der Veräußerer aufgrund
einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis annähernd zur
Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten
Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis einheitlich anbietet und der
Erwerber dieses Angebot annimmt (Urteil des BFH vom 23.11.1994 II R 53/94 a.a.O.).
Eine entsprechende Bindung gegenüber der Veräußererseite liegt insbesondere vor,
wenn mit dieser vor dem Abschluss oder Wirksamwerden des
Grundstückskaufvertrages oder Erbbaurechtsvertrages ein Bauvertrag geschlossen
wird. Die Bindung des Erwerbers kann sich aber auch aus sonstigen vorherigen
Absprachen mit der Veräußererseite oder aus faktischen Zwängen ergeben, soweit sie
bei Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrages bereits vorhanden
waren (Urteil des BFH vom 02.03.2006 II R 39/04 a.a.O.).
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Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein
enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen aber nur dann vor, wenn die
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Personen entweder personell, wirtschaftlich oder aufgrund von Abreden bei der
Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den
Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrages als auch der Verträge, die der
Bebauung dienen, hinwirken. Eines schriftlichen Vertrages zwischen den auf der
Veräußererseite verbundenen bzw. auftretenden Personen bedarf es nicht. Vielmehr
genügt ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken. Der bloße Hinweis auf
eine Kaufgelegenheit oder einen Generalübernehmer oder Bauunternehmer reicht
hingegen nicht aus (Urteil des BFH vom 02.03.2006 II R 39/04 a.a.O.).
Nach diesen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien, denen
sich der erkennende Senat anschließt, ist im Streitfalle von einem einheitlichen
Vertragswerk in o.a. Sinne und damit vom Erwerb eines Erbbaurechtes in bebautem
Zustand auszugehen.
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So wurde der Bauvertrag zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und der D über die
Bebauung des Grundstücks G Straße ... bereits am 07./08.06.2006, also Wochen vor
Abschluss des notariellen Erbbaurechtsvertrages, abgeschlossen. Durch diesen
Bauvertrag hatte die D dem Kläger und seiner Ehefrau verbindlich die Bebauung eines
bestimmten Hauses auf dem Grundstück G Straße ... in A zugesagt, also auf dem
Grundstück, das dann später unter anderem zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau
mit dem streitgegenständlichen Erbbaurecht belastet wurde.
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Da in dem Bauvertrag auf diverse Anlagen als Vertragsinhalt verwiesen wurde, stand
bei Vertragsabschluss auch fest, zu welchem Preis der Kläger und seine Ehefrau das für
sie seit dem 28.05.2006 gegen Gebühr reservierte Objekt auf dem konkret bezeichneten
Grundstück erwerben würden. Danach stand spätestens mit Abschluss des
Bauvertrages fest, dass der Kläger und seine Ehefrau an dem bezeichneten Grundstück
der Kirchengemeinde T ein Erbbaurecht erhalten würden, das nach konkreten Plänen
zu einem Preis von 234.900,00 € bebaut sein würde.
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Der Bestand des Bauvertrages war zwar nicht ausdrücklich vom Abschluss des
Erbbaurechtsvertrages am 30.06.2006 abhängig gemacht geworden. Dies war jedoch
für den Kläger ohne Risiko möglich, weil die konkrete Bebauung des Grundstücks der
Kirche zwischen dieser und der D schon zu diesem Zeitpunkt verbindlich geregelt
worden war.
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Die Kirche und die D hatten auf dieses Ziel in enger Abstimmung gemeinsam hingewirkt
und durch vielfältige Absprachen vor Unterzeichnung des Erbbaurechtsvertrages
zwischen der Kirche und den an einem bebauten Erbbaurecht Interessierten die
Umsetzung des gemeinsam geplanten Projektes sichergestellt. So hatte sich die Kirche
gegenüber der D schon Monate vor Abschluss des Bau- und Erbbaurechtsvertrages
dazu verpflichtet, ihr Grundstück nach den Vorstellungen bzw. Planungen der D durch
diese bebauen zu lassen. Dementsprechend hatte die D bereits am 17.03.2006 von der
Kirche den entsprechenden Zuschlag erhalten. Auch aus dem Schreiben der D an die
Kirche vom 20.03.2006, der Verpflichtungserklärung der D gegenüber der Kirche vom
10.04.2006 sowie dem Protokoll des die Kirche vertretenden Vorstandes vom
13.04.2006 über die projektbezogene Besprechung im Generalvikariat darüber, dass
und wie das Projekt im Einvernehmen mit der Kirche umgesetzt werden sollte, ist das
Zusammenwirken von Grundstückseigentümerin und Erbbaurechtsbestellerin einerseits
und Bauerrichter andererseits ersichtlich.
