Urteil des FG Köln vom 15.11.2006

FG Köln: geldwerter vorteil, kirchensteuer, arbeitslohn, verfügung, wohnung, reisekosten, form, steuerpflichtiger, verkehrswert, rechtsverordnung

Finanzgericht Köln, 11 K 954/04
Datum:
15.11.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 954/04
Tenor:
Der Nachforderungsbescheid für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und
Kirchensteuer für den Zeitraum 01.07.1998 bis 31.12.2002 vom .......2003
wird unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung
geändert, indem der Nachforderungsbetrag für Lohnsteuer auf 2.264,82
EUR, der Nachforderungsbetrag für Solidaritätszuschlag auf 124,57
EUR, der Nachforderungsbetrag für ev. Kirchensteuer auf 31,71 EUR
und der Nachforderungsbetrag für katholische Kirchensteuer auf 126,83
EUR festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung
durch den Kläger in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die unentgeltliche Verpflegung von
Arbeitnehmern im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen bei den Arbeitnehmern zu
steuerpflichtigen Einnahmen führt.
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Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH, ist im Wesentlichen die
Produktion und der Vertrieb von ...waren. Sie betreibt insbesondere sog. ....-Shops. Die
Klägerin ließ in den Streitjahren sowohl ihre Bezirksleiter, die mehrere ....-Shops
betreuen, als auch das Verkaufspersonal regelmäßig durch externe Dozenten in
mehrtägigen Seminaren schulen. Die Schulungen wurden regelmäßig in Hotels an
einem gut erreichbaren Ort innerhalb eines Vertriebsgebietes durchgeführt. Sie fanden
entweder von Montagvormittag bis Mittwochmittag oder von Mittwochmittag bis
Freitagnachmittag statt. Im Rahmen dieser Fortbildungsveranstaltungen wurden den
Mitarbeitern der Klägerin Mahlzeiten zur Verfügung gestellt, deren Kosten
ausschließlich von der Klägerin getragen wurden. Der übliche Endpreis (§ 8 Abs. 2
Satz 1 EStG) für ein Frühstück lag in den Streitjahren bei 7 DM bzw. 3,60 EUR (2002)
und für ein Mittagessen bei 23 DM bzw. 11,75 EURO (2002). Die Mitarbeiter der
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Klägerin, die in den Streitjahren an den Schulungen teilnahmen, waren an den Tagen
Montag und Dienstag und an den Tagen Donnerstag und Freitag jeweils mehr als 8
Stunden und weniger als 14 Stunden beruflich unterwegs. Am Mittwoch lag die
berufliche Abwesenheit der Arbeitnehmer jeweils unter acht Stunden. Zwischen den
Beteiligten besteht in tatsächlicher Hinsicht Einigkeit, dass die Mahlzeiten nicht im ganz
überwiegenden Interesse des Arbeitgebers, sondern zur üblichen Beköstigung der
Arbeitnehmer während einer Dienstreise gereicht wurden und daher grundsätzlich
Arbeitslohn darstellen.
Die Arbeitnehmer hatten in Bezug auf die Fortbildungsveranstaltungen gegenüber der
Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen. Sie
erhielten in den jeweiligen Monaten neben diesen Mahlzeiten von der Klägerin keine
weiteren unentgeltlichen (Sach-)Zuwendungen.
4
Die Klägerin behandelte die Übernahme der Verpflegungskosten nicht als
steuerpflichtigen Arbeitslohn im Sinne des § 8 Abs. 2 EStG.
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Für den Lohnzahlungszeitraum 01.07.1998 bis 31.12.2002 fand bei der Klägerin eine
Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Der Prüfer beurteilte die Kostenübernahme für die
Mahlzeiten als Sachbezug im Sinne des § 8 Abs. 2 EStG, der mit dem amtlichen
Sachbezugswert anzusetzen sei. Er bezog sich hierbei insbesondere auf R 31 Abs. 8
Nr. 2 Satz 1 Lohnsteuer-Richtlinien (LStR), wonach Mahlzeiten, die zur üblichen
Beköstigung der Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Dienstreise gewährt
würden, mit dem maßgebenden amtlichen Sachbezugswert nach der
Sachbezugsverordnung (SachBezV) anzusetzen seien. Ein geldwerter Vorteil sei
gemäß R 31 Abs. 8 Nr. 4 LStR in diesen Fällen dann als Arbeitslohn zu erfassen, wenn
und soweit der vom Arbeitnehmer gezahlte Preis den maßgebenden Wert der Mahlzeit
unterschreite. Zwar sei auf den Sachbezugswert grundsätzlich auch ein zwischen dem
Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbartes Entgelt anzurechnen, wenn dieses
Entgelt von der steuerfreien Reisekostenvergütung oder vom Nettoarbeitslohn
einbehalten werde. Eine fiktive Verrechnung der Sachbezugswerte und
Reisekostenvergütungen, auf die der Arbeitnehmer keinen Anspruch habe, sei aber
nicht zulässig.
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Die Klägerin beantragte im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung auch in Bezug auf
die Mahlzeitgewährung eine Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2
EStG. Sie behielt sich lediglich vor, im weiteren Verfahren die Steuerfreiheit der
Verpflegung im Hinblick auf § 3 Nr. 16 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG geltend zu
machen. Die formellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach §§ 3 Nr. 16, 41
EStG sind im Streitfall unstreitig erfüllt.
