Urteil des FG Köln vom 10.02.2009

FG Köln: abzug von schuldzinsen, ohg, umlaufvermögen, unechte rückwirkung, gesellschafter, anlagevermögen, kapital, einkünfte, herstellungskosten, darlehen

Finanzgericht Köln, 8 K 4048/06
Datum:
10.02.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 4048/06
Rechtskraft:
IV R 48/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten in den Streitjahren (2002 bis 2005) bei der einheitlichen und
gesonderten Feststellung von Einkünften über die Frage, ob wegen Überentnahmen der
Schuldzinsenabzug nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG ausgeschlossen ist.
2
Die Kläger sind zu je ½ Beteiligte der A oHG (folgend nur: oHG). Die Gesellschaft ist
seit dem 5. Februar 1996 im Handelsregister des Amtsgerichts F eingetragen.
Entstanden ist die oHG durch einen Umwandlung aus einer GmbH & Co. KG zu
Buchwerten.
3
Die oHG erwarb seit dem Jahr 1999 diverse Grundstücke, die sie zum Teil im
Anlagevermögen und – soweit die Grundstücke zur Bebauung und dem
anschließenden Verkauf vorgesehen waren – im Umlaufvermögen bilanzierte. Im Jahr
2001 befand sich im Anlagevermögen ein Grundstück nebst aufstehendem Gebäude in
N und ein Grundstück nebst aufstehendem Gebäude O 5, T-Ring. Im Umlaufvermögen
befanden sich die Grundstücke L, H, F M, G-Ring (Garagen) und C. Wegen der weiteren
Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Kontennachweises zur Bilanz zum
31.12.2001 Bezug genommen.
4
Aus den Bilanzen für die Streitjahre ergibt sich, dass folgende Grundstücke zum
Umlaufvermögen der oHG gehörten:
5
2002 Grundstück Wert
6
L Nord ... €
7
H ... €
8
G-Ring (Garagen) ... €
9
C ... €
10
2003
11
L Nord ... €
12
E-Straße ... €
13
H ... €
14
G-Ring (Garagen) ... €
15
C ... €
16
2004
17
L Nord ... €
18
E ... €
19
H ... €
20
G-Ring (Garagen) ... €
21
C ... €
22
2005
23
L Nord ... €
24
E ... €
25
H ... €
26
G-Ring (Garagen) ... €
27
C ... €
28
Die Gewinne und die Entnahmen der oHG entwickelten sich seit dem Jahr 1999 wie
folgt:
29
Jahr Gewinn/Verlust Einlagen Entnahmen Über Überentnahmen
30
entnahmen mit Vorjahr
31
1999 ... DM --- ... DM - ... DM - ...DM
32
2000 ... DM --- ... DM - ... DM - ... DM
33
2001 ... DM ... DM --- + ... DM - ... DM
34
2002 ... € ... € ... € + ... € - ... €
35
2003 ... € ... € ... € + ... € - ... €
36
2004 ... € --- ... € - ... € - ... €
37
2005 ... € --- ... € - ... € - - ... €
38
Das Kapital der oHG entwickelte sich seit dem Jahr 1995 wie folgt (alle Beträge in DM):
39
Jahr Anfangskapital Einlagen Entnahmen Gewinn Kapital zum
40
Jahresende
41
1995 - ... --- ... ... - ...
42
1996 - ... --- ... ... - ...
43
1997 -... ... ... ... - ...
44
1998 - ... --- ... ... - ...
45
Wegen der Abweichung zwischen dem Kapital zum Jahresende 1995 und zum
Jahresbeginn 1996 wird auf die handschriftlichen Vermerke des Finanzamts auf Blatt 1
der Bilanz der oHG zum 31.12.1996 Bezug genommen.
