Urteil des FG Köln vom 26.02.2004

FG Köln: vereinigte staaten von amerika, anspruch auf rechtliches gehör, geschäftsführer, klage auf verurteilung, amtshilfe, akteneinsicht, ersuchende behörde, verfügung, auskunft

Finanzgericht Köln, 2 K 1993/02
Datum:
26.02.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1993/02
Tenor:
1.Es wird festgestellt, dass die Stellung des Auskunftsersuchens vom
01.10.2002 gemäß Art. 26 des DBA-USA betreffend die Klägerin
rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte zu je
1/2.
3. Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin
abwenden, soweit diese nicht zuvor Sicherheit in der-selben Höhe
leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens,
welches der Beklagte im Rahmen des zwischenstaatlichen Auskunftsaustausches in
Steuersachen an die Steuerverwaltung der Vereinigten Staaten von Amerika - USA -
richtete.
2
Da das Auskunftsersuchen bereits abgesandt worden ist, geht es im vorliegenden
Verfahren auch um die Klagebefugnis der Klägerin.
3
I.
4
Die A- GmbH (A-GmbH) betrieb und betreibt in B (Nähe C,F) ein Unternehmen u.a. im
Zusammenhang mit der Herstellung von Modulen zur Gewinnung von N-E.
5
Die GmbH wurde im April 0000 - nach Auffassung der Finanzverwaltung als
"Vorratsgesellschaft" - gegründet; es sollte die Absicht der P-anstalt bestanden haben,
eine Firma zur Herstellung von N-zellen in D zu etablieren. Im Juli 1993 erwarb Herr Dr.
P.R., LA, USA, die Anteile der A- GmbH.
6
Die A- GmbH ihrerseits erwarb ebenfalls noch im Jahr 0000 Betriebsgrundlagen der
CD-GmbH (ehemaliges DDR Kombinat) zum Kaufpreis von ca. 2,4 Mio. DM;
bestehende Arbeitsverhältnisse sollten fortgeführt werden. Die A- GmbH hatte sich
anlässlich des Kaufes verpflichtet, bis zum Jahr 0000 den Betrag von 25 Mio. DM in den
erworbenen Betrieb zu investieren und eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern (ca.
150 - 200) zu beschäftigen.
7
Zum Jahresende 0000 verfügte die A- GmbH - bei einem Stammkapital von 50.000 DM -
über ein Aktivvermögen von ca. 4,8 Mio. DM, welchem Rückstellungen und
Verbindlichkeiten in nahezu gleicher Höhe gegenüberstanden.
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Die A- GmbH bemühte sich um eine Trennung vom übernommenen und wenig
profitablen Geschäftsfeld "pp-schaltgeräte" und um den Aufbau eines neuen
Geschäftsfeldes "Herstellung von N-modulen (KK)".
9
Bereits im Jahr 0000 wurde der A- GmbH für dieses Investitionsvorhaben ein Betrag von
ca. 2,1 Mio. DM aus einem Sonderstrukturprogramm des D- Ministeriums für Wirtschaft
und Arbeit zur Verfügung gestellt; im Jahr 0000 floss ein Zuschuss in Höhe von 1,8 Mio.
DM. Weitere Zuschüsse und Unterstützungen folgten; die A-GmbH beantragte und
erhielt darüber hinaus auch Investitionszulagen.
10
Zunächst war der Alleingesellschafter Dr.P.R. auch Geschäftsführer der A- GmbH.
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Im Dezember 0000 wurde zwischen der Firma R.R. Ltd. auf den P-Islands und der A-
GmbH in B eine Vereinbarung über die Herstellung und Lieferung einer
schlüsselfertigen 10-Megawatt-Anlage zur Produktion von kk- Modulen geschlossen.
12
Die Zulieferfirma R.R. Ltd. wurde bei Vertragsschluss ebenfalls durch den
Geschäftsführer der A- GmbH, Herrn Dr.P.R., vertreten.
13
Aus dem Vertrag ergab sich für die A- GmbH eine Zahlungsverpflichtung von ca. 10 Mio.
US$. Auf die Lieferung dieser Anlage leistete die Klägerin - unter der Geschäftsführung
des Herrn Dr.P.R. - im April 0000 eine Anzahlung in Höhe 3,75 Mio. US$. Noch zu
Beginn des Jahres 0000 hatte Dr. P.R. der A- GmbH ein Darlehen in Höhe von ca. 3
Mio. DM zur Verfügung gestellt. Die Anzahlung wurde freilich nicht an die Limited-
Gesellschaft auf den P-Islands, sondern an eine RR- Ltd., S, LA, USA, geleistet.
14
Nach Ablösung von Herrn Dr. P.R. am 30.06.0000 als Geschäftsführer wurde der
Vertrag über die Anlage von dem neuen Geschäftsführer T im August 0000 aufgehoben.
Zwischen der A- GmbH und der V- Inc., U, LA, USA (V-INC) wurde ein ähnlicher Vertrag
neu abgeschlossen. Gründer und Präsident der V-INC war ebenfalls der ehemalige
Geschäftsführer und Alleingesellschafter der A- GmbH, Dr.P.R.. Nunmehr sollte nur
noch eine 5-Megawatt-Fertigungslinie errichtet werden; die Anzahlung sollte auf den
neuen Vertrag angerechnet werden.
15
Mit Vertrag vom 11.02.1997 vereinbarten die Klägerin und die A- GmbH, dass Herr O.P-
Q als Geschäftsführer der GmbH tätig werden sollte. Herr P-Q ist deutscher
Staatsangehöriger - geboren in K - mit Wohnsitz in MM; er ist der Geschäftsführer der
Klägerin.
16
Bei diesem Vertragschluss wurde die Klägerin durch Herrn P-Q vertreten. Ein
gesonderter Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und Herrn P-Q selbst wurde nach
den zu treffenden Feststellungen nicht geschlossen. Durch Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom 25.04.0000 wurde Herr P-Q aber zum neuen
Geschäftsführer der Klägerin bestellt.
17
Dr. P.R. blieb weiterhin Alleingesellschafter der A- GmbH. Herr P-Q modifizierte den
Vertrag mit der V INC im August 0000 und Juni 0000 erneut.
18
Im Jahr 0000 trat Dr.P.R. seine Anteile in Höhe von 42 TDM an eine E.F. SA in der
Schweiz und in der verbleibenden Höhe von 7,5 TDM an Herrn P-Q ab.
19
II.
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Im Januar 0000 wurde bei der A- GmbH eine Betriebsprüfung für die Jahre 0000 bis
0000 angeordnet und durchgeführt. Zuständig für diese Betriebsprüfung war das
Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n; zuständiger Bearbeiter war Herr L.
21
Das Betriebsprüfungs-Finanzamt erkannte zunächst die Anzahlung für die Erstellung
der KK--Anlage nicht an und behandelte die Zahlung als verdeckte
Gewinnausschüttung an Dr. P.R.. Dessen Darlehen wurde als eigenkapitalersetzend
erachtet.
22
Nach Auffassung des Betriebsprüfungs-Finanzamts hätte darüber hinaus letztlich auch
keine der R U.V- Gesellschaften (bis zum Ende des Prüfungszeitraumes 0000) der A-
GmbH eine funktionsfähige Anlage zur Produktion von kk- Modulen liefern können.
23
Die GmbH - und auch die Klägerin, bzw. der gemeinsame Geschäftsführer, Herr P-Q -
traten und treten diesem Befund freilich entschieden entgegen und berufen sich für ihre
Auffassung u.a. auf ein dem Finanzamt vorgelegtes Gutachten des Sch-Instituts.
24
Weiterhin stellte das Finanzamt K-n anlässlich der Betriebsprüfung fest, dass Herr P-Q
von der A- GmbH im Jahr 1997 insgesamt 201.600 DM pauschales
Managementhonorar und ca. 102.000 DM Kostenerstattungen erhalten hatte. Diese
Zahlungen für die Geschäftsführertätigkeit waren auf ein Konto des Herrn P-Q in T/B
geflossen.
25
Darüber kam das Finanzamt K-n zu der Erkenntnis, dass Herrn O.P-Q- in Ausübung
seiner Geschäftsführertätigkeit in B ein eigener Geschäftsraum dauerhaft zur alleinigen
Verfügung gestanden habe. Das Finanzamt schloss daraus, dass die Klägerin dadurch
in Deutschland eine Betriebsstätte nach Art. 5 des Doppelbesteuerungsabkommens
zwischen Deutschland und den USA - DBA Deutschland/USA - begründet habe.
26
Aus einem internen Vermerk des Betriebsprüfungs-Finanzamtes zu einer Besprechung
"am 16.05. 0000" geht zunächst hervor, dass das Finanzamt einen Missbrauch der
Geschäftsführerposition durch die jeweiligen Amtsinhaber nicht ausschloss. In den
Vermerk in den Betriebsprüfungs-Handakten heißt es:
27
"... unklar bleibt die Rolle von Herrn O.P-Q und seiner Vorgänger als GF
[Geschäftsführer], hier muss man den Eindruck gewinnen dass über die
Dienstleistungsvereinbarung und Geschäftsbesorgungsverträge der A- GmbH]
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gezielt Kapital und vor allem Liquidität entzogen wurde - inwieweit die hohen
Vergütungen insbesondere zuletzt für Herrn O.P-Q gerechtfertigt sind, kann
nicht mit festgestellt werden - auf jeden Fall sind die
Geschäftsführervergütungen nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung der A-
GmbH. zu begründen, geschweige denn an diese gekoppelt ..."
Demgegenüber heißt es jedoch in einer späteren Äußerung des Betriebsprüfungs-
Finanzamtes K-n - vom 27.02.0000 -:
29
"Die Betriebsprüfung sah es nicht als erwiesen an, dass
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1. die Fa. X- Inc. [die Klägerin] die Vergütungen für die Geschäftsbesorgung bei der
A-GmbH auch tatsächlich erhalten hat und
2. die Fa. X- Inc. [die Klägerin] mit ihren Einkünften nicht der Besteuerung in
Deutschland unterliegt (z.B. Betriebsstätte).
31
32
Zur Klärung des Besteuerungsrechts und zur Vermeidung einer
Steuerverkürzung wurde seitens der Betriebsprüfung ein Auskunftsersuchen an
die amerikanischen Steuerbehörden eingeleitet. ..."
33
Am 21.08.0000 fand die Schlussbesprechung der Betriebsprüfung statt. In Vollzug der
im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen kam es zum Erlass von
geänderten Körperschaftsteuerbescheiden vom 17.06.0000 und einer
Körperschaftsteuernachforderung von ca. 4 Mio. DM gegenüber der A- GmbH.
34
Die entsprechenden Änderungsbescheide sind Gegenstand von
Rechtsbehelfsverfahren.
35
III.
36
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hinsichtlich der Rolle der Klägerin und des
Herrn P-Q sandte das Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n am 27.08.0000 eine Anfrage an
den Beklagten - Informationszentrale Ausland (IZA) -, in welcher es hieß:
37
"Ich bitte um Mitteilung dort vorliegender Erkenntnisse über ...
38
1. Fa. X- Inc., MM ...
39
40
Die Fa. X-Inc hat mit der A-GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag
geschlossen. Vertreten wurde die Fa. X-INC von Herrn O.P-Q, der nach
41
eigenen Angaben Angestellter der X-INC ist.
Folgende Angaben zur Fa. X-INC werden erbeten
42
Angaben zur Existenz der Gesellschaft
Geschäftszweck der Gesellschaft
Gesellschafter, Geschäftsführer (president)
Bankverbindung
Anzahl der Mitarbeiter ....
43
1. Person: O.P-Q ...
44
45
Folgende Angaben zur Person von Herrn O.P-Q werden erbeten - Ist O.P-Q im
Zusammenhang mit Anfragen an das Y in Erscheinung getreten?"
46
Bereits zwei Tage später wandte sich das Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n mit
Schreiben vom 29.08.2001 an das örtlich zuständige Finanzamt R und teilte diesem u.a.
folgendes mit:
47
" ... im Rahmen der Betriebsprüfung bei der Fa. A-GmbH ,B wurde festgestellt,
dass die Fa. X-Inc. [Klägerin] ...mit der Geschäftsführung der Fa. A- GMBH
beauftragt wurde ... . Durch Beschluss der Gesellschafter- Versammlung ...
wurde Hr. O.P-Q zum neuen Geschäftsführer der Fa. A-GmbH bestellt ... . Nach
Feststellungen der Bp hielt sich Herr O.P-Q 0000 an mindestens 132 Tagen in
Deutschland auf ... . Insgesamt war er in 0000für die Fa. A-GmbH an mindestens
168 Tagen tätig.
48
... Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG ist die Fa. X- Inc. [Klägerin] mit ihren
inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Nach Art. 7 Abs.2 DBA
Deutschland/ Vereinigte Staaten von Amerika hat Deutschland für diese
Einkünfte auch ein Besteuerungsrecht. Zur Ermittlung des
Betriebstättenergebnisses für das Jahr 0000 verweise ich auf beigefügte
Aufstellungen ...
49
Die Fa. X- Inc. und Herrn O.P-Q sind aufgrund der o.g. Ausführungen zur
beschränkten Steuerpflicht zu veranlagen. ... "
50
Hierauf erließ das örtlich zuständige Finanzamt R auch später - mit Datum vom
03.04.0000 - gegenüber der Klägerin Schätzungsbescheide zur Körperschaftsteuer und
zum Gewerbesteuermessbetrag für die Veranlagungszeiträume 0000 bis 0000; diese
Bescheide griff die Klägerin mit Einspruch vom 05.05.2003 an.
51
Am gleichen Tag der Information des Finanzamtes R - dem 29.08.0000 - fertigte der
52
zuständige Bearbeiter des Betriebsprüfungs-Finanzamtes auch den Entwurf eines
Unterrichtungsschreibens an die A- GmbH in Gestalt ihres Geschäftsführers P-Q.
Das Betriebsprüfungs-Finanzamt eröffnete in diesem Schreiben, dass es beabsichtige,
über die Klägerin "ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 26 DBA Deutschland / Vereinigte
Staaten von Amerika an die amerikanischen Behörden zu richten".
53
Mit Nachricht vom 05.09.0000 teilte der Beklagte - die IZA - dem Betriebsprüfungs-
Finanzamt K-n mit, dass sich die Beantwortung der Anfrage bezüglich der Erkenntnisse
über die Klägerin oder Herrn P-Q verzögern werde.
54
Das dem Entwurf vom 29.08.0000 entsprechende Unterrichtungsschreiben wurde mit
Datum vom 10.09.0000 an die A- GmbH versandt.
55
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin - die auch die A- GmbH vertraten - wandten
daraufhin mit Schriftsatz vom 24.09.0000 u.a. ein:
56
" ... Nicht transparent ist, welchen Inhalt das Auskunftsersuchen haben soll.
Nach Auffassung unserer Mandantin sind im Rahmen der Bp-Erörterungen alle
bislang erbetenen Informationen und Daten zur Verfügung gestellt worden;
unklare bzw. ein Auskunftsersuchen rechtfertigende Sachverhalte sind aus
dieser Sicht gerade nicht gegeben.
57
Auch eine Darstellung Ihrer bezüglich eines Auskunftsersuchens angestellten
Ermessenserwägungen ist zu vermissen.
58
Unsere Mandantin ist - genauso wie bisher - bereit, allen von Ihnen konkret
benannten Informationswünschen zeitnah und umfangreich zu entsprechen. ..."
59
Hierauf erwiderte das Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n mit Erörterungsschreiben vom
22.11.0000:
60
" ... Die Finanzverwaltung kann bei der Sachverhaltsermittlung im Rahmen ihres
pflichtgemäßen Ermessens zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch nehmen.
... Eine Verpflichtung zur Unterrichtung des Steuerpflichtigen besteht ebenso
wenig, wie die Notwendigkeit, die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen
Amtshilfe zu begründen. Eine Einschränkung des Ermessensspielraumes ergibt
sich lediglich dann, wenn dem Steuerpflichtigen ein mit dem Zweck der
Amtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden droht. Dies kann im vorliegenden
Fall insoweit ausgeschlossen werden, als dass mit dem Auskunftsersuchen
lediglich das Ziel verfolgt wird, die Besteuerung der inländischen (deutschen)
Einkünfte von Herrn O.P-Q bzw. der Fa. X- Inc. sicherzustellen. ...
61
Das vorgesehene Auskunftsersuchen beinhaltet einerseits die Feststellung
einer (Vertreter-) Betriebsstätte für Herrn O.P-Q bzw. der Fa. X-Inc. in
Deutschland und andererseits die vollständige Erfassung dieser Einkünfte beim
Stammhaus in den USA. ..."
62
Mit Datum vom gleichen Tag, dem 22.11.0000, sandte das Betriebsprüfungs-Finanzamt
K-n über die zuständige Oberfinanzdirektion ein Auskunftsersuchen nach Art. 26 DBA
USA an den Beklagten; dieses Auskunftsersuchen hatte u.a. folgenden Inhalt:
63
"
Auskunftsersuchen
64
Sachverhalt
65
... Herr O.P-Q stand in Ausübung seiner Geschäftsführer-Tätigkeit in B
(Deutschland) ein eigener Geschäftsraum dauerhaft zur alleinigen Verfügung.
Insoweit hat die Firma X-Inc. / Herr O.P-Q eine Betriebsstätte nach Artikel 5 DBA
Deutschland/USA begründet.
66
Fragen
67
1. Hat die Firma X-Inc. [die Klägerin] eigene geschäftliche Aktivitäten in den USA
entfaltet?
2. Sind die Einkünfte aus der Geschäftsführer-Gestellung an die Fa. A-GmbH,B
vollständig erfasst (0000 insges.: 303.600 DM)?
68
69
Die Auskünfte werden benötigt, um die Besteuerung nach dem Recht der
Bundesrepublik Deutschland zutreffend durchzuführen. ..."
70
IV.
71
Dieses Auskunftsersuchen ging am 05.12.0000 bei dem Beklagten ein.
72
Übersandt wurden von den Verwaltungsvorgängen im Wesentlichen - neben dem
Anschreiben der Oberfinanzdirektion - das Einwendungsschreiben der
Prozessbevollmächtigten vom 24.09.0000, das Erörterungsschreiben des
Betriebsprüfungs-Finanzamtes vom 20.11.0000 und der Text des Auskunftsersuchens
selbst.
73
Mit Schreiben vom 01.03.0000 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten mit, er
beabsichtige die Weiterleitung des Auskunftsersuchens an die amerikanischen
Steuerbehörden am 10.04.0000. Mit Schreiben vom 09.04.0000- bei dem Beklagten
eingegangen am gleichen Tage - kündigten die Prozessbevollmächtigten gerichtliche
Rechtsbehelfe an.
74
Die Klägerin, vertreten durch Herrn O.P-Q, wandte sich in einem Verfahren auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az. 2 V 1994/02) - neben der A- GmbH - am
12.04.0000 gegen dieses Auskunftsersuchen.
75
Mit Beschluss vom 25.06.0000 wies der erkennende Senat den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung zurück; auch der entsprechende Antrag der A- GmbH wurde
zurückgewiesen.
76
Am 07.06.0000 erhielt das Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n Nachricht des Beklagten -
77
der IZA - vom 04.06.2002 zur Anfrage vom 27.08.0000. In dem Schreiben hieß es u.a.:
"Zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung: ...
78
1. Fa. X-Inc., USA -MM
79
80
... Die Angaben sprechen für ein tätiges Unternehmen.
81
1. O.P-Q, USA MM
82
83
Recherchen führten hier zu keinem Ergebnis. Er ist in der IZA - Datenbank
nicht verzeichnet. ..."
84
Der Auskunft war ein Internet-Ausdruck des NYS DEPARTMENT OF STATE vom
24.05.0000 über die Klägerin beigefügt.
85
Mit Verfügung vom 01.10.0000 sandte der Beklagte das streitbefangene
Auskunftsersuchen an die Verwaltungsbehörden der USA.
86
In der mündlichen Verhandlung ist der Vertreter des Beklagten im Besitz einer
englischsprachigen Auskunft gewesen. Nach der Übersetzung des Vertreters des
Beklagten ergibt sich aus der Antwort sinngemäß, dass die Klägerin existent ist und
dass ihr Einkommen ausreicht, die Geschäftsführergehälter zu erfassen [im
Sitzungsprotokoll missverständlich "zu bezahlen"].
87
V.
88
Die Klägerin hält die vorliegende Klage trotz der Versendung des Auskunftsersuchens
aufrecht.
89
Zunächst weist die Klägerin den "Verdacht der Betrügerei" im Zusammenhang mit der
Beschaffung einer Anlage zur Produktion von kk- Modulen entschieden zurück und
bezieht sich insoweit auf ihren umfangreichen Vortrag im Prüfungsverfahren. Die A-
GmbH sei "ununterbrochen geprüft" worden.
90
Zur prozessualen Situation ist die Klägerin der Meinung, die Klage sei jedenfalls als
Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf das Rehabilitationsinteresse der
Klägerin zulässig; es sei deshalb keinesfalls Erledigung eingetreten. Die Klägerin
erklärt ihre Absicht, gegenüber dem Beklagten einen Amtshaftungsanspruch im
Klagewege geltend zu machen. Es sei ihr durch das nach ihrer Auffassung
91
unberechtigte Auskunftsbegehren in den USA ein ersatzpflichtiger Schaden entstanden.
Nach Ansicht der Klägerin war das Auskunftsersuchen rechtswidrig. Sie sieht sich durch
das Verhalten der Finanzverwaltung nach wie vor in ihren Rechten, insbesondere in
ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG), verletzt.
