Urteil des FG Köln vom 18.08.2006

FG Köln: wahlrecht, einkünfte, verpachtung, vermietung, buchführung, grundstück, steuererklärung, erstellung, prüfer, beschränkung

Finanzgericht Köln, 14 K 2344/05
Datum:
18.08.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 2344/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Mit notarieller Urkunde vom 23.10.1997 (UR-Nr. ... des Notars S in L) erwarb die
Klägerin das Grundstück B in I. Die Anschaffungskosten einschließlich der
Anschaffungsnebenkosten beliefen sich, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, auf
17.556.188,46 DM. In den Jahren 1998 bis 2001 vermietete die Klägerin das
Grundstück an die Firma D GmbH. Mit notarieller Urkunde vom 26.12.2001 (UR-Nr. ...
des Notars Dr. S1 in M) veräußerte sie das Grundstück mit Wirkung vom 31.12.2001 an
die vormalige Mieterin.
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Die Klägerin ging davon aus, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen.
Der Beklagte folgte dieser Auffassung zunächst und stellte für das Streitjahr 1998 durch
Bescheid vom 19.09.2000 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./.
843.489 DM einheitlich und gesondert fest.
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Nach Abschluss einer Außenprüfung bei der Klägerin vertraten die Prüfer die
Auffassung, dass die Klägerin im Hinblick auf die von den Personengesellschaften, an
denen die Gesellschafter der Klägerin beteiligt waren, insgesamt getätigten
Grundstücksverkäufe keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, sondern
einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Den für das Streitjahr 1998
anzusetzenden Gewinn ermittelten die Prüfer nach den Grundsätzen des
Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG),
indem sie den bisher festgestellten Verlust um die für das Grundstück in Anspruch
genommene Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 508.666 DM minderten. Auf
Tz. 2.2.1 sowie die Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht vom 02.06.2004 wird Bezug
genommen.
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Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüfer und erließ am 10.09.2004 für das
Streitjahr 1998 einen entsprechend geänderten Bescheid über die gesonderte und
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einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 334.823 DM.
Mit ihrem Einspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, dass der Gewinn nicht
durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG, sondern durch Einnahmen-
Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sei. Das Einspruchsverfahren
verlief erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 10.05.2005).
Mit ihrer Klage vom 08.06.2006 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, dass der
Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln
sei. Sie führt an, ihr habe im Streitjahr ein Wahlrecht zwischen dem
Betriebsvermögensvergleich und der Einnahmen-Überschussrechnung zugestanden,
weil sie als gewerbliche Grundstückshändlerin weder nach Handelsrecht noch nach
Steuerrecht verpflichtet gewesen sei, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen. Sie
habe von ihrem Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung Gebrauch
gemacht, indem sie zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die
Einnahmen den Werbungskosten gegenübergestellt habe. Zwar werde diese
Auffassung derzeit nicht von der Rechtsprechung geteilt. Nach ständiger
Rechtsprechung könne das Wahlrecht "denknotwendig" nur dann wirksam ausgeübt
werden, wenn ein Bewusstsein vorliege, überhaupt gewerblich tätig zu sein (Hinweis
auf die Urteile des Bundesfinanzhof - BFH - in BFH/NV 1999, 1195; in BFH/NV 1997,
403; in Bundessteuerblatt - BStBl - II 1981, 301). Diese Rechtsprechung sei aber nicht
durch das Gesetz gedeckt, da § 4 Abs. 3 EStG ein solches Bewusstsein nicht
voraussetze. Vielmehr werde das Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-
Überschussrechnung bereits dann wirksam ausgeübt, wenn als Gewinn der
Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt werde.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Beklagten angeführten Urteil des
BFH in BFH/NV 1995, 587. Der Urteilsfall des BFH sei mit dem Streitfall nicht
vergleichbar, weil der Steuerpflichtige dort weder Aufzeichnungen über seine Einkünfte
geführt noch entsprechende Belege gesammelt habe. Nach Auffassung des BFH reiche
das "geordnete Erstellen und Sammeln der Einnahmen-Ausgabenbelege" für die
Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung aus. Selbst
wenn man der Rechtsprechung folge, stehe dies einer wirksamen Wahlrechtsausübung
nicht entgegen. Denn im Rahmen der Außenprüfung sei ihr bewusst geworden, dass sie
im Streitjahr einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Anschließend -
also in dem Bewusstsein ihrer gewerblichen Tätigkeit - habe sie darauf hingewiesen,
dass die Vorschrift des § 4 Abs. 3 EStG anzuwenden sei, so dass sie spätestens in
diesem Zeitpunkt ihr Wahlrecht ausgeübt habe. Zwar sei die Ausübung des Wahlrechts
zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung jedenfalls nach der bis zum Jahr 2000
ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zeitlich befristet. Soweit zu Beginn des
Gewinnermittlungszeitraums kein Wahlrecht ausgeübt worden sei, sei es erloschen, mit
der Folge, dass der Gewinn zwingend durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln
sei. Danach wäre die Ausübung des Wahlrechts im Rahmen der Außenprüfung nicht
mehr möglich gewesen und der Gewinn wäre durch Betriebsvermögensvergleich zu
ermitteln. Diese Rechtsauffassung sei aber weder durch den Wortlaut, die
Gesetzessystematik noch durch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 EStG gedeckt. Der
Wortlaut des § 4 Abs. 3 EStG enthalte keine zeitliche Schranke, sondern lasse die
Ausübung des Wahlrechts noch zu einem späteren Zeitpunkt zu. Voraussetzung für die
Anwendung der Einnahmen-Überschussrechnung sei unter anderem, dass der
Steuerpflichtige keine Buchführung erstelle und keine Abschlüsse mache. Folglich sei
erst mit Erstellung eines Jahresabschlusses die Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG
ausgeschlossen. Da der Jahresabschluss jedoch typischerweise erst zu Beginn des auf
das betroffene Wirtschaftsjahr folgenden Jahres erstellt werde, könne ein
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Steuerpflichtiger sein Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung auch
noch nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums ausüben, wenn er die Erstellung des
Jahresabschlusses unterlasse. Wolle man die Ausübung des Wahlrechts auf den
Beginn des Gewinnermittlungszeitraums beschränken, wäre die Formulierung in § 4
Abs. 3 EStG "und keine Abschlüsse machen" obsolet, da zu Beginn des Jahres der
Abschluss noch nicht erstellt sein könne. Somit gebiete der Wortlaut des § 4 Abs. 3
EStG, die Ausