Urteil des FG Köln vom 27.01.2005

FG Köln: prüfer, schriftliche prüfung, klausur, kontrolle, augenleiden, neubewertung, chancengleichheit, handschrift, gewinnausschüttung, abgabe

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Köln, 2 K 1010/01
27.01.2005
Finanzgericht Köln
2. Senat
Urteil
2 K 1010/01
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Nachdem er bereits 1998 und 1999 die Steuerberaterprüfung nicht bestanden hatte,
meldete sich der Kläger im Jahr 2000 erneut beim Beklagten zur Steuerberaterprüfung an.
Im Verlaufe des Anmeldungsverfahrens reichte er ein am 4. September 2000 ausgestelltes
und am gleichen Tage amtsärztlich bestätigtes Attest seines Augenarztes ein, wonach er
unter einer Störung der binokularen Sehfunktionen litt und eine Schreibverlängerung von je
einer Stunde angezeigt sei. Der Beklagte lies den Kläger zur Prüfung zu und gewährte ihm
für die Fertigung der Aufsichtsarbeiten jeweils eine entsprechende Schreibverlängerung.
Der Kläger fertigte am 10., 11. und 12. Oktober 2000 die Aufsichtsarbeiten an (auf den
Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Originalklausuren sowie die darauf
angebrachten Korrekturen wird hier verwiesen). Der zuständige Prüfungsausschuss 5 beim
Beklagten bewertete diese mit folgenden Noten:
Verfahrensrecht, andere Steuerrechtsgebiete: 5,0
Ertragsteuerrecht: 5,5
Buchführung und Bilanzwesen: 5,0
Gesamtnote schriftliche Prüfung: 5,16.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2001 teilte der Beklagte dem Kläger das Ergebnis der
schriftlichen Prüfung mit und wies ihn darauf hin, dass er auf Grund des Ergebnisses von
der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die Steuerberaterprüfung 2000 nicht
bestanden habe.
Gegen den vorgenannten Bescheid hat der Kläger am 21. Februar 2001 Klage erhoben
und wegen der beabsichtigten Durchführung des Überdenkungsverfahrens zunächst die
Aussetzung des Verfahrens beantragt. Durch Beschluss vom 29. Mai 2002 (8 K 1010/01)
setzte daraufhin der seinerzeit zuständige Senat des Gerichts das Klageverfahren bis zum
Abschluss des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens aus. Nachdem der Beklagte
allerdings mit Schreiben vom 30. April 2003 mitteilte, dass das Überdenkungsverfahren zu
keiner abweichenden Bewertung der Klausuren geführt habe und die entsprechende
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Stellungnahme des Prüfungsvorsitzenden vom 7. Oktober 2002 übersandte (auf den Inhalt
der vorgenannten Schreiben wird verwiesen), nahm das Gericht das Klageverfahren wieder
auf.
Seine Klage begründet der Kläger nunmehr im wesentlichen wie folgt (auf den Inhalt der
Klageschrift vom 15. September 2001 sowie der ergänzenden Schriftsätze vom 15.
September 2003 und vom 30. Juni 2004 wird im übrigen verweisen):
1. Hinsichtlich des Zulassungsverfahrens sei zunächst zu bemängeln, dass weder im
Antrag noch in der Prüfungsordnung konkretisiert werde, welche Körperbehinderungen
unter § 18 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) fielen. Hinzu komme,
dass unklar sei, ob ein amtsärztliches Zeugnis nur als Ergänzung eines Eintrages in einem
Behindertenausweis oder anstelle eines solchen Eintrages vorgelegt werden müsse. Er,
der Kläger, sei jedenfalls bei seinem ersten und zweiten Prüfungsversuch in den Jahren
1998 und 1999 davon ausgegangen, dass ein Augenleiden nicht als Körperbehinderung
gelte. Deshalb sei er bei diesen Versuchen einer Erschöpfungs- und Leistungsspirale
ausgesetzt gewesen. Hinzu komme, dass sich das Augenleiden auch auf die
Prüfungsvorbereitung für 2000 ausgewirkt habe.
2. Weiter sei zu beanstanden, dass der Prüfungsraum in der Oberfinanzdirektion A
mängelbehaftet i.S. einer individuellen Ungeeignetheit gewesen sei: Die Bestuhlung sei
nämlich für seinen, des Klägers, Körperbau zu niedrig bzw. zu weich gewesen, weshalb
sich auf Grund der ungünstigen Sitzposition bereits in der ersten Klausur eine
Verkrampfung der Schreibhand eingestellt habe. Er habe den aufsichtführenden Beamten
auch nach der Abgabe der ersten Klausur auf das Problem hingewiesen, woraufhin dieser
aber entgegnet habe, er könne keine anderen Umstände anbieten. Er, der Kläger, habe erst
am Ende der ersten Klausur erkennen können, dass er die auf Grund langsameren
Schreibens verlorene Zeit nicht mehr würde einholen können. Gerade deshalb habe er sich
erst am Ende der Klausur gemeldet. Nachdem dem Problem nicht abgeholfen worden sei,
habe er aber auch in den folgenden Klausuren Zeit verloren. Zwar habe die Möglichkeit
eines Rücktritts von der Prüfung bestanden. Das Aufsichtspersonal habe auch nicht auf die
Rücktrittsmöglichkeit hingewiesen. Hinzu komme, dass ein Rücktritt angesichts der zeit-
und kostenintensiven nochmaligen Vorbereitung unverhältnismäßig gewesen sei und sich
aus Sicht des Prüflings nicht sicher abschätzen lasse, ob die erbrachte Leistung ggfls. zum
Bestehen ausreiche. Im übrigen habe sich auch ein anderer Prüfling über die mangelhafte
Sitzgelegenheit beschwert. In der Sache sei die Bestuhlung im Prüfungsraum der Höhe
nach um ca. 9 cm von einer gewöhnlichen Büroausstattung abgewichen, was der Beklagte
zu Unrecht für "nicht so ungewöhnlich" halte. Dass der aufsichtführende Beamte die
streitbefangenen Vorgänge nicht protokolliert habe, sei unerheblich, weil er sowie der
ebenfalls betroffene Mitprüfling als Zeugen gehört werden könnten. Ihn, den Kläger, auf die
Möglichkeit des Prüfungsrücktritts zu verweisen, sei unzulässig, weil ihm dadurch einseitig
das entsprechende Risiko auferlegt werde.
3. Zusätzliche, nach der Prüfung durchgeführte Untersuchungen seiner Augen hätten
weiterhin ergeben, dass eine im vorgelegten Attest nicht hinreichend berücksichtigte
weitergehende Beeinträchtigung seiner Sehfähigkeit vorgelegen habe, weil das primär
beanspruchte rechte Auge wesentlich schneller als angenommen ermüde. Die
Schreibzeitverlängerung von je einer Stunde sei deshalb nicht ausreichend gewesen,
zumal sich nachträglich herausgestellt habe, dass bereits vor der Prüfung eine ggfls.
fortschreitende Erkrankung der Hornhaut vorgelegen habe, die ebenfalls unberücksichtigt
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geblieben sei. Hinzu komme, dass der Prüfungsraum schlecht beleuchtet gewesen sei,
weil dort eine kronleuchterähnliche Beleuchtung vorhanden gewesen sei. Effektiv habe
daher die Schreibverlängerung weniger als eine Stunde betragen und sei nicht
ausreichend gewesen, worauf der Beklagte aber nicht eingehe. Ein entsprechender
Hinweis sei ihm, dem Kläger, allerdings nicht möglich gewesen, da die maßgeblichen
Umstände erst nach der Prüfung bekannt geworden seien und das Gesetz auch nur eine
einstündige Verlängerung vorsehe und ihm im Prüfungszeitraum dem entgegen stehende
Urteile nicht bekannt gewesen seien. Jedenfalls habe der Beklagte seine diesbezüglichen
Sorgfaltspflichten verletzt.
4. Weiter sei zu bemängeln, dass die Handschrift der Prüfer teilweise unleserlich sei und
die entsprechenden Prüfungsentscheidungen nicht nachvollzogen werden könnten. Es
könne stellvertretend auf die Anmerkungen auf Seiten 70, 80 und 97 der
Ertragsteuerklausur verwiesen werden.
5. Wichtiger sei aber, dass die Klausuren nicht eigenständig durch den Erst- und den
Zweitprüfer bewertet worden seien: So sei in der Klausur Verfahrensrecht die Spalte für
den Zweitkorrektor nicht ausgefüllt, was den Schluss nahe lege, dass der Zweitkorrektor
sich pauschal dem Urteil des Erstkorrektors angeschlossen habe. Ähnliches gelte für die
Ertragsteuerklausur, wo die Zweitkorrektorenspalte nur auf einer Seite ausgefüllt sei. In der
Buchführungsklausur sei zwar erkennbar, dass der Zweitkorrektor zusätzliche Teilpunkte
vergeben habe, es fehle aber der Korrekturbogen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der
Beklagte sich damit begnüge, sich auf die freiwillige Verwendung von Korrekturbögen
zurückzuziehen und zur uneinheitlichen Prüfungspraxis inhaltlich nicht Stellung zu
nehmen. Hinsichtlich des fehlenden Korrekturbogens sei nämlich zweifelhaft, ob alle drei
Klausuren nach demselben Modus bewertet worden seien. Es fehle also ggfls. an der
Kontinuität der Bewertungsmethoden, weil sich der Zweitkorrektor in der
Buchführungsklausur offenbar von der Musterlösung gelöst habe, während dies bei den
anderen Klausuren nicht der Fall gewesen sei.
6. Bei der Buchführungsklausur sei der Zweitkorrektor auch hinsichtlich der vergebenen
Note vom Erstkorrektor abgewichen, indem er statt einer 5,0 eine 4,5 vorgeschlagen habe.
Wenn sich der Vorsitzende im Ergebnis dem Erstkorrektor angeschlossen habe, so sei dies
insoweit zu beanstanden, weil nicht erkennbar sei, ob eine gemeinsame Beratung
stattgefunden habe und die Verwerfung des Vorschlags des Zweitkorrektors nicht
begründet worden sei.
7. Bei der Klausur Ertragsteuern sei kein Punkt auf dem Korrekturrand der Klausur
vermerkt, obwohl er zu Recht im Korrekturbogen vermerkt sei (Bl. 83 der Klausurakte).
8. Aus mehreren Gründen habe der Prüfungsausschuss die Klausuren insgesamt zu
schlecht bewertet, weshalb bei der Verfahrensrechtsklausur 18,5 Mehrpunkte, bei der
Ertragsteuerklausur 20,5 Mehrpunkte und bei der Buchführungsklausur 21,5 Mehrpunkte zu
vergeben seien und die Klausuren auf die Noten 4,0 bzw. 4,5 und 4,0 anzuheben seien
(auf die tabellarische Aufstellung der entsprechenden Zusatzpunkte in den Anlagen zur
Klagebegründung, Bl. 83 ff. d. A., wird verwiesen). Dies ergebe sich aus den folgenden, in
den Schriftsätzen vom 15. September 2003 und 30. Juni 2004 im Hinblick auf die
Ergebnisse des Überdenkungsverfahrens weiter umfänglich konkretisierten Überlegungen:
a) Es sei bereits in allen Klausuren ein zugunsten des Prüflings bestehender
Antwortspielraum nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden:
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aa) Dieses ergebe sich für die Verfahrensrechtsklausur bereits aus der Aufgabenstellung.
Diese sei sehr weit gefasst und ziele auf die Simulation eines Beratungsgespräches ab.
Daraus ergebe sich, dass eine umfassende Würdigung gewollt notwendig sei, was sich
auch aus den an einen Steuerberater zu stellenden Sorgfaltsanforderungen ergebe. Wenn
im Sachverhalt 1 auf ein Schreiben des Finanzamtes hingewiesen werde, in dem der
Erlass eines Haftungsbescheides angekündigt werde, so müssten die dazu gemachten
Ausführungen in der Klausur auch gewertet werden. Soweit auf die Höhe der
Haftungsschuld einzugehen gewesen sei, sei zunächst eine umfängliche rechtliche
Beurteilung der Steuerschulden angezeigt gewesen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht
falsch, sondern geradezu angezeigt, auch zur Frage der Verjährung Stellung zu nehmen.
Gleiches gelte für die Prüfung der Steuerschuldnerschaft. Nichts anderes gelte für die
Ausführungen zum Sachverhalt 2: Auch dort sei eine umfassende Prüfung erforderlich
gewesen. So seien zur Teilfrage 1 die Änderungsvorschriften umfänglich zu prüfen
gewesen, während trotz intensiver Darstellung insgesamt nur ein halber Punkt vergeben
worden sei. Richtigerweise hätten allerdings für jede geprüfte Korrekturvorschrift halbe
Punkte vergeben werden müssen. Auch für die Darstellung zur Festsetzungsverjährung
seien keine Punkte vergeben worden. Ähnliches gelte schließlich für den Sachverhalt 3:
Wenn er, der Kläger, ausgeführt habe, dass die Aufhebung der Pfändung auch durch
Zahlung erreicht werden könne, so sei dies jedenfalls nicht falsch. Zum Umsatzsteuerteil
habe er Ausführungen zur Gewerblichkeit einer GmbH gemacht, die nicht benotet worden
seien. Hinzu komme, dass die Musterlösung zum Sachverhalt 3 einen Punkt für
Ausführungen zum Steuerschuldner vorsehe, während das bei den anderen Sachverhalten
nicht der Fall sei. Es sei unverständlich, warum dort entsprechende Ausführungen nicht
gepunktet würden. Zum Sachverhalt 5 sei es außerdem erforderlich gewesen, den zu
hohen Steuerausweis rechtlich zu würdigen. Auch dafür seien aber keine Punkte vergeben
worden.
bb) In der Ertragsteuerklausur sei im Teil I, 1. Aufgabe ebenfalls global nach einer
Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Stellung der genannten
Personen gefragt worden. Schon daraus ergebe sich, dass für Ausführungen zur
gesellschaftsrechtlichen Stellung der beteiligten Personen Punkte zu vergeben seien,
während dies der Korrekturbogen gerade nicht vorsehe. Im Körperschaftsteuerteil habe er,
der Kläger, Ausführungen zur Einkommensermittlung gemacht, für die ebenfalls keine
Punkte vergeben worden seien. Eine entsprechende Einschränkung in der Fragestellung
sei aber nicht erkennbar. Entsprechendes gelte für die Ausführungen zur
Gewinnausschüttung. Wenn er, der Kläger, im 2. Teil Ausführungen zur
Körperschaftsteuerrückstellung gemacht habe, so entspreche es gängiger Klausurpraxis,
dafür Punkte zu vergeben. Ähnliches gelte für die Ausführungen zum verwendbaren
Eigenkapital.
cc) In der Buchführungsklausur sei global nach einer handelsrechtlichen und
bilanzsteuerrechtlichen Beurteilung des Erwerbs eigener Anteile gefragt. Es sei dann aber
richtig, auch zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Erwerbs Stellung zu nehmen. Wenn im
Teil II generell nach den Bilanzen gefragt werde, so könne es nicht sein, das allgemeine
Ausführungen dazu zu keinerlei Punkten führten. Ebenso verhalte es sich mit den
Ausführungen zur Einkommensermittlung bei Organschaft. Auch diesbezüglich sei ein
Antwortspielraum vorhanden. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, warum die
Musterlösung für Ausführungen zur Rückwirkungsproblematik nur einen Punkt vorsehe. Die
Fragestellung sei nämlich so gehalten, dass auch eine umfängliche Antwort möglich sei.
b) Die Klausurbewertung leide weiterhin darunter, das nicht alle in der Musterlösung
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vorgesehenen Punkte für entsprechende Leistungen vergeben worden seien:
aa) Dies gelte zunächst für die Verfahrensrechtsklausur: Zum Umsatzsteuerteil (Aufgabe 2,
Sachverhalt 3) sehe die Musterlösung für die Erwähnung der steuerfreie Lieferung einen
Punkt vor. Trotz der Erwähnung in der Klausur sei aber kein Punkt vergeben worden,
während für eine dort nicht gegebene Antwort zum formalen Nachweis ein halber Punkt
ausgewiesen sei. Zum Sachverhalt 6 sehe die Musterlösung für die Erwähnung der
umsatzsteuerlichen Konsequenzen aus der Strafbarkeit einen Punkt vor. Trotz der
Behandlung dieser Problematik sei aber nur ein halber Punkt vergeben worden, der auch
noch nachträglich wegen angeblich unleserlicher Handschrift gestrichen worden sei.
bb) In der Buchführungsklausur sehe die Musterlösung für die Buchungen zur Einziehung
der Anteile zwei Punkte vor. Obwohl einer von zwei Buchungssätzen richtig angegeben
worden sei, sei aber kein Punkt vergeben worden. Zwar habe dies der Zweitkorrektor
anders gesehen, ein entsprechender Punkt sei aber dann gestrichen worden. Für die
Ausführungen zu den Investitionen sehe die Musterlösung zwei Punkte vor. Obwohl in der
Klausur noch umfänglichere Angaben als in der Musterlösung gemacht worden seien, sei
aber nur ein Punkt gegeben worden. Für Ausführungen zu den Ausgleichszahlungen seien
vier Punkte vorgesehen. Trotz sehr ausführlicher Darstellung seien aber nur zwei Punkte
vergeben worden. Auch seien die Ausführungen zur Eröffnungsbilanz der KG statt in der
vorgesehenen Höhe von zwei Punkten nur mit einem Punkt bewertet worden, obwohl alle
in der Musterlösung vorgesehenen Details angegeben worden seien. In der Klausur sei
auch stichwortartig angegeben worden, dass auf den Übernahmegewinn keine
Gewerbesteuer anfalle. Dennoch sei der in der Musterlösung vorgesehene Punkt nicht
vergeben worden. Wenn dort für die steuerliche Beurteilung der KG-Mitunternehmer zwei
Punkte alleine für die Beurteilung der Tätigkeitsvergütungen des K vorgesehenen seien, so
sei es nicht verständlich, das kein Punkt vergeben worden sei, obwohl er, der Kläger, auf
alle Mitunternehmer eingegangen sei.
c) Weiterhin seien in Abweichung von der Musterlösung zusätzliche Punkte im Bereich der
Buchführungsklausur zu vergeben: Wenn dort der Korrektor im Teil IV, Aufgabe 1, darauf
verweise, dass eine Rückstellungsverpflichtung bestehe und er wegen der abweichenden
Klausurlösung keinen Punkt vergebe, so sei das nicht nachvollziehbar. Im Sachverhalt
werde nämlich die zu Grunde liegende Information des Rechtsanwaltes als
"Stammtischinformation" geschildert, weshalb sie keinesfalls als rechtsverbindlich
aufgefasst werden könne. Es sei dann aber zumindest vertretbar, von einer
Rückstellungsbildung abzusehen.
d) Weiterhin seien auch Punkte für teilrichtige Antworten zu vergeben, wenn die
Aufgabenstellung besonders schwierig sei. Dem entspreche die Musterlösung teilweise
nicht:
aa) In der Verfahrensrechtsklausur sei zum Sachverhalt 1 für die Prüfung des Ermessens
nur ein Punkt vorgesehen, während zumindest 1,5 Punkte angemessen seien. Zur
Problematik der Einspruchsfrist (Sachverhalt 2, 2. Teilfrage) sehe die Musterlösung nur
einen Punkt vor, während insoweit ein weiterer halber Punkt beantragt werde.
bb) In der Ertragsteuerklausur sei im Teil 1, Aufgabe 1 die gesellschaftliche Stellung des B
zu beurteilen. Die Musterlösung sehe zwei Punkte dafür vor, während nur 1,5 Punkte
vergeben worden seien. Dies sei nicht rechtens, weil nahezu alle wichtigen Merkmale der
Musterlösung angesprochen worden seien. Ähnliches gelte für die Beurteilung der
gesellschaftlichen Stellung des D. Obwohl erkannt worden sei, dass dieser kein
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Gesellschafter sei, sei kein Punkt vergeben worden. Im Teil 2, Aufgabe 1 sei zwar nicht
erkannt worden, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt wurden.
Zumindest sei aber für die angesprochene Abgrenzung zur gewerblichen Vermietung
sowie die Erwähnung der Überschusserziehungsabsicht ein halber Punkt zu vergeben
gewesen. Zum Teil 2, Aufgabe 1 sehe die Musterlösung für Ausführungen zu den
Werbungskosten insgesamt 9,5 Punkte vor. Obwohl auf die Differenzierung zwischen
entgeltlichem und unentgeltlichem Teil eingegangen worden sei, sei aber kein Punkt
vergeben worden. Stattdessen sei zu einem anderen, nicht ausgeführten Streitpunkt ein
Punkt vergeben worden. Hinzu komme, dass für die gegebenen Antworten mindestens drei
nachträgliche Punkte zu veranschlagen seien. Dieses ergebe sich nicht nur aus der
schwierigen Aufgabe, sondern auch daraus, dass es sich teilweise um Folgefehler
handele. Im Teil Körperschaftsteuer seien für die Ausführungen zu der nahestehenden
Person drei Punkte vorgesehen. Da in der Klausur auf die Möglichkeit einer
entsprechenden verdeckten Gewinnausschüttung zumindest hingewiesen worden sei, sei
ein Punkt zu vergeben gewesen. Wegen des Schwierigkeitsgrades sei hier aber
mindestens ein weiterer halber Punkt anzusetzen. Für die Ermittlung des verwendbaren
Eigenkapitals sehe die Musterlösung insgesamt vier Punkte vor. Insoweit sei mindestens
ein weiterer Punkt zu vergeben, weil das entsprechende Schema dargestellt und die
Normen genannt worden seien.
cc) Im Bereich der Buchführungsklausur sehe die Musterlösung im Teil 1, Aufgabe 1 zum
Erwerb eigener Anteile insgesamt zehn Punkte vor. Da die Klausur nahezu vollständig der
Musterlösung entspreche, seien zumindest acht Punkte zu vergeben gewesen. Hinsichtlich
der Gewinnrücklage sei zwar das falsche Konto angesprochen worden, dies wirke sich
allerdings nur in der Gewinn- und Verlustrechnung aus. Entsprechend sei zumindest ein
halber Punkt nachträglich zu vergeben. Zur Forderung der Organgesellschaft aus
Gewinnabführungsverpflichtung sehe die Musterlösung zwei Punkte vor. Zwar sei der
Buchungssatz seitenverkehrt dargestellt worden, dennoch sei ein halber Punkt zu
vergeben gewesen, weil es sich ganz offensichtlich um einen Flüchtigkeitsfehler gehandelt
habe. Weiterhin sei in der Klausur die Notwendigkeit der Aufstellung einer
Übertragungsbilanz angesprochen worden. Dennoch sei kein Punkt vergeben worden.
Auch sei für die Berechnung des Übertragungsgewinnes und die Darstellung der
Übertragungsbilanz kein Punkt vergeben worden, obwohl doch zunächst ein Punkt
vorgesehen worden sei. Dies sei auch sachgerecht, weil es sich um einen Folgefehler
handele und die Bildung einer Rückstellung für Umwandlungskosten zumindest fraglich
sei. Nichts anderes ergebe sich im Teil IV, Aufgabe 2 zur Buchführungspflicht für das
Sonderbetriebsvermögen: Von fünf möglichen Punkten habe der Erstkorrektor zunächst
einen Punkt vergeben, während die weiteren Korrektoren zwei Punkte vergeben wollten.