46
In ihren Gewinnermittlungen für die Streitjahre machte die oHG folgende Schuldzinsen
gewinnmindernd geltend:
47
Jahr Schuldzinsen darauf unstreitig entfallend auf
48
Schuldzinsen Anlagevermögen
49
2002 ... € ... €
50
2003 ... € ... €
51
2004 ... € ... €
52
2005 ... € ... €
53
Dem folgte der Beklagte in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (folgend nur: Feststellungsbescheide) für die
Streitjahre nicht, sondern rechnete gemäß § 4 Abs. 4a EStG den Gewinnen
Schuldzinsen in folgender Höhe hinzu:
54
2002: ... € (= 6 % aus ... €)
55
2003: ... € (= 6 % aus ... €)
56
2004: ... € (= 6 % aus ... €)
57
2005: ... € (= 6 % aus ... €).
58
Im Feststellungsbescheid für das Jahr 2002 vom 22. März 2004 stellte der Beklagte
dabei wegen eines Eingabefehlers statt der beabsichtigt festzustellenden Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von ... € (erklärte ... € plus ... €) lediglich solche in Höhe von ...
€ fest. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieses Bescheids
Bezug genommen.
59
Gegen den Feststellungsbescheid für das Jahr 2002 legten die Kläger am 24. März
2004 Einspruch ein, mit dem sie geltend machten, soweit die Zurechnung von
Schuldzinsen in Höhe von ... € auf Überentnahmen des Vorjahres beruhten, sei zu
beachten, dass in den Privatentnahmen der Vorjahre Grundstücksaufwendungen
enthalten seien, so dass die möglicherweise hierauf entfallenden Schuldzinsen
wiederum als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung anzusetzen wären.
Außerdem seien die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Betriebsprüfung
für die Jahre 1999 bis 2001 überprüft worden, wobei hinsichtlich nicht abzugsfähiger
Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs.4a EStG keine Feststellungen getroffen worden
seien. Zudem sei die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... €
nicht nachvollziehbar.
60
Hierauf änderte der Beklagte die Gewinnfeststellung für das Jahr 2002 mit gemäß § 129
AO berichtigtem Bescheid vom 31. März 2004 und stellte nunmehr Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von ... € fest, die er den Klägern zu je ½ zurechnete.
61
Gegen die Feststellungsbescheide für das Jahr 2003 vom 20. Januar 2005, für das Jahr
2004 vom 21. Februar 2006 und für das Jahr 2005 vom 13. Juni 2006 legten die Kläger
am 31. Januar 2005, 2. März 2006 und 16. Juni 2006 Einspruch ein.
62
Der Beklagte forderte die Kläger im Rahmen des Einspruchsverfahrens betreffend das
Jahr 2002 auf, in Einzelnen darzulegen, welcher Teil der Schuldzinsen auf die
Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entfiele. Die Kläger listeten
hierauf mit Schreiben vom 26. April 2004 diverse Darlehen bei der KSK I auf. Wegen der
weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieses Schreibens Bezug genommen.
63
Nachdem der Beklagte hierauf mit Schreiben vom 14. Juni 2004 geltend gemacht hatte,
die Schuldzinsen dienten im wesentlichen der Finanzierung von Umlaufvermögen,
machten die Kläger geltend, von den ermittelten Überentnahmen in Höhe von ... €
entfielen ... € auf Entnahmen für ihre Vermietungsobjekte. Sie beantragten deshalb, bei
Berücksichtigung der Zinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von ... € den Betrag in
Höhe von ... € (= 6 % von ... €) einkommensteuermindernd zu berücksichtigen.
64
Mit einheitlicher Einspruchsentscheidung vom 21. September 2006 für die
Feststellungsbescheide für alle Streitjahre wies der Beklagte die Einsprüche als
unbegründet zurück. Hierzu führte er aus, er habe den nicht abziehbaren Teil der
Schuldzinsen zutreffend entsprechend der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG ermittelt.
Soweit die Kläger geltend machten, der Gesetzgeber habe innerhalb dieser Regelung
willkürlich die Position des Umlaufvermögens bei der Aufteilung der abzugsfähigen
Schuldzinsen außer Betracht gelassen, könne er dem nicht folgen, weil er an die
65
gesetzliche Regelung gebunden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf
den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Die Kläger haben am 13. Oktober 2006 die vorliegende Klage erhoben.
