Urteil des FG Köln vom 17.03.2010

FG Köln (kläger, beteiligung, wesentliche beteiligung, kapitalerhöhung, teleologische reduktion, wirtschaftliche einheit, stammkapital, gesellschaft, gesellschafter, 1995)

Finanzgericht Köln, 2 K 1049/03
Datum:
17.03.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1049/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Streitjahr 2000 einen
steuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils nach § 17
EStG erzielt hat. Dabei ist insbesondere streitig, ob eine wesentliche Beteiligung
gegeben ist.
2
Mit notariellem Vertrag vom 16./17. Juli 1999 erwarb der Kläger einen Geschäftsanteil
an der K GmbH von der H GmbH. Die H GmbH war bis zu diesem Zeitpunkt alleiniger
Gesellschafter der K GmbH gewesen. Die K GmbH war am 4. Dezember 1996
gegründet worden. Dabei firmierte sie seinerzeit als K1 GmbH, die am 16. März 1999 in
K GmbH umfirmierte. Ihr Stammkapital betrug 25.565 € (50.000 DM). In den
Eingangspassagen des notariellen Vertrages vom 16. Juli 1999 wurde das von allen
Beteiligten in Deutschland beabsichtigte wirtschaftliche Engagement sowie die in
diesem Zusammenhang geplanten gesellschaftsrechtliche Struktur beschrieben.
Ausweislich des notariellen Vertrages vom 16./17. Juli 1999 (Abschn. II.E.2) splittete die
H GmbH ihre Beteiligung in einen Anteil zu 9.458,90 € (18.500 DM) und je fünf Anteile
zu 3.221,14 € (= 6.300 DM). Der Anteil i.H.v. 9.460 € (18.500 DM) wurde an die P Inc.
übertragen, jeweils einen Anteil zu 3.221,14 € (= 6.300 DM) erhielten die E GmbH, Herr
M, Herr R und der Kläger (Vertrag vom 16./17. Juli 1999, Abschn. II.E.2, a-e). Einen
Anteil i.H.v. 3.221,14 € (= 6.300 DM) behielt die H GmbH. Die Beteiligung des Klägers
am Stammkapital der K GmbH betrug damit 12,6 %. Gemäß Abschn. II.E.4 des
Vertrages sollte die Übertragung sofortige Gültigkeit haben.
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Ausweislich des Abschn. II.F. hielten die "Erschienenen" – darunter auch der Kläger
bzw. sein Stellvertreter – unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften eine
Gesellschafterversammlung der K GmbH ab. Gemäß Abschn. II.F.1. beschlossen sie
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eine Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft auf ... €. Dabei erhöhten sich die
Geschäftsanteile wie folgt:
von
auf
P Inc.
9.458,90 €
20.980.000,00 €
E GmbH
3.221,14 €
5.000,00 €
H GmbH
3.221,14 €
3.000.000,00 €
M
3.221,14 €
5.000,00 €
R
3.221,14 €
5.000,00 €
Kläger
3.221,14 €
5.000,00 €
5
Damit verminderte sich die Beteiligung des Klägers auf 0,0208 %. Der Kläger wurde
neben Herrn R und Herrn M zum Geschäftsführer bestellt.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 16./17. Juli 1999
verwiesen (befindlich als Original in englischer Sprache und als Übersetzung
auszugsweise in der Einkommensteuerakte des Beklagten bzw. Bl. 136 ff., 151 ff. der
FG-Akte).
7
Am 22. August 2000 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil an die P Inc. für
1.533.875 € (3.000.000 DM). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen
Vertrag vom 22. August 2000 verwiesen (befindlich als Original in englischer Sprache
und als Übersetzung in der Einkommensteuerakte des Beklagten). Der
Veräußerungsgewinn betrug 1.528.875 € (2.990.220 DM) und ermittelte sich folgt:
8
Veräußerungspreis 1.533.875 € = 3.000.000 DM
9
./. Anschaffungskosten 5.000 € = 9.780 DM
10
Veräußerungsgewinn 1.528.875 € = 2.990.220 DM
11
Der Kläger wurde zunächst mit Einkommensteuerbescheid 2000 vom 2. August 2002
veranlagt. Dabei wurde der Veräußerungsgewinn erklärungsgemäß nicht der
Besteuerung unterworfen. Dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gemäß § 164 Abs. 1 AO. Nach schriftlicher Erörterung wurde der Bescheid am 17.
September 2002 nach § 164 Abs. 2 AO u.a. dahingehend geändert, dass der Gewinn
aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der K GmbH i.H.v. 2.990.220 DM nach
§ 17 EStG besteuert wurde.
12
Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18.
Februar 2003 als unbegründet zurückgewiesen.
13
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, dass er keine
wesentliche Beteiligung an der K GmbH erworben habe.
14
Bei der K GmbH habe es sich um eine Vorratsgesellschaft gehandelt, die ihre Tätigkeit
– die Errichtung eines Rechenzentrums – erstmals nach dem Anteilserwerb u.a. durch
ihn, den Kläger, aufgenommen habe. Sowohl der Anteilserwerb als auch die
Kapitalerhöhung seien Bestandteil eines einheitlichen Rechtsvorgangs, der erst mit der
abschließenden Zeichnung und Siegelung durch den Notar seine zivilrechtliche
Wirksamkeit erlangt hätte. Der notarielle Vertrag sei unter erheblichem Zeitdruck
geschlossen worden, da die Vertreter der amerikanischen Gesellschaft in die USA
zurückreisen mussten. Somit habe er zivilrechtlich wirksam und steuerrechtlich
erheblich eine Beteiligung von 0,02 % erworben, also keine wesentliche Beteiligung.
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Der Kläger hat ein Privatgutachten des Herrn F vom 9. Januar 2003 vorgelegt, das der
Kläger sich als Sachvortrag zu eigen macht.
16
Hiernach handele es sich bei dem Vorgang um eine sog. "Mantelverwendung". Die K
GmbH habe bereits seit 1996 existiert und sei wegen der seinerzeit unter den
Gesellschaftern bestehenden Eilbedürftigkeit der Vertragsverhandlungen bzw. der
Beurkundung "eingesetzt" worden, um den wirtschaftlichen Aktivitäten der Beteiligten
eine gesellschaftsrechtliche Struktur zu geben. Es sei eine bereits vorhandene
Gesellschaft als Unternehmensträger verwendet worden, obschon eigentlich eine
Neugründung angezeigt gewesen wäre. So werde auch die Mantelverwendung
aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Neugründung qualifiziert. Folglich gehe
es auch bei dem notariellen Vertrag vom 16./17. Juli 1999 um die Neugründung eines
Unternehmens, der K GmbH. Hierfür spreche auch die Einheitlichkeit der Urkunde. Zwar
könne man in diesem Zusammenhang der Auffassung sein, dass der Kläger eine
logische/juristische Sekunde i.H.v. 12,6 % beteiligt gewesen sei, jedoch dürfe nicht
übersehen werden, dass aufgrund eines einheitlichen Gesamtplans letztlich nur eine
Beteiligung i.H.v. 0,0208 % beabsichtigt gewesen sei. Dafür spreche auch die
beurkundungsrechtliche Situation. Nach dem Beurkundungsgesetz müssten bei der
Beurkundung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt sein (z.B. §§ 8, 13, 36, 37 Abs.
3, 39 BeurkG). Ohne diese Mindestvoraussetzungen, also auch in zeitlicher Hinsicht vor
Existenz dieser Elemente, sei die Beurkundung rechtsunwirksam. Die notarielle
Urkunde sei also vor ihrer Komplettierung noch nicht wirksam gewesen.
17
Auch sei § 16 Abs. 1 GmbHG zu berücksichtigen. Hiernach gelte der Gesellschaft
gegenüber im Fall der Veräußerung eines Geschäftsanteils nur derjenige als Erwerber,
dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet sei.
Also habe der Kläger – unabhängig von der Höhe seiner Beteiligungsquote – jedenfalls
vor der Kapitalerhöhung und der Verwässerung seiner Beteiligung nie die Möglichkeit
gehabt, Gesellschafterrechte gegenüber der GmbH wahrzunehmen.
18
Im Hinblick auf § 17 EStG sei nicht nur auf den Wortlaut abzustellen, sondern eine
Auslegung der Norm vorzunehmen.
19
Sinn und Zweck des § 17 EStG sei in Anlehnung an dessen Entstehungsgeschichte die
Gleichbehandlung der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und der
Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, wenn die Beteiligung eine bestimmte Quote
erreicht habe.
20
Im Rahmen der Ermittlung der Beteiligungsquote des § 17 EStG seien die Anteile
grundsätzlich demjenigen zuzurechnen, der ihr zivilrechtlicher Inhaber/Eigentümer sei
(§ 39 Abs. 1 AO). Stünden die Anteile jedoch im wirtschaftlichen Eigentum eines
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anderen Rechtssubjekts, dann erfolge die Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO
beim wirtschaftlichen Eigentümer. Im Streitfall könne man sich deshalb auf den
Standpunkt stellen, dass der Kläger aufgrund der einheitlichen Rechtswirksamkeit des
notariellen Vertrages und des einheitlichen Gesamtplans zumindest nicht als
wirtschaftlicher Eigentümer einer 12,6 % betragenden Beteiligung an der K GmbH zu
qualifizieren sei, weil die unmittelbar nachfolgende Kapitalerhöhung schon beabsichtigt
gewesen und dann auch vorgenommen worden sei, so dass der Anteil des Klägers auf
0,0208 % abgesunken sei.
Ein Sachverhalt, wie der vorliegende, bei dem es sich letztlich um eine
Mantelverwendung aufgrund eines einheitlichen Gesamtplans handele, sei bislang
noch nicht vom BFH entschieden worden. Zwar habe es sich im Sachverhalt der BFH-
Entscheidung vom 7. Juli 1992 (BStBl II 1993, 331) so verhalten, dass die dortige
Klägerin kurzzeitig an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sei. Jedoch habe es
sich dort – anders als im Streitfall – um zwei notarielle Beurkundungen gehandelt. Im
übrigen habe es sich nicht um einen Fall der Mantelverwendung gehandelt, sondern
vielmehr darum, dass die streitige Beteiligung unter Aufdeckung der stillen Reserven in
eine andere GmbH eingebracht werden sollte.
22
Zwar berufe sich die Rechtsprechung durchgängig auf die aus der
Entstehungsgeschichte abzuleitende Parallele von § 17 EStG einerseits und §§ 15, 16
EStG andererseits. Doch klinge nur in wenigen Entscheidungen an, dass sich diese
materielle Vergleichbarkeit auch in der Auslegung des § 17 EStG widerzuspiegeln
habe, insbesondere wenn es darum gehe, ob die mögliche oder die tatsächliche
Wahrnehmung von Gesellschafterrechten von Bedeutung sei. Davon abgesehen sei
festzustellen, dass diese Gesichtspunkte vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der
§§ 15-17 EStG so gut wie nicht problematisiert würden. Stattdessen finde sich vielfach
der mehr oder weniger lapidare Hinweis darauf, dass § 17 EStG – ähnlich wie § 16
EStG – eine Substanzbesteuerung in Veräußerungskonstellationen vornehmen wolle.
Die relativ wenig problemorientierte Anwendung des § 17 Abs. 1 EStG, die sich – wie
auch der Beklagte – im Ergebnis immer wieder auf den puren Wortlaut der Norm und die
formale Beteiligungsgrenze berufe, führe dann auch dazu, dass der Figur der
"juristischen Sekunde" Bedeutung beigemessen werde.
23
Die rein formale Betrachtungsweise nach der Höhe der Beteiligung am Nennkapital,
ohne dass es auf die Dauer der Beteiligung ankomme, berücksichtige indes nicht die
Besonderheiten des Streitfalls.
24
Berücksichtige man, dass die Mantelverwendung – wie im Streitfall – einerseits
zivilrechtlich wie eine Neugründung behandelt werde und andererseits steuerrechtlich
zur Ermittlung der Beteiligungsquote des § 17 EStG an die zivilrechtliche Situation
angeknüpft werde, dann ergebe sich aus einer materiell-rechtlichen Betrachtung, dass
der Kläger im Vertrag vom 16./17. Juli 1999 im Rahmen einer Mantelverwendung tätig
geworden sei und folglich der gesamte Vorgang einschließlich der nachfolgenden
Kapitalerhöhung als Neugründung, als neue Kapitalaufbringung zu qualifizieren sei, so
dass für zivilrechtliche Zwecke auf das Ergebnis abzustellen sei, welches sich nach der
Beurkundung vom 16./17. Juli 1999 ergeben habe. Dies sei aber zweifelsfrei eine
Situation, in welcher der Kläger lediglich eine Beteiligungsquote von 0,0208 % erhalten
habe. Wenn man jedoch rein formalrechtlich argumentiere, so könne man auch die
Auffassung vertreten, dass im Zeitpunkt der Siegelung der Urkunde bzw. der
Beendigung des Beurkundungsvorgangs durch den Notar der Kläger allein mit 0,0208
25
% beteiligt gewesen sei, so dass es naheliege, den zwischenzeitlichen Erwerb und die
nachfolgende Kapitalerhöhung als einheitlichen Vorgang zu qualifizieren.
Hinzu komme, dass die Einheitlichkeit der Urkunde und die in ihr geregelten Vorgänge
die denkbar intensivste Form eines sog. einheitlichen Gesamtplans darstellen würden.
Schon in der Rechtsprechung zu § 17 EStG habe sich der BFH mehrfach auf den
Standpunkt gestellt, dass es für die Berechnung der Beteiligungsquote auf das
"Gesamtbild der Verhältnisse" ankomme (Urteil vom 27. Januar 1977, BStBl II 1977,
754; vom 7. Juli 1992, BStBl II 1993, 331). Anders als in der Entscheidung des BFH vom
7. Juli 1992 liege es im Streitfall so, dass sich aus einer einheitlichen Urkunde die
Verpflichtung des Steuerpflichtigen ergebe, ein anderes Rechtssubjekt an der
Kapitalerhöhung mit der Verwässerung der Anteile der Altbeteiligten zuzulassen. Werde
weiterhin berücksichtigt, dass es auch der neueren Rechtsprechung entspreche, bei der
Betrachtung zivilrechtlicher Vertragswerke im Bereich des Ertragsteuerrechts auf den
einheitlichen Gesamtplan abzustellen (BFH-Urteil vom 6. September 2000, BStBl II
2001, 229), dann erscheine es geradezu zwingend, dieser einheitlichen Planung
dahingehend Rechnung zu tragen, dass auch im Anwendungsbereich des § 17 EStG
auf das letztlich beabsichtigte Ergebnis, also auf die Beteiligungsquote des Klägers
i.H.v. 0,0208 % abzustellen sei. Gerade die Entscheidung des BFH vom 6. September
2000 mache deutlich, dass bei mehraktigen Tatbeständen nicht isoliert auf den
einzelnen Vorgang abzustellen sei, sondern dass einer einheitlichen Gesamtplanung
auch materiell-rechtlich Rechnung getragen werden müsse.
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Es sei eine teleologische Reduktion des § 17 EStG vorzunehmen. Denn der Kläger
sollte aufgrund eines einheitlichen Gesamtplans letztlich nur zu 0,0208 % beteiligt
werden und habe auch nie Gesellschafterrechte wahrgenommen, so dass Sinn und
Zweck des § 17 EStG dafür sprächen, die Norm in einer solchen Konstellation nicht
anzuwenden.
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Zwar scheine sich der BFH einer solchen teleologischen Reduktion des § 17 Abs. 1
EStG zu verschließen, wofür insbesondere die Entscheidung vom 25. November 1997
(BStBl II 1998, 257) spreche, in der der BFH auf die formale Anknüpfung an das
Festkapital der Kapitalgesellschaft abgestellt habe, um Rechtsunsicherheiten zu
vermeiden. Jedoch sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass "Belange der
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit" gerade nicht beeinträchtigt würden. Es gehe
nämlich nicht darum, ob der Steuerpflichtige kraft Satzungsautonomie entgegen seiner
nominellen Beteiligungsquote beurteilt werde, sondern lediglich darum, ob aufgrund der
einheitlichen Urkunde und des Gesamtplans der Beteiligten allein von der letztlich
erreichten Beteiligungsquote auszugehen sei, obwohl der Kläger (möglicherweise) für
eine juristische Sekunde zu 12,6 % beteiligt gewesen sei. Damit würden die
Gesichtspunkte, die den BFH bewegt hätten, im Streitfall keine Rolle spielen, so dass
die teleologische Reduktion gerechtfertigt wäre.
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Soweit der BFH darauf abgestellt habe, dass die Beteiligungsquote des § 17 Abs. 1
EStG auch dann anzunehmen sei, wenn der Steuerpflichtige zivilrechtlich lediglich "für
eine juristische Sekunde" die Beteiligungsgrenze erreicht habe, sei dem
entgegenzuhalten, dass eine Entscheidung letztlich nur aus materiell-rechtlichen bzw.
dogmatischen Überlegungen zu rechtfertigen sei, nicht hingegen mit dem formal-
gekünstelten Hinweis auf eine "juristische Sekunde", die es tatsächlich gar nicht gebe.
Führten materiell-rechtliche Erwägungen – hier: die Mantelverwendung, die einheitliche
Wirksamkeit der Urkunde und der Gesamtplan – dazu, dass der Sinn und Zweck des §
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17 EStG, insbesondere vor gesellschaftsrechtlichem Hintergrund, nicht gegeben sei,
dann könne ein anderes Ergebnis nicht mit dem lapidaren Hinweis auf die "juristische
Sekunde" hergeleitet werden. Die juristische Sekunde sei ein Kunstbegriff, bei dem es
sich um ein zeitliches Nullum ohne Dauerwirkung handele. Der potentielle
Eigentümer/Inhaber eines Rechts sei in den Fällen der juristischen Sekunde mit einer
Position bedacht, die sofort wieder verloren gehe. Das Rechtssubjekt sei damit, rein
zeitlich betrachtet, nie berechtigt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 9. Januar 2003 verwiesen
(Bl. 27 ff. der FG-Akte).
30
Am 19. Dezember 2003 ist der Einkommensteuerbescheid 2000 aus hier nicht
erheblichen Gründen nach § 10 d Abs. 1 Satz 5 EStG geändert worden.
31
Der Kläger beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2003 dahingehend zu
ändern, dass der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn um 1.528.875 € (2.990.220
DM) gemindert wird, und die Einkommensteuer 2000 entsprechend herabzusetzen;
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
34
Der Beklagte beantragt,
35
die Klage abzuweisen.
36
Der Beklagte trägt vor, dass der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre vor der
Anteilsveräußerung zu mindestens 10 %, also wesentlich, am Kapital der K GmbH
beteiligt gewesen sei. Der Kläger sei an der K GmbH, wenn auch nur für eine juristische
Sekunde, mit einem Geschäftsanteil von 3.221,14 € (6.300 DM) an dem Stammkapital
i.H.v. 25.565 € (50.000 DM), also mit 12,6%, beteiligt gewesen. Dies reiche – entgegen
der Auffassung des Klägers – für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG aus.
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Im Streitfall komme dazu, dass der Kläger das Anteilsverhältnis i.H.v. 12,6 % sogar in
Anspruch genommen habe, indem er als entsprechend beteiligter Gesellschafter
Beschlüsse mitbestimmt habe. Der Reduzierung des Geschäftsanteils des Klägers auf
0,0208 % habe nämlich der Gesellschafterbeschluss vom 16./17. Juli 1999 zugrunde
gelegen, der die Gesellschafterstellung des Klägers vorausgesetzt habe.
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Wenngleich sowohl der Erwerb der Anteile als auch die Kapitalerhöhung in einer
Urkunde fixiert seien, handele es sich rechtlich um zwei voneinander zu trennende
Geschehnisse, nämlich zum einen den Erwerb von Anteilen an der K GmbH u.a. durch
den Kläger von der H GmbH und zum anderen die Gesellschafterversammlung des
früheren und der neu hinzugekommenen Gesellschafter. Dieser Vorgang zeige, dass
der Kläger zumindest für eine logische Sekunde Gesellschafter mit einem
Geschäftsanteil i.H.v. 3.221,14 €(6.300 DM) geworden sei.
39
Auch wenn der Kläger sich auf einen Gesamtplan berufe, lasse sich hierdurch nicht die
sich aus § 38 AO ergebende Rechtsfolge rückgängig machen, dass Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis entstünden, sobald der Tatbestand erfüllt sei, an den das Gesetz
die Leistungspflicht knüpfe. Für die Abtretung von Gesellschaftsanteilen erfordere § 15
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Abs. 3 GmbHG die notarielle Form. Diese sei nach § 128 BGB gewahrt, wenn über den
Beurkundungsvorgang eine Niederschrift aufgenommen werde, die vorgelesen,
genehmigt und von den Beteiligten und dem Notar eigenhändig unterschrieben werde.
Da dies im Streitfall geschehen sei, sei der Übergang des Geschäftsanteils auf den
Kläger rechtswirksam erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob noch weitere
Rechtshandlungen beurkundet worden seien. § 17 EStG stelle im übrigen nicht darauf
ab, ob der Erwerber Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen könne.
Desweiteren stütze der Wortlaut des § 17 EStG eine subjektive Komponente – wie die
eines beabsichtigten Erfolges bzw. Gesamtplans – nicht. Anderenfalls wäre § 17 EStG
auch konturenlos.
41
Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, dass § 17 EStG nur Beteiligungen erfasse,
die mit der gesellschaftsrechtlichen Mitunternehmerposition vergleichbar seien,
während er hinsichtlich der Beteiligung von 12,6 % mangels Ausübung von
Gesellschaftsrechten nicht als Mitunternehmer tätig gewesen sei, sei dem auch
entgegenzuhalten, dass die eigenen Gesellschafterrechte spätestens mit der
Stimmabgabe in einer Gesellschafterversammlung aktiviert würden. Der Kläger habe
auf der Grundlage seiner Beteiligung i.H.v. 12,6 % an einer solchen
Gesellschafterversammlung teilgenommen und seine Gesellschafterrechte ausgeübt.
42
Auch die Erwägungen des Klägers zur Mantelverwendung würden kein anderes
Ergebnis begründen. Selbst wenn man eine Mantelverwendung bejahen würde, würde
hierdurch nicht erklärt, weshalb die anschließende Kapitalerhöhung und der Mantelkauf
als wirtschaftliche Einheit zu behandeln seien. Die Kapitalerhöhung stelle keinen
typischen Vorgang einer Mantelverwendung dar. Darüber hinaus diene die
wirtschaftliche Gleichstellung von Mantelverwendung und Gesellschaftsgründung allein
dem Gläubigerschutz. Das Konstrukt der Mantelverwendung sei
gesellschaftsrechtlichen Ursprungs und nicht auf § 17 EStG übertragbar.
43
Entscheidungsgründe
44
Die Klage ist unbegründet.
45
Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2003 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Gewinn aus der
Veräußerung des Geschäftsanteils an der K GmbH ist als Veräußerungsgewinn i.S.d. §
17 Abs. 1 EStG zu erfassen. Insbesondere war der Kläger wesentlich an der
Gesellschaft beteiligt.
46
I. Nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG in der für Inlandsbeteiligungen im Streitjahr
2000 geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der
Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu
mindestens 10 %, unmittelbar oder mittelbar beteiligt war.
47
Im Hinblick auf den Gewinn i.H.v. 1.528.875 € (2.990.220 DM) aus der Veräußerung der
Geschäftsanteile an der K GmbH sind diese Voraussetzungen gegeben.
48
1. Insbesondere war der Kläger an der K GmbH wesentlich, also zu mindestens 10 %,
beteiligt i.S.d. § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG.
49
a. Mit notariellem Vertrag vom 16./17. Juli 1999 hatte der Kläger einen Geschäftsanteil
i.H.v. 3.221,14 € (= 6.300 DM) an der K GmbH von der H GmbH erworben (Abschn. II.E
des Vertrages). Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 25.565 € (50.000 DM).
Gemäß Abschn. II.E.4 des Vertrages sollte die Übertragung sofortige Gültigkeit haben.
Damit betrug die Beteiligung des Klägers am Stammkapital der K GmbH 12,6 %. Der
Kläger war damit wesentlich beteiligt. Diese Übertragung war sowohl zivilrechtlich als
auch steuerrechtlich wirksam.
50
aa. Zivilrechtlich ergibt sich dies aus § 15 Abs. 3 GmbHG. Die Übertragung des Anteils
i.H.v. 3.221,14 € (= 6.300 DM) von dem Stammkapital i.H.v. 25.565 € (50.000 DM),
mithin i.H.v. 12,6 %, war so von den Vertragsschließenden – zumindest interimsweise
und als Durchgangsphase – auch gewollt. Denn anderenfalls wäre es dem Kläger nicht
möglich gewesen, als Gesellschafter an der Gesellschafterversammlung und dem
Beschluss der Stammkapitalerhöhung teilzunehmen. Dass die Vertragsschließenden
nach ihrem Gesamtbild beabsichtigten, dass u.a. der Kläger letztlich lediglich einen
Anteil von 5.000 € bei einem Stammkapital von 24.000.000 €, also einen Anteil i.H.v.
0,0208 %, halten sollte, ist insoweit unschädlich. Denn bei der gewählten Gestaltung ist
der Kläger zunächst Gesellschafter der K GmbH mit einem Stammkapital von 25.565 €
(50.000 DM) geworden und erst im Anschluss wurde die Kapitalerhöhung unter
Mitwirkung des Klägers in seiner Funktion als Gesellschafter beschlossen.
51
Dass es sich bei der K-GmbH um eine Mantelgesellschaft gehandelt haben mag, ist
insoweit bedeutungslos. Zwar stellt die Verwendung eines Mantels – worauf auch der
Kläger zutreffend hinweist – wirtschaftlich eine Neugründung dar mit der Folge der
Anwendung der Gründungsvorschriften des GmbHG (BGH-Beschluss vom 9. Dezember
2002, II ZB 12/02, BGHZ 153, 158). Die Neugründung betrifft jedoch die K GmbH mit
ihrem ursprünglichen Stammkapital i.H.v. 25.565 € (50.000 DM). Die Mantelverwendung
führt nicht dazu, dass die Gesellschaft nach dem Beschluss der Kapitalerhöhung als
neu gegründet gilt. Denn auch hierbei bestünde der Sachverhalt aus zwei Komplexen:
der Neugründung und der sich anschließenden Kapitalerhöhung. Mantelkauf und
Kapitalerhöhung stellen keine wirtschaftliche Einheit dar. Der Mantelkauf umfasst nicht
typischerweise eine Kapitalerhöhung. Damit ändert sich nichts daran, dass der Kläger
zunächst wesentlich beteiligter Gesellschafter der (neu gegründeten) GmbH mit dem
Stammkapital i.H.v. 25.565 € (50.000 DM) geworden ist und erst im Anschluss hieran
die Kapitalerhöhung beschlossen wurde.
52
Auf die Anzeige nach § 16 Abs. 1 GmbHG kommt es für den zivilrechtlichen
Anteilserwerb nicht an.
53
bb. Diese zivilrechtliche Beteiligung ist auch steuerrechtlich im Rahmen des § 17 Abs. 1
EStG zu berücksichtigen. Der Geschäftsanteil selbst ist dem Kläger mit dem
zivilrechtlichen Übertragungsakt – wie im Streitfall – steuerrechtlich (§ 39 Abs. 1 AO)
zuzurechnen.
54
Eine hiervon abweichende Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO scheidet aus. Eine
solche ist lediglich dann vorgesehen, wenn nicht zugleich auch eine tatsächliche, d.h.
wirtschaftliche wesentliche Beteiligung gegeben ist. Die Zurechnung des
wirtschaftlichen Eigentums an einer wesentlichen Beteiligung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
setzt voraus, dass der Erwerber alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen
Rechte ausüben kann (BFH-Urteil vom 17. Februar 2004, VIII R 26/01, BStBl II 2004,
55
651; BFHE 205, 204). Dabei steht der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an
einer wesentlichen Beteiligung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO eine nur kurzzeitige
Innehabung der Beteiligung nicht entgegen (BFH-Urteil vom 16. Mai 1995, VIII R 33/94,
BStBl II 1995, 870; BFHE 178, 197; vom 25. November 1997, VIII R 29/94, BStBl II 1998,
257, BFHE 184, 543). Dem Besteuerungstatbestand in § 17 EStG ist etwas anderes
nicht zu entnehmen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1995, VIII R 33/94, a.a.O. m.w.N.).
Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es auch nicht
darauf an, ob der Steuerpflichtige während seiner Mehrheitsbeteiligung tatsächlich von
seinen vermehrten Einflussmöglichkeiten Gebrauch machen konnte (BFH-Urteil vom 16.
Mai 1995, VIII R 33/94, a.a.O.; vom 25. November 1997, VIII R 29/94, a.a.O.). Der
Wortlaut des § 17 Abs. 1 EStG legt es nahe, den Begriff der wesentlichen Beteiligung
allein kapitalmäßig zu bestimmen (BFH-Urteil vom 25. November 1997, VIII R 29/94,
a.a.O.).
Angesichts dessen hat der Kläger den 12,6 %igen Anteil an der K GmbH auch bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise erworben. Er konnte die mit der Beteiligung
verbundenen wesentlichen Rechte ausüben. Darüber hinaus hat er seine Rechte aber
sogar auch schon tatsächlich ausgeübt, indem er als Gesellschafter an der
Gesellschafterversammlung teilgenommen und die Kapitalerhöhung mit beschlossen
hat.
56
b. Dem Erwerb der wesentlichen Beteiligung steht nicht entgegen, dass die
Gesellschafter der K GmbH noch im selben notariellen Vertrag vom 16./17. Juli 1999, in
Abschn. II.F durch eine Gesellschafterversammlung eine Erhöhung des Stammkapitals
der Gesellschaft auf 24.000.000 € und des Geschäftsanteils u.a. des Klägers auf 5.000 €
beschlossen. Zwar war der Kläger hiernach nur noch i.H.v. 0,0208 % an der
Gesellschaft beteiligt. Die Annahme einer zuvor bestehenden wesentlichen Beteiligung
bleibt hiervon indes unberührt.
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aa. Denn zivilrechtlich und steuerrechtlich hat der Kläger zunächst einen Anteil an der K
GmbH i.H.v. 3.221,14 € (= 6.300 DM) bei einem Gesamtstammkapital i.H.v. 25.565 €
(50.000 DM) erworben.
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bb. Dass der Erwerb der Anteile an der K GmbH bei einem Stammkapital von 25.565 €
(50.000 DM) und die Erhöhung des Stammkapitals auf 24.000.000 € in einem
einheitlichen Vertrag erfolgt sind, ändert hieran nichts. Im Rahmen des § 17 Abs. 1 EStG
kommt es nicht auf die Dauer der Beteiligung, sondern nur darauf an, dass der
Steuerpflichtige überhaupt einmal innerhalb der letzten fünf Jahre – und sei es nur für
eine juristische Sekunde – wesentlich, also zu mehr als 10 %, an der Kapitalgesellschaft
beteiligt war. Sind ihm innerhalb dieses Zeitraums steuerrechtlich Anteile in diesem
Umfang zuzurechnen, kommt es darüber hinaus nicht darauf an, für welchen Zeitraum
diese Zurechnung erfolgt. Etwas anderes ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. BFH-
Urteil vom 7. Juli 1992, VIII R 56/88, BFH/NV 1993, 25; vom 7. Juli 1992, VIII R 54/88,
BStBl II 1993, 331, BFHE 169, 49; vom 20. Dezember 1988, VI R 55/84, BFH/NV 1990,
23). Entscheidend ist allein, ob dem Steuerpflichtigen die zivilrechtlich wirksam
erworbene Mehrheitsbeteiligung auch steuerrechtlich (§ 39 AO) – wie im Streitfall –
zuzurechnen ist. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts kommt es nicht darauf an,
wie es zu der Mehrheitsbeteiligung gekommen ist oder ob der Steuerpflichtige während
seiner Mehrheitsbeteiligung von seiner vermehrten Einflussmöglichkeit Gebrauch
machen konnte (BFH-Urteil vom 7. Juli 1992, VIII R 56/88, a.a.O.).
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c. Entgegen der Auffassung des Klägers gebietet der Zweck des
Besteuerungstatbestandes in § 17 Abs. 1 EStG keine einschränkende Auslegung. § 17
EStG soll den aufgrund der Veräußerung des Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs
der finanziellen Leistungsfähigkeit erfassen (BFH-Urteil vom 16. Mai 1995, VIII R 33/94,
BStBl II 1995, 870; BFHE 178, 197, unter Berufung auf BT-Drucks 7/1470 Seite 263;
BFH-Urteil vom 25. November 1997, VIII R 29/94, a.a.O.). Der Zuwachs an
Leistungsfähigkeit ist unabhängig davon besteuerungswürdig, ob er auf der
Einflussnahme des Anteilseigners auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft beruht
(BFH-Urteil vom 25. November 1997, VIII R 29/94, a.a.O.). Es kommt entscheidend auf
die Ansprüche auf Beteiligung an der Substanz an. Dem entspricht es, für die
Wesentlichkeit der Beteiligung auf die Höhe des Anteils am Nennkapital abzustellen.