92
Im Wesentlichen vertritt sie die Auffassung, dass der Beklagte gegen die in § 93 Abs. 1
Satz 3 der Abgabenordnung - AO - festgelegte Subsidiarität bei der Befragung Dritter
statt des Steuerpflichtigen verstoßen habe. Aufgrund seitens der Klägerin angebotener
Mitwirkung sei das Auskunftsersuchen jedenfalls nicht erforderlich gewesen.
93
Sie - die Klägerin - sei stets bereit gewesen, dem Beklagten alle erforderlichen
Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin trägt - vom Beklagten
unwidersprochen - vor, das Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n sei mehrfach mündlich
gefragt worden, welche Unterlagen noch gewünscht würden. Die Antwort sei nur
gewesen: "Wir wollen alles!". Der Bitte um Konkretisierung sei man nicht
nachgekommen.
94
Die Klägerin legt ein Schreiben an das Finanzamt V vom 01.03.0000 vor, in dem es
heißt:
95
"Ihren Hinweis auf § 90 Abs. 2 AO haben wir zur Kenntnis genommen. Unsere
Mandantin hat in diesem Sinne auch bereits umfangreiche Nachweise und
Bestätigungen aus dem Ausland beigebracht. ... Bitte teilen Sie uns ... mit,
welche konkreten Unterlagen Sie ... noch für erforderlich halten. ..."
96
Es gehe ihr - so die Klägerin weiter - nicht darum, einer korrekten Besteuerung im Wege
zu stehen; sämtliche in Deutschland realisierten Einkünfte seien in den USA steuerlich
berücksichtigt worden. Es seien aber während der Prüfung seitens des Beklagten -
letztlich seitens des zuständigen Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n- niemals
beispielsweise "autorisierte Registernachweise" über die Klägerin erbeten worden.
97
Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin von sich aus eine Kopie des "Certificate of
Incorporation" [Gesellschaftsvertrages] - wie von der deutsch-amerikanischen
Handelskammer bescheinigt: als Eintragungsnachweis geltend - und Kopien der
Bilanzen der Jahre 0000 bis 0000 vorgelegt.
98
Der Klägerin - so ihr weiterer Vortrag - sei nie die konkrete Chance einer Mitwirkung
gegeben worden, weil eine "Detailbefragung" niemals erfolgt sei. Die Klägerin habe erst
anlässlich des Gerichtsverfahrens Kenntnis darüber erlangt, dass der Beklagte bzw. das
Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n an ihrer - der Klägerin - rechtlichen Existenz zweifele.
Die Finanzverwaltung habe an die Klägerin nicht einen einzigen konkreten
Informationswunsch herangetragen.
99
Die Entscheidung des Beklagten sei nicht ermessensfehlerfrei; der Beklagte habe die
Fragen, ob das Auskunftsersuchen erforderlich, verhältnismäßig und mit der
Verwaltungspraxis der Vertragsstaaten vereinbar sei, nicht geprüft. Zudem sei unklar, ob
die zu ermittelnden Informationen ausschließlich zu Besteuerungszwecken verwendet
würden, oder ob gegebenenfalls ein unzulässiger Ausforschungsantrag vorliege.
Jedenfalls hätten vorrangig alle inländischen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft
werden müssen.
100
Die Klägerin beantragt,
101
1. festzustellen, dass die Stellung des Auskunftsersuchens vom 01.10.0000 gemäß
Art. 26 des DBA-USA rechtswidrig war;
2. dem Beklagten zu untersagen, die Information aus dem Auskunftsersuchen zu
verwerten.
102
Der Beklagte beantragt,
103
die Klage abzuweisen,
104
hilfsweise,
105
die Revision zuzulassen.
106
Zur Zulässigkeit der Klage trägt der Beklagte vor, eine Fortsetzungsfeststellungsklage
sei bereits deshalb unzulässig, weil es sich bei dem Auskunftsersuchen nicht um einen
Verwaltungsakt gehandelt habe.
107
Nach Auffassung des Beklagten ist aber die als allgemeine Leistungsklage
anzusehende Klage mittlerweile - d.h. nach Absendung des streitgegenständlichen
Auskunftsersuchens - wegen Erledigung der Hauptsache und mangels eines
Feststellungsinteresses ebenfalls unzulässig geworden.
108
Außerdem könne die Klägerin auch vom Grundsatz her keine Rechtsverletzung geltend
machen, da Art. 26 DBA USA keine subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen gewähre.
109
Zur materiellen Rechtslage vertritt der Beklagte weiterhin die Meinung, dass das
Auskunftsersuchen rechtmäßig gewesen sei.
110
Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen sei Art. 26 des DBA USA gewesen. Das
Ersuchen sei schon deshalb rechtmäßig gewesen, weil auch eine Spontanauskunft
gleichen Inhalts - nach Auffassung des Beklagten - zulässig gewesen wäre.
111
Zunächst scheide - unbeschadet der Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens im
Übrigen - ein Ermessensfehler jedenfalls des Beklagten aus. Der Beklagte habe über
die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens nur aufgrund der ihm vorgelegten
Unterlagen entscheiden können; die Betriebsprüfungs-Handakten der A- GmbH hätten
ihm unstreitig nicht vorgelegen. Die Hintergründe für das Verhalten des Bearbeiters bei
dem Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n seien ihm - dem Beklagten - nicht bekannt. Es sei
zu fragen, welche "Motive" Herrn L dazu bewogen hätten, einerseits von einer
beschränkten Steuerpflicht der Klägerin auszugehen und andererseits das
Auskunftsverlangen zu stellen.
112
Zu der ersten Frage des Auskunftsersuchens verweist der Beklagte darauf, dass nur im
Rahmen eines Auskunftsersuchens habe geklärt werden können, ob die Klägerin
rechtlich überhaupt existent sei. Diese Frage habe sich im Übrigen alleine aus dem
113
Besteuerungsverfahren gegenüber der A- GmbH ergeben, da dort zu klären gewesen
sei, ob ein Betriebsausgabenabzug für die Geschäftsführergehälter im Hinblick auf die
notwendige Empfängerbenennung nach § 160 AO zu rechtfertigen war. Insoweit sei es
gar nicht um die Klägerin gegangen.
Zur zweiten Frage räumt der Beklagte ein, dass diese von der amerikanischen
Steuerbehörde - jedenfalls im Hinblick auf das in Deutschland von der
Finanzverwaltung aufgrund beschränkter Steuerpflicht beanspruchte Besteuerungsrecht
- "so nicht beantwortet werden konnte".
114
Das Auskunftsersuchen sei - so der ergänzende Vortrag des Beklagten in der
mündlichen Verhandlung - jedoch insoweit nicht widersprüchlich gewesen, als es
letztlich um eine "Konkordanz" der Besteuerung in den USA und in Deutschland
gegangen sei. Einerseits sei die Klägerin durch die jedenfalls mittelbare Mitteilung der
Besteuerung in Deutschland vor einer Doppelbesteuerung "geschützt" worden.
Andererseits sei nicht auszuschließen, dass trotz der angenommenen Betriebsstätte der
Klägerin in Deutschland für die USA etwa im Bereich eines "Progressionsvorbehaltes"
ein Besteuerungsrecht verblieben sei. Insbesondere die Tatsache, dass die Zahlungen
der A- GmbH unstreitig auf ein deutsches Konto geflossen seien, indiziere die
Vermutung, dass Steuern in den USA verkürzt worden sein könnten, weil die
amerikanische Steuerverwaltung die Zuflüsse selbst nicht überprüfen oder feststellen
konnten.
115
Der Klägerin könne schließlich durch das Auskunftsersuchen auch kein Schaden
zugefügt werden; die Fragestellung beziehe sich auf rein steuerliche Verhältnisse und
sei "Routine".
116
VI.
117
Mit Schriftsatz vom 25.02.2004 - bei Gericht eingegangen am 26.02.2004 vor der
mündlichen Verhandlung - hat die Klägerin nach antragsgemäßer Gewährung von
Akteneinsicht am 12.12.0000 einen erneuten Antrag auf Akteneinsicht gestellt.
118
In den Schreiben heißt es:
119
"In Anbetracht der durch den Kläger nicht realisierbaren Akteneinsicht vor der
anberaumten Verhandlung am 26.02.2004, 13:15 Uhr, wird um generelle
(insofern auch nachträgliche) Ermöglichung der Akteneinsicht in den Räumen
der Geschäftsstelle des Finanzgerichts Köln gebeten. Ein konkreter Termin
bleibt abzustimmen; von einer Inanspruchnahme innerhalb 8 Wochen ist
auszugehen."
120
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Betriebsprüfer L vom
Finanzamt K-n als Zeugen dazu zu vernehmen, warum er das Auskunftsersuchen
angeregt hat, obwohl er zugleich von der beschränkten Steuerpflicht der Klägerin
ausgegangen ist.
121
Entscheidungsgründe
122
I.
123
Die Sache ist entscheidungsreif; das Begehren der Klägerin auf Akteneinsicht steht
einer Entscheidung nicht entgegen. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör
wird durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht nicht verletzt.
124
Zwar wird der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG
-) für das finanzgerichtliche Verfahren u.a. dadurch verwirklicht, dass die Beteiligten das
Recht haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (insbesondere
der beklagten Behörde) einzusehen (§ 78 Finanzgerichtsordnung - FGO). Falls das
Gericht die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert, gleichwohl aber die Akten auswertet,
liegt ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO vor (vgl. BFH,
Beschluss vom 22. Mai 2002 - VI B 2/02, BFH/NV 2002, 1168).
125
Im Streitfall hat das Gericht die Akteneinsicht aber nicht "verweigert", da eine
Einsichtnahme vor der mündlichen Verhandlung nicht beantragt worden ist: Die
Klägerin trägt selbst vor, die Akteneinsicht vor der anberaumten Verhandlung nicht
"realisieren" zu können.
126
Diese von der Klägerin vorgenommene Einschränkung ihres Antrages auf Akteneinsicht
ist im Übrigen vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Berechtigte bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens - also auch nach dem Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht - Akteneinsicht verlangen kann (vgl.
Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 78 Rz. 5 m.w.N.).
127
II.
128
Die Klage ist nur hinsichtlich des Klageantrages zu 1. erfolgreich.
129
1. Der Klageantrag zu 1., die Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Auskunftsersuchens, ist zulässig und begründet.
130
a. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.
131
Zunächst könnte es im Hinblick auf die Zulässigkeit des Begehrens fraglich sein,
ob es sich bei der Klage um - wie die Klägerin meint - eine
Fortsetzungsfeststellungsklage oder - wie der Beklagte meint - um eine allgemeine
Feststellungsklage handelt.
132
133
Das Begehren der Klägerin kann indessen nur als allgemeine Feststellungsklage
i.S.d. § 41 FGO gewürdigt werden. Das Vorliegen einer
Fortsetzungsfeststellungsklage hätte gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zur
Voraussetzung, dass ein Verwaltungsakt vorausgegangen ist; daran fehlt es
134
jedoch.
Das angefochtene Auskunftsersuchen ist auf der Grundlage des § 117 - Abs. 2
oder 3 - Abgabenordnung - AO i.V.m. Art. 26 Abs. 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger
anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl. II 1992 S. 355 - im Weiteren: DBA
USA) ergangen. Dieses Auskunftsersuchen ist jedoch kein Verwaltungsakt i.S.d. §
118 AO (so auch Tipke/Kruse a.a.O. § 117 AO Rz. . 24 a.E.; a.A. noch BFH-Urteil
vom 20. Februar 1979 - VII R 16/78, BStBl II 1979, 268), sondern schlichtes
Verwaltungshandeln. Zwar ist für Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO
anerkannt, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. nur BFH-Beschluss
vom 26. August 2002 - IX R 75/01, BFH/NV 2003, 15). Diese Qualifikation hat
jedoch ihre grundsätzliche Berechtigung in dem Umstand, dass die Behörde das
Auskunftsverlangen auch vollstrecken können muss, § 328 Abs. 1 AO. Dieser
Aspekt entfällt bei Auskunftsersuchen an ausländische Steuerbehörden.
Angesichts der Tatsache, dass die erlangten - oder erteilten - Auskünfte
regelmäßig auch noch der Umsetzung in das inländische Besteuerungsverfahren
bedürfen, fehlt es überdies bereits an der Außenwirkung nach § 118 Abs. 1 AO des
zwischenstaatlichen Auskunftsersuchens.
135
Die Feststellungsklage ist zulässig. Zwischen den Beteiligten besteht ein
Rechtsverhältnis und die Klägerin kann sich auf ein Feststellungsinteresse
berufen.
136
Die Feststellungsklage muss sich auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses beziehen. Auch dieses Erfordernis ist erfüllt. Denn das
Klagebegehren kann auch auf eine "Teilfrage" aus dem Rechtsverhältnis zielen,
wozu beispielsweise der Umfang der Verpflichtung zur Wahrung des
Steuergeheimnisses - § 30 AO - zählt (vgl. Gräber/von Groll a.a.O. § 41 FGO Rz.
14).
137
138
Dieses ist letztlich das Begehren der Klägerin. Diese selbst spricht zwar
ausdrücklich nur von ihrem Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" aus Art.
2 GG; das Gericht fasst dies jedoch als ein Berufen auf das Recht zur Wahrung des
Steuergeheimnisses auf.
139
Denn das Steuergeheimnis ist Ausfluss des von der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts anerkannten Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. Juli 2003 - VII R 39, 43/02, BStBl
II 2003, 828 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Urteil
vom 17. Juli 1984 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100). Die Klägerin will sich
140
gegenüber der deutschen Finanzverwaltung - gegenüber dem Beklagten bzw. dem
Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n - damit wesenhaft auf das Steuergeheimnis aus §
30 Abs. 2 AO berufen.
Zwischen der Klägerin und der Finanzverwaltung besteht auch ein das
Steuergeheimnis fassendes (Steuerrechts-)Verhältnis. Dieses wird allein dadurch
begründet, dass die Klägerin nach Auffassung des Beklagten - bzw. des
Betriebsprüfungs-Finanzamtes K-n - aufgrund der angenommenen beschränkten
Steuerpflicht nach § 2 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 a) i.V.m. § 15 EStG Steuerpflichtige
i.S.d. § 33 Abs. 1 AO ist.
141
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte die aufgrund dieses
Rechtsverhältnisses bestehende Verpflichtung, das Steuergeheimnis zu wahren (§
30 Abs. 1 AO), verletzt hat, ohne einen nach § 30 Abs. 4 AO rechtfertigenden Grund
dafür zu haben.
