Urteil des FG Köln vom 22.01.2004

FG Köln: grundstück, leasinggeber, eigentümer, leasingvertrag, leasingnehmer, mieter, kaufpreis, zerstörung, vormerkung, erwerb

Finanzgericht Köln, 5 K 6375/01
Datum:
22.01.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 6375/01
Tenor:
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.03.2001 und die hierzu
ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.10.2001 werden
aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs
der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in
derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob der von der Klägerin getätigte Abschluss eines
Immobilienleasingvertrages eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2
Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ausgelöst hat, insbesondere, ob die Klägerin die
notwendige Verwertungsbefugnis erlangt hat, die es ihr ermöglicht, das für Zwecke ihrer
Bedürfnisse errichtete Logistikzentrum auf eigene Rechnung zu verwerten.
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Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
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Die Fa. I GmbH hat mit Kaufvertrag vom 14.12.2000 von der Stadt E ein Ankaufsrecht für
den Grundbesitz C (hieraus Teilflächen) erworben. Dieses Ankaufsrecht ist nach
Abschnitt VIII Ziffer. 4 des vorgenannten Kaufvertrages übertragbar und wurde mit
notariellem Vertrag vom 09.01.2001 auf die Fa. Q KG übertragen. Am 18.01.2001
schloss die Klägerin mit der Q KG für den vorbezeichneten Grundbesitz eine notarielle
Vereinbarung mit folgenden Vertragsteilen ab:
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1. Immobilienleasingvertrag Nr. 2899 - 4488 (Anlage 3 zur notariellen Urkunde, Bl. 12 -
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1. Immobilienleasingvertrag Nr. 2899 - 4488 (Anlage 3 zur notariellen Urkunde, Bl. 12 -
34 FG - Akte)
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Danach ist Leasinggegenstand ein noch zu errichtendes Logistikzentrum mit oben
genanntem Grundstück. Die Gesamtinvestitionskosten sollen sich voraussichtlich auf
den Betrag von 28.700.000 DM belaufen. Die Mietzeit soll zunächst 10 Jahre betragen.
Gemäß Zusatzvereinbarung Nr. 3 hat aber die Klägerin eine Mietverlängerungsoption,
wonach sie den Vertrag sechs Monate vor Ablauf der Gesamtmietzeit um drei Jahre und
danach um weitere drei Jahre verlängern kann. Zum Ende der ersten Mietperiode soll
der voraussichtliche Restwert 18.350.000 DM, zum Ende der ersten
Mietverlängerungsperiode 15.290.000 DM und zum Ende der zweiten
Mietverlängerungsperiode 12.230.000 DM betragen. Während der vereinbarten
Leasingdauer hat die Q KG der Klägerin das Leasingobjekt zur uneingeschränkten
Nutzung zu überlassen. Einbauten und Veränderungen - auch Nutzungsänderungen -
sind gemäß § 10 der Leasingvereinbarungen ohne Zustimmung der Q KG zulässig,
sofern sie den Wert und die Funktionsfähigkeit des Leasingobjektes nicht
beeinträchtigen. Nach § 7 des Leasingvertrages hat die Klägerin das Leasingobjekt auf
ihre Kosten in einem guten, jederzeit funktionsfähigen, zum vertragsgemäßen Gebrauch
geeigneten Zustand zu erhalten. Die Betriebs-, Unterhaltungs- und Erhaltungskosten
sowie alle Reparaturen einschließlich der Schönheitsreparaturen gehen zu ihren
Lasten. Im Falle der ganzen bzw. teilweisen Zerstörung des Leasingobjektes ist die
Klägerin zur Wiederherstellung bzw. zum Wiederaufbau auf ihre Kosten verpflichtet, es
sei denn, die ganze oder teilweise Zerstörung ist nicht von ihr zu vertreten. Die Gefahr
des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs des Leasingobjektes trägt die Q KG.
Bei langfristig ausgeschlossener Nutzungsmöglichkeit mindert sich gemäß § 5 Nr. 1 des
Leasingvertrages die Leistungspflicht der Klägerin, wenn sie selbige nicht zu vertreten
hat. Nach § 11 Nr. 5 und 6 des Leasingvertrages soll bei vorzeitiger, von der Klägerin
nicht zu vertretender, Vertragsbeendigung keine Kostenerstattung erfolgen. Nach § 12
Nr. 1 des Leasingvertrages ist eine Untervermietung mit Zustimmung der Q KG, die nur
aus wichtigem Grund versagt werden kann, gestattet; gleichzeitig wurden sämtliche
bestehenden und künftigen Ansprüche aus dem Untermietverhältnis an die
Leasinggeberin abgetreten. Ab Vertragsschluss trägt die Klägerin nach § 4 des
Leasingvertrages sämtliche Nebenkosten. Ausdrücklich genannt sind die Kosten
abgeschlossener Versicherungen, laufende Leistungen aus einem von der Q KG
abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag, sämtliche objektbezogenen Steuern (z. B.
Grundsteuer, Grunderwerbsteuer), Abgabenbeiträge, Gebühren sowie sonstige aus dem
Grundbesitz resultierende Lasten und Verpflichtungen aller Art, auch dann, wenn sie
erst während der Mietzeit neu eingeführt werden. Die Q KG wurde gemäß § 9 des
Leasingvertrages verpflichtet, unter anderem eine Feuerversicherung sowie eine Haus-
und Grundbesitzhaftpflichtversicherung für das Leasingobjekt abzuschließen. Die
Kosten dieser Versicherungen sollen wiederum der Klägerin als Nebenkosten gemäß §
4 des Leasingvertrages in Rechnung gestellt werden. Der Leasingvertrag ist,
abgesehen von der Möglichkeit der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, gemäß §
11 grundsätzlich unkündbar. Nach § 12 Nr. 4 des Leasingvertrages ist die Klägerin nach
Ablauf der Gesamtmietzeit verpflichtet, das Leasingobjekt an die Q KG in
bezugsfertigem Zustand, frei von umweltschädlichen Stoffen zurückzugeben.