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Bestätigt wird dies auch durch die Aussagen der Zeugen. Hieraus ergibt sich eindeutig,
dass das Bauprojekt auf dem Grundstück der Kirche mit der D aufgrund entsprechender
Vereinbarungen lange vor Abschluss des Erbbaurechtsvertrages verbindlich geplant
war und feststand, dass nur derjenige ein Erbbaurecht an dem Kirchengrundstück würde
erlangen können, der mit der D bauen würde, das heißt, der sich den vorangegangenen
verbindlichen gemeinsamen Planungen von Kirche und D unterwerfen würde.
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So bestätigte der Zeuge R, dass es bei der Art der Bebauungsplanung - 6
Reiheneinfamilienhäuser - kaum vorstellbar gewesen wäre, dass ein
Erbbauberechtigter mit einer anderen Baufirma das Grundstück der Kirche hätte
bebauen können. Er bestätigte auch, dass bei dem Projekt "B" die Kirche nur das
Grundstück zur Verfügung stellen wollte und die D die Bauabwicklung regeln sollte,
wobei diese sich an das vorher mit der Kirche Vereinbarte habe halten müssen.
41
Der Zeuge K bestätigte, dass die Kirche kein Erbbaurecht an Interessenten übertragen
hätte, die nicht mit der D hätten bauen wollen. Die Kirche hätte sich auch nicht auf
mehrere Bauträger oder Unternehmen eingelassen, um die Grundstücksfläche bebauen
zu lassen. Die Kirche und die D hätten abgestimmt gehandelt, was sich deutlich aus der
Verpflichtungserklärung der D gegenüber der Kirche ergebe.
42
Wenngleich dem Kläger nicht durch die Kirche als Grundstückseigentümer selbst
zugesagt worden war, das Grundstück, an dem der Kläger ein Erbbaurecht erhalten
sollte, zu bebauen, so hatte diese Verpflichtung doch die D als vom
Grundstückseigentümer autorisierter Dritter übernommen, was jenem zuzurechnen ist. In
Anbetracht des zeitlichen Ablaufes bei der Vorbereitung und Durchführung des
Projektes und der bereits vor Abschluss des Erbbaurechtsvertrages vom Kläger
unterzeichneten diversen Erklärungen und Vereinbarungen, stand somit objektiv und
subjektiv auch für den Kläger fest, dass er im Ergebnis von der Kirche im
Zusammenwirken mit der D ein Erbbaurecht in bebautem Zustand erhalten würde, was
durch die Übernahme der Vertretung der Kirche im Notartermin durch den
Geschäftsführer der D, Herrn U, unterstrichen wurde.
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Zwischen dem Erbbaurechtsvertrag des Klägers mit der Kirche und dem Bauvertrag mit
der D bestand somit ein enger sachlicher Zusammenhang, aufgrund dessen für alle an
dem Bauprojekt Beteiligten bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrages am 30.06.2006
aufgrund abgestimmten Verhaltens zwischen der Kirche und der D verbindlich feststand,
dass, wie und mit welchem Unternehmen das Grundstück, an dem der Kläger ein
anteiliges Erbbaurecht erwerben würde, bebaut werden würde.
44
Damit sind im Streitfalle die Voraussetzungen für ein sogenanntes einheitliches
Vertragswerk erfüllt, sodass als Erwerbsgegenstand ein Erbbaurecht an einem
bebauten Grundstück festzustellen ist. Die Gegenleistung hierfür ist gemäß § 8 Abs. 1
GrEStG und § 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG nicht nur der vom Kläger zu erbringende
Erbbauzins, sondern zusätzlich die von ihm anteilig aufgewendeten
Bauerrichtungskosten.