142
Auch das für die zulässige Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse
nach § 41 Abs. 1 FGO liegt vor. Die Klage ist nach der höchstrichterlichen
Finanzrechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 2003 - VII R 39, 43/02, VII R
39/02, VII R 43/02; BStBl II 2003, 828), welcher sich der erkennende Senat
anschließt, als Antrag auf Feststellung eines Bruchs des Steuergeheimnisses
aufgrund des Genugtuungsinteresses der Klägerin zulässig.
143
Das Festsstellungsinteresse hängt nach der zitierten Rechtsprechung nicht davon
ab, dass die Feststellung, das Steuergeheimnis sei verletzt worden, die rechtliche
und tatsächliche Position der Klägerin verbessern könnte.
144
145
Der Bundesfinanzhof bejaht ein Feststellungsinteresse bereits grundsätzlich bei
einer - substantiierten - Behauptung der Verletzung des Steuergeheimnisses: Ein
Steuerpflichtiger, der sich in seinem subjektiven Recht auf Wahrung seiner
steuerlichen Geheimnisse durch die Finanzverwaltung verletzt sieht, wäre in
weitem Umfang rechtsschutzlos gestellt, wenn er diese angebliche
Rechtsverletzung ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Prüfung des Vorgehens
der Finanzverwaltung hinnehmen müsste. Eine solche anderweitige
Rechtsschutzmöglichkeit wird sich für ihn beim Bruch des Steuergeheimnisses
zumeist nicht ergeben. Denn die Verletzung des Steuergeheimnisses kann ihrer
Natur nach nicht rückgängig gemacht werden.
146
Die Klägerin kann das Feststellungsinteresse im dargestellten Sinn für sich in
Anspruch nehmen. Sie hat substantiiert vorgetragen, das Auskunftsersuchen des
Beklagten an die US-amerikanische Steuerbehörde verletzte sie in ihrem Recht,
147
da dem Beklagten keine Ermächtigungsgrundlage für sein Handeln zur Verfügung
stehe.
a. Die Feststellungsklage ist auch begründet.
148
149
Die Stellung des Auskunftsersuchens war rechtswidrig. Der Beklagte hat nicht die
Rechtmäßigkeitsgrenzen der Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsersuchen
eingehalten.
150
Die Informationen, die der Beklagte vom Betriebsprüfungs-Finanzamt K-n über die
Verhältnisse der Klägerin erhalten hat, unterliegen gemäß § 30 AO dem
Steuergeheimnis. Die Klägerin kann daher vom Beklagten verlangen, dass die dort
tätigen Amtsträger (§ 7 AO) und für den öffentlichen Dienst besonders
verpflichteten Personen (§ 30 Abs.3 Nr.1 AO) dieses Geheimnis wahren (§ 30
Abs.1 AO). Dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht nachgekommen, als er die
dem Steuergeheimnis unterfallenden Daten der Klägerin mit dem
Auskunftsersuchen an die US-amerikanischen Steuerbehörden versandt hat.
151
Denn der Umfang des Anspruchs auf Wahrung des Steuergeheimnisses war nicht
zugunsten des Beklagten durch das Eingreifen einer Ermächtigungsgrundlage
gesetzlich eingeschränkt.
152
Der Steuerpflichtige kann verlangen, dass seine Verhältnisse "nicht unbefugt"
offenbart oder verwertet werden; das ergibt sich aus § 30 Abs.2 und 4 AO. Das vom
Beklagten versandte Auskunftsersuchen war aber eine unbefugte Offenbarung der
Verhältnisse des Antragstellers, da der Gesetzesvorbehalt in § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO
im vorliegenden Fall nicht eingreift.
153
Rechtsgrundlage des Auskunftsersuchens hätte nur § 177 AO i.V.m. Art. 26 DBA
USA sein können. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser
Ermächtigungsgrundlage haben jedoch nicht vorgelegen (1.) und die Entscheidung
des Beklagten war darüber hinaus auch ermessensfehlerhaft (2.).
154
Nach § 117 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe
in Anspruch nehmen; gemäß § 117 Abs. 2 AO dürfen die Finanzbehörden
zwischenstaatliche Amtshilfe u.a. aufgrund innerstaatlich anwendbarer
völkerrechtlicher Verträge leisten. Ein derartiger Vertrag ist das DBA USA, dessen
Art. 26 Abs. 1 aufgrund des Gesetzes vom 11. Januar 1991 (BGBl. II 1991, 354, in
Kraft getreten am 21. August 1991, BGBl. 1992 II S. 235) innerstaatlich
anwendbares Recht ist.
155
156
Nach Art. 26 Abs.1 Satz 1 DBA USA sind die zuständigen Behörden der
Vertragsstaaten berechtigt, die Auskünfte auszutauschen, die nach den
Steuergesetzen der beiden Vertragsstaaten bereitgestellt werden können und
erforderlich sind für die Durchführung der Vorschriften des Abkommens oder für die
Verhütung von Hinterziehungen und dergleichen bei den unter das Abkommen
fallenden Steuern. Art. 26 Abs.1 Satz 1 DBA USA gestattet - als "große
Auskunftsklausel" (vgl. FinBeh Bremen Erlass vom 21. März 2000 S 1320 - 121;
StEd 2000, 425) - u.a. auch Spontanauskünfte (vgl. BFH-Beschluss vom 29. April
1992 I B 12/92, BStBl II 1992, 645 zum DBA USA 1954/1965).
157
Im Streitfall bestehen bereits durchgreifende Bedenken dagegen, dass die
Tatbestandsvoraussetzungen der Inanspruchnahme oder der Gewährung von
Amtshilfe vorgelegen haben.
158
Gemäß § 117 Abs. 1 AO - i.V.m. den einschlägigen Regelungen eines
Doppelbesteuerungsabkommens, hier Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA USA - wird
zwischenstaatliche Amtshilfe durch Auskunftsaustausch beansprucht, wenn die
Finanzbehörden grenzüberschreitende Sachverhalte nicht mehr angemessen
aufklären können, weil sie bei ihren Ermittlungen auf das eigene Staatsgebiet
beschränkt sind (Auskunftsersuchen).
159
160
Bei der Durchführung des Auskunftsaustausches haben die Finanzbehörden nach
allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätzen insbesondere auch das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. auch vgl. auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 3. Februar 1999 "Merkblatt zur
zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen", IV B 4
- S 1320 - 3/99, BStBl I 1999, 228, 229 Tz. 1.1); auch aus der ausdrücklichen
Formulierung in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA USA folgt die Einschränkung auf
"erforderliche" Auskünfte.
161
Die Erforderlichkeit eines Auskunftsersuchens ist vorliegend nicht erkennbar;
dieses Kriterium ist bei der Prüfung einer Inanspruchnahme von Amtshilfe durch
die deutsche Finanzverwaltung auf das inländische Besteuerungsverfahren
beschränkt.
162
Im Zusammenhang mit dem inländischen Besteuerungsverfahren gegenüber der
Klägerin lag die Voraussetzung der "Erforderlichkeit" nicht vor.
163
164
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob schon die angebotene Mitwirkung bei
der Sachverhaltsaufklärung seitens der Klägerin durchgreifende Bedenken gegen
165
die Erforderlichkeit des Auskunftsersuchens erweckt.