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Nach § 2 Nr. 3 des Leasingvertrages sind nach Beginn der Gesamtmietzeit
Mietzahlungen auf der Basis der endgültigen Gesamtinvestitionskosten im Sinne des §
3 zu leisten. Die näheren Einzelheiten zur Mietkalkulation und Fremdfinanzierung
wurden von den Vertragsbeteiligten in der Zusatzvereinbarung Nr. 1 zum Leasingvertrag
geregelt. In der Zusatzvereinbarung Nr. 2 unter Punkt 1 wurde klargestellt, dass Planung
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und schlüsselfertige Errichtung des Leasinggegenstandes durch die Q KG als Bauherr
und Auftraggeber erfolgt. Gemäß Punkt 2 dieser Vereinbarung wurden der Klägerin das
Recht und die Pflicht eingeräumt, die Q KG bei der Planung und der Errichtung des
Leasinggegenstandes tatkräftig und ohne zeitliche Verzögerung zu unterstützen.
2. Ankaufsrechtsvertrag (Anlage 1 zur notariellen Urkunde, Bl. 35 - 38 FG - Akte)
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Hier wurde u.a. folgendes vereinbart:
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§ 2 Ausübung des Ankaufsrechts Unter der Voraussetzung, dass der erwähnte
Immobilienleasingvertrag vom Leasingnehmer ordnungsgemäß erfüllt worden ist, kann
der Berechtigte oder ein von ihm zu benennender Dritter vom Verpflichteten den
Abschluss eines Kaufvertrages mit Wirkung zum Ablauf der Mietzeit des oben
erwähnten Immobilienleasingvertrages, das heißt voraussichtlich zum 31.07.2011,
verlangen. Macht der Leasingnehmer von seinen Mietverlängerungsoptionen gemäß
Zusatzvereinbarung Nr. 3 des vorgenannten Immobilienleasingvertrages Gebrauch, so
steht dem Berechtigten bzw. dem von ihm zu benennenden Dritten zusätzlich zum
Ablauf des jeweiligen Verlängerungszeitraums, das heißt zum 31.07.2014 bzw. zum
31.07.2017 ein Ankaufsrecht zu diesem Zeitpunkt zu. Der Berechtigte hat sein
Verlangen dem Verpflichteten sechs Monate vor den in Satz 1 bezeichneten
Zeitpunkten durch eingeschriebenen Brief mitzuteilen. ...
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§ 3 Kaufpreis Der Kaufpreis ist gleich dem in Ziffer III des vorerwähnten
Immobilienleasingvertrages vereinbarten vertraglichen Restwert zum Ankaufszeitpunkt
(das heißt zum Ende der 10jährigen Mietzeit 18.350.000 DM, zum 31.07.2014
15.290.000 DM, zum 31.07.2017 12.230.000 DM), mindestens aber dem steuerlichen
Restbuchwert des Grundstücks nebst Baulichkeiten und Anlagen, wie er sich beim
Verpflichteten nach Abzug der auf den in § 2 Satz 1 genannten Zeitpunkt berechneten
linearen Abschreibungen ergibt. Der Kaufpreis erhöht sich
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1. um alle Aufwendungen, die der Verpflichtete bis zum Ankaufszeitpunkt in Auswirkung
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1.1. der Übernahme der Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs des
Leasinggegenstandes oder
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1.2. der Übernahme der Pflicht zur Wiederherstellung bzw. zum Wiederaufbau des
Leasinggegenstandes bei ganzer oder teilweiser Zerstörung oder
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1.3. einer Inanspruchnahme durch Dritte hinsichtlich des Leasinggegenstandes
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getragen hat; .......
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§ 5 Grundbucherklärungen
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Der Verpflichtete bewilligt und beantragt, im Grundbuch zu Lasten des in der
Vorbemerkung Ziffer I. bezeichneten Grundstücks und zur Sicherung des bedingten
Übereignungsanspruchs des Berechtigten eine Vormerkung zugunsten des
Berechtigten einzutragen. .....
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Der Verpflichtete behält sich vor, mit Rang vor der vorstehend bewilligten Vormerkung
Grundpfandrechte bis zur Höhe von 28.700.000 DM nebst 20 % Jahreszinsen seit dem
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Tage der Bewilligung und 10 % einmaligen Nebenleistungen eintragen zu lassen. Die
Eintragung eines entsprechenden Rangvorbehaltes wird bewilligt und beantragt.
Die Anträge auf Eintragung der vorstehend bewilligten Vormerkung und des
Rangvorbehaltes können unabhängig voneinander gestellt werden.
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3. Vereinbarung über die Ausübung eines Ankaufsrechts (Anlage 2 zur notariellen
Urkunde, Bl. 39 - 41 FG - Akte)
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Hierzu wurde folgendes vereinbart:
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II. 1
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Der Berechtigte kann vom Verpflichteten verlangen, dass dieser das ihm übertragene
Ankaufsrecht zum Erwerb des Eigentums an dem im Kaufvertrag zwischen der Stadt E
und I GmbH bezeichneten Grundbesitz ausübt. Dieses Verlangen hat der Berechtigte
dem Verpflichteten bis spätestens 6 Monate vor Ablauf der Bindungsfrist der Stadt E an
das Angebot gemäß Ziffer VIII. 2 und 3 dieses Kaufvertrages, also bis zum Ablauf des
30.06.2003 bzw. 30.06.2007 durch eingeschriebenen Brief mitzuteilen.
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II.2
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Im Falle der Ausübung dieses Verlangens durch den Berechtigten ist der Verpflichtete
nach Wahl des Berechtigten entweder zum Erwerb und zur unmittelbaren
Weiterübertragung des Eigentums an dem betreffenden Grundbesitz an den
Berechtigten gemäß nachfolgender Ziffer a) oder zum Erwerb des Eigentums an dem
betreffenden Grundbesitz und Abschluss eines Leasingvertrages bezüglich des
betreffenden Grundbesitzes mit dem Berechtigten unter den Voraussetzungen
nachfolgender Ziffer b) berechtigt und verpflichtet. ...
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III.
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Sämtliche Kosten, die durch die Beurkundung und Durchführung dieses Vertrages, des
späteren Kaufvertrages, der Auflassung und Grundbucheintragung sowie der
Lastenfreistellung in Abteilung 3 des Grundbuches entstehen, sowie die
Grunderwerbsteuer werden vom Berechtigten getragen.
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In der streitigen Grunderwerbsteuerfestsetzung durch den Beklagten vom 09.03.2001
wurden als Besteuerungsgrundlage die Gesamtinvestitionskosten von 28.700.000 DM
zu Grunde gelegt und die Grunderwerbsteuer auf 1.004.500 DM festgesetzt. Der
Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig, da die Höhe der Gesamtinvestitionen
noch nicht feststand.
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Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch verneinte die Klägerin die
Grunderwerbsteuerpflicht wegen der ihrer Ansicht nach fehlenden Verwertungsbefugnis.
Zur Begründung führte sie aus, dass allein aus dem Abschluss eines 10-jährigen
Leasingvertrages die Erlangung einer Verwertungsbefugnis nicht gefolgert werden
könne. Eine Übertragung des Grundstücks sei erst nach Ablauf der voraussichtlichen
Grundmietzeit möglich. Die vorzeitige Grundstücksübertragung sei ausgeschlossen.
Zudem belege auch der im Rahmen des Ankaufsrechts vorgesehene Kaufpreis in Höhe
von 18.350.000 DM (63.94 % der geplanten Gesamtinvestitionskosten), dass eine
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vorzeitige Übergabe auch nicht gewollt sei. Unter Hinweis auf Rechtsgedanken in den
Urteilen des BFH vom 26.01.1970 IV R 144/66, BStBl II 1970, 264; vom 26.05.1970 II R
184/66, BStBl II 1970, 673; vom 17.10.1990 II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; vom
17.01.1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579; vom 27.11.1996 X R 92/92, BStBl II 1998, 97
und vom 30.09.1998 II R 13/96, BFH/NV 1999, 666 könne nicht auf eine Übertragung
der Verwertungsbefugnis geschlossen werden. Die Gefahr des zufälligen Untergangs
trage der Leasinggeber bei entsprechender Leistungsminderung durch sie, als
Leasingnehmer. Ebenso sei sie als Leasingnehmerin nicht zum Wiederaufbau
verpflichtet, soweit sie die Zerstörung des Leasinggegenstandes nicht zu vertreten habe.
Zudem spreche die Höhe des Restwertes nach Ablauf der Grundmietzeit sowie die
Höhe der Leasingraten, die sich beide an den Verkehrswerten orientierten, dafür, dass
eine vorzeitige Übergabe nicht gewollt sei. Eine Teilhabe an der Substanz schon
während des Leasingzeitraums sei auszuschließen.
Der Einspruch wurde mit Entscheidung vom 01.10.2001 als unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die vorliegende
Vertragsgestaltung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG erfülle. Es genüge,
wenn eine Verwertungsbefugnis durch unentziehbares Nutzungsrecht mit dem
Anspruch auf anschließenden Erwerb erlangt worden sei, auch wenn das eine oder
andere der genannten Rechte dem Leasingnehmer nicht eingeräumt worden sei oder
ihm nicht zustehe. Die Klägerin übe jedoch die wesentlichen Rechte wie ein Eigentümer
über das für ihre Zwecke erstellte Logistikzentrum aus und habe deshalb die dem
Eigentümer wesentlichen Verfügungsrechte. Sie sei zur uneingeschränkten Nutzung
des Objektes berechtigt und letztlich in der Lage, über das Logistikzentrum nach ihrem
Belieben zu verfügen. Sie sei auch berechtigt, Grundstück und Gebäude für ihre Zwecke
zu nutzen, es zu verwalten und unterzuvermieten. Dem Leasinggeber stehe lediglich ein
Informationsrecht über eine evtl. Untervermietung zu. Weiterhin sei festzuhalten, dass
die Klägerin schon bei Errichtung des Logistikzentrums eine dem Eigentümer bzw.
Bauherren des zu errichtenden Gebäudes vergleichbare Position innegehabt habe. Die
Planung und schlüsselfertige Errichtung des Leasinggegenstandes sei nicht, wie für die
mietweise Überlassung üblich, nach dem Interesse des Vermieters, sondern
ausschließlich nach den betrieblichen Belangen der Klägerin erfolgt, wie sich aus der
Zusatzvereinbarung Nr. 2 zum Immobilienleasingvertrag ergebe. Es liege Herstellung
nur für den Leasingnehmer, also ein sogenanntes Spezialleasing vor. Die Tatsache,
dass ein Teil der Rechte noch beim Eigentümer verbleibe, sei unbeachtlich. Gegenüber
dem exklusiven Verfügungs- und Nutzungsrecht am Grundstück im Sinne des § 903 des
Bürgerlichen Gesetzbuches lasse § 1 Abs. 2 GrEStG ein im Vergleich zum Eigentum
geringeres Maß an Einwirkungsbefugnissen genügen und ausreichen, wenn dem
Verwertungsberechtigten einzelne der Rechtspositionen eines Eigentümers fehlen
(BFH-Urteile vom 26.05.1976 II R 128/71, BStBl II 1976, 724; vom 17.10.1990 II R 55/88,
BFH/NV 1991, 556 und vom 27.07.1994 II R 67/91, BFH/NV 1995, 269). Aufgrund der
vertraglichen Vereinbarungen habe die Q KG auch nur an die Klägerin vermieten
können. Die Klägerin könne somit über die gesamte Dauer des Mietvertrages nicht von
der Nutzung ausgeschlossen werden. Außerdem habe die Klägerin auch die
wirtschaftlichen Lasten zu tragen (vgl. § 7 des Leasingvertrages), u.a. sämtliche
Erhaltungs- und Reparaturkosten und sei auch bei Gebrauchsunfähigkeit zur Zahlung
der Raten verpflichtet. Darüber hinaus müsse die Klägerin der Q KG als Leasinggeberin
alle Nebenkosten erstatten (vgl. § 4 des Leasingvertrages). Durch das ihr vertraglich
eingeräumte und grundbuchmäßig abgesicherte Ankaufsrecht sei die Klägerin auch in
die Lage versetzt, letztlich über das Grundstück zu verfügen. Dass sie die Übereignung
des Grundstücks gemäß § 2 des Ankaufsrechtsvertrages nicht jederzeit, sondern
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vielmehr erst mit Ablauf der Mietzeit verlangen könne, sei insoweit unerheblich, da die
Gesamtumstände den Übergang der Verwertungsbefugnis zuerst in der Verwertung
durch Nutzung wie ein Eigentümer und anschließend durch mögliche Nutzung und
Veräußerung ergäben. Deshalb enthielten die Verträge auch keine Vereinbarungen
darüber, was bei Nichtausüben der Ankaufsbefugnis gelten solle; das Nichtausüben
gebe es praktisch nicht, weil die Klägerin wirtschaftliche Eigentümerin sein solle. Das
bürgerlich - rechtliche Eigentum sei bei der vorliegenden Vertragsgestaltung so gut wie
ohne wirtschaftlichen Wert, die Stellung des Leasingnehmers erfülle - wie vorstehend
dargelegt -, wirtschaftlich alle Merkmale der Stellung des Eigentümers, sodass die
tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG gegeben seien. Die
bloßen Hinweise auf einzelne Urteile in der BFH-Rechtsprechung ohne konkreten
Bezug, welche spezielle Aussage denn im einzelnen die jeweilige Rechtsmeinung der
Klägerin stützen solle, genügten nicht, die von ihm, dem Beklagten, vertretene
Rechtsauffassung zu entkräften.
