Urteil des FG Köln vom 13.11.2002

FG Köln: zuschuss, stand der technik, gegenleistung, betriebsführung, kaufpreis, eugh, zustand, bahnhof, dienstleistung, bemessungsgrundlage

Finanzgericht Köln, 3 K 2613/99
Datum:
13.11.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 2613/99
Tenor:
Anmerkung: Die Klage wurde abgewiesen.
Tatbestand
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Streitig ist, ob es sich bei der von der Deutschen Bundesbahn (DB) gewährten
"Starthilfe" um Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs oder um einen
sogenannten "echten Zuschuss" handelt.
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Die Klägerin betreibt ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen. Geschäftsgegenstand
ist der Betrieb von Straßen- und Eisenbahnen, des Omnibus- und Lastwagenverkehrs
zur Personen- und Güterbeförderung sowie die Vornahme aller Geschäfte, die den
Geschäftszweck zu fördern geeignet sind.
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Mit Vertrag vom .........1992 übernahm sie von der DB die Betriebsführung des Personen-
und Güterverkehrs der Strecken C-I und C-M als nicht bundeseigene Eisenbahn des
öffentlichen Verkehrs mit Wirkung vom .........1993. Die DB hatte vor Abschluss des
Vertrags den Personennahverkehr auf den Strecken praktisch eingestellt, weil diese
sich in einem maroden Zustand befanden und defizitär waren. Sie verpflichtete sich zur
Zahlung von ..........,-- DM zuzüglich Umsatzsteuer für die erforderlichen Baumaßnahmen
zur Verbesserung der Infrastruktur der zu veräußernden Strecken und als Zuschuss für
deren künftige Unterhaltung sowie zur Zahlung von .........,-- DM zuzüglich Umsatzsteuer
zur Aufrechterhaltung und Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs.
Außerdem verpflichtete sie sich im Zusammenhang mit dem Übergang der
Betriebsführung zur unentgeltlichen Überlassung der notwendigen Fahrzeuge und
veräußerte alle an den Strecken gelegenen Grundstücke nebst dazugehörenden
Anlagen zum Kaufpreis von 1,-- DM. § 4 des Vertrags regelte die wahlweise
Rückübertragung oder Entschädigung in Höhe der vorhandenen Verkehrswerte der
Grundstücke für den Fall einer etwaigen Einstellung des Einsenbahnbetriebs auf den
der Klägerin übertragenen Strecken. Von dem Wahlrecht ist lediglich die Strecke C-F
ausgenommen. Diese muss die Klägerin im Fall der Stilllegung an die DB
zurückveräußern.
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Gem. § 15 waren mehrere Anlagen Bestandteil des Vertrags. Hierbei handelte es sich
unter anderem um die sogenannte "Bedienungszusage" (Anlage 1). Aus dieser ergibt
sich, dass die DB der Firma ............. ................. GmbH die Bedienung ihres
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Gleisanschlusses bis zum Jahr 2000 zugesagt hatte. Im Rahmen einer "Gemeinsamen
Erklärung" (Anlage 2) einigten sich die Vertragsparteien auf eine Regelung, nach der
durchgehende Züge (insbesondere Sonderzüge) über den Bahnhof C und über
Bahnhöfe der von der Klägerin betriebenen Strecken fahren. Sie legten "großen Wert
darauf, dass der Sonderzugverkehr von den Strecken der DB in Richtung M und K
ausgeweitet und zügig über den Bahnhof C weitergeleitet wird."
Die Bundesbahn beglich die geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von .......,-- DM am
23.09.1992 und in Höhe von .........,-- DM am 24.05.1993, ohne dass die Klägerin eine
Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt hatte.