Die Klägerin selbst hat ihre Auskunftsbereitschaft immer wieder - und vom
Beklagten auch nicht substantiiert bestritten - behauptet. Aufgrund des
festgestellten Schriftverkehrs hat die Klägerin darüber hinaus auch bereits im
Verwaltungsverfahren mindestens zweimal - nämlich in den Schreiben vom
24.09.0000 an das Betriebsprüfungs-Finanzamt und vom 01.03.0000 gegenüber
dem Finanzamt V - angeboten, konkreten Informationswünschen nachzukommen
bzw. konkret bezeichnete Unterlagen vorzulegen.
166
Es ist jedoch bereits die grundlegende Erforderlichkeit für eine Information über die
Klägerin aus den USA für das deutsche Besteuerungsverfahren nicht erkennbar.
167
Ausweislich des Schreibens vom 29.08.0000 war das Betriebsprüfungs-Finanzamt
aufgrund eigener Ermittlungen davon überzeugt, dass die Klägerin den
Besteuerungstatbestand der § 2 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG erfüllt hatte.
Dementsprechend hat das örtlich zuständige Finanzamt R später auch Bescheide
zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag gegenüber der
Klägerin erlassen.
168
Damit bedurfte es des unter dem gleichen Datum wie das Schreiben vom
29.08.0000 entworfenen Auskunftsersuchens für das inländische
Besteuerungsverfahren nicht mehr.
169
Auch für ein Besteuerungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland
gegenüber Dritten - nämlich der A-GmbH - war die Auskunft nicht erforderlich.
170
171
Steuerlich relevant wäre in diesem Zusammenhang nur die Benennung der
Klägerin als Empfängerin von Zahlungen für die Geschäftsführung, welche die A-
GmbH als Betriebsausgaben abzog. Im Hinblick auf die Regelung in § 160 AO
ergibt sich jedoch auch hier keine Notwendigkeit für ein Auskunftsersuchen.
172
Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind u.a. Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu
berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen des Finanzamtes nicht
nachkommt, den Empfänger dieser Ausgaben genau zu benennen.
173
Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Verhinderung von Steuerausfällen. Es
soll sichergestellt werden, dass nicht nur die steuermindernde Ausgabe beim
Steuerpflichtigen, sondern auch die damit korrespondierende Einnahme beim
Geschäftspartner erfasst werden (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 24. Juni 1997 VIII R
9/96, BStBl II 1998, 51 und vom 10. November 1998 I R 108/97, BStBl II 1999, 121
sowie die Regierungsbegründung in BT-Drucks VI/1982 zu § 141 -E-AO).
174
Kommt der Steuerpflichtige dem Benennungsverlangen nicht nach, sind die
Ausgaben nach der in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO angeordneten Rechtsfolge
175
regelmäßig nicht zu berücksichtigen (vgl. auch BFH, Urteil vom 09. April 1987 - IV
R 142/85, BFH/NV 1987, 689). Angesichts dieser Rechtsfolge ist die
Erforderlichkeit für ein Auskunftsersuchen des Betriebsprüfungs-Finanzamtes an
die amerikanischen Steuerbehörden nicht erkennbar. Bei begründeten Zweifeln an
der Existenz der Klägerin als Empfängerin der Zahlungen hätte es der
Finanzverwaltung freigestanden, den Abzug als Betriebsausgaben schlicht zu
verweigern.
Gemäß § 117 Abs. 2 AO - i.V.m. den einschlägigen Regelungen eines
Doppelbesteuerungsabkommens, hier Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA USA - kann die
Finanzbehörde zwischenstaatliche Amtshilfe leisten, ggfls. auch ohne vorheriges
Ersuchen der ausländischen Steuerbehörde (Spontanauskunft). Auch die
Voraussetzungen dieses Tatbestandes - der sich nur auf die Besteuerung der
Klägerin in den USA beziehen kann- liegen im Ergebnis nicht vor.
176
177
Nach der vom erkennenden Senat geteilten Rechtsauffassung des
Bundesfinanzhofes (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 1995 - I B 92/94, BStBl II
1995, 358) rechtfertigt sich die Spontanauskunft aus folgender Überlegung: Wenn
die Bundesrepublik in einem DBA auf die Besteuerung ausländischer Einkünfte im
Inland verzichtet, dann geschieht dies regelmäßig zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und in der Erwartung der Besteuerung der Einkünfte durch den
anderen Vertragsstaat.
178
An dieser Interessenlage fehlt es im Streitfall. Der Beklagte hat keine
Spontanauskunft an die amerikanische Steuerbehörde gerichtet; er konnte bei der
Abfassung des Schreibens im Hinblick auf die klaren Formulierungen nicht "in
Erwartung der Besteuerung" in den USA gehandelt haben.
179
Der Inhalt des vom Beklagten versandten Schreibens lässt angesichts des
eindeutigen Wortlautes keine andere Auslegung zu:
180
Das Schreiben trägt den Titel "Auskunftsersuchen".
Das Petitum an die amerikanische Behörde ist in zwei ausdrückliche Fragen
gekleidet.
Der Begleittext ("Besteuerung nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland")
unterstreicht, dass es um die Besteuerung der Klägerin im Inland und damit eben
nicht um das amerikanische Verfahren gehen sollte.
181
182
Die Grenze einer möglichen Auslegung muss auch hier der Wortsinn sein. Die
Charakterisierung des Schreibens als Auskunft würde den Wortsinn in sein
183
Gegenteil verkehren.
Der Erhebung eines Beweises über die "Motive" des Bearbeiters, Herrn L,
bedurfte es demgegenüber nicht.
184
185
Das Finanzgericht muss einem Zeugenbeweisantrag nicht entsprechen, wenn
konkrete, entscheidungserhebliche Tatsachen, die der Zeuge bekunden soll,
weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse
vom 02. Oktober 2003 - IV B 194/01, noch n.v. und vom 23. Juli 1996 X B 191/95,
BFH/NV 1997, 50).
186
So liegt es im Streitfall. Es ist nicht erkennbar, welcher entscheidungserhebliche
Sachverhalt sich aus den Motiven des zuständigen Bearbeiters ergeben sollte. Der
vom Finanzgericht festgestellte objektive Tatbestand wird auch vom Beklagten
nicht in Frage gestellt oder als lückenhaft beanstandet.
187
Darüber hat der Beklagte das ihm bei der Versendung des Auskunftsersuchens
zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt, was ebenfalls zu einer
Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens führt.
188
Die Inanspruchnahme und Gewährung von Amtshilfe steht aufgrund des
eindeutigen Wortlautes in § 177 Abs. 1 und 2 AO im pflichtgemäßen Ermessen der
Finanzverwaltung (§ 5 AO - vgl. auch BMF vom 3. Februar 1999 a.a.O. Seite 233
Tz. 2).
189
190
Die Ermessensentscheidung darf im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 102 Satz
1 FGO nur dahin überprüft werden, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem
Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
191
Ein solcher Ermessensfehler liegt freilich vor, wenn die Behörde von einem
unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht. Denn eine fehlerfreie
Ermessensentscheidung durch die Finanzbehörde kann nur auf der Grundlage
eines umfassend und einwandfrei ermittelten Sachverhalts getroffen werden (vgl.
BFH-Urteile vom 11. März 1986 VII R 144/81, BFH/NV 1987, 137 und vom 15.
September 1992 - VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76).