Mit der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage trägt die Klägerin
bezugnehmend auf ihren außergerichtlichen Vortrag ergänzend vor, dass ihr durch den
Leasingvertrag keine Rechtsposition übertragen worden sei, aufgrund derer sie über
das Grundstück wie ein Eigentümer verfügen, es besitzen, verwalten, nutzen, belasten
und schließlich veräußern könne. Eine Übertragung des Grundstückes vor Ablauf der
Grundmietzeit sei ausgeschlossen. Die Gefahr des zufälligen Unterganges trage der
Leasinggeber. Ebenso sei sie nicht zum Wiederaufbau bzw. Wiederherstellung
verpflichtet, soweit sie die Zerstörung nicht zu vertreten habe. Sie könne dann
Minderungen ihrer Leistungspflicht geltend machen, wenn entweder der zufällige ganze
oder teilweise Untergang des Leasingobjektes, oder die ganze oder teilweise
Zerstörung, die nicht von ihr zu vertreten sei, vorliege, oder wenn die Nutzung des
Leasinggegenstandes aufgrund eines nicht von ihr zu vertretenden Umstandes
langfristig ausgeschlossen sei. Zudem sei bei vorzeitiger Vertragsbeendigung durch
den Leasinggeber eine Erstattung der bislang nicht gedeckten Kosten durch sie nicht
ausbedungen. Das Ankaufsrecht sei auch beschränkt auf den Zeitpunkt mit Wirkung
zum Ablauf der Mietzeit bzw. des entsprechenden Mietverlängerungszeitraumes; eine
jederzeitige Ausübung sei daher ausgeschlossen. Nach dem typischen und für die
wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf könne jedoch tatsächlich
nicht mit einer Ausübung des Ankaufsrechts gerechnet werden. Im übrigen spreche
auch die Höhe des voraussichtlichen Restwerts nach Ablauf der Grundmietzeit sowie
die Höhe der Leasingraten in den Mietverlängerungszeiten, die sich beide an den
Verkehrswerten orientierten, dafür, dass eine vorzeitige Übereignung nicht gewollt sein
könne. Eine Teilhabe an der Substanz schon während des Leasingzeitraumes sei nach
diesen Berechnungsdaten daher auszuschließen. Deshalb liege der vorliegende
Sachverhalt auch anders als der, welcher vom BFH im Urteil vom 17.01.1996 II R 47/93,
BFH/NV 1996, 579 zu beachten gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten
zeichneten sich Leasing und Mietvertrag gerade dadurch aus, dass der Leasingnehmer
bzw. Mieter zur uneingeschränkten Nutzung des Leasing - bzw. Mietobjektes berechtigt
sei. Ebenfalls stelle auch die Berechtigung, Grundstück und Gebäude für seine Zwecke
zu nutzen, keine Besonderheit dar. Entgegen der Behauptung des Beklagten sei es
allerdings unzutreffend, dass dem Leasinggeber bei einer Untervermietung lediglich ein
Informationsrecht zustünde. Ausweislich des § 12 des Leasingvertrages sei ein
Vetorecht des Leasinggebers ausbedungen; erst nach dessen vorheriger Zustimmung
sei eine Untervermietung statthaft. In der Zusatzvereinbarung Nr. 2 zum Leasingvertrag
sei ausdrücklich festgelegt, dass die Planung und schlüsselfertige Errichtung des
Leasinggegenstandes allein durch den Leasinggeber als Bauherrn und Auftraggeber
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erfolge. Ihr als Leasingnehmerin seien lediglich Mitwirkungsrechte und
Mitwirkungspflichten zugestanden worden. Beim Immobilienleasing würden regelmäßig
Planung und Errichtung der Gebäude auf die Wünsche und Bedürfnisse des
Leasingnehmers ausgerichtet, insbesondere bezüglich Standort, Bauweise, Größe und
Ausstattung. Keinesfalls könne hieraus, wie durch den Beklagten geschehen, ein
sogenanntes Spezialleasing abgeleitet werden. Dieses liege nach der Rechtsprechung
des BFH nur dann vor, wenn der Leasinggegenstand speziell auf die Bedürfnisse des
Leasingnehmers zugeschnitten sei und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei ihm
eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung finden könne. Jede Möglichkeit einer
anderweitigen Verwendung oder Verwertung, einschließlich der Möglichkeit der
Verschrottung bei entsprechendem Schrottwert, schließe die Annahme eines
Spezialleasing aus. Das von ihr geleaste Logistikzentrum könne jedoch jederzeit weiter
verwendet werden. Das Gebäude bestehe ausweislich der zu den Akten gereichten
Grundstückszeichnungen aus drei Hallenmodulen, die um fünf Module erweitert und für
sich unabhängig betrieben werden könnten. Denn alle Elemente seien standardisiert
und könnten nach Demontage in anderen Betriebsstätten weiter verwendet werden. Die
Gebäudesubstanz werde durch den Einbau der technischen Gewerke weder verändert
noch beeinträchtigt. Als mögliche Drittverwender kämen zum Beispiel jederzeit
Speditionen, Auslieferungslager, Industriemontage von Maschinen usw. in Betracht.
Das Argument, dass der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen über
die gesamte Dauer des Mietvertrages nicht von einer Nutzung ausgeschlossen werden
könne, sei ebenfalls nicht überzeugend. Denn wesentlichste Grundvoraussetzung für
die Annahme von Finanzierungsleasing sei die Vereinbarung einer Grundmietzeit, in
deren Verlauf eine Kündigung stets ausgeschlossen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, in
welcher Weise hierdurch Rückschlüsse auf eine wirtschaftliche Eigentümerstellung
möglich sein könnten. Auch die Behauptung des Beklagten, dass sie gemäß § 7 des
Vertrages die wirtschaftlichen Lasten zu tragen habe und auch bei
Gebrauchsunfähigkeit zur Zahlung der Raten verpflichtet sei, sei unzutreffend. Der
Passus bezüglich der Zahlungsmodalitäten und etwaiger Leistungsminderungen sei
nicht in § 7, sondern in § 5 des Vertrages enthalten. In Nr. 1 sei hierzu explizit
ausgeführt, dass Leistungsminderung gerade im Falle von nicht zu vertretenden
Gebrauchsunfähigkeiten verlangt werden könne. Die Ausführungen des Beklagten,
dass das Ankaufsrecht letztlich die Verfügungsmöglichkeit darstelle und dass im
Ankaufsrechtsvertrag keine Vereinbarung darüber enthalten sei, was bei Nichtausüben
der Ankaufsbefugnis gelten solle, könnten nicht nachvollzogen werden. Zum einen
unterliege nicht die Einräumung und Annahme des Ankaufsrechtes, sondern erst
dessen tatsächliche Ausübung der Steuer. Zum anderen sei es wohl unstreitig, dass bei
Nichtausüben des Ankaufsrechts das Grundstück nicht übertragen werde. Hieraus aber
eine wirtschaftliche Eigentümerstellung und die wirtschaftliche Wertlosigkeit des
bürgerlich - rechtlichen Eigentums zu folgern, sei nicht möglich. Die Klausel bezüglich
der Untervermietung in § 12 Nr. 1 entspreche normalen Mietgepflogenheiten, wie sie
jedem gewöhnlichen Wohnraummietvertrag zu entnehmen seien. Das Veto des
Vermieters könne regelmäßig nur aus wichtigem und nicht beliebigem Grund
ausgesprochen werden. Hieraus könne eine nahezu uneingeschränkte
Verwertungsmöglichkeit des Grundstückes für sie als Leasingnehmerin nicht hergeleitet
werden. Nach dieser Rechtsauffassung müsste dann nämlich jeder Miet-, Pacht- und
Leasingvertrag stets eine Zurechnung beim Mieter, Pächter bzw. Leasingnehmer zur
Folge haben. Es sei zutreffend, dass sich die Mieten im Mietverlängerungszeitraum und
auch der Kaufpreis bei Ausübung des Ankaufsrechts um die Kosten eines zufälligen
Unterganges bzw. der Wiederherstellung erhöhen würden. Diese Regelungen könnten
allerdings nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie als Leasingnehmerin von
Anfang an die Gefahr des zufälligen Untergangs zu tragen habe. Vielmehr würden diese
Regelungen nur bei Ausübung der Mietverlängerungsoption und bei Ausübung des
Ankaufsrechtes gelten. Beide Optionen seien jedoch erst nach Ablauf der Grundmietzeit
anwendbar. Während der zehnjährigen Grundmietzeit habe einzig und allein der
Leasinggeber die Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs zu tragen
und sie, die Klägerin, könne ihre Leistungspflichten entsprechend mindern. Es seien
keine zusätzlichen Regelungen getroffen worden, die eine wirtschaftliche Zurechnung
des Leasinggegenstandes bei ihr rechtfertigen würden. Eine Erlangung der
Verwertungsbefugnis und damit eine Grunderwerbsteuerbarkeit könne aufgrund der
Ausgestaltung des Leasingvertrages nicht gefolgert werden.
Die Klägerin beantragt,
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den Grunderwerbsteuerbescheid 2001 vom 09.03.2001 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 01.10.2001 aufzuheben und hilfsweise für den Fall
der vollen oder teilweisen Ablehnung des Klageantrages die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass der
Leasinggeber für den Fall der beabsichtigten Untervermietung zwar ein Vetorecht habe.
Hierzu sei aber anzumerken, dass der Leasinggeber der Untervermietung durch die
Klägerin nur aus wichtigem Grunde, welcher nicht näher definiert sei, widersprechen
dürfe. Die Einflussnahme durch den Leasinggeber sei dadurch äußerst gering, so dass
eine Verwertung des Grundstücks im Wege der Vermietung durch die Klägerin nahezu
uneingeschränkt möglich gewesen sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin, sie trage im
Falle der Gebrauchsunfähigkeit nicht die gleichen Lasten bzw. Risiken wie ein
Grundstückseigentümer, sei anzumerken, dass sich aus der Zusatzvereinbarung Nr. 3
zum Leasingvertrag ergebe, dass solche Leistungsminderungen, genau wie die beim
Leasinggeber entstandenen Kosten wegen des zufälligen Untergangs des
Leasinggegenstandes, erhöhend bei der Bemessung der Miete im Falle der
Mietverlängerung berücksichtigt würden. Die dem Leasinggeber in diesem
Zusammenhang entstandenen Finanzierungskosten erhöhten ebenfalls die Miete.