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Die Geschäftsvorfälle wurden von der Klägerin nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Im
Wirtschaftsprüfungsbericht für das Jahr 1992 wird der Vorgang wie folgt erläutert:
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"Am 7. September 1992 hat die Deutsche Bundesbahn (DB) mit dem Kreis C und der
....", der Klägerin, "einen Vertrag zwecks Übernahme der ........bahn geschlossen. Die
DB steht aus Sanierungsgründen vor der Notwendigkeit, ihre Flächenverkehre stark
einzuschränken bzw. stillzulegen. Die von solchen Verkehrseinschränkungen
bedrohten Kreise erhalten von der DB die Möglichkeit, die Strecken und Verkehre in
eigener Regie und Kostenverantwortung zu übernehmen. Aufgrund des
vernachlässigten Zustandes der .........bahnlinie mit verschiedenen Langsamfahrstellen
und als Gegenleistung für die Chance, sofort aus der Verkehrspflicht entbunden zu
werden, hat die DB der ...
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Strecke, Bauwerke und Gleisanlagen zu einem Merkposten vom DM 1
übertragen....
einen zweckgebundenen Streckensanierungszuschuss in Höhe von DM ..........
zugesagt.
einen einmaligen Betriebskostenzuschuss für die Betriebsführung in Höhe von DM
......... zugesagt, ...."
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In der am 07.02.1996 begonnenen Betriebsprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung,
die Leistungen der Bundesbahn seien Zahlungen im Rahmen eines steuerpflichtigen
Leistungsaustauschs. Er setzte als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer die
Zahlungen der Bundesbahn und den gemeinen Wert der übertragenen Grundstücke an,
die für den "symbolischen" Kaufpreis von 1,-- DM auf die Klägerin übergegangen waren,
und erließ einen geänderten Umsatzsteuerbescheid.
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In dem hiergegen am 27.02.1997 eingelegten Einspruch vertrat die Klägerin die
Auffassung, die Übernahme der Nebenstrecke von der DB begründe keinen
steuerlichen Leistungsaustausch. Das Finanzamt sei von der irrigen Auffassung
ausgegangen, die Zahlung der Zuschüsse in Höhe von ..........,-- DM stelle Entgelt für
eine Leistung der Klägerin dar und diese Leistung bestehe in der "Verpflichtung zur
Übernahme der Betriebsführung". Die Formulierung "Übernahme der Betriebsführung"
rühre jedoch aus dem Eisenbahnrecht. Dort sei derjenige, der auf Gleisen gefahren sei,
der Betriebsführer gewesen (ein technischer Eisenbahnbegriff). Im Streitfall handele es
sich somit nicht um eine Betriebsführung im steuerrechtlichen Sinne, da der gesamte
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Betrieb von ihr übernommen worden sei.
Die Übernahme des Betriebs sei auch nicht deshalb eine Leistung, weil damit die DB
von einer ihr obliegenden Verpflichtung befreit worden sei. Die DB sei nach damals
geltendem Bundesbahngesetz zwar verpflichtet gewesen, ihren Betrieb sicher und den
Regeln entsprechend zu führen (§ 4 Bundesbahngesetz); hieraus folge jedoch nur eine
Betriebspflicht als Ganzes, nicht aber für einzelne Strecken. Die DB habe sich somit
jederzeit aus der Bedienung einzelner Strecken befreien können, so dass keine
Verpflichtung bestanden habe, von der sie gegen Entgelt habe frei werden müssen.
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Schließlich könne als Kaufpreis für die übertragenen Grundstücke nicht deren gemeiner
Wert angesehen werden. Bemessungsgrundlage könne nur der tatsächliche Kaufpreis
von 1,-- DM sein.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 22. März 1999 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, ein Leistungsaustausch sei zu bejahen,
da ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem
erhaltenen Entgelt bestehe. Die Klägerin habe sich verpflichtet, den öffentlichen
Nahverkehr auf den Bahnstrecken C-I und C-K-M aufrecht zu erhalten. Hierfür seien die
Zahlungen der DB, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, geleistet und die Grundstücke
übertragen worden. Ob die DB selbst zur Aufrechterhaltung des Streckennetzes
verpflichtet gewesen wäre, sei dabei unbeachtlich. Leistung sei im Streitfall nicht ihre
Befreiung von einer Verpflichtung, sondern die Verpflichtung der Klägerin aus dem
Vertrag vom 07.09.1992. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein Leistungsaustausch
vorliege, sei der Vertragsgegenstand an sich, das heißt, was die Parteien in dem
umfänglichen Vertragswerk als gegenseitige Rechte und Pflichten vereinbart hätten.