192
Der Beklagte hat diese durch das Gericht nachprüfbare äußeren Grenzen des
Ermessens verletzt, indem er seiner Entscheidung einen - durch das
Betriebsprüfungs-Finanzamt ermittelten - in sich widersprüchlichen und teilweise
unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
193
So hat die Finanzverwaltung angenommen, die Klägerin sei rechtlich und
wirtschaftlich existent (Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht nach § 2
KStG, § 49 EStG, Schreiben des Betriebsprüfungs-Finanzamtes vom 29.08.0000
an Finanzamt R); andererseits hat die Verwaltung Zweifel an genau diesen
Umständen geäußert (Schreiben an IZA vom 27.08.2001). Diese Zweifel waren
letztlich für das Auskunftsersuchen ursächlich.
Die Finanzverwaltung hat unterstellt, durch die Zahlungen an den Geschäftsführer
- und mittelbar die Klägerin - sollte der A- GmbH Liquidität entzogen werden
(Vermerk der Betriebsprüfung zur Besprechung "vom 16.05.0000"); anderseits ist
in Frage gestellt worden, ob Zahlungen überhaupt geflossen sind (Äußerung vom
27.02.2003 zu diesem Punkt).
Die Behörde ist von einer Steuerpflicht für die Zahlungen der A-GmbH in
Deutschland und den USA gleichermaßen und undifferenziert nach Sitz- und
Quellenstaat ausgegangen (vgl. Schreiben vom 22.11.2001 an die
Prozessbevollmächtigten).
194
Durch die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist keine
Heilung dieser Ermessensfehler eingetreten.
195
Die geltende Vorschrift des § 102 FGO ist durch Anfügung eines Satzes 2
dergestalt ergänzt, dass die Finanzbehörde nunmehr ihre Ermessenserwägungen
bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens
("mündliche Verhandlung") ergänzen darf. Parallel hierzu ist in § 126 Abs. 2 AO
geregelt, dass auch eine Nachholung der - gesamten - Begründung bis zum
Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens zulässig ist.
196
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, was unter "Ergänzung" der
Ermessenserwägung zu verstehen ist, d.h. ob eine solche Ergänzung nur die
Heilung "kleiner" Ermessensfehler erlauben kann, nicht hingegen, dass das
Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung
vollständig oder in ihrem Wesensgehalt ausgewechselt werden (vgl.
letztgenannter Auffassung das FG Hamburg, Urteil vom 14. August 2002 - V
248/98, EFG 2003, 202 [Rev. BFH, Verfahren VII R 52/02] unter Berufung auf
BVerwG-Urteil vom 05. Mai 1998, 1 C 17/97, BVerwGE 106, 351; Lange, DB 2001,
197
2680 und Schwarz/von Wedel, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 102, 49).
198
Denn eine "Rechtfertigung vom Ergebnis der Ermessensentscheidung her" - so
offenbar der Telos der gesetzlichen Ergänzung - kommt im Streitfall nicht in
Betracht. Bei einem vollständig und widerspruchsfrei aufgeklärten Sachverhalt
wäre das Auskunftsersuchen jedenfalls in der vorliegenden Form nicht erforderlich
gewesen.
199
Auch hinsichtlich der fehlerhaften Ermessensausübung bedarf es keines
Zeugenbeweises durch Vernehmung des zuständigen Bearbeiters, Herrn L.
200
201
Denn auch hier kommt es auf subjektive Vorstellungen - "Motive" - der für die
Finanzverwaltung Handelnden nicht an.
202
1. Das Begehren zu 2. der Klägerin auf Untersagung einer Verwertung der durch das
Auskunftsersuchen erlangten Informationen hat dagegen keinen Erfolg; der Antrag
ist als (vorbeugende) Unterlassungsklage unzulässig.
203
a. Eine Auslegung des Klagebegehrens führt zur Annahme einer
Unterlassungsklage. Das Petitum der Klägerin, die Auskunft der amerikanischen
Behörde im deutschen Besteuerungsverfahren nicht zu verwenden, stellt eine
Klage auf Verurteilung zu einer "anderen" Leistung i.S.d. § 40 Abs.1 FGO dar.
Eine Unterlassungsklage auf Verhinderung einer Mitteilung eines
Ermittlungsergebnisses an die ersuchende Behörde ist grundsätzlich zulässig (vgl.
BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 - VII R 122/83, BFHE 148, 372).
204
205
Die Unterlassungsklage ist freilich insoweit "vorbeugend", als noch nicht feststeht,
dass der Beklagte die endgültige Auskunft der zuständigen US-Behörde bereits in
Händen hält und in welcher Form die Auskunft in das deutsche
Besteuerungsverfahren einfließen soll.
206
Diese vorbeugende Unterlassungsklage ist weiterhin nur zulässig, wenn der
Kläger substantiiert und in sich schlüssig dartut, durch ein bestimmtes, künftig zu
erwartendes Handeln einer Behörde in seinen Rechten verletzt zu sein, und dass
ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar sei, weil die
207
Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wieder gutzumachen ist (vgl.
BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 - I R 25/92, BFHE 172, 488).
a. Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind aus zwei Gründen nicht erfüllt.
208
Die Klägerin müsste zum einen durch die Verwertung der Information aus den
USA im deutschen Besteuerungsverfahren - nur darauf kann ein
Verwertungsverbot abzielen - eine Rechtsverletzung erleiden.
209
210
Dies kann die Klägerin nicht schlüssig dartun und auch der Senat kann keine
dementsprechenden Feststellungen treffen. Die Klägerin hat behauptet, sie sei
rechtlich und wirtschaftlich existent; sie habe im Streitjahr 0000 in den USA ihre
steuerlichen Pflichten erfüllt. Die inzwischen vorliegende Information aus den USA
bestätigen diese Behauptung lediglich. Die Verwertung der Auskunft kann für die
Klägerin im deutschen Verfahren - insbesondere im Hinblick auf die Anfechtung
der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide - nur von Vorteil sein.
211
Zum anderen hat die Klägerin nicht dargetan, dass ein Abwarten der tatsächlichen
Rechtsverletzung - eine solche unterstellt - für sie unzumutbar sei. Auch der
erkennende Senat kann das Vorliegen dieses Erfordernisses nicht feststellen.
212
III.
213
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
214
IV.
215
Der erkennende Senat hat keine Veranlassung gesehen, dem Antrag auf Zulassung der
Revision stattzugeben; ein Revisionsgrund i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor.
216
Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) scheidet
aus. Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht
klärungsbedürftig, da sie keine Gesichtspunkte betrifft, die nicht schon in der neueren
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes behandelt worden sind und die damit eine
erneute Entscheidung rechtfertigen könnten (zu dieser Voraussetzung grundsätzlicher
Bedeutung vgl. BFH vom 07. März 1994 V B 95/93, BFH/NV 1995, 650 m.w.Nachw.).
217
Die - vorliegend möglicherweise für die Beteiligten hohe - wirtschaftliche oder
persönliche Bedeutung des Falles ist für die Bedeutung des Rechtsstreites im
revisionsrechtlichen Sinne, welche nur die rechtliche Bedeutsamkeit meint, unerheblich
218
(vgl. bereits BFH vom 18. Januar 1968 V B 45/67, BStBl. 1968 II, 98).
Die Zulassung der Revision ist darüber hinaus auch nicht für die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
219