Gleiches gelte bei der Bemessung des Kaufpreises im Falle der Ausübung des
Ankaufsrechtes durch die Klägerin. Faktisch sei eine Leistungsminderung damit sowohl
im Falle der Mietverlängerung als auch im Falle des Kaufs ausgeschlossen. Weiterhin
trage die Klägerin durch diese Vereinbarung auch in beiden Fällen die Gefahr des
zufälligen Untergangs. Sie trage damit eindeutig wesentliche Risiken, welche
üblicherweise ein Grundstückseigentümer und nicht ein Mieter zu tragen habe. Zwar
werde die Gefahr des zufälligen Untergangs des Leistungsgegenstandes während der
Grundmietzeit grundsätzlich vom Leasinggeber getragen. Die Risiken würden aber auf
die Klägerin verlagert. Sowohl im Falle der Mietverlängerung als auch im Falle des
Ankaufes, würden sämtliche, dem Leasinggeber durch den zufälligen Untergang
entstandenen Aufwendungen, zuzüglich der dadurch während der Grundmietzeit
einbehaltenen Leistungsminderungen der Klägerin berechnet. Sie trage daher das
Risiko schon während der Grundmietzeit, selbst wenn daraus erst später Kosten
entstehen würden. Die Klägerin könne diesem Risiko nur entgehen, indem sie weder
von der Mietverlängerungsoption noch von dem Ankaufsrecht Gebrauch mache, selbst
wenn dies für sie zum Ablauf der Grundmietzeit erhebliche wirtschaftliche Nachteile
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bedeuten würde. Die Klägerin trage daher schon von Beginn an Risiken, die
üblicherweise nur einen Grundstückseigentümer, aber nicht einen Mieter treffen.
Der Antrag der Q KG, sie als Leasinggeberin zum Klageverfahren ihrer
Leasingnehmerin, der Klägerin, beizuladen, wurde durch Beschluss des erkennenden
Senats vom 19.01.2004 abgelehnt. Die dagegen zugelassene Beschwerde wurde nicht
erhoben.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klage ist begründet.
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Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin
in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen
der Auffassung des Beklagten löst der Leasingvertrag vom 18.01.2001 keine
Grunderwerbsteuerpflicht aus. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG, der allein
als gesetzliche Grundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift unterliegen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, die es ohne
Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen als dem Eigentümer
rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene
Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn es einem Dritten (=
Nichteigentümer) rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes
Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen. Verfügungsmöglichkeit in diesem Sinne
bedeutet, dass er das Grundstück mit Auswirkung zu seinen Lasten und Gunsten
besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, ohne dass
jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden
müssen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 579). Dem "Erwerber" des Grundstücks
müssen diesbezügliche Einwirkungsmöglichkeiten gewährt werden, die über diejenigen
eines Pächters hinausgehen, aber andererseits nicht die Stellung eines Eigentümers
erreichen, was nur dann gegeben ist, wenn dem "Erwerber" über die bloßen Besitz- und
Nutzungsrechte hinaus Einwirkungsmöglichkeiten auf den ganzen Substanzwert des
Grundstücks gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 29.07.1998 II R 71/96, BStBl II 1999,
796). Dem (unbeschränkten) Eigentümer eines Grundstücks stehen grundsätzlich zwei
Möglichkeiten der Verwertung zur Verfügung, nämlich die Nutzung und die
Veräußerung. Dementsprechend kann der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG dadurch
verwirklicht werden, dass einem Nichteigentümer eine Kombination aus Nutzungs- und
Verfügungsbefugnis an einem Grundstück gewährt wird, die noch nicht dem rechtlichen
Eigentum gleicht, diesem aber wirtschaftlich nahe kommt (vgl. BFH-Urteil vom
12.12.1973 II R 29/69, BStBl II 1974, 251). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG kann
daher durch Umstände begründet werden, die teilweise dem einen, teilweise dem
anderen Bereich der Verwertungsbefugnis zuzuordnen sind. Vereinbaren "Veräußerer"
und "Erwerber" des Grundstücks (ausdrücklich oder konkludent), dass Letztgenannter
wirtschaftlicher Eigentümer sein soll, das heißt, dass er alle wirtschaftlichen Vor- und
Nachteile wie Lasten- und Gefahrtragung sowie alle Instandsetzungskosten zu tragen
hat, so kann dies ein Indiz für die Übertragung der Verwertungsbefugnis sein. Kann dem
insoweit Berechtigten und Verpflichteten zudem die Nutzung des Grundstücks nicht
durch Kündigung entzogen werden und kann er seinerseits jederzeit die Übertragung
des von ihm benutzten Grundstücks verlangen, so ist regelmäßig § 1 Abs. 2 GrEStG
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erfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 17.01.1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579; vom 30.09.1998
II R 13/96, BFH/NV 1999, 666 und vom 05.02.2003 II R 15/01, BFH/NV 2003, 818).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, besteht eine
von § 1 Abs. 2 GrEStG erfasste Rechtsposition nur dann, wenn dem Leasingnehmer
Befugnisse an einem Leasingobjekt eingeräumt werden, die über die Befugnisse eines
Pächters deutlich hinausgehen und ihm hinsichtlich Nutzung, Substanz, Beteiligung
bzw. Veräußerung eine einem Eigentümer nahekommende Stellung geben.
Der zwischen der Klägerin und der Q KG im Jahre 2001 abgeschlossene Immobilien-
Leasingvertrag erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
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Zwar kann die Klägerin als Leasingnehmerin das Leasingobjekt aufgrund des
Leasingvertrages besitzen, verwalten und nutzen. Hierbei handelt es sich jedoch
lediglich um Rechte, die ein obligatorisches Nutzungsrecht ausmachen. Eine nicht mehr
entziehbare Rechtsposition hat die Klägerin dagegen durch den Leasingvertrag nicht
erworben.