66
Sie machen geltend, die oHG als Bauträger habe in den streitigen Zeiträumen in
erheblichen Umfang Grundstücke erworben, die der Vermarktung gedient hätten und
deswegen dem Umlaufvermögen zugerechnet worden seien. Die aus dem
Grundstückskauf resultierenden kurzfristigen Kredite bzw. die damit verbundenen
Schuldzinsen seien somit unzweifelhaft Betriebsausgaben.
67
Eine Finanzierung in Darlehensform, also nicht über ein laufendes Geschäftskonto, sei
nicht nur unzweckmäßig, sondern auch unwirtschaftlich. Aus dem ursprünglichen
Erwerb der Grundstücke im Jahr 2000 mit einem Kaufpreis von ... DM seien Bankmittel
in Höhe von ... DM kurzfristig finanziert. Durch Nachfolgeinvestitionen im Jahr 2001 sei
das Investitionsvolumen auf ... DM bei einer Ausdehnung des Finanzierungsvolumens
auf ... DM angestiegen. Durch den Abverkauf im Jahr 2002 habe sich die
Investitionssumme auf ... € reduziert, wobei sich das Kreditvolumen auf ... € vermindert
habe. Ebenso hätten sich im Jahr 2003 weitere Investitionen bzw. Veräußerungen
ergeben, so dass das vorhandene Umlaufvermögen im Bereich der Grundstücke noch
rund ... € betragen habe, während die daraus resultierenden Verpflichtungen über die
laufenden Konten auf ... € gesunken seien. Das gleiche sei im Jahr 2004 geschehen.
Per Ende 2004 sei das Umlaufvermögen noch mit ... € im Jahresabschluss
ausgewiesen gewesen, während die daraus resultierenden Kredite lediglich noch ... €
betragen hätten. Zum 31.12.2005 sei dann noch ein Umlaufvermögen von ... €
vorhanden gewesen, wobei das Schuldvolumen auf ... € angestiegen sei, so dass
erstmals eine Diskrepanz von rund 140.000 € Darlehensvolumen eingetreten sei. Dem
gegenübergestanden hätten allerdings bereits langfristig im Umlaufvermögen
vorhandene Grundstücke in einer Größenordnung von rund ... € für die Grundstücke in
H, G-Ring und C.
68
Deswegen seien die Feststellungen des Beklagten unzutreffend. Steuerlich wäre es
durchaus zulässig gewesen, die angeschafften Grundstücke bis zur Verwertung bzw.
Veräußerung dem Anlagevermögen zuzurechnen und die Finanzierung über Darlehen
sicherzustellen. Dann wären die Feststellungen des Beklagten nicht zum Tragen
gekommen.
69
Es sei nicht zu erkennen, weshalb bei einer wirtschaftlich zutreffenden Erfassung
nunmehr Hinzurechnungen gemäß § 4 Abs. 4a EStG erfolgen sollten. Der Gesetzgeber
habe in dieser Vorschrift bestimmt, dass der Abzug von Schuldzinsen für
Darlehensfinanzierungen von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt bleibe, weil insofern ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der daraus resultierenden
Zinsbelastung hergeleitet werden könne. Dies sei, wie dargestellt, auch beim
Umlaufvermögen möglich, so dass deutlich werde, dass die angefallenen Schuldzinsen
unzweifelhaft mit den betrieblichen Investitionen in das Umlaufvermögen entstanden
seien.
70
Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG regeln wollen, dass
Schuldzinsen, soweit sie nicht betrieblich veranlasst seien, auch nicht zu den
Betriebsausgaben zählen. Sinn der Vorschrift sei es, den betrieblichen Zusammenhang
71
der angefallenen Schuldzinsen sicherzustellen.
Die Kläger beantragen,
72
die Bescheide für 2002 bis 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen vom 22. März 2004, 20. Januar 2005, 21. Februar
2006 und 13. Juni 2006 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.
September 2006 zu ändern und die Feststellungen entsprechend den abgegebenen
Erklärungen durchzuführen,
73
festzustellen, dass die Schuldzinsen in der Privatsphäre der Gesellschafter als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu beachten
sind (für das Jahr 2002: 6% aus ... € = ... €),
74
hilfsweise die Revision zuzulassen.
75
Der Beklagte beantragt,
76
die Klage abzuweisen.
77
Er macht geltend, er habe die nicht abziehbaren Schuldzinsen streng nach der
Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG ermittelt. Der korrekte Gesetzesvollzug könne ihm nicht
angelastet werden. Es seien unstreitig Überentnahmen getätigt worden. Solche beträfen
den privaten und damit den steuerlich nicht relevanten Bereich. Auch solche
Überentnahmen müssten finanziert werden und begründeten von daher Schuldzinsen.
Weil solche Schuldzinsen privat veranlasst seien und den steuerlichen Gewinn nicht
mindern dürften, seien sie auszuscheiden. Genau dies bezwecke die Vorschrift des § 4
Abs. 4a EStG.
78
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2009, auf die tabellarische Übersicht des
Beklagten zur Entwicklung der Überentnahmen seit dem Jahr 1999 (vorgeheftet der
übersandten Bilanzakte ab dem Jahr 2001) und auf den vom Beklagten übersandten
Betriebsprüfungsbericht vom 21. Mai 2003 Bezug genommen.
79
Entscheidungsgründe
80
1.
81
Der Senat sieht die Klage sowohl als von den Klägern in ihrer Eigenschaft als zur
Vertretung berufene Geschäftsführer der oHG (vergl. zur Klagebefugnis insoweit: § 48
Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) als auch persönlich als Gesellschafter
der oHG (zur Klagebefugnis insoweit; § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO) erhoben an. Das ergibt
sich aus dem in der Klageschrift aufgeführten Rubrum einerseits, ausweislich dessen
die Klage in der Eigenschaft der Kläger als Gesellschafter der oHG (demnach für die
oHG) erhoben worden ist und aus der im Verfahren vorgelegten Vollmacht (Bl. 17 d.A.)
andererseits, die von beiden Klägern unterschrieben ist und in der es heißt, "wir" (also
die Kläger persönlich) bevollmächtigen den Prozessbevollmächtigten zur
Prozessführung. Der Senat sah sich deshalb nicht veranlasst, im Verfahren
Beiladungen vorzunehmen (zur Frage von notwendigen Beiladungen im Verfahren
betreffend Gewinnfeststellungsbescheide im Zusammenhang mit Fragen betreffend § 4
82
Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG -: BFH-Urteil vom 23. Dezember 2005
VIII R 96/03, BFH/NV 2006, 789 und BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 72/02, BStBl II
2008, 420).
2.
83
Die so verstandene Klage ist im Hinblick auf beide in materieller Hinsicht gestellte
Anträge unbegründet:
84
Die angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Einkünften sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vergl. § 100
Abs. 1 Satz 1 FGO).
85
Zu Recht hat der Beklagte in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden den
hier streitgegenständlich erklärten Gewinnen nicht abziehbare Schuldzinsen gemäß der
Vorschrift des § 4 Abs. 4a des in den Streitjahren geltenden Einkommensteuergesetzes
– EStG - hinzugerechnet. Die Vorschrift in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung
des Steueränderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) lautet wie
folgt:
86
(4a) 1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn
Überentnahmen getätigt worden sind. 2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den
die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres
übersteigen. 3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der
Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen
vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den
vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen
überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der
Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses
Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen. 4Der sich dabei ergebende
Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 Euro verminderte Betrag der im
Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. 5Der
Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder
Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.
6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 sinngemäß
anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.
87
Die Beteiligten gingen bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar
2009 übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte diese Vorschrift dem materiellen
Inhalt nach zutreffend angewendet und dementsprechend den erklärten Gewinnen im
Jahr 2002 ... €, im Jahr 2003 ... €, im Jahr 2004 ... € und im Jahr 2005 ... €
hinzugerechnet hat.
88
a.
89
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung
vom 10. Februar 2009 geltend gemacht hat, er könne dem vom Beklagten
zugrundegelegten Zahlenmaterial nicht folgen, ist dieser Einwand nicht stichhaltig. Die
vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung dargestellten Zahlen ab den Streitjahren,
die mit einer Überentnahme im ersten Streitjahr in Höhe von ... € beginnen, beruhen auf
einer – der Bilanzakte ab dem Jahr 2001 - vorgehefteten tabellarischen Aufstellung,
90
ausweislich derer die Überentnahmen zum Ende des Jahre 1999 ... DM betragen
haben, die sich bis zum Ende des ersten Streitjahres auf den Betrag in Höhe von ... €
aufaddieren. Wenn den Klägern auch zuzugeben ist, dass sich diese Werte anhand der
eingereichten Gewinnermittlungen nicht ohne weiteres nachvollziehen lassen, ist das
der Tatsache geschuldet, dass bei den Klägern für die Jahre 1999 bis 2001 eine
Betriebsprüfung stattgefunden hat, die zu Änderungen sowohl hinsichtlich der erklärten
Gewinne als auch hinsichtlich der getätigten Entnahmen geführt hat. Angesichts des
Inhalts der Anlage 3 und 4 zum Betriebsprüfungsbericht vom 21. Mai 2003 zu dieser
Betriebsprüfung, in denen für das erste Jahr der tabellarischen Aufstellung (1999) – hier
exemplarisch dargestellt - der Gewinn mit ... DM (Anlage 3) und die Höhe der
Entnahmen mit ... DM zzgl. ... DM (=... DM und damit dem Wert laut genannter
tabellarischer Übersicht entsprechend) dargestellt sind, hat der Senat keine Zweifel an
der Richtigkeit des insoweit dargestellten Zahlenmaterials. Angesichts der Tatsache,
dass die Prüfungsergebnisse ausweislich der Tz. 5 des genannten Prüfungsberichts
einvernehmlich ergangen sind, ist dem Senat der erstmals in der mündlichen
Verhandlung vom 10. Februar 2009 geltend gemachte Einwand, das Zahlenmaterial sei
nicht schlüssig, nicht verständlich.
b.
91
Die Einwendungen der Kläger gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG hält der
Senat nicht für durchgreifend:
92
Bei der Anwendung der genannten Norm ist grundsätzlich eine zweigeteilte Prüfung
vorzunehmen: Auf einer ersten Stufe ist zunächst zu untersuchen, ob die geltend
gemachten Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind. Entscheidend hierfür ist die
tatsächliche Verwendung der die Schuldzinsen auslösenden Darlehen. Sind diese
betrieblich veranlasst, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob die geltend gemachten
Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen und daher nach § 4 Abs. 4a EStG nicht
abziehbar sind (vergl. dazu BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 40/02, BFH/NV
2006, 512 m.w.N.).
93
Die hiernach gebotene zweigeteilte Prüfung vermengen die Kläger mit ihrer
Argumentation, im Streitfall sei die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG nicht anzuwenden:
94
aa.
95
Soweit die Kläger geltend machen, der Gesetzgeber habe innerhalb der streitigen
Vorschrift die Darlehensfinanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aus deren Regelungsbereich deshalb
ausnehmen wollen, weil innerhalb dieser Fallgruppe die Schuldzinsen unzweifelhaft mit
betrieblichen Investitionen in Zusammenhang stünden und dies auch bei
fremdfinanzierten Umlaufvermögen der Fall sei, verkennen sie, dass die Frage, ob und
inwieweit die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auf einer
betrieblichen Veranlassung beruhen, keine Rolle spielt. Nach dem o.g. Maßstab ist es
vielmehr gerade Voraussetzung, dass die in Rede stehenden Schuldzinsen tatsächlich
betrieblich veranlasst sind; anderenfalls fällt deren Abzugsfähigkeit – unabhängig von
der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG - bereits mangels betrieblicher Veranlassung nach §