Dies habe dann der Erstkorrektor nicht anerkannt, obwohl die gegebenen Antworten
teilweise richtig seien und die Aufgabe besonders schwierig sei.
e) In weiten Teilen berücksichtige die Bewertung auch nicht, dass lediglich Folgefehler
gemacht worden seien: Dies sei zunächst in der Ertragsteuerklausur im Teil 2, Aufgabe 1
bei den Ausführungen zur Einkommensermittlung der Fall. Auf Grund der
Falschbeurteilung der Stellung des Gesellschafters S seien die Einkünfte falsch berechnet
worden. Es handele sich insoweit um einen Folgefehler, der nicht zweifach zum
Punktabzug führen dürfe. Auch fehle bei der Aufgabenstellung ein Hinweis auf eine
gesellschafterbezogene Betrachtung, woraus sich wiederum Folgefehler ableiteten.
Ähnliches gelte für die Ausführungen zu den Werbungskosten des Gesellschafters S sowie
für die Zurechnung zu den steuerpflichtigen Einkünften. Im Teil 2, Aufgabe 2 sei zudem ein
Rechenfehler vorhanden, der sich ebenfalls als Folgefehler auswirke. In der
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Buchführungsklausur sei ein Folgefehler zu verzeichnen, weil bei den Ausführungen zur
Körperschaftsteuer-Belastung von der Bruttodividende ausgegangen worden sei.
f) Die Bewertung verletzte schließlich grundgesetzliche Prinzipien: Schon vor dem
Hintergrund der Regelung des Art. 12 des Grundgesetzes (GG) sei fraglich, ob der
Bewertungsspielraum nicht insgesamt hätte positiver ausgeübt werden müssen. Der
Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung im dritten Versuch komme Berufsverbotswirkung
zu. Auch könne eine Verletzung des Art. 3 GG vorliegen, weil der Gesetzgeber für EU-
Ausländer keine vollständige Überprüfung der entsprechenden Fachkenntnisse vorsehe.
Ein solcher Verstoß könne sich aber auch daraus ergeben, dass gegebenenfalls Klausuren
teilweise angehoben worden seien. Von einer solchen Anhebung habe er, der Kläger, nicht
profitiert. Schließlich sei fraglich, ob nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt
worden sei, weil das Prüfungsniveau im Jahr 2000 besonders deutlich angehoben worden
sei. Darauf entgegne der Beklagte nur pauschal und lasse nicht erkennen, welcher
Beurteilungsphilosophie er folge. Er trete auch keinen Beweis dafür an, dass er nicht in
Einzelfällen Noten angehoben habe. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die mangelnde
Ausnutzung des vorhandenen Bewertungsspielraumes sich auf alle hier vorgetragenen
Bewertungsmängel beziehe.
9. Er, der Kläger, halte im übrigen an seinem Antrag, die Klausuren durch einen
unabhängigen Sachverständigen neu bewerten zu lassen, fest. Eine derartige Überprüfung
könne aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung abgeleitet
werden und sei auch schon vor dem Hintergrund des ansonsten auftretenden
Rollenkonflikts der Prüfer angezeigt. Das verwaltungsinterne Kontrollverfahren sei insoweit
vom Klageverfahren zu trennen, weil dem Gericht umfangreichere
Überprüfungsmöglichkeiten zustünden. Letzteres ergebe sich auch aus dem Umstand,
dass es die Prüfungsleistungen unter Zugrundelegung fachwissenschaftlicher
Erkenntnisse uneingeschränkt zu überprüfen habe, während prüfungsbezogene Faktoren
nur einer eingeschränkten Kontrolle unterlägen. Dabei vermische der Beklagte aber beide
Bereiche unzulässig und verkenne außerdem, dass das Gericht auch im Bereich der
Prüfungsentscheidungen eine grundgesetzlich garantierte Kontrolle gewährleisten müsse.
10. Das während des Klageverfahrens durchgeführte verwaltungsinterne Kontrollverfahren
weise schließlich schon insoweit Mängel auf, als die Zusammensetzung des
Prüfungsausschusses, welcher die Klausuren neu bewertet haben wolle, nicht angegeben
werde. Auch werde die Neubewertung nicht nachgewiesen. Es fehlten Unterschriften der
Mitkorrektoren, der Nachweis der Einhaltung von Formvorschriften sowie eigene
Stellungnahmen der Zweit- und Drittkorrektoren. Auf wesentliche Teile der
Klagebegründung sei der Beklagte im übrigen gar nicht eingegangen und wiesen die
vorgelegten Schriftstücke erhebliche formale Mängel auf. So würden dort lediglich
Behauptungen aufgestellt, die nicht untermauert würden und die einen falschen Eindruck
über den Prüfungsinhalt wiedergäben. Es sei fraglich, ob nicht lediglich eine abstrakte,
pauschale, oberflächliche oder sogar fehlende Stellungnahme der Prüfer vorliege, die zur
gerichtlichen Anforderung einer weiteren Begründung führen müsse. Jedenfalls habe der
Beklagte das Kontrollverfahren nicht nur freiwillig durchgeführt, sondern sei dazu gesetzlich
gezwungen und müsse daher auch die Spielregeln einhalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 26. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten dazu zu
verpflichten, den Kläger im Hinblick auf die schriftliche Prüfung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er zunächst auf die Stellungnahme des Prüfungsvorsitzenden
zum Überdenkungsverfahren und ergänzt die dortigen Ausführungen wie folgt:
1. Eine Neubewertung der Klausuren durch einen neutralen Sachverständigen sei bereits
durch §§ 10 und 24 DVStB ausgeschlossen. Nichts anderes gelte wegen der nur
eingeschränkten Kontrolle im Gerichtsverfahren. Diesbezüglich könne auf die
Ausführungen des Bundesfinanzhofes (BFH) in seinem Beschluss vom 9. März 1999
(BFH/NV 1999, 1133) verwiesen werden, in dem das Gericht den Umfang der gerichtlichen
Kontrolle noch einmal festgelegt und deutlich gemacht habe, dass nur Fachfragen einer
uneingeschränkten Kontrolle unterlägen. Bei prüfungsspezifischen Fragen sei den Prüfern
hingegen ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der nicht durch einen Sachverständigen
überprüft werden könne.
2. Dem Kläger sei im Hinblick auf seine Sehbehinderung die beantragte
Schreibverlängerung gewährt worden. Dass er für die Vorjahre keinen entsprechenden
Antrag gestellt habe, sei für das Jahr 2000 unerheblich. Das dem Kläger zur Verfügung
gestellte Merkblatt, welches auf "körperliche Gebrechen" abstelle, sei ausreichend. Auch
habe der Kläger lediglich eine Verlängerung von einer Stunde beantragt und auch nur ein
entsprechendes Attest vorgelegt. Da er während der Prüfung keine Beanstandungen
getroffen habe, sei sein nunmehriges Vorbringen verspätet.
3. Durch die Bestuhlung im Prüfungsraum sei dem Kläger kein Nachteil entstanden, die
über ein zumutbares Maß hinausgingen. Hinzu komme, dass er, der Beklagte, regelmäßig
–wie auch im Streitfall-- auf dieselben Prüfungsräume zurückgreife, welche über
ausreichende Licht-, Luft- und Platzverhältnisse verfügten. Der konkrete Prüfungsraum
werde seit Jahrzehnten genutzt, ohne dass es je zu Beschwerden gekommen sei. Auch sei
die Möblierung nicht ungewöhnlich. Hinzu komme, dass der Kläger seine Einwände
verspätet vorbringe und er die Raumsituation nach den Erläuterungen des
Aufsichtsbeamten dadurch akzeptiert habe, dass er seine Beschwerde nicht wiederholt
habe. Eintragungen über Beanstandungen seien in den entsprechenden Niederschriften
nicht vermerkt.
4. Das Vorbringen hinsichtlich der Lichtverhältnisse sei ebenso verspätet .
5. Die Bewertung sei nach objektiven Kriterien erfolgt und genüge den grundgesetzlichen
Anforderungen. Der Kläger lasse außer Acht, dass für alle Prüfungskandidaten wegen des
Grundsatzes der Chancengleichheit einheitliche Maßstäbe gelten müssten. Er habe die
Prüfungsanforderungen auch nicht nur knapp verfehlt. Pauschale Notenanhebungen gebe
es im übrigen nicht.
6. Das verwaltungsinterne Kontrollverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden:
Abgesehen davon, dass Formerfordernisse nicht bestünden, gehe es lediglich darum, den
Prüfern Gelegenheit zur "Überdenkung ihrer Prüfungsentscheidungen" unter
Auseinandersetzung mit den Argumenten des Prüflings zu geben. Anhaltspunkte dafür,
dass im Streitfall nicht alle Prüfer mitgewirkt hätten, bestünden nicht, weil der Vorsitzende
dies in seiner Stellungnahme ausdrücklich klarstelle. Es existiere auch keine Verpflichtung
dazu, dass alle Prüfer eigenständige Schriftsätze abzugeben hätten. Anhaltspunkte für das
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Fehlen einer Neubewertung seien ebenso wenig erkennbar wie solche, die dafür sprechen
könnten, dass die Bewertung nicht eigenständig erfolgt sein könnte.
7. Bei seinen inhaltlichen Einwänden gegen die Bewertung spreche der Kläger im übrigen
keine Fachfragen, sondern nur Prüfungsfragen an, die einer gerichtlichen Kontrolle nur
eingeschränkt zugänglich seien: Die Prüfer hätten sowohl ihren Standpunkt zum
Antwortspielraum dargelegt als auch ihre Bewertung begründet und sich zudem an
einheitlichen Maßstäben orientiert.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 26. Januar 2001 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat die vom Kläger abgelegte schriftliche
Prüfung zum Steuerberaterexamen 2000 zu Recht mit einer Gesamtnote bewertet, die die
Zahl 4,5 übersteigt. Er hat den Kläger daher nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 DVStB zu
Recht von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen.
1. Der Kläger kann zunächst nicht die Neubewertung der von ihm angefertigten
Aufsichtsarbeiten durch einen Sachverständigen verlangen.
a) Nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 DVStB sind die schriftlichen Aufsichtsarbeiten durch
Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder des von der zuständigen obersten
Landesbehörde eingesetzten Prüfungsausschusses zu bewerten. Nichts anderes gilt für
das auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 DVStB bzw. (für Prüfungen, die vor dem 1.
November 2000 begonnen haben) auf freiwilliger Basis durchgeführte
Überdenkungsverfahren, welches gerade den Sinn hat, dass die bereits mit der Bewertung
befassten Prüfer ihre Sachentscheidung inhaltlich überprüfen. Auch im Klageverfahren ist
aber die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht angezeigt: Nach der zutreffenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts –
BVerfG-- vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 213/83, NJW 1991, 2005; vom 17. April 1991 -
1 BvR 1529/84, 138/87, NJW 1991, 2008) gebietet das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte
Grundrecht auf freie Berufswahl, das durch die Zulassungsprüfung zum Beruf des
Steuerberaters eingeschränkt wird, eine gerichtliche Kontrolle von
Prüfungsentscheidungen, wobei die Durchsetzung des Rechts auf gerichtliche
Überprüfung durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet wird.
b) Diese umfassende gerichtliche Kontrolle beschränkt sich aber nur auf die fachlichen
Fragen. Unter Fachfragen, die im prüfungsrechtlichen Finanzgerichtsverfahren voller
gerichtlicher Überprüfung unterliegen, sind alle Fragen zu verstehen, die
fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Hierunter fallen sowohl Fragen, die
fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers
behandelt werden (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG-- vom 17.
Dezember 1997 6 B 55/97, NJW 1998, 2920). Insoweit muss das Gericht überprüfen, ob
zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen als fachlich falsch bewertet werden
(Beschluss des BFH vom 9. März 1999 VII S 14/98, BFH/NV 1999, 1133; Urteil vom 9.
Oktober 1999 VII R 152/97, BStBl II 2000, 93). Im Bereich der steuerrechtlichen Fachfragen
verfügt der erkennende Senat als Spruchkörper eines auf das Steuerrecht spezialisierten
Fachgerichts über eine eigene Fachkompetenz, die eine Abgabe des Streitfalls an einen
Sachverständigen nicht zulässt.
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c) Nichts anderes ergibt sich allerdings auch für Prüfungsfragen: Soweit die Prüfer
prüfungsspezifische Fragen beurteilen, steht ihnen nämlich ein Bewertungsspielraum zu,
der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist und daher per se einer Begutachtung
durch einen Sachverständigen entzogen ist. Die Prüfer haben bei der Benotung nämlich
nicht nur die fachliche Richtigkeit der Antworten zu bewerten, sondern auch
Einschätzungen und Erfahrungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus ihren
bisherigen Prüfungen sowie aus dem Vergleich des Kandidaten mit seinen Mitbewerbern
ergeben. Prüfungsnoten stehen daher in einem Bezugssystem, das durch die persönlichen
Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird (Beschluss des BVerfG vom 17.
April 1991 in NJW 1991, 2005). Der Prüfer kann so beispielsweise die Leistungen des
Kandidaten gegenüber den Fähigkeiten der anderen Kandidaten einordnen oder aber
einschätzen, welchen Schwierigkeitsgrad die Aufgabenstellung aufweist und wie sie von
der Gesamtheit der Kandidaten verstanden wurde. Die Prüfer dürfen auch in der
Steuerberaterprüfung Klarheit und Systematik der Darstellung sowie der Vollständigkeit
und Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen wesentliches Gewicht beimessen. Ihre
diesbezügliche Beurteilung liegt im wesentlichen nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet
und kann von den Finanzgerichten nur dann beanstandet werden, wenn sie offensichtlich
nicht vertretbar ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1133). Diese prüfungsspezifischen
Bewertungen lassen sich folglich gerichtlich eingeschränkt nur darauf überprüfen, ob die
Prüfungsbehörde Verfahrensfehler begangen hat, anzuwendendes Recht verkannt hat, von
einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe
verletzt hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (Beschluss des
BVerfG vom 17. April 1991 in NJW 1991, 2005; BFH-Beschluss vom 9. März 1999 in
BFH/NV 1999, 1133).
2. Es ist weiterhin unzutreffend, wenn der Kläger meint, dass die Regelung in § 18 Abs. 3
DVStB unverständlich sei. Wenn dort von einer Körperbehinderung die Rede ist, so ergibt
sich bereits aus dem Wortlaut, dass damit jede einschlägige Behinderung körperlicher Art
gemeint ist. Es ist auch unrichtig, wenn der Kläger aus § 18 Abs. 3 Satz 3 DVStB
herauslesen will, dass nur solche Behinderungen anerkannt werden könnten, die in einen
Behindertenausweis einzutragen sind. Für eine solche Auslegung gibt der Wortlaut des §
18 Abs. 3 Satz 3 DVStB nichts her. Wenn es dort heißt, dass die oberste Landesbehörde
die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verlangen kann, so kann das nur
dahingehend verstanden werden, dass es der Behörde freisteht, vom Prüfling ggfls. einen
amtsärztlich bescheinigten Nachweis über die Behinderung zu verlangen. Die Behörde
kann auf einen derartigen Nachweis aber auch verzichten und sich ggfls. mit einem
ärztlichen Zeugnis begnügen. Die Vorlage eines Behindertenausweises verlangt die
Vorschrift hingegen nicht.