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Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass die Q KG als Leasinggeberin der Klägerin
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst noch gar nicht Eigentümerin des streitigen
Grundstückes war. Sie hatte ihrerseits von der I GmbH lediglich ein Ankaufsrecht zum
(späteren) Erwerb des Eigentums am streitigen Grundstück gegenüber der Stadt E
erworben, wobei die Ausübung dieses Ankaufrechtes zum 30. Juni 2003 bzw. 30. Juni
2007 möglich war bzw. ist. Die Klägerin hat auf die Ausübung des Ankaufsrechts durch
die Q KG keinen unmittelbaren Einfluss. Sie muss daher ihrerseits, um Eigentum an
dem streitigen Grundstück erwerben zu können, zunächst von der Q KG die Ausübung
deren Ankaufsrechts gegenüber der Stadt E verlangen, was in Ziffer II. der Vereinbarung
über die Ausübung des Ankaufsrechts geregelt ist. Gegebenenfalls muss sie ihr Recht
gegenüber der Q KG auf gerichtlichem Wege geltend machen.
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Hinzu kommt, dass das Ankaufsrecht der Klägerin bezüglich des Gesamtobjekts, das
heißt des bebauten Grundstücks, lediglich ermöglicht, mit der Q KG nach Ablauf der
vereinbarten jeweiligen Mietzeiten einen entsprechenden Ankaufsrechtsvertrag
abzuschließen. Die Klägerin hat keinen unmittelbaren Anspruch auf Übertragung des
Eigentums an dem streitigen Grundstück, und die Eigentumsübertragung hängt nicht
allein von einer Willensbildung ihrerseits ab. Vielmehr ist die Klägerin aufgrund der
getroffenen Vereinbarungen darauf angewiesen, nach Ausübung des Ankaufsrechts, die
Q KG möglicherweise auf dem Zivilrechtsweg auf Abschluss eines
Ankaufsrechtsvertrages zu verklagen, sollte diese freiwillig einen Ankaufsrechtsvertrag
mit ihr nicht abschließen.
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Auch ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihr eigenes Ankaufsrecht nur zu
bestimmten Zeitpunkten ausüben kann, nämlich zum Ende der vereinbarten Mietzeit mit
Ablauf des 10. Jahres nach Mietbeginn oder bei Inanspruchnahme der
Mietverlängerungsoption gemäß Zusatzvereinbarung Nr. 3 nach Ablauf der
Mietverlängerungszeiträume von jeweils drei weiteren Jahren.
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Von einer jederzeit möglichen Eigentumsübertragung, als Indiz für die bereits während
der Leasingzeit bestehende eigentumsähnliche Nähe zum Leasingobjekt, kann daher
nicht gesprochen werden.
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Zu beachten ist auch, dass der Klägerin kein außerordentliches Ankaufsrecht zusteht für
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den Fall, dass über das Vermögen der I GmbH oder der Q KG ein Vergleichs- oder
Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. Damit
läuft die Klägerin Gefahr, das Leasingobjekt unabhängig von bisher geleisteten
Aufwendungen zu verlieren, sollte während der Leasingzeit über das Vermögen der I
GmbH oder der Q KG ein Vergleichs- oder Insolvenzverfahren eröffnet werden.
Der Umstand, dass das Ankaufsrecht durch Vormerkung dinglich gesichert ist,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer nicht mehr entziehbaren
eigentümerähnlichen Rechtsposition. Denn das Ankaufsrecht steht unter dem
Rangvorbehalt einer Grundschuldbestellung durch die Q KG als Leasinggeberin. Der Q
KG ist hierdurch das Recht eingeräumt worden, erstrangige Grundpfandrechte bis zu
einer Höhe von 28.700.000 DM nebst bis zu 20 % Zinsen und 10 % einmaligen
Nebenleistungen eintragen zu lassen. Danach kann die Q KG zur Finanzierung des
Leasingobjektes das Grundstück mit einer Grundschuld belasten, die im Rang vor der
Vormerkung zu Gunsten der Klägerin steht. Dies bedeutet aber für die Klägerin, dass ihr
Recht aus der Vormerkung möglicherweise wegen vorrangiger Rechte anderer
Gläubiger an dem streitigen Grundstück entwertet wird.
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Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Vertragsbeteiligten seien
bei Abschluss des Leasingvertrages davon ausgegangen, die Klägerin werde das ihr
eingeräumte Ankaufsrecht ohne weiteres zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit nach 10
Jahren, spätestens nach 16 Jahren ausüben, sodass die Übernahme des
Leasingobjektes in das Vermögen der Klägerin bei Abschluss des Leasingvertrages als
sicher gelten konnte, was Indiz für eine in Kürze eintretende Änderung in Bezug auf die
Eigentümerstellung und damit für die Unterscheidung zum einfachen Miet-
/Pachtverhältnis hätte sein können. Gegen eine sichere Übernahme spricht schon die
Höhe der vereinbarten Ankaufspreise zum Ende der Mietzeit bzw. zum jeweiligen
Optionszeitpunkt. Diese Preise lassen deutlich erkennen, dass die Klägerin eben nicht
durch ihre Leasingzahlungen verdeckte Kaufpreiszahlungen erbracht hat und damit die
Leasingzeit letztlich der Vollarmortisation und damit der sicheren Realisierung des
Eigentumsübergangs auf die Klägerin dienen soll. So soll der Ankaufspreis zum Ende
der Mietzeit nach 10 Jahren bei 18.350.000 DM liegen, das heißt bei ca. 64 % der
Gesamtinvestitionen. Für den Fall, dass die Klägerin von der Mietverlängerungsoption
Gebrauch macht, sollen die Ankaufspreise zum Ende des ersten
Mietverlängerungszeitraums noch ca. 53 %, also 15.290.000 DM und zum Ende des
zweiten Mietverlängerungszeitraumes noch ca. 43 %, also 12.230.000 DM der
Gesamtinvestitionskosten betragen. Diese Ankaufspreise, die unter Berücksichtigung
des ertragsteuerlichen Restwertes des Objektes unter Berücksichtigung der linearen
AfA nach § 7 Abs.4 Einkommensteuergesetz (EstG) ermittelt wurden, bedürfen bei der
Klägerin, anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen, in denen Vollarmortisation
zugrunde lag und dementsprechend der Kaufpreis nur noch symbolische Bedeutung
hatte, einer erneuten Überlegung zur Wirtschaftlichkeit eines Eigentumsübergangs.