4 Abs. 4 EStG weg.
96
Die letztgenannte Tatsache verdeutlicht, dass die Kläger den grundlegenden Sinn und
97
Zweck der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG verkennen. Anknüpfungspunkt der Vorschrift
ist nicht die Frage der betrieblichen Veranlassung der Schuldzinsen, sondern die
Tatsache, dass Überentnahmen getätigt werden und dass das hierdurch dem Betrieb
entzogenen Kapital durch – die die Schuldzinsen auslösenden – Fremdmittel
ausgeglichen werden muss. Hieran knüpft die gesetzgeberische Grundentscheidung an,
die hierdurch veranlassten Schuldzinsen – mögen sie auch betrieblich veranlasst sein –
vom Abzug auszuschließen. Angesichts dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers,
hinsichtlich deren verfassungsmäßigen Zulässigkeit der Senat auch keinen Zweifel hegt
(vergl. zur allgemeinen Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift: BFH-Urteil vom 1. August
2007 XI R 26/05, BFH/NV 2007, 2267), ist der partielle Ausschluss des
Schuldzinsenabzugs im Streitfall zu Recht erfolgt.
bb.
98
Das gilt auch angesichts der Tatsache, dass die genannte Vorschrift die Schuldzinsen
aus der Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern
des Anlagevermögens aus der Begrenzung des Schuldzinsensabzugs ausnimmt und es
insofern – was die Kläger insbesondere beanstanden - zu einer Privilegierung des
Anlagevermögens kommt. Denn auch insoweit gilt, dass die Tatsache des Vorliegens
von Überentnahmen der Anknüpfungspunkt für die Begrenzung des
Schuldzinsenabzugs ist und nicht etwa die Finanzierung von Umlaufvermögen (so
ebenso: Finanzgericht Münster, Urteil vom 10. Februar 2005 8 K 3745/03 F, EFG 2005,
1177). In diesem Zusammenhang geht auch der Einwand der Kläger fehl, sie hätten die
hier streitgegenständlichen Grundstücke, die unstreitig im Umlaufvermögen der oHG
bilanziert worden waren, ebenso zum Gegenstand des Anlagevermögens machen
können. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung
in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 42 der Abgabenordnung thematisiert hat,
soll nach dem Verständnis des Senats – sofern sich ihm die Sinnhaftigkeit des Vortrags
überhaupt erschließt – damit wohl geltend gemacht werden, dass eine Bilanzierung im
Anlagevermögen hätte erfolgen können, dies dann aber einer Überprüfung seitens des
Beklagten unter dem Blickwinkel des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten
unterlegen hätte. Nach Ansicht des Senats ist dieser Gedankengang aber bereits vom
Grundsatz her verfehlt. Denn es steht fest – hiervon gehen auch die Beteiligten
übereinstimmend aus – dass die oHG mit dem Geschäftsfeld der Bauträgerschaft und
der Baubetreuung als gewerbliche Grundstückhändlerin tätig war, indem sie neben den
– unstreitig zutreffend im Anlagevermögen bilanzierten Grundstücken – verschiedene
weitere Grundstücke erworben, bebaut und schließlich veräußert hat. Bei dieser
Sachlage sind indes die hier in Rede stehenden Grundstücke, wie dies seitens der oHG
auch zutreffend geschehen ist, im Umlaufvermögen zu bilanzieren (vergl. dazu
Schmidt/Glanegger, EStG, 27. Auflage, § 6 Rz 23 m.w.N.).
99
cc.