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Vorliegend habe die DB ihre Leistung erkennbar um der Gegenleistung willen erbracht.
Dies ergebe sich auch aus dem Wirtschaftsprüfungsbericht für 1992, in dem von einem
"zweckgebundenen Sanierungszuschuss" und einem Betriebskostenzuschuss
gesprochen werde, der bei vorzeitiger Einstellung des Verkehrs auf der übernommenen
Strecke anteilig zurückgezahlt werden müsse.
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Die Übertragung der Betriebsgrundstücke sei umsatzsteuerlich keine Veräußerung
gegen Zahlung eines Geldbetrages. Vielmehr liege ein tauschähnlicher Umsatz gemäß
§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG vor. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer Verpflichtung zur
Übernahme des Betriebs der .........bahn die notwendigen Betriebsgrundstücke
übernommen. Beim tauschähnlichem Umsatz gelte der gemeine Wert gem. § 9 des
Bewertungsgesetzes - BewG - jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Als
gemeiner Wert der Grundstücke seien die von der Klägerin in der Vermögensaufstellung
zum 01.01.1994 erklärten und in die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens
eingeflossenen Grundstückswerte ohne Zuschlag nach § 121 a Bewertungsgesetz
anzusetzen. Der von ihm - dem Beklagten - angenommene Wert liege an der unteren
Grenze des gemeinen Wertes.
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Mit der hiergegen am 21.04.1999 erhobenen Klage vertritt die Klägerin weiterhin die
Auffassung, es handele sich vorliegend um einen sogenannten "echten", nicht
steuerbaren Zuschuss. Ein solcher liege vor, wenn der Zuschuss zur Förderung des
leistenden Unternehmers unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt werde.
Ausgehend von dem vom Zuschussgeber verfolgten Förderungsziel verlange der
Zuschuss eine Förderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des leistenden
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Unternehmers. Hiervon müsse nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -
BFH - dann ausgegangen werden, wenn der Zuschuss - wie im Streitfall - zu einer
Subventionierung aus bestimmten strukurpolitischen, volkswirtschaftichen oder
allgemein politischen Gründen erfolge.
Unbeachtlich für die Behandlung des Zuschusses als echter, also nicht steuerbarer
Zuschuss, sei die Bindung der Zuschussgewährung an bestimmte Bedingungen und
Auflagen (Verweis auf BFH-Urteile vom 28. Juli 1994 V R 19/92, UR 1995, 93 f.; vom 20.
April 1988 X R 3/82 UR 1988, 324 f). Der Zuschussgeber könne die Ausgestaltung
seines Zuschusses nach seinem Belieben vornehmen, sie also auch mit bestimmten
Tätigkeiten verbinden und mit Erfolgskontrollen oder Auflagen versehen. Genauso
unbeachtlich sei für die Bewertung eines Zuschusses als echter die vertraglich
bestimmte Rückzahlungsverpflichtung, wenn der Zuschussempfänger die mit dem
Zuwendungszweck gestellten Anforderungen nicht erfüllen könne. Unter Beachtung
dieser Vorgaben habe der BFH im Rahmen einer umfangreichen Kasuistik
beispielsweise Ausgangsfrachthilfen als echte Zuschüsse behandelt (Verweis auf BFH-
Urteil vom 08. März 1990 V R 67/89, BStBl. II 1990, 708). Auch bei einem Zuschuss zur
Herausgabe einer Zeitung oder aber als Druckkostenzuschuss lasse er grundsätzlich