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Neben diesen zuvor dargestellten, gegen eine eigentümerähnliche Position der
Klägerin sprechenden Umständen, sind weitere Gesichtspunkte anzuführen, die
deutlich für eine mieter-/pächterähnliche Position der Klägerin sprechen und somit die
Argumentation gegen die eigentümerähnliche Position stützen. So deckt sich die
vereinbarte Gesamtmietzeit von längstens 16 Jahren nicht mit der betriebsgewöhnlichen
Nutzungsdauer des Leasingobjektes. Ausgehend von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG
beläuft sie sich vielmehr auf lediglich ca. 46 % der betriebsgewöhnlichen
Nutzungsdauer gewerblicher Objekte, wobei noch nicht berücksichtigt ist, dass die
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Klägerin nach § 7 Nr. 2 des Leasingvertrages verpflichtet ist, das Leasingobjekt in einem
guten, jederzeit funktionsfähigen, zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand
zu erhalten, was zu einer deutlich verlängerten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer
gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG führen dürfte.
Für eine Mieter-/Pächterstellung der Klägerin spricht auch der Umstand, dass die Gefahr
des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs des Leasingobjektes die Q KG trägt.
Eine einem Eigentümer vergleichbare Rechtsposition hätte vorausgesetzt, dass die
Gefahrtragung bereits mit Abschluss des Leasingvertrages auf die Klägerin
übergegangen wäre. Dies sollte jedoch nach § 4 des Ankaufsrechtsvertrages erst bei
Ausübung des Ankaufsrechts durch die Klägerin geschehen. Die Regelung hinsichtlich
der Kostenübernahme nach § 3 des Ankaufsrechtsvertrages ist in diesem
Zusammenhang unschädlich, da die Kostenübernahme erst eintritt, wenn die Klägerin
ihr Ankaufsrecht ausgeübt hat, nicht jedoch bereits mit Abschluss des Leasingvertrages
bzw. während der folgenden Leasingzeit.
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Die Vergleichbarkeit der Stellung der Klägerin mit der eines Mieters/Pächters wird auch
dadurch deutlich, dass die Klägerin das geleaste Objekt nach § 12 des
Leasingvertrages nur mit vorheriger Zustimmung der Q KG untervermieten darf. Eine
eigentümerähnliche Position überließe der Klägerin eine diesbezügliche Entscheidung,
während der Mieter/Pächter insoweit mit dem Eigentümer eine Vereinbarung treffen
müsste.
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Gegen eine eigentümerähnliche Stellung und für eine mieter-/pächterähnliche Stellung
der Klägerin spricht auch, dass die Klägerin gemäß § 12 Nr. 3 des Leasingvertrages
verpflichtet ist, Kontrollen durch die Q KG zu dulden, ein Eingriff, den derjenige, der am
Objekt wie ein Eigentümer berechtigt ist, nicht hinnehmen müsste bzw. hinnehmen
würde.
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Zudem kann die Klägerin nach § 10 des Leasingvertrages das Leasingobjekt weder
nach eigenem Belieben in seiner Nutzung ändern, noch sind Umbauten, Änderungen
und Erweiterungen uneingeschränkt möglich. Diese Maßnahmen sind, soweit sie den
Wert oder die Funktionsfähigkeit des Leasingobjektes beeinträchtigen, ebenso wie im
Rahmen eines Miet-/Pachtverhältnisses, nur mit Zustimmung der Q KG als
Leasinggeberin zulässig.
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Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es handele sich um einen
Fall des sogenannten Spezialleasings. Ein Spezialleasing liegt nur vor, wenn der
Leasinggegenstand speziell auf die Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist
und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei ihm sinnvolle Verwendung finden kann.
Erforderlich ist, dass der Leasinggegenstand in einem solchen Maße auf die speziellen
Anforderungen und Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist, dass eine
wirtschaftlich sinnvolle anderweitige Nutzung oder Verwertung nicht mehr möglich
erscheint (BFH -Urteile vom 26.01.1970 IV R 144/66, BStBl II 1970, 264; vom
30.11.1989 IV R 97/86, BFH/NV 1991, 432 und vom 15.02.2001 IV R 130/95, BFH/NV
2001, 1041). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
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Zwar ist die Errichtung des auf dem Grundstück zu bauenden Logistikzentrums laut
Vertragslage unter Mitwirkung der Klägerin erfolgt. Nach Ansicht des Senates ist es
unter heutigen Verhältnissen jedoch durchaus üblich, dass in der Errichtungsphase
eines größeren gewerblichen Bauprojektes wie dem vorliegenden eine Abstimmung mit
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dem späteren Nutzer erfolgt. Hieraus allein lässt sich jedenfalls nicht die
Schlussfolgerung ziehen, dass ein spezieller Zuschnitt im Sinne der genannten
Rechtsprechung erfolgt ist. Vielmehr spricht gegen ein Spezialleasing die Tatsache,
dass das Logistikzentrum auch nach Ablauf der Mietzeit anderweitig genutzt werden
kann. Dieses besteht ausweislich der vorliegenden Unterlagen und Pläne vor allem aus
Büro - und Sozialräumen sowie Hallen. Das Objekt ist also nicht derart spezifisch auf
die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten, dass eine Nutzung durch andere Mieter
ausscheidet. Dies gilt umso mehr, als speziell die Hallen in Modulbauweise errichtet
wurden, die jederzeit eine Änderung ermöglicht, um eine Anpassung an andere
Bedürfnisse zu gewährleisten.
Im Ergebnis kann somit nicht festgestellt werden, dass der Klägerin durch den
Abschluss der streitigen Verträge eine Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2
GrEStG verschafft worden ist. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die
hierzu ergangene Einspruchsentscheidung waren daher aufzuheben.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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III.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155
FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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IV.
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Die Revision war nicht zuzulassen; denn der Rechtssache kommt keine grundsätzliche
Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Die Frage, unter welchen
Umständen eine Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft wird, ist
höchstrichterlich geklärt. Insoweit handelt es sich vorliegend um die Würdigung eines
Einzeltatbestandes unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl.
Fischer in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 15.Auflage, Vorb. 170).
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