100
Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Überentnahmen beruhten
letztlich auf Umständen, die der oHG keine Liquidität entzogen hätten. Soweit die Kläger
dies mit der Klagebegründung gemäß Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 (Bl. 15 f. der
Akte) im einzelnen darlegen, indem sie das Investitionsvolumen im Hinblick auf das
Umlaufvermögen im einzelnen erläutern und dem die einzelnen Darlehensstände
gegenüberstellen, spielt dieser Gesichtspunkt bereits deshalb keine Rolle, weil die
Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG Überentnahmen als den Betrag definiert, um den die
Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres
101
übersteigen. Der Begriff des Gewinns ist wiederum in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert
und bezeichnet den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss
des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangen
Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert
der Einlagen. Fragen der Liquidität des Betriebs, insbesondere die Frage, ob die das
Betriebsvermögen mindernden Posten auf tatsächlich dem Unternehmen Liquidität
entziehenden Umständen beruhen oder andere Gründe haben (z.B. Abschreibungen
und Rückstellungen), spielen dabei nach der gesetzlichen Konzeption keine Rolle (zur
Maßgeblichkeit des Gewinnbegriffs nach § 4 Abs. 1 EStG auch im Rahmen des § 4 Abs.
4a EStG: Korn, EStG, § 4 Rz. 840); dieser Konzeption folgend geht deshalb auch der
BFH - für den Senat zutreffend - davon aus, dass die hier einschlägige Fassung des § 4
Abs. 4a EStG gerade keine liquiditätsbezogene Begrenzung des Schuldzinsenabzug
enthält und entsprechend etwa vorgenommene AfA den Gewinn für Zwecke des § 4
Abs. 4a EStG nicht erhöhen (BFH-Urteil vom 1. August 2007 XI R 26/05, BFH/NV 2007,
2267 m.w.N.).
dd.
102
Unerheblich ist, dass die oHG in den Streitjahren tatsächlich keine Überentnahmen
getätigt, sondern im Gegenteil die bis dahin aufgelaufenen Überentnahmen jedenfalls in
den ersten Jahren deutlich reduziert hat. Denn Grundlage für die Begrenzung des
Schuldzinsenabzugs im Streitfall ist die Tatsache, dass im Jahr 1999 Überentnahmen
vorhanden waren, die bis in die Streitjahre fortwirkten. Nach Satz 3 des § 4 Abs. 4a
EStG sind diese Überentnahmen relevant, wenn dort geregelt ist, dass die nicht
abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des
Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und
abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn
und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt
werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einbeziehung solcher
Überentnahmen aus den Jahren ab 1999 (vergl. zum zeitlichen Anwendungsbereich der
Vorschrift in der hier einschlägigen Fassung; § 52 Abs. 11 Satz 1 und 2 EStG), bestehen
nicht. Insbesondere enthält die Regelung, obschon deren Tatbestand u.a. auf
abgeschlossene Sachverhalte vor dem ersten Streitjahr abstellt, lediglich eine
verfassungsrechtlich zulässige sog. unechte Rückwirkung (vergl. dazu ausführlich:
Finanzgericht Münster, Urteil vom 10. Februar 2005 8 K 3745/03 F, EFG 2005, 1177
m.w.N.). Ob es im Rahmen der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG geboten ist,
Unterentnahmen aus den Jahren vor 1999 zu berücksichtigen (vergl. zum
Meinungsstand insoweit: Booza-Bodden, Anmerkung zum Beschluss des Schleswig-
Holsteinischen Finanzgerichts vom 1. Juli 2008 1 V 135/07 in EFG 2008, 1634 m.w.N.)
bedarf hier keiner Erörterung, weil solche Unterentnahmen aus der Zeit vor 1999 im
Streitfall nicht vorlagen. Denn das Kapital der oHG war zum Ende des Jahres 1998
negativ. Der Senat sieht im übrigen zu diesen Fragen, auf die die Kläger auch nicht
ansatzweise eingegangen sind, von weiteren Ausführungen ab.
103
ee.