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Die Anzahl der Tagungen und Seminare wurde zwischen den Beteiligten
einvernehmlich geschätzt (Tz. 2 des Berichtes über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom
02.06.2003). Dabei gingen sie übereinstimmend von folgendem Sachverhalt aus:
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In allen Streitjahren nahmen 20 Mitarbeiter der Klägerin jeweils einmal im Jahr an einem
Fortbildungslehrgang teil, der von Montagvormittag bis Mittwochmittag dauerte. Weitere
20 Mitarbeiter besuchten einmal jährlich eine Schulungsveranstaltung von
Mittwochmittag bis Freitagnachmittag. Die 20 Mitarbeiter, die an den Schulungen von
Montag bis Mittwoch teilnahmen, erhielten dreimal Frühstück (Montag bis Mittwoch) und
zweimal Mittagessen (Montag und Dienstag). Bei den Veranstaltungen, die am
9
Mittwochmittag anfingen, erhielten die Arbeitnehmer der Klägerin am Donnerstag und
Freitag jeweils ein Frühstück und ein Mittagessen.
Die Nachversteuerung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG sollte einvernehmlich mit einem
Nettopauschsteuersatz von 50 % erfolgen.
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Im Einzelnen ermittelten sich die Nachforderungsbeträge für den streitigen
Lohnzahlungszeitraum danach wie folgt:
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Kj
Betrag
Steuersatz Lohnst.
SolZ
ev. KiSt rk. KiSt
07-12/98
319,58 DM
50 %
159,79 DM 8,79 DM 2.24 DM 8,95 DM
1999
639,17 DM
50 %
319,58 DM 17,58 DM 4,47 DM 17,90 DM
2000
648,55 DM
50 %
324,28 DM 17,84 DM 4,54 DM 18,16 DM
2001
655,59 DM
50 %
327,80 DM 18,03 DM 4,59 DM 18,36 DM
2.262,90 DM
1.131,45
DM
62,23 DM 15,84 DM 63,36 DM
98-01
1.157,00
EUR
578,50
EUR
31,82
EUR
8,10
EUR
32,40
EUR
2002
341,00 EUR 50 %
170,40
EUR
9,37
EUR
2,39
EUR
9,54 EUR
gesamt :
748,90
EUR
41,19
EUR
10,49
EUR
41,94
EUR
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Der Beklagte folgte der Lohnsteuer-Außenprüfung und erließ am ......2003 einen
entsprechenden Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und
Kirchensteuer, in dem für den streitigen Lohnzahlungszeitraum u. a. die o.g. Lohnsteuer
(748,90 EURO), ev. Kirchensteuer (10,49 EURO), rk. Kirchensteuer (41,94 EURO) und
der Solidaritätszuschlag in Höhe von 41,19 EURO enthalten sind.
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Die Klägerin legte gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein. Sie machte
geltend, dass die den Arbeitnehmern kostenlos zur Verfügung gestellten Mahlzeiten
gemäß § 3 Nr. 16 EStG ebenso wie entsprechende Geldzahlungen steuerfrei bleiben
müssten. § 3 Nr. 16 EStG sei nicht auf Geldzahlungen beschränkt. Es mache
wirtschaftlich keinen Unterschied, in welcher Form einem Steuerpflichtigen Einkünfte
zuflössen bzw. Aufwendungen erstattet würden. Dementsprechend habe auch der BFH
mit Urteil vom 04.08.1994 (VI R 61/92, BStBl II 1995, 59) die unentgeltliche Verpflegung
anlässlich einer Dienstreise unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 16 EStG als
steuerfrei bezeichnet. Eine Sonderregelung für Sachleistungen hätte der Gesetzgeber in
§ 3 Nr. 16 EStG unmissverständlich zum Ausdruck bringen müssen.
14
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom ....2004 stellte sich
der Beklagte weiterhin auf den Standpunkt, dass es sich bei der Gewährung der
unentgeltlichen Mahlzeiten um Sachbezüge handele, die mit dem amtlichen
Sachbezugswert zu versteuern seien (§ 8 Abs. 2 EStG, R 31 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 LStR)
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Sachbezugswert zu versteuern seien (§ 8 Abs. 2 EStG, R 31 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 LStR)
und nicht von der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 16 EStG erfasst würden. Nach
R 31 Abs. 8 Nr. 4 LStR sei in diesen Fällen ein geldwerter Vorteil als Arbeitslohn zu
erfassen, wenn und soweit der vom Arbeitnehmer gezahlte Preis den maßgebenden
Wert der Mahlzeiten unterschreite.
Gebe ein Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer unentgeltlich Mahlzeiten ab, so
entstünden dem Arbeitnehmer keine Mehraufwendungen für Verpflegung, die der
Arbeitgeber erstatten könne. Folglich komme § 3 Nr. 16 EStG in entsprechenden Fällen
grundsätzlich nicht zum Zug. Letztlich sei auch eine Gestellung von Mahlzeiten
tatsächlich etwas anderes als eine Vergütung zur Erstattung von Reisekosten. In dem
von der Klägerin angeführten Urteil in BStBl II 1995, 59, habe der BFH die anlässlich
einer Dienstreise gewährte unentgeltliche Verpflegung nicht generell als steuerfrei
bezeichnet, wenn die Voraussetzungen des § 3 Nr. 16 EStG vorlägen. Er habe dies
vielmehr nur dann bejaht, wenn die Zuwendungen im ganz überwiegenden Interesse
des Arbeitgebers lägen. Im Übrigen habe der BFH in diesem Urteil deutlich gemacht,
dass die Bewirtung eigener Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber außerhalb von
herkömmlichen Betriebsveranstaltungen in der Regel zu einem Zufluss von Arbeitslohn
führe.