Denn die Vermögensrechte des Anteilseigners (Gewinnrecht und Recht auf den
Liquidationserlös) bestimmen sich gemäß § 29 Abs. 3 und 72 GmbHG nach dem
Nennbetrag seines Geschäftsanteils (BFH-Urteil vom 25. November 1997, VIII R 29/94,
a.a.O.). Da im Regelfall die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Verhältnis ihrer
Geschäftsanteile am Vermögenszuwachs der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, ist es
sachgerecht, wenn § 17 Abs. 1 EStG typisierend an die Höhe der nominellen
Beteiligung am Stammkapital anknüpft (BFH-Urteil vom 25. November 1997, VIII R
29/94, a.a.O.).
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Darüber hinaus wird die Besteuerungswürdigkeit von Wertzuwächsen im
Privatvermögen gehaltener wesentlicher Beteiligungen aus der wirtschaftlichen
Ähnlichkeit einer solchen Beteiligung mit einem Einzelunternehmen oder einem
Mitunternehmeranteil gerechtfertigt (BFH-Urteil vom 16. Mai 1995, VIII R 33/94, a.a.O.). §
17 EStG bezweckt aber nicht, Mitunternehmer und wesentlich Beteiligte vollständig
gleich zu behandeln. Vielmehr soll nur entsprechend der wirtschaftlichen Ähnlichkeit
eine grobe Ungleichbehandlung vermieden werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 1995, VIII
R 33/94, a.a.O.).
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§ 17 EStG erfasst die mit § 16 EStG vergleichbaren Fälle lediglich typisierend (BFH-
Urteil vom 19. Januar 1993, VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714; vom 30. März 1993, VIII R
44/90, BFH/NV 1993, 597; vom 18. August 1992, VIII R 13/90, BStBl II 1993, 34; vom 16.
Mai 1995, VIII R 33/94, a.a.O.). Es liegt im Wesen einer solchen Regelung, dass in
Grenzfällen - und darum handelt es sich auch bei dem kurzzeitigen "Zwischenerwerb"
im Streitfall - § 17 EStG auch auf einen solchen Sachverhalt anwendbar ist, der den
zugrundeliegenden Wertungen nicht in jeder Hinsicht entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 16.
Mai 1995, VIII R 33/94, a.a.O.).
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d. Angesichts dessen können auch die Erwägungen des Klägers zu dem Gesamtplan
des Erwerbs einer nicht-wesentlichen Beteiligung kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
Denn diese wertenden Gesichtspunkte sind im Rahmen des typisierenden § 17 EStG,
der allein auf die formale – und sei es noch so kurzzeitige – Existenz einer wesentlichen
Beteiligung abstellt, nicht berücksichtigungsfähig. Der Gesetzgeber wollte mit der
Anknüpfung an das Stammkapital im Interesse der einfachen Handhabung der
Vorschrift eine feste Grenze vorsehen, ohne dass dem Ermessen der
Verwaltungsbehörden noch ein weiterer Spielraum gelassen wird (BFH-Urteil vom 25.
November 1997, VIII R 29/94, a.a.O. unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte).
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e. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass bislang existierende Grundsätze
höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht anzuwenden seien, da sich der Streitfall von
den höchstrichterlich entschiedenen Fälle unterscheide, vermag der Senat dem nicht zu
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folgen. Denn nach der Ratio des § 17 Abs. 1 EStG ist lediglich auf die nominelle
Beteiligung abzustellen. Wertungsspielräume bestehen nicht. Nach Auffassung des
Senats ist insoweit auch für den hier streitigen Erwerb einer Mantelgesellschaft mit
unmittelbar anschließender Kapitalerhöhung aufgrund eines Gesamtplans keine
Ausnahme hiervon geboten.
Nichts anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch aus dem vom
Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung zitierten Urteil des BFH vom 4. Juli 2007
(VIII R 68/05, BStBl II 2007, 937, BFHE 218/ 299). Zwar wird dort angeführt, dass der
Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums u.a. voraussetzt, dass das Risiko einer
Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf den Erwerber übergegangen
sind. Jedoch weist der BFH auch darauf hin, dass der Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums nach dem Gesamtbild des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen ist und dass
das wirtschaftliche Eigentum nicht in jedem Einzelfall die Erfüllung der
Voraussetzungen in vollem Umfang erfordert. Hinzu kommt, dass es in dem Urteil um
die Frage ging, ob das wirtschaftliche Eigentum bereits vor dem Übergang der
zivilrechtlichen Inhaberschaft übergegangen ist – also "vorauseilt" – und nicht darum, ob
das wirtschaftliche Eigentum trotz Übergangs der zivilrechtlichen Inhaberschaft nicht
übergegangen ist – also "zurückbleibt".
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2. Die übrigen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG liegen vor. Der
Kläger hatte die Anteile am 16./17. Juli 1999 erworben und am 22. August 2000
veräußert. Am 16./17. Juli 1999 war der Kläger wesentlich beteiligt, also innerhalb des
Fünfjahreszeitraums vor der Veräußerung. Die Höhe des Veräußerungsgewinns ist
zutreffend ermittelt worden.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO) zugelassen.
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