104
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht aus der Tatsache, dass bei den
Klägern in den den Streitjahren vorausgegangenen Jahren eine Außenprüfung
stattgefunden hat, in Rahmen derer die Frage der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG
keine Rolle gespielt hat. Insofern gilt nämlich, dass das Prinzip der
Abschnittsbesteuerung es dem Beklagten nicht verwehrt, trotz Fehler bei der
105
Besteuerung – bzw. hier bei der Feststellung von Einkünften – in der Vergangenheit die
zutreffende Rechtslage zugrundezulegen. Etwas anderes käme nur in Betracht, wenn
der Beklagte durch die Handhabung in der Vergangenheit einen Vertrauenstatbestand
geschaffen hätte, der es als treuwidrig erscheinen ließe, wenn er sich in Folgejahren
nunmehr auf die zutreffende Rechtslage beriefe (vergl. dazu Finanzgericht des
Saarlandes, Urteil vom 26. Juni 2008 1 K 1208/03, EFG 2008, 1742). Umstände hierfür
haben die Kläger aber weder dargelegt noch sind sie im Übrigen ersichtlich.
c.
106
Auch der weiter gestellte Antrag der Kläger, nämlich festzustellen, dass die
Schuldzinsen in der Privatsphäre der Gesellschafter als Werbungskosten bei deren
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu beachten sind, ist unbegründet.
107
Dieses Begehren steht ersichtlich im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Kläger im
Einspruchsverfahren, mit dem sie – im Klageverfahren zunächst gar nicht weiterverfolgt
– für das erste Streitjahr geltend gemacht hatten, von den ermittelten Überentnahmen in
Höhe von ... € entfielen ... € auf Entnahmen für ihre Vermietungsobjekte, so dass sie
beantragten, bei der Berücksichtigung der Zinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von
... € den Betrag in Höhe von ... € (6 % von ... €) einkommensteuermindernd zu
berücksichtigen. Abgesehen davon, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger dieses
Begehren für die Folgejahre nicht weiterverfolgt hatte, so dass er in der mündlichen
Verhandlung trotz Aufforderung nicht in der Lage war, diesen Antrag auch für die
übrigen Streitjahre zu beziffern, kann dieser Antrag bereits deshalb keinen Erfolg haben,
weil Streitgegenstand hier die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen als Grundlagenbescheid für die Besteuerung der Kläger bei
der Einkommensteuer – als Folgebescheid – (vergl. dazu § 171 Abs. 10 AO) ist.
Deswegen ist hier kein Raum für die Feststellung von Werbungskosten der
Gesellschafter bezüglich einer Einkunftsart, die die Gesellschafter persönlich erzielen;
sie können insbesondere nicht Gegenstand der Einkünftefeststellung bei der
Gesellschaft – hier: Feststellung der gewerblichen Einkünfte – sein (vergl. zur
Reichweite der einheitlichen und gesonderten Feststellung in der hier einschlägigen
Fallgestaltung: § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO).
108
Aber auch unabhängig von dieser verfahrensrechtlichen Ausgangslage sieht die
Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG keine Möglichkeit vor, den nicht abziehbaren Teil der
Schuldzinsen in Abhängigkeit von der Verwendung der Überentnahmen - hier wie
behauptet zur Erzielung steuerpflichtiger Vermietungseinkünfte auf Gesellschafterebene
- zu bestimmen. Nach der Konzeption der Vorschrift ist es im Gegenteil unerheblich, für
welche Zwecke die Überentnahmen getätigt wurden. Entscheidend ist alleine, dass mit
der Entnahme Gelder aus dem betrieblichen in den privaten Bereich gelangt sind
(ebenso: Finanzgericht Köln, Urteil vom 20. März 2008 15 K 409/04, EFG 2008, 1191).
109
2.
110
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
111
3.
112
Der Senat sah keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung nicht vorliegen. Die für den
113
Streitfall relevanten Fragen im Zusammenhang mit der Begrenzung des
Schuldzinsenabzugs gemäß § 4 Abs. 4a EStG sind nämlich höchstrichterlich geklärt.
Insbesondere ist entschieden, dass die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs keine
liquiditätsbezogene Begrenzung enthält.