16
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, die kostenlose
Zurverfügungstellung der Mahlzeiten an ihre Mitarbeiter sei im Streitfall nicht als
steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln. Zwar habe der Beklagte zutreffend gemäß R
31 Abs. 8 Nr. 2 LStR die gewährten Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) mit den
amtlichen Sachbezugswerten bewertet. Eine Steuerpflicht ergebe sich im Streitfall
entgegen den weiteren Anweisungen in der genanten Richtlinie aber grundsätzlich
nicht. Die anzusetzenden Sachbezugswerte lägen nämlich regelmäßig unter den im
Streitfall nach § 3 Nr. 16 EStG für Verpflegungsmehraufwendungen steuerfrei zu
belassenden Beträgen. Auch Sachleistungen im Sinne des § 8 Abs. 2 EStG könnten
Vergütungen gemäß § 3 Nr. 16 EStG darstellen. Die Frage, ob dem Arbeitnehmer dann,
wenn der Arbeitgeber unmittelbar die Verpflegung bezahle, Mehraufwendungen
entstünden oder nicht, sei lediglich eine Frage der Semantik. Wenn er auch keinen
Mehraufwand habe, so habe der Arbeitnehmer andererseits auch kein zusätzliches
Einkommen, das zu versteuern sei.
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Die Mahlzeiten seien im Streitfall auch zu Recht nach der SachBezV bewertet worden.
Der BFH habe im Urteil vom 06.02.1987 (IV R 24/84, BStBl II 1987,355) zwar
entschieden, dass die Sachbezugswerte auf die Unterkunft und Verpflegung bei einem
zweitägigen Betriebsausflug nicht anwendbar seien. Die Anwendung der
Sachbezugesverordnung auf Verpflegungsleistungen im Rahmen von Dienstreisen sei
aber gleichwohl zulässig, weil die Finanzverwaltung sich bei der Bearbeitung von
Massenerscheinungen typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen dürfe.
In diesem Rahmen erscheine die Übernahme der amtlichen Sachbezugswerte für die
Beköstigung auf Dienstreisen als eine insgesamt sachgerechte und vertretbaren
Lösung, die auch von den Gerichten zu beachten sei, weil sie nicht zu einem
offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe (Hinweis auf BFH-Urteil vom 25.10.1985 IV
R 15/81, BStBl II 1986, 200). Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der
Preis einer Mahlzeit weniger von deren Qualität und Nährwert als vielmehr vom Ort der
Verpflegung abhänge. In der Nähe von Universitäten gebe es typischerweise sehr oft
eine qualitativ gute und preiswerte Gastronomie, deren Preise zumindest nicht
wesentlich von den amtlichen Sachbezugswerten abweiche. Demgegenüber stehe die
extrem teure Gastronomie in Autobahngaststätten, Eisenbahnzügen und Flughäfen, die
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für viel Geld recht wenig biete. Für die "Bereicherung" des Arbeitnehmers auf einer
Dienstreise mache es aber keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber je nach dem Ort der
Beköstigung für vergleichbare Mahlzeiten sehr viel oder wenig bezahlen müsse. Vor
diesem Hintergrund werde deutlich, dass das vom BFH herangezogene Kriterium der
Dauerhaftigkeit der Verpflegungsleistungen objektiv nur einen sehr begrenzten Wert
habe und zudem mit zahllosen Abgrenzungsproblemen verbunden sei. Darüber hinaus
sei die Beköstigung durch den Arbeitgeber auf Dienstreisen in gewissem Umfang nicht
selten eine "aufgedrängte Bereicherung", der sich der Arbeitnehmer nicht entziehen
könne und die er bei einer freien Entscheidung nicht in Anspruch nehmen würde.
Insbesondere dann nicht, wenn er den "Verkehrswert" dafür zu bezahlen hätte.
Ungerechtfertigten Ergebnissen werde im Übrigen dadurch vorgebeugt, dass die
Finanzverwaltung in R 31 Abs. 8 Satz 1, 2 LStR nur übliche Beköstigungen bis zu
einem Mahlzeitwert von 40 EUR nach der SachBezV bewerte. Ob diese Obergrenze
grundsätzlich zu hoch sei, könne nach dem im Streitfall vorliegenden Sachverhalt offen
bleiben.
Letztlich wäre der Klage aber im Hinblick auf die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG
selbst dann stattzugeben, wenn die kostenlos gewährten Mahlzeiten nicht nach der
SachBezV, sondern gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am
Abgabeort zu bewerten wären. Von dem tatsächlichen Wert der Mahlzeiten sei in
diesem Fall nämlich zunächst gemäß § 3 Nr. 16 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5
EStG der Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen als steuerfreie Einnahme
abzusetzen. Der verbleibende Wert läge dann in jedem Fall unter der Freigrenze des §
8 Abs. 2 Satz 9 EStG, die zur Anwendung käme, wenn die Mahlzeiten nicht nach der
SachBezV zu bewerten seien. Der tatsächliche Wert eines Frühstücks liege unstreitig
bei 7 DM. Für ein Mittagessen seien einvernehmlich 23 DM anzusetzen. Somit habe ein
Mitarbeiter in einem Monat höchstens Sachbezüge im Wert von 67 DM (Lehrgang von
Montag bis Mittwoch) erhalten. Hiervon seien Verpflegungspauschbeträge von 20 DM
(Montag und Dienstag Abwesenheit von 8 bis 14 Stunden) abzuziehen. Die
verbleibenden Werte lägen unter den Freigrenzen von 50 DM (1998 bis 2001) bzw. 50
EUR (2002), die in den Streitjahren einschlägig gewesen seien. Noch deutlicher würden
die Freigrenzen bei einer entsprechenden Berechnung bei den Mitarbeitern
unterschritten, die an den Lehrgängen von Mittwoch bis Freitag teilgenommen hätten.
Die Freigrenzen stünden insoweit auch uneingeschränkt zur Verfügung, weil die
Mitarbeiter keine weiteren unentgeltlichen Sachbezüge erhalten hätten.
19
Die Klägerin beantragt,
20
den Nachforderungsbescheid vom .....2003 für Lohnsteuer,
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum 01.07.1998 bis
31.12.2002 zu ändern, indem die Nachforderung um die Steuerbeträge
vermindert wird, die auf die Gewährung von Mahlzeiten bei
Fortbildungsveranstaltungen entfallen,
21
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22
Der Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen,
24
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
25
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der
Einspruchsentscheidung vom .......2004. Ergänzend macht er geltend, dass die
Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen nicht vor Prüfung der Freigrenze
des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG vom tatsächlichen Wert der Mahlzeit abzuziehen seien. Im
Gesetz fände sich hierfür keine Rechtfertigung.
26
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
27
Entscheidungsgründe
28
Die Klage ist begründet.
29
Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), soweit der Beklagte die Gewährung von Mahlzeiten
im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen der Besteuerung zugrunde gelegt hat.
30
Der Beklagte ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der
unentgeltlichen Überlassung der Mahlzeiten im Streitfall um einen Vorteil in Form eines
Sachbezugs i. S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 EStG handelt, der grundsätzlich der
Lohnsteuer unterliegt. Er hat allerdings außer Acht gelassen, dass unter Anwendung der
Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 16 EStG und der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9
EStG im Streitfall kein steuerpflichtiger Arbeitslohn verbleibt.
31
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit
neben dem Gehalt oder Lohn auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Hierbei ist
gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder in
welcher Form sie gewährt werden. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 EStG
("Kost") ergibt, rechnet zu den geldwerten Einnahmen grundsätzlich auch die
Überlassung von Mahlzeiten.
32
Eine Ausnahme von dieser Regel kommt nur dann in Betracht, wenn eine
Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall ergibt, dass der Arbeitgeber die
Aufwendungen für eine Verköstigung seiner Mitarbeiter in seinem ganz überwiegenden
eigenbetrieblichen Interesse getätigt hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 55-56/92,
BStBl II 1994, 771). Dies setzt voraus, dass die Speisen und Getränke anlässlich eines
außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes aus durch den Arbeitsablauf bedingten Gründen
unentgeltlich überlassen werden. Es muss sich dabei um einen innerhalb einer kurzen
Zeit zu erledigenden oder unerwarteten Arbeitsanfall handeln, so dass die Überlassung
der Mahlzeit der Beschleunigung des Arbeitsablaufs dient. (vgl. BFH Urteil vom
04.08.1994 VI R 61/92 BStBl II 1995, 59).
33
Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt die Gewährung der Mahlzeiten im Streitfall
Arbeitslohn gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 EStG dar. Der Senat teilt insoweit die
übereinstimmende Beurteilung der Beteiligten, dass es sich bei der Überlassung der
Mahlzeiten im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen um übliche Verköstigungen
handelt, die nicht im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse der Klägerin
stattgefunden hat.
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Für die Bewertung dieses geldwerten Vorteils sind aber entgegen der Regelung in R 31
35
Abs. 6a LStR (1998/1999) bzw. R 31 Abs. 8 LStR (2000 bis 2002) nicht die amtlichen
Werte der SachBezV, sondern die üblichen Endpreise am Abgabeort maßgebend ( § 8
Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Senat schließt sich hierbei der Rechtsprechung des BFH und
der h.M. in der Literatur an. Danach ist § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 1 Abs. 1
SachBezV ausgehend von Sinn und Zweck der SachBezV und unter Berücksichtigung
des Grundsatzes der Leistungsfähigkeit zurückhaltend auszulegen (vgl. BFH-Urteile
vom 6.2.1987 VI R 24/84, BStBl II 1987, 355, und vom 19.8.2004 VI R 33/97, BStBl II
2004, 1076; und u.a. Gröpl, in Kirchhoff/Söhn, Stand Mai 2006, § 8 EStG Rz. C 36; Pust,
in Littmann/Bitz/Pust, § 8 Rdnr. 477; Bornhaupt, BB 1996, 1909, 1910, 1913; Fumi,
Urban, LStK zu § 8 EStG Tz. 53; a,A. Albert, FR 1999, 1228, 1230).
Nach § 8 Abs.2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung,
Kost, Waren und sonstige Sachbezüge) mit den um übliche Preisnachlässe
geminderten Endpreis am Abgabeort anzusetzen. Nur soweit bei Arbeitnehmern für
deren Sachbezüge durch Rechtsverordnung nach § 17 Nr. 3 SGB IV (ab 2002 § 17 Abs.