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Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer im Sinne des § 8
Abs. 1 GrEStG erfolgte daher durch den Beklagten zu Recht nicht nur durch den Ansatz
des - unstreitigen - Wertes des Erbbauzinses i.H.v. 31.675,00 € (§ 13 des
Bewertungsgesetzes, Anlage 9a/wiederkehrende Leistung 99 Jahre, Vervielfielfältiger
18,589), sondern unter Berücksichtigung auch der anteiligen Baukosten des Klägers in
46
Höhe von 117.655,00 €.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt dem Umstand, dass ihm gemäß § 13 des
Erbbaurechtsvertrages bei Heimfall oder nach Ablauf der vereinbarten Erbbaurechtszeit
von 99 Jahren ein Anspruch auf Entschädigung i.H.v. 66 2/3 % des dann maßgeblichen
Verkehrswertes des aufstehenden Bauwerks zusteht, keine entscheidungserhebliche
Bedeutung zu. Zwar hat der BFH entschieden, dass unter Berücksichtigung des
zivilrechtlich maßgeblichen Gegenleistungsbegriffs eine Gegenleistung nicht
anzunehmen ist, wenn sich der Erwerber zu einer Leistung verpflichtet hat, die nur ihm
selbst zugute kommt (Urteil des BFH vom 23.10.2002 II R 81/00 a.a.O.). Im Streitfalle
hatte sich aber der Kläger - wie bereits ausgeführt - gegenüber der Veräußererseite
verpflichtet, neben dem Erbbauzins die anteiligen Baukosten zu zahlen, um im Ergebnis
ein Erbbaurecht an einem bebauten Grundstück zu erlangen. Die vom Kläger
zugesagten Leistungen für die Bebauung kamen nicht nur ihm selbst zugute, sondern in
erster Linie der aus Kirche und D bestehenden Veräußererseite, die sich zur Bebauung
des Grundstücks verpflichtet hatte. Demgegenüber hatte sich in dem vom Kläger für sich
vereinnahmten Urteil des BFH vom 23.10.2002 der Erwerber eines unbebauten
Erbbaurechtes verpflichtet, selbst ein unbebautes Grundstück zu bebauen, sodass die
von ihm aufgewendeten Baukosten nur ihm und nicht der - nicht zur Bebauung
verpflichteten - Veräußererseite zugute kamen.
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Die erhöhte Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 24.07.2006, erneut geändert am
08.08.2006, konnte auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden. Bei Erlass des
Erstbescheides am 24.07.2006 war nicht bekannt, dass der Kläger bereits vor
Abschluss des Erbbaurechtsvertrages am 30.06.2006 einen Bauvertrag mit der D als
einem mit der Kirche zusammenwirkenden Dritten abgeschlossen hatte. Da dies zur
Annahme eines sogenannten einheitlichen Vertrages führte und dies wiederum zur
Heranziehung einer erhöhten Bemessungsgrundlage, sind die
Änderungsvoraussetzungen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt.
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Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stand nicht entgegen, dass der Beklagte vor
Erlass des ersten Grunderwerbsteuerbescheides keine Nachforschungen hinsichtlich
der Durchführung der im Erbbaurechtsvertrag angekündigten Bebauung angestellt hatte.
Denn selbst wenn insoweit dem Beklagten eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht im
Sinne des § 88 AO vorgehalten werden könnte, scheiterte eine Änderung nach § 173
Abs. 1 Nr. 1 AO nicht an Treu und Glauben, da der Kläger seinerseits seine
Erklärungspflichten verletzt hat, indem er nicht alle für die zutreffende Festsetzung der
Grunderwerbsteuer maßgeblichen Unterlagen, insbesondere nicht den vor
Beurkundung des Erbbaurechtsvertrages abgeschlossenen Bauvertrag, vorgelegt hatte
(vgl. nur Urteil des BFH vom 26.02.2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO sind nicht
gegeben.
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