die Wertung der Zahlung als echten Zuschuss zu (BFH-Beschluss vom 22. Oktober
1993 V B 94/93, UVR 1994, 53; BFH-Urteil vom 28. Juli 1994 V R 27/92, a.a.O.).
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Auch der Europäische Gerichtshof - EuGH - habe in seinem Urteil vom 29. Juni 1996
(Rs. C - 215/94, UR 1996, 119) entschieden, dass im öffentlichen Interesse geleistete
Ausgleichszahlungen zur Förderung eines bestimmten Ziels nicht mehr der
Umsatzsteuer unterlägen, da es an einem konkreten Leistungsempfänger und einem
konkret bestimmbaren Vorteil des Zuschussgebers fehle.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22.03.1999 den
Umsatzsteuerbescheid vom 30.01.1997 dahingehend zu ändern, dass die
Umsatzsteuer erklärungsgemäß festgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
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Er geht weiterhin von einem Leistungsaustauschverhältnis zwischen der Klägerin und
der DB aus. Zur weiteren Begründung verweist er auf die Ausführungen in der
Einspruchsentscheidung.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Zu Recht hat der Beklagte die der Klägerin von der DB gewährte "Starthilfe" als Entgelt
für Leistungen der Klägerin und nicht als sogenannten "echten Zuschuss" behandelt.
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I. Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
setzt einen Leistungsaustausch voraus. Der Leistende muss seine Leistung erkennbar
um der Gegenleistung willen erbringen; die Leistung muss auf die Erlangung der
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Gegenleistung gerichtet sein (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1997 V R 11/97, BFHE
184, 137, BStBl II 1998, 169). Für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung derart mit
der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung
(Zahlung) richtet, ist auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden
abzustellen. Ist ein Leistungsaustausch zu verneinen, spricht man herkömmlicherweise
von einem echten Zuschuss (vgl. Abschn. 150 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien -
UStR -), ansonsten von einem unechten Zuschuss. Als Indiz für die Beurteilung der
Frage, ob der Leistende seine Aktivitäten um des Entgelts willen durchführt, dient u.a.
der Zweck, den der Zahlende mit der Zahlung verfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar
1989 V R 141/84, BStBl. II 1989, 638). Soll der Zahlungsempfänger mit dem Zuschuss
nur unterstützt werden, damit er seine Tätigkeit ausüben kann, fehlt es an der
erforderlichen Verknüpfung von Leistung und Zuschusszahlung zu einem steuerbaren
Umsatz (BFH-Urteil vom 25. Januar 1996 V R 61/94, BFH/NV 1996, 715).
Auch "Zuschüsse" der öffentlichen Hand können Entgelt für eine steuerbare Leistung
sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus
dessen Kompetenzbereich um der versprochenen Zahlung willen übernimmt. Kein
Entgelt liegt aber vor, wenn der Zuschuss lediglich der Förderung des
Zuschussnehmers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für
eine steuerbare Leistung des Zuschussnehmers an den Zuschussgeber sein soll. In
derartigen Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit
Geldzahlungen erhält, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein
Leistungsaustausch zu bejahen oder zu verneinen sein (vgl. BFH-Urteile vom
13.11.1887 V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169; vom 25. März 1993 V R
84/89, BFH/NV 1994, 59; vom 6. Oktober 1988 V R 101/85, BFH/NV 1989, 327; vom 9.
Dezember 1987 X R 39/81, BFHE 152, 280, BStBl II 1988, 471 und vom 28. Juli 1994 V
R 19/92, BFHE 176, 66, BStBl II 1995, 86). Zahlungen, durch die lediglich eine aus
strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen erwünschte
Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, sind kein Entgelt für eine
steuerbare Leistung (BFH-Urteil vom 13. November 1997 V R 11/97, a.a.O.).
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Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG stimmt mit der Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 2 Nr. 1, Art. 6 Abs. 1
der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) überein. Danach erfordere der Begriff der Dienstleistungen gegen Entgelt
das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten
Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert (EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997
Rs. C-258/95, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 430). Der
Leistungsempfänger müsse einen Vorteil haben, aufgrund dessen er als Empfänger
einer Dienstleistung angesehen werden könne. Schließlich setze die Besteuerung einer
Dienstleistung einen Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts
voraus (EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94, UR 1996, 119).