1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV) Werte bestimmt sind, sind diese maßgebend (§ 8 Abs.2 Satz 6
EStG). Inwieweit bei Arbeitnehmern Sachbezüge durch die SachBezV erfasst und für
sie "Werte bestimmt" werden, ist nach dem Sinn dieser Verordnung und der ihr
zugrunde liegenden Ermächtigung in § 17 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 SGB IV zu entnehmen
(vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2004, 1076). Mit der Regelung in § 17 SGB IV wird die
Bundesregierung ermächtigt, "durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats
zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des
Beitragseinzugs, … den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im
Voraus für jedes Kalenderjahr zu bestimmen. Dabei ist eine möglichst weitgehende
Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen".
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Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber u.a. durch die SachBezVen 1998
bis 2002 Gebrauch gemacht. Dabei hat er in § 1 für die als Sachbezug zur Verfügung
gestellte "Freie Verpflegung" umfassende Monatswerte von 356 DM (1998) bis 192,60
EUR (2002) festgelegt. Für den Fall, dass in einem Monat nur das Frühstück oder nur
das Mittagessen zur Verfügung gestellt wird, werden für das Frühstück Werte von 78 DM
(1998) bis 42,10 EUR (2002) und für das Mittagessen Werte von 139 DM (1998) bis
75.25 EUR (2002) monatlich ausgewiesen. Hieraus ergeben sich nach der
Umrechnungsregelung in § 1 Abs. 3 SachBezV Einzelwerte zwischen 2,63 DM
(Frühstück) und 4,70 DM (Mittagessen) für 1998 und 1,40 EUR (Frühstück) und 2,51
EUR (Mittagessen) für 2002.
37
Zweck der Verordnungsermächtigung ist es insbesondere, den Beitragseinzug zu
vereinfachen. Der Wert der Sachbezüge soll nicht in jedem Einzelfall mit erheblichem
Verwaltungsaufwand ermittelt und nachgeprüft werden, sondern aus durchschnittlichen,
pauschalierenden und typisierenden Regelungen entnommen werden. Diese
Vereinfachung wird durch die gleichzeitige Verpflichtung der Bundesregierung begrenzt,
den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert festzusetzen und sich
an diesem zu orientieren. Zwar kann bei einer Festsetzung von Sachbezugswerten
durch eine Rechtsverordnung schon wegen des generell-abstrakten Charakters einer
solchen Regelung der festgesetzte Wert nicht in jedem Einzelfall mit dem tatsächlichen
Wert übereinstimmen. Aus der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verkehrswerts folgt
aber, dass die festgesetzten Werte sich von diesem nur in einem relativ geringfügigen,
im Rahmen der Vereinfachung liegenden Ausmaß entfernen dürfen (vgl. BFH-Urteil in
BStBl II 1987, 355, m.w.N.).
38
Wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Maßgeblichkeit der tatsächlichen Werte
können die Sachbezugswerte nur auf im Wesentlichen vergleichbare Fälle Anwendung
finden. Der Verordnungsgeber hat mit der Festsetzung eines einheitlichen Werts für freie
Unterkunft und Wohnung nicht die gesamte Palette denkbarer Fälle regeln wollen, in
denen der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer irgendwann Verpflegung und Unterkunft
gleich welcher Art gewährt, sondern nur diejenigen Fälle, in denen auf eine gewisse
Dauer im üblichen Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Kost und Wohnung als Teil des
Arbeitslohns zur Verfügung gestellt werden (vgl. BFH-Urteile in BStBl 2004, 1076, und
BStBl II 1987, 355). Hätte der Verordnungsgeber die gesamte Vielzahl denkbarer
Fallgestaltungen mit nur diesem einen einheitlichen Monatsbetrag regeln wollen, so
würde eine derart grob vereinfachende Typisierung der Ermächtigungsnorm (§ 17 Abs.
1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 SGB IV) widersprechen und zu einer vom Gesetzgeber nicht
gewollten offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.
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Dass die SachBezV auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar ist, ergibt sich
zudem auch aus deren Wortlaut. Die SachBezV regelt unter anderem in § 1 den Wert
der als Sachbezug zur Verfügung gestellten "Freien Verpflegung". In § 3 bis 4
SachbezV ist der Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten "Freien Unterkunft"
und der "Freien Wohnung" geregelt. Die Begriffe "Freie Verpflegung" und "Freie
Wohnung" beinhalten nach dem natürlichen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit
Arbeitsverhältnissen eine auf eine gewisse Dauer angelegte Beköstigung bzw.
Unterbringung, nicht aber die sporadische Bewirtung oder Unterbringung aus Anlass
eines Betriebsausflugs oder einer Dienstreise. Hierfür spricht auch, dass die Werte der
SachBezV grundsätzlich Monatswerte sind und bei einer Bewirtung im Rahmen einer
Dienstreise grundsätzlich kein Bedürfnis für eine Erleichterung zur Ermittlung der Höhe
der Zuwendungen besteht. Die Kosten der Mahlzeiten stehen in diesen Fällen
regelmäßig fest (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1987, 355 in; Gröpl, in Kirchhoff/Söhn, Stand
Mai 2006, § 8 EStG Rz. C 36; Pust, in Littmann/Bitz/Pust, § 8 Rdnr. 477; Bornhaupt, BB
1996, 1909, 1910, 1913).
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Zudem erschließt sich auch aus der Begründung zur SachBezV 1978, dass die
Bundesregierung als Verordnungsgeber die Fälle der im Streitfall vorliegenden Art nicht
mit der SachBezV regeln wollte (BRDrucks 509/77 S.6). Danach wurde bei der
Bewertung der freien Kost und Wohnung von den in der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes ermittelten Ausgaben als
statistischer Grundlage ausgegangen. Von den Aufwendungen privater Haushalte
wurden die der Arbeiterhaushalte mit Ehepaar ohne Kind zugrunde gelegt. Dabei
blieben u.a. gerade die im Streitfall gegebenen Ansätze für Speisen und Mahlzeiten in
Hotels ausdrücklich außer Betracht (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1987, 355; Bornhaupt, BB
1996, 1909, 1911).
41
Eine Bewertung der in Frage stehenden Mahlzeiten nach der SachBezV folgt im
Streitfall auch nicht aus § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG i.V.m. R 31 Abs. 6a Nr. 2 LStR
(1998/1999) bzw. R 31 Abs. 8 Nr. 2 LStR (2000 bis 2002) . Nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG
kann die oberste Finanzbehörde eines Landes mit Zustimmung des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für weitere Sachbezüge der Arbeitnehmer
Durchschnittswerte festsetzen. R 31 Abs. 6a Nr. 2 bzw. Abs. 8 Nr. 2 LStR 1998 bis 2002
enthalten jedoch keine solche Festsetzung einer obersten Finanzbehörde eines
Landes. Denn die LStR werden auf Grundlage des Art. 108 Abs. 7 des Grundgesetzes
(GG) von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen. Damit wahren
die LStR weder die in § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG vorausgesetzte Organkompetenz für die
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Festsetzung von Durchschnittswerten durch eine oberste Finanzbehörde eines Landes,
noch die für die Zustimmung hierzu durch das BMF (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 2006 VI
R 28/05, BFH/NV 2006, 1927).
Eine Anwendung der SachBezV kommt im Streitfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt
der Selbstbindung der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in
Betracht. Die Anwendung der SachBezV auf die im Rahmen von Dienstreisen in einem
Hotel oder einem Restaurant erhaltenen Mahlzeiten würde nämlich regelmäßig zu einer
offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26.7.1991
VI R 82/89, BStBl II 1992, 1000). Im Streitfall liegen die Werte der SachBezV in Bezug
auf das Frühstück bei etwa einem Drittel des tatsächlichen Wertes. In Bezug auf das
Mittagessen machen die Werte nach der SachBezV sogar nur ein Fünftel des
Abgabepreises aus. Vor dem Hintergrund, dass bei der Festlegung der Werte für die
SachBezV Speisen und Mahlzeiten in Hotels ausdrücklich außer Betracht bleiben, wird
ein entsprechendes Missverhältnis bei vergleichbaren Sachverhalten regelmäßig
gegeben sein (vgl. auch Fumi, Urban, LStK zu § 8 EStG Tz. 53).
43
Die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewertenden Sachbezüge bleiben im Streitfall aber
unter Anwendung der Sachbezugsfreigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG umfassend
steuerfrei. Für das Streitjahr 2002 ergibt sich diese Steuerfreiheit unmittelbar aus § 8
Abs. 2 Satz 9 EStG, weil der Wert der Sachbezüge die in diesem Jahr geltende
Freigrenze nicht überschritt. In den übrigen Streitjahren ergibt sich die Steuerfreiheit
nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 16
EStG.
44
Nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG 2002 bleiben Sachbezüge, die nach § 8 Abs. 2 Satz 1
EStG zu bewerten sind, außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom
Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebendenen Vorteile insgesamt 50 EUR im
Kalendermonat nicht übersteigen. Die Arbeitnehmer der Klägerin, die an den
Fortbildungslehrgängen teilnahmen, erhielten im Streitjahr 2002 durch die kostenlosen
Mahlzeiten Sachbezüge im Wert von 34,24 EUR (Montag bis Mittwoch) bzw. 30,66 EUR
monatlich. Weitere nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewertenden geldwerten Vorteile
erhielten die Arbeitnehmer unstreitig nicht. Die Sachbezüge lagen daher in diesem Jahr
bei jedem Mitarbeiter unstreitig unter der Freigrenze. Zwischen den Beteiligten besteht
nämlich in tatsächlicher Hinsicht Einigkeit darüber, dass kein Mitarbeiter der Klägerin
zwei Mal im Monat an einem Fortbildungslehrgang teilgenommen hat.
45
In den Streitjahren 1998 bis 2001 lag die monatliche Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 Satz
9 EStG jeweils bei 50 DM. Für die Arbeitnehmer der Klägerin ergaben sich in diesen
Jahren im Rahmen der Schulungen Einnahmen in Form von Sachbezügen in Höhe von
insgesamt 67 DM (Schulung Montag bis Mittwoch) bzw. 60 DM (Schulung von Mittwoch
bis Freitag). Danach wird die monatliche Freibetragsgrenze zwar durch die für die
Mahlzeiten anzusetzenden Werten in jedem Fall überschritten. Eine Steuerfreistellung
des Sachbezugs insgesamt ergibt sich allerdings im Zusammenhang mit § 3 Nr. 16
EStG. Die Monatswerte der Mahlzeiten sind nämlich zunächst jeweils um 20 DM zu
kürzen, weil die Zurverfügungstellung der Mahlzeiten gemäß § 3 Nr. 16 EStG in diesem
Umfang steuerfrei war.
46
Nach § 3 Nr. 16 EStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen (§ 3 Nr. 16 EStG)
sind u.a. die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von
ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten erhalten, insoweit steuerfrei, als sie
47
bei Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5
EStG nicht übersteigen. Nach der letztgenannten Vorschrift ist bei einer
vorübergehenden Tätigkeit außerhalb der Wohnung und des Mittelpunkts der dauerhaft
angelegten betrieblichen Tätigkeit bei einer Abwesenheit zwischen 8 und 14 Stunden
ein Pauschbetrag von 10 DM für Verpflegungsmehraufwendungen steuerlich absetzbar.
Da die Arbeitnehmer im Streitfall im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen jeweils
an zwei Tagen mehr als 8 Stunden im Sinne dieser Regelung abwesend waren, steht
ihnen an diesen Tagen jeweils ein Pauschbetrag von 10 DM zu. In dieser Höhe kann
die Klägerin den Arbeitnehmern steuerfrei Reisekostenvergütungen für
Verpflegungsmehraufwendungen gewähren.
Die Klägerin hat ihren Mitarbeitern im Zusammenhang mit den in Frage stehenden
Fortbildungsveranstaltungen unstreitig keinerlei Geldzuwendungen als
Reisekostenersatz zugewandt. Sie hat stattdessen die Verpflegung der Arbeitnehmer in
Form von Frühstück und Mittagessen bezahlt. Auch diese Sachzuwendungen stellen
nach Auffassung des Gerichts "Vergütungen zur Erstattung von Reisekosten" im Sinne
des § 3 Nr. 16 EStG dar.
48
In § 3 Nr. 16 EStG werden Sachbezüge zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem
spricht die Regelung von "Vergütung und Kostenerstattung". Nach ihrem Wortlaut
werden damit unmittelbar nur Geldzahlungen angesprochen. Der Senat hält die
Vorschrift des § 3 Nr. 16 EStG im Hinblick auf ihre Zielsetzung und die Gleichwertigkeit
von Erstattung der Reisekosten und unmittelbarer Bezahlung der Reisekosten aber
auch auf die Fälle anwendbar, in denen die Mahlzeiten auf Dienstreisen unmittelbar
vom Arbeitgeber bezahlt werden. Der Senat schließt sich bei dieser Beurteilung der
Rechtsprechung des BFH und der h.M. im Schrifttum an.
49
Der BFH hat mit Urteil vom 19.2.1993 (VI R 42/92, BStBl II 1993, 519) entschieden, dass
die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 16 EStG auch dann eingreift, wenn der Arbeitgeber
seinen Arbeitnehmern keinen Geldbetrag, sondern die damit zu erlangende Leistung
unmittelbar zuwendet. In diesem Sinne hat der BFH im Urteil vom 4.8.1994 (VI R 61/92,
BStBl II 1995, 59) ausdrücklich festgestellt, dass die unentgeltliche Überlassung von
Mahlzeiten dann nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei ist, wenn sich die verköstigten
Arbeitnehmer auf einer Dienstreise befinden. Die Entscheidungen des BFH sind zwar
zu § 3 Nr. 16 EStG in der für 1981 bis 1986 geltenden Fassung ergangen, die sich im
Wortlaut von der in den Streitjahren geltenden Regelung unterscheidet. Die Änderung
des Wortlauts brachte aber für die im Streitfall zu beurteilende Frage keine inhaltlichen
Veränderungen mit sich. Nach der den BFH-Entscheidungen zugrunde liegenden
Gesetzesfassung waren "Beträge" freigestellt, "die den im privaten Dienst angestellten
Personen für Reisekosten gezahlt werden, soweit… ". Auch nach dieser Formulierung
sind vom Wortlaut unmittelbar nur Geldzuwendungen an den Arbeitnehmer (Beträge, die
an ihn gezahlt werden) erfasst. Gleichwohl hielt der BFH eine Differenzierung nach
Sach- und Geldzuwendungen nicht für erforderlich. Auch aus der Gesetzesbegründung
zu dem Steuerreformgesetz 1990, durch das der Wortlaut der Vorschrift die in den
Streitjahren maßgebliche Fassung erhalten hat, ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber
durch die sprachliche Neufassung eine Beschränkung auf Geldzahlungen erreichen
wollte (vgl. BT-DRs 11/2157, 137; v, Beckerath in Kirchhoff/Söhn, § 3 EStG Rz. A 494) .
Dementsprechend geht auch der BFH für die Rechtslage ab 1990 weiterhin davon aus,
dass § 3 Nr. 16 EStG auch dann einschlägig ist, wenn der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Dienstreise eine Sachleistung zukommen
lässt (vgl. BFH-Urteil vom 16.4.1999 VI R 60/96, BStBl II 2000, 406, zu
50
Beitragsleistungen des Arbeitgebers zur Gruppenunfallversicherung in den Jahren 1990
bis 1992). Diese Meinung wird auch vom wohl überwiegenden Teil des Schrifttums
geteilt (vgl. u.a. v, Beckerath in Kirchhoff/Söhn, § 3 Nr. 16 EStG Rz. B 16/3; Handzick in
Littmann/Bitz/Pust, § 3 EStG Rz. 628; Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 16 EStG Rz. 2;
Wagner in Heuermann/Wagner, LohnSt, Stichwort: Besondere Vergütungsformen, D
239).