3. Der Kläger kann sich im Klageverfahren auch nicht mehr darauf berufen, dass sein
bestehendes Augenleiden in den Vorjahren (1998 und 1999) zu keiner
Schreibverlängerung geführt hat. Weder war das Augenleiden für den Beklagten äußerlich
erkennbar noch hat der Kläger selber einen entsprechenden Antrag auf
Schreibverlängerung gestellt, obwohl der Wortlaut des Gesetzes so gefasst ist, dass ein
Prüfling hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Schreibverlängerung auch bei
einem Augenleiden besteht. Das zeigt letztlich schon das Vorgehen des Klägers im
Streitjahr. Selbst wenn seine Behauptung zutreffen sollte, dass sich (gesundheitliche)
Auswirkungen aus der besonderen Inanspruchnahme der Augen in den Vorjahren auf das
Prüfungsjahr ergeben haben, wäre das irrelevant, weil es für die Sachentscheidung im
Streitjahr nur auf den Gesundheitszustand des Klägers unmittelbar vor der Ablegung der
Prüfung ankommt. Diesen Gesundheitszustand hat der Kläger ärztlich untersuchen und
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bescheinigen lassen und hat dann auch noch die Bestätigung des Amtsarztes eingeholt.
War selbst für die Fachleute nicht erkennbar, dass ggfls. ein schwereres Augenleiden
vorliegen konnte, so kann der Kläger vom Beklagten ein Erkennen dieser Situation nicht
erwarten.
4. Er kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass die gewährte Schreibverlängerung
unzureichend gewesen sei: Dies ergibt sich schon daraus, dass er selbst nur eine Stunde
Schreibverlängerung beantragt hat. Zwar spricht das Gesetz insoweit auch nur für eine
längstmögliche Verlängerbarkeit von einer Stunde, so dass der Kläger möglicherweise von
der Beantragung einer weitergehenden Verlängerung abgehalten geworden sein könnte.
Indessen besagt bereits das vorgelegte ärztliche Attest gerade nicht, dass eine
Schreibverlängerung von "mindestens einer Stunde", sondern gerade, dass eine
Schreibverlängerung von "ca. einer Stunde" angezeigt sei. Der Wortlaut des Attestes ist in
Verbindung mit dem Antrag des Klägers bereits so zu verstehen, dass je Klausur eine
Verlängerung von einer Stunde gewollt war. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht
darauf berufen, dass er erst nach der Ablegung der schriftlichen Prüfung erkannt habe,
dass sein Augenleiden schwererer Natur gewesen sei, als im Moment des Antrags auf
Schreibverlängerung angenommen. Abgesehen davon, dass es zumindest theoretisch
möglich erscheint, dass sich das Augenleiden kurzfristig verschlechtert haben kann, hat ein
entsprechend ausgebildeter Facharzt bei der Begutachtung des Klägers und der
nachfolgenden Ausstellung des vorgelegten Attestes die vermeintlich zunächst unerkannte
Schwere des Augenleidens nicht erkannt. Es ist nicht Aufgabe des Beklagten, vorgelegte
ärztliche Atteste, die noch dazu amtsärztlich bestätigt worden sind, auf ihre medizinische
Richtigkeit hin zu hinterfragen. Dies ist allein Aufgabe des Prüflings, der sich auf die
Sachkunde der zu Rate gezogenen Ärzte verlassen hat.
5. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er durch unzumutbare
Raumausstattung, sei es in Form nicht optimaler Möbel oder nicht optimalen Lichts,
benachteiligt worden sei. Insoweit wäre es zunächst seine Aufgabe gewesen, den
Aufsichtsbeamten auf seine Bedenken hinzuweisen. Soweit er dies in bezug auf die
Sitzmöglichkeiten getan hat, hätte er auf einer Protokollierung bestehen müssen und sich
nicht mit der Auskunft des Beamten zufrieden geben dürfen. Seine Vorgehensweise spricht
insoweit dafür, dass er sich mit den vorgehaltenen räumlichen Verhältnissen zufrieden
gegeben hat. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Kläger eine unzureichende
Raumsituation gerügt hat, so wäre dies unbeachtlich, weil Prüflinge keinen Anspruch auf
eine individuell-optimale Beleuchtung oder Bestuhlung, sondern nur auf einen den
allgemeinen Anforderungen genügenden Raum haben. Der Kläger selbst hat nicht
vorgetragen, dass der Prüfungsraum generell ungeeignet für die Erbringung von
Prüfungsleistungen gewesen wäre, sondern hat auf seine Größe (und damit individuelle
Verhältnisse) abgestellt. Derartige individuelle Umstände können zwar ggfls. dazu führen,
dass eine Prüfungsunfähigkeit eintritt, dann ist es aber Aufgabe des Prüflings, diese
Prüfungsunfähigkeit rechtzeitig vor der Abgabe der letzten Klausur anzuzeigen und von der
Prüfung zurückzutreten. Der Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge verbietet es,
dass Prüflinge zunächst die Klausurergebnisse abwarten und dann noch im nachhinein
und nach der Mitteilung der Ergebnisse zurücktreten.
6. Es ist ferner unzutreffend, wenn der Kläger ausführt, die Handschrift der Prüfer sei
teilweise unleserlich und die entsprechenden Prüfungsentscheidungen könnten daher
nicht nachvollzogen werden. Der Senat hat sich die vom Kläger in Bezug genommenen
Stellen der Korrekturen angesehen und war in der Lage, die zugegebenermaßen schlecht
leserliche-- Handschrift des Prüfers zu entziffern. Der Einwand des Prüflings ist aber auch
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schon deshalb nicht begründet, weil die Bewertung selbst dann noch nachvollziehbar
bleibt, wenn man mit dem Kläger von einer Unleserlichkeit der angegebenen drei Stellen
(Ertragsteuerklausur Seiten 70, 80 und 97) ausginge. Abgesehen davon, dass die
Bewertung im Rahmen des Überdenkungsverfahrens nochmals erläutert worden ist, wäre
der vorgenannte unleserliche Anteil der Bewertung so marginal, dass sich dieser Umstand
nicht negativ auf die Gesamtentscheidung auswirken könnte.
7. Es ist weiter unzutreffend, dass die vorgenommene Bewertung Anhaltspunkte dafür böte,
dass die Prüfer keine eigenständigen Bewertungen vorgenommen oder gar am
Überdenkungsverfahren nicht mitgewirkt hätten. Auf die Frage, ob die für den
Zweitkorrektor eigens vorgesehene Spalte ausgefüllt wird, kommt es insoweit nicht an, weil
die vorgegebene Spalte nur eine technische Erleichterung und Option für die Prüfer
darstellt, auf die sie zurückgreifen können, aber eben nicht müssen. Gleiches gilt für das
Ausfüllen eines Korrekturbogens, der ebenfalls nur eine (mögliche) Arbeitshilfe für die
Prüfer darstellt. Die Prüfer sind auch nicht gezwungen von den vorgenannten
Möglichkeiten einheitlich Gebrauch zu machen, solange gewährleistet ist, dass sie sich von
allen Prüfungsleistungen ein eigenes Bild gemacht haben und ihre i.S. des § 24 Abs. 2
Satz 1 DVStB "persönliche Bewertung" abgegeben haben. Es stellt insoweit auch keinen
Verfahrensfehler dar, wenn der zweite bzw. dritte Prüfer in Kenntnis der Bewertung durch
den Erstprüfer seine Beurteilung abgegeben hat, denn ein Prüfling hat keinen Anspruch auf
sogenannte verdeckte Bewertungen. Vielmehr entspricht es allgemeinen
Prüfungsgrundsätzen, wenn sich ein Zweitprüfer dem Beurteilungsvorschlag des
Erstprüfers anschließt (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 1999 in BFH/NV 1999, 1133; Urteil
des BVerwG vom 30. Januar 1995 - 6 C 1/92, NJW 1995, 3266). Ebenso ist es aber auch
zulässig, dass der Zweitprüfer zunächst vom Votum des Erstprüfers abweicht, sich aber
dann in Absprache mit dem Erstprüfer auf die von diesem vorgeschlagene Note einigt (arg.
e. § 24 Abs. 3 Satz 2 DVStB). Dass letzteres im Streitfall nicht geschehen wäre, sondern
sich der Erstprüfer über das Votum des Zweitprüfers ohne Absprache hinweggesetzt hätte,
ist nicht erkennbar. Entsprechend hat auch der Vorsitzende des Prüfungsausschusses in
seiner Stellungnahme zum Überdenkungsverfahren ausgeführt, dass die beteiligten drei
Prüfer die Noten "im Einvernehmen" festgesetzt hätten. Anderweitige formale Fehler im
Überdenkungsverfahren sind nicht erkennbar.