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In Anbetracht der zwischen der Klägerin und der DB geschlossenen Vereinbarung ist
nach Auffassung des erkennenden Senats das an die Klägerin gezahlte Entgelt im
Rahmen eines Leistungsaustauschs gezahlt worden. Die oben beschriebene
notwendige Verknüpfung zwischen den Leistungen der Klägerin einerseits und den
Zahlungen andererseits liegt vor. In dem Vertrag vom 07.09.1992 hat sich die Klägerin
gegenüber der DB zur Übernahme der Betriebsführung bestimmter Streckenabschnitte
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verpflichtet. Hierfür erhielt sie u.a. ein Entgelt in Höhe von insgesamt ..........,00 DM.
Ferner wurden ihr alle an den Strecken gelegenen Grundstücke nebst dazugehörenden
Anlagen zum "symbolischen" Kaufpreis von 1,-- DM übertragen.
Die DB verfolgte mit dem Abschluss des Vertrags auch eigene (wirtschaftliche)
Interessen, so dass sie der Klägerin das Geld nicht lediglich zur Subventionierung aus
strukurpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen überlassen
hat.
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1. Gem. § 4 Bundesbahngesetz in der Fassung vom 13.12.1951 - BbG - ist die DB
verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen, die Anlagen, die Fahrzeuge und das Zubehör
in gutem, betriebssicherem Zustand zu erhalten und unter Beachtung wirtschaftlicher
Grundsätze nach dem jeweiligen Stand der Technik zu erneuern, zu ersetzen und
weiterzuentwickeln. Erhaltung umfasst Instandhaltung und Ausbesserung der Anlagen
und Fahrzeuge zur Verhütung oder Beseitigung von Schäden; Erneuerung den Ersatz
verbrauchter, veralteter oder sonst abhängiger Anlagen; Weiterentwicklung die
Verbesserung, Erweiterung oder Vermehrung der Anlagen (sog. "Anlagezuwachs").
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Nach eigenem Vorbringen der Klägerin befanden sich die von der DB übernommenen
Strecken in einem maroden Zustand und waren defizitär. Daher war es aus
betriebswirtschaftlicher Sicht (doppelt) sinnvoll, zur Abwendung der Instandsetzungs-
und Erhaltungspflicht die defizitären Streckenabschnitte zu übertragen. Der Klägerin ist
zwar dahingehend zuzustimmen, dass die DB durchaus die Möglichkeit gehabt hätte,
unter gewissen Voraussetzungen gem. § 14 Abs. 4 d) BbG die dauernde Einstellung
des Betriebs einer Bundesbahnstrecke beim Bundesminister für Verkehr zu beantragen.
In diesem Fall hätte sie jedoch gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 Allgemeines Eisenbahngesetz
i.d.F. vom 27. Dezember 1993 - AEG - darzulegen gehabt, dass ihr der Betrieb der
Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden könne und Verhandlungen mit
Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung zu in diesem
Bereich üblichen Bedingungen gemacht worden wäre, erfolglos geblieben seien. Die
Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit einer anderen Infrastruktureinrichtung war
somit Voraussetzung, um überhaupt von der Betriebsführung befreit werden zu können.
Aber selbst wenn die Verhandlungen gescheitert wären, hätte die Gefahr bestanden,
dass der Bundesminister für Verkehr die Genehmigung versagt, so dass in diesem Fall
der DB weiterhin die Betriebspflicht oblegen hätte. Dies lässt sich auch der Beurteilung
des Vertrags vom 07.09.1992 in dem Wirtschaftsprüfungsbericht für das Jahr 1992
entnehmen. Hiernach erfolgte die Festlegung der Leistung unter dem Gesichtspunkt
"des vernachlässigten Zustandes der .........bahn mit verschiedenen Langsamfahrstellen
und als Gegenleistung für die Chance, sofort aus der Verkehrspflicht entbunden zu
werden". Bereits der Wortlaut dieser Formulierung spricht für einen Leistungsaustausch
und weniger für einen uneigennützigen "echten Zuschuss".
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Ferner versetzte der Abschluss des Vertrags vom 07.09.1992 die DB in die Lage,
gegenüber dem Bundesverkehrsminister den Nachweis zu führen, dass die Klägerin
sich zur Übernahme der defizitären Strecken gegen Zahlung einer Starthilfe verpflichtet
hatte. Dies stellte für die DB insofern einen Vorteil dar, als sich damit die
Wahrscheinlichkeit der von ihr zur Sanierung des eigenen Unternehmens angestrebten
Entlassung aus der Verkehrspflicht erhöhte.
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2. Ein weiteres Interesse an der Übertragung der Betriebspflicht auf die Klägerin gegen
Entgelt bestand darin, dass die DB beabsichtigte, die übertragenen Strecken weiterhin
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für eigene Zwecke zu nutzen. Gemäß § 15 i.V.m. Anlage 2 des Vertrags vom 07.09.1992
einigten sich die Vertragsparteien auf eine Regelung, nach der durchgehende Züge
(insbesondere Sonderzüge) über den Bahnhof C und über Bahnhöfe der von der
Klägerin betriebenen Strecken fahren. Sie legten "großen Wert darauf, dass der
Sonderzugverkehr von den Strecken der DB in Richtung I und K ausgeweitet und zügig
über den Bahnhof C weitergeleitet wird." Es war somit auch für das übrige Schienennetz
der DB und insbesondere für einen reibungslosen Zugverkehr auf anliegenden Strecken
erforderlich, dass die übertragenen Strecken sich weiterhin in einem verkehrssicheren
Zustand befinden bzw. überhaupt noch für den Schienenverkehr nutzbar sind.
3. Schließlich hatte die DB auch ein privatrechtliches Interesse an der Aufrechterhaltung
des übertragenen Schienennetzes. Gem. § 15 i.V.m. Anlage 1 des Vertrags vom
07.09.1992 übernimmt die Klägerin eine der Firma .......... ........ ................ GmbH durch die
DB unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Jahr 2000 erteilte Bedienungszusage.
Für den Fall, dass das Streckennetz auf Betreiben der DB stillgelegt worden wäre, wäre
sie etwaigen zivilrechtlichen Ansprüchen wegen Nichterfüllung des Vertrags ausgesetzt
gewesen.
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II. Der Beklagte hat auch zu Recht den gemeinen Wert der übertragenen Grundstü- cke
als Bemessungsgrundlage angesetzt, weil hier das Entgelt für die Leistung der Klägerin
in der Lieferung der Grundstücke besteht (tauschähnlicher Umsatz, § 3 Abs. 12 Satz 2
i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG). Auch in den Fällen des Tausches und des
tauschähnlichen Umsatzes kommt es für die Ermittlung der Steuerbarkeit auf die beim
jeweils Leistenden vorhandene Finalität an. Diese ist - wie bereits dargelegt - im
Streitfall gegeben, weil auch zwischen den Leistungen der Klägerin und der
Grundstücksübertragung als Gegenleistung eine innere Verknüpfung dergestalt besteht,
dass die Leistungen um der gewollten Gegenleistung willen erbracht werden.
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Beim tauschähnlichen Umsatz gilt der gemeine Wert (§ 9 BewG) jedes Umsatzes als
Entgelt für den anderen Umsatz. Als gemeinen Wert der Grundstücke hat der Beklagte
die von der Klägerin in der Vermögensaufstellung zum 01.01.1994 erklärten und in die
Einheitsbewertung des Betriebsvermögens eingeflossenen Grundstückswerte ohne
Zuschlag nach § 121 a BewG angesetzt und sich damit - was unstreitig ist - an der
unteren Grenze des gemeinen Werts bewegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO zugelassen, weil an der Beantwortung der Frage, ob es sich bei einer von der DB
gewährten "Starthilfe" um Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs oder um einen
sogenannten "echten Zuschuss" handelt, ein allgemeines Interesse besteht.
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