Die gem. § 3 Nr. 16 EStG in Höhe der Pauschale für Verpflegungsmehraufwendungen
steuerfrei bleibenden Beträge (je Teilnehmer insgesamt 20 DM) sind bei der Prüfung, ob
die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG über- oder unterschritten ist, nicht
einzubeziehen. § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG spricht zwar von "Sachbezügen, die nach Satz 1
zu bewerten sind" und von "sich ergebenden Vorteilen". Es werden damit generell
Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG angesprochen. Nach dem Wortlaut der Regelung
könnten somit grundsätzlich auch steuerfreie Sachbezüge zu berücksichtigen sein,
zumal die Steuerpflicht der in § 8 EStG definierten Einnahmen grundsätzlich gesondert
zu prüfen ist (vgl. Schmidt/Drenseck EStG § 8 Rz. 1). Der Senat hält es aber nicht für
gerechtfertigt, den Steuerpflichtigen die Vergünstigung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG im
Hinblick auf Einnahmen zu versagen, die auf Grund anderer Befreiungsvorschriften
ohnehin steuerfrei bleiben (so ausdrücklich auch Steiner in Lademann-Söffing-
Brockhoff, Stand Juli 2005, § 8 EStG Rz. 167; Seifert, DStZ 1999, 15, 19). Diese
Beurteilung steht nach Auffassung des Senats insbesondere auch im Einklang damit,
dass Sachbezüge, die gem. §§ 40 ff. EStG pauschal lohnversteuert werden, - zu Recht -
nicht in die Prüfung der Freigrenze gem. § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG einbezogen werden
(vgl. hierzu Steiner in Lademann-Söffing-Brockhoff, Stand Juli 2005, § 8 EStG Rz. 167;
Seifert, DStZ 1999, 15, 19; R 31 Abs. 2a LStR 1998,1999/ R 31 Abs. 3 LStR 2000 bis
2002). Die Lohnsteuerpauschalierung kommt nämlich insoweit einer Steuerbefreiung
gleich (vgl. Seifert, DStZ 1999, 15, 20). Auch sie lässt die Sachbezugfreigrenze
unberührt.
51
Die Beurteilung des Senats steht letztlich auch nicht im Widerspruch zur Zielsetzung
des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG als Steuervereinfachungsregelung. Die Freigrenze wurde
durch das Jahressteuergesetz 1996 mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1996 in
das Einkommensteuergesetz eingefügt. Sie war als Beitrag zur Steuervereinfachung in
den Fällen gedacht, in denen die Regelung über den Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 EStG)
auf Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer keine Anwendung findet. Dies
betrifft Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer außerhalb seines eigenen
Produkt- und Dienstleistungsbereichs sowie durch das Arbeitsverhältnis veranlasste
Zuwendungen an den Arbeitnehmer durch Dritte. Derartige Zuwendungen sollten
steuerfrei bleiben, sofern sie die Freigrenze in Höhe von 50 DM (ab dem
Veranlagungszeitraum 2002 50 EUR) nicht übersteigen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom
26.11.2002 VI R 66/01, BStBl II 2003, 492; BTDrucks. 13/1686, S. 8). Aus den
Gesetzesmaterialien ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber im
Hinblick auf den Vereinfachungszweck bei der Anwendung der Freigrenze die
Steuerfreiheit nach anderen Vorschriften (zunächst) unberücksichtigt lassen wollte. Die
Vereinfachung der Besteuerung wird im Übrigen durch den Vorababzug der steuerfreien
Verpflegungspauschale schon deshalb nicht wesentlich beeinträchtigt, weil vom
Arbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung von steuerfreien Aufwandsentschädigungen
gem. § 3 Nr. 16 EStG ohnehin regelmäßig entsprechende Aufzeichnungen zu führen
sind (vgl. § 41 ff EStG).
52
Der Klage war somit in vollem Umgang stattzugeben, weil die von der Klägerin
53
innerhalb eines Monats gewährten Sachbezüge nach Berücksichtigung des § 3 Nr. 16
EStG unter der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG blieben. Bei den Arbeitnehmern,
die montags bis mittwochs an den Fortbildungslehrgang teilnahmen, verbleibt lediglich
ein (steuerpflichtiger) geldwerter Vorteil i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in Höhe von 47
DM. Für die übrigen Lehrgangesteilnehmer reduziert sich der Vorteil auf 40 DM, weil sie
mittwochs kein Frühstück erhalten haben.
Die Nachforderungsbeträge in dem angefochtenen Bescheid waren damit wie folgt zu
reduzieren:
54
Für Lohnsteuer um 748,90 EUR, für Solidaritätszuschlag um 41,19 EUR , für ev.
Kirchensteuer um 10,49 EUR und für katholische Kirchensteuer um 41,94 EUR.
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Da insgesamt Nachforderungsbeträge für Lohnsteuer in Höhe von 3.013, 72 EUR, für
Solidaritätszuschlag in Höhe von 165,76 EUR , für ev. Kirchensteuer in Höhe von 42,20
EUR und für katholische Kirchensteuer in Höhe von 168,77 EUR festgesetzt wurden,
verbleiben die im Tenor ausgesprochenen Nachforderungsbeträge.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1, 3, 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.
57
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen
58
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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