8. Der Kläger dringt auch mit seinen umfangreichen Einlassungen zu Bewertungsfehlern,
die aus seiner Sicht zu nachträglichen Punkten führen müssten, nicht durch:
a) Der Kläger dringt zunächst nicht mit seiner Argumentation durch, dass der
Prüfungsausschuss einen zu seinen Gunsten bestehenden Antwortspielraum nicht
hinreichend beachtet habe. Ob und in welcher Weise bei Anwendung eines
Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsbestandteile zu
gewichten sind, ist in weitgehendem Umfang der finanzgerichtlichen Kontrolle entzogen,
weil dem jeweiligen Prüfer bei der Vergabe von Punkten ein weiter Beurteilungsspielraum
verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1999 VII R 34/98, BStBl II 1999, 573). Eine von der
Prüfungsbehörde erstellte Musterlösung und die in ihr für die einzelnen Lösungsschritte
vorgeschlagenen Punkte sind auch keine für die Prüfer verbindlichen Vorgaben, die deren
höchstpersönlichen Bewertungsspielraum einschränken würden. Es obliegt danach auch
nicht der Kontrolle des Gerichts einzuschätzen, wie intensiv die Beantwortung einer
bestimmten Frage ausfallen muss. Das gilt jedenfalls dann, wenn die entsprechenden
Fragen nicht so global gehalten sind, dass sie besonders umfängliche Ausführungen
geradezu herausfordern. Das ist bei den streitigen Klausurfragen entgegen der Auffassung
des Klägers aber gerade nicht der Fall: Es ist unzutreffend, wenn der Kläger insoweit meint,
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dass die auf die Simulation eines Beratungsgespräches gerichteten Fragen so zu
verstehen seien, dass der jeweilige Sachverhalt auch hinsichtlich rechtlich oder vom
Sachverhalt her nicht einschlägiger Fragestellungen überprüft werden müsse und dafür
Punkte zu vergeben seien. Vielmehr hat der Prüfungsvorsitzende in seiner Stellungnahme
zum Überdenkungsverfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass Fragen, die sich nach
dem Sachverhalt nicht stellen oder rechtlich nicht einschlägig sind, nicht zu beantworten
sind. Dennoch gemachte Ausführungen zu derartigen Fragen dürfen folglich auch dann
nicht zur Vergabe von Punkten führen, wenn sie inhaltlich richtig sind, weil insoweit gerade
kein Antwortspielraum des Prüflings besteht. Im Streitfall gilt das zunächst für die
Ausführungen des Klägers in der Verfahrensrechtsklausur zur Haftungsanfrage vor Erlass
der zu überprüfenden Haftungsbescheide, zur Verjährung, zu den Änderungsvorschriften,
zur Festsetzungsverjährung, zur auf Vollstreckungseinstellung gerichteten Zahlung (trotz
des Klausurhinweises mangelnder Zahlungsfähigkeit) sowie zur Steuerschuldnerschaft im
Umsatzsteuerteil (vgl. Stellungnahme des Prüfungsvorsitzenden zur
Verfahrensrechtsklausur Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 7). Gleiches gilt aber auch für die weiteren
Klausuren, soweit dort auf die "globale Formulierung" von Fragen mit dem Petitum
abgestellt wird, für allgemeine Ausführungen zusätzliche Punkte zu erhalten. Das gilt etwa
für die Ausführungen des Klägers zur gesellschaftsrechtlichen Stellung der beteiligten
Personen im Teil I, 1. Aufgabe der Ertragsteuerklausur sowie die Ausführungen zur
Einkommensermittlung, zur Gewinnausschüttung, zur Körperschaftsteuerrückstellung und
zum verwendbaren Eigenkapital im dortigen Körperschaftsteuerteil, soweit der Beklagte –
unabhängig von den inhaltlichen Fehlern (vgl. dazu unter b)— dafür keine zusätzlichen
Punkte vergeben hat (Stellungnahme zur Ertragsteuerklausur Nr. 2, 3, 4, 5, 6). Ebenso
verhält es sich schließlich mit den allgemeinen Ausführungen des Klägers in der
Buchführungsklausur zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Erwerbs eigener Anteile, zu den
Bilanzen und zur Einkommensermittlung bei Organschaft (Stellungnahme zur
Buchführungsklausur Nr. 2, 3, 4).
b) Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, soweit er ausführt, er habe trotz
entsprechender Leistungen nicht alle in der Musterlösung vorgesehenen Punkte erhalten:
aa) Ob missverständliche, fragmentarische, unpräzise, mehr oder weniger falsche
Antworten (noch) einen Punkt verdienen oder nicht, ist der Kontrolle des Gerichts entzogen
(vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 1999 in BFH/NV 1999, 1133). In diesem Zusammenhang
ist es insbesondere nicht zu beanstanden, wenn die Prüfer (einzelne) zutreffende
Ausführungen zu relevanten Einzelpunkten deshalb nicht oder allenfalls als unbedeutende
Leistung werten, weil sie nicht sinnvoll geordnet oder nicht prägnant bzw. sogar
zusammenhanglos dargestellt oder ohne deutlichen Bezug zur geforderten Falllösung
erscheinen. Das ist im Streitfall insbesondere der Fall, soweit der Kläger skizzenhafte oder
stichwortartige Lösungsvorschläge unterbreitet hat (Stellungnahme des Vorsitzenden zur
Ertragsteuerklausur Nr. 5, 11, 13 und zur Buchführungsklausur Nr. 10 und 19). Ein
Bewertungsfehler kann aber auch nicht durch eine in die Einzelpunkte aufgegliederte
Gegenüberstellung von Teilen der Musterlösung und der Klausurbearbeitung
nachgewiesen werden: Die in der Musterlösung vorgeschlagenen Punkte bilden nämlich
lediglich die Grundlage dafür, einzelne Teile der Aufgabenstellung zu gewichten. Die in der
Musterlösung vorgeschlagenen Punkte sollen die Gewichtung einzelner Teile der
Aufgabenstellung nach ihrer Bedeutung und Schwierigkeit erleichtern helfen. Folglich kann
die Vergabe eines Punktes nicht bereits dann beansprucht werden, wenn ein Prüfling sich
irgendwie zu dem Lösungsweg geäußert hat, der in der Musterlösung angesprochen ist,
oder er in bestimmten (geringfügigen) Teilen die Musterlösung trifft. Die Prüfer dürfen
nämlich die Klarheit und Systematik der Darstellung sowie die Vollständigkeit und
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Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen bei der Zumessung der in der Musterlösung
nur in Form von Höchstwerten ausgewiesen "Wertpunkte" wesentliches Gewicht
beimessen. Dabei liegt die diesbezügliche Beurteilung der Prüfungsleistung im
wesentlichen nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet. Im Rahmen der gerichtlichen
Kontrolle der Prüfungsentscheidung kann diese Beurteilung folglich nur beanstandet
werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist, insbesondere, weil die Prüfer für ihre
Bewertung vernünftige Gründe nicht angeführt haben oder die Prüfer einzelne richtige Teile
der Bearbeitung ersichtlich überhaupt nicht bewertet haben (BFH-Beschluss vom 9. März
1999 in BFH/NV 1999, 1133). Das ist aber im Streitfall gerade nicht der Fall: Der
Prüfungsvorsitzende hat in seiner Stellungnahme umfänglich dargestellt, wie der
Prüfungsausschuss zu seiner Bewertung gekommen ist und weshalb die Hinweise des
Klägers auf (teil)richtige Antworten nicht zu einer besseren Bewertung durch Vergabe
zusätzlicher Punkte führen kann. Er ist dazu auf alle vom Kläger vorgebrachten Argumente
und die Begründungen zu den von ihm geforderten zusätzlichen Punkten eingegangen und
hat für die jeweiligen Bewertungen vernünftige und nachvollziehbare Gründe aufgeführt. Er
hat auch dargelegt, wie und in welcher Höhe der Ausschuss die richtigen Antwortteile
bewertet hat (vgl. die gesamte Stellungnahme des Vorsitzenden sowie dort insbesondere
die Ausführungen zu falschen bzw. fehlenden Antworten). Insbesondere ist es nicht zu
beanstanden, dass der Ausschuss die reine Angabe von Gesetzesvorschriften ohne
Subsumtion des jeweiligen Sachverhaltes (vgl. in der vorgenannten Stellungnahme zur
Verfahrensrechtsklausur die Nr. 4, 8, 11, zur Ertragsteuerklausur die Nr. 2, 3,4,5, 6, 11, 16
sowie in der Buchführungsklausur Nr. 7, 8, 10, 19) nicht als richtige Antwort gewertet hat.
bb) Der Kläger beruft sich insoweit auch zu Unrecht darauf, er habe für richtige Antworten
keine Punkte erhalten: Auf die entsprechenden Ausführungen des Klägers zur
Verfahrensrechtsklausur ist der Prüfungsvorsitzende in seiner Stellungnahme in den Nr. 9
und 10 eingegangen und hat klargestellt, dass entweder ein Übertragungsfehler vorlag (Nr.
9) oder aber eine falsche Vorschrift angegeben wurde (Nr. 10). Der Kläger hat sich insoweit
erkennbar auf § 4 UStG gestützt. Auch auf die Einwendungen zur Buchführungsklausur ist
der Beklagte ausführlich eingegangen und hat seine Bewertung (soweit er nicht wie in der
Nr. 6 abgeholfen hat) in der Nr. 2, 7, 8, 9, 10 und 11 begründet. Dabei ist ein Fall, in dem
eine richtige Antwort zu Unrecht überhaupt nicht gewertet worden wäre, nicht erkennbar,
weil es bei den entsprechenden Einwendungen des Klägers letztlich um die –durch den
Senat wegen des entsprechenden Beurteilungsspielraumes nicht zu überprüfende— Frage
geht, ob ggfls. mehr Punkte für eine gewertete Leistung hätten vergeben werden müssen.
c) Soweit der Kläger Übertragungsfehler (bei der Punktübertragung) oder die fehlende
Eintragung von Punkten gerügt hat, hat der Beklagte diese im Rahmen des
Überdenkungsverfahrens korrigiert bzw. klargestellt, dass sie sich materiell nicht
ausgewirkt haben (vgl. die Stellungnahme zur Verfahrensrechtsklausur Nr. 9, zur
Ertragsteuerklausur Nr. 1, 10 sowie zur Buchführungsklausur Nr. 6, 8 und 16). Es ist dabei
nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen der vorgenommenen
Punkteerhöhung in der Buchführungsklausur eine Saldierung mit zu Unrecht vergebenen
Punkten (dort Nr. 17 und 18) vorgenommen hat, welche ihm im Rahmen des
Überdenkungsverfahrens aufgefallen waren.
d) Aus den vorgenannten Gründen dringt der Kläger auch nicht mit seiner Argumentation
durch, dass Folgefehler nicht zu einer negativen Bewertung führen dürften: Es ist zwar
richtig, dass Folgefehler sich gleichsam nicht mehrfach negativ auswirken dürfen. Das
bedeutet aber nicht, dass die entsprechenden Antworten generell als richtig zu behandeln
wären, sondern es kommt insofern darauf an, ob die entsprechende Lösung unter
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Verwendung eines falschen Ausgangspunktes dann richtig und konsequent zu Ende
verfolgt wird. Verneint das der Prüfer mit vernünftigen Gründen, so liegt ein
Bewertungsfehler nicht vor (vgl. die Stellungnahme zur Ertragsteuerklausur Nr. 15, 16 und
17 sowie zur Buchführungsklausur Nr. 12). Das gilt erst recht, soweit der Kläger anführt, die
Prüfer hätten einen von ihm vorgeschlagenen Buchungssatz trotz der Tatsache als richtig
werten müssen, dass er "seitenverkehrt" verwendet worden ist. Insoweit ist gerade nicht
klar, ob ein Flüchtigkeitsfehler vorliegt oder nicht. Außerdem führt auch ein
Flüchtigkeitsfehler zu einer falschen Antwort (vgl. die Stellungnahme des
Prüfungsvorsitzenden zur Buchführungsklausur Nr. 15).
e) Nicht nachvollziehbar erscheint dem Senat die Argumentation des Klägers, dass er
deshalb habe mehr Punkte erhalten müssen, weil die Klausuraufgaben besonders schwer
gewesen seien. Zunächst spricht nichts für die Richtigkeit dieser Annahme, weil die
Durchfallquote im Streitjahr nicht erheblich von den Quoten in den Vorjahren abwich. Es
gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausuren teilweise nachträglich angehoben
worden wären. Im übrigen berücksichtigen die vom Beklagten vorgegebenen
Musterlösungen sehr wohl die teilweise besondere Schwierigkeit der Klausuren, indem sie
für besonders diffizile Fragestellungen entsprechend viele Punkte vorsehen. Eine generelle
Schwierigkeit der Klausuren ist hingegen nicht erkennbar. Schon aus Gründen der
Chancengleichheit ist es nicht geboten, nachträglich über die Musterlösungen hinaus
weitere Punkte zu vergeben, weil davon nur diejenigen Prüflinge profitieren würden, die
das Rechtsbehelfsverfahren betreiben.
9. Die Verletzung von Grundrechten des Klägers ist nicht ersichtlich: Bereits das aus Art. 3
Abs. 1 GG folgende Prinzip der Chancengleichheit schließt es aus, dass ein vorhandener
Bewertungsspielraum für Prüflinge unterschiedlich ausgeübt wird. Es ist auch nicht richtig,
dass der Kläger durch das nunmehr entgültige Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung in
seiner Berufsfreiheit verletzt würde, weil der Zugang zum Beruf des Steuerberaters nicht
schrankenlos garantiert wird, sondern die aus Gründen des Allgemeinwohls erforderliche
Ablegung einer Fachprüfung voraussetzt. Da allen Prüflingen zum Nachweis ihrer
Fachkunde drei Prüfungsversuche zustehen, ist es auch nicht unverhältnismäßig, dass
dem Kläger nunmehr kein weiterer Prüfungsversuch mehr zusteht. Eine
Ungleichbehandlung gegenüber EU-Ausländern ist schon deshalb nicht gegeben, weil §
37a Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StbG) nicht nur eine den deutschen
Verhältnissen entsprechende Vorbildung (vgl. § 37a Abs. 3 StbG), sondern auch eine
umfängliche Eignungsprüfung vorsieht, die auf EG-rechtlichen Vorgaben beruht und eine
Überprüfung der Befähigung, den Beruf eines Steuerberaters im Inland auszuüben, nach
Maßgabe des § 37a Abs. 3 StbG sicherstellt. Im übrigen würde ein angenommener
Verfassungsverstoß nicht zu einer Absenkung der Anforderungen an Inländer, sondern zu
einer Verschärfung der Anforderungen an EU-Ausländer führen müssen. Der vom Kläger
erhobene Vorwurf einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch partielle Anhebung der Klausurergebnisse bzw.
eine im Jahr 2000 durchgeführte besonders schwere Prüfung scheidet nach dem zuvor
Gesagten schon deshalb aus, weil derartige Verzerrungen gerade nicht festgestellt werden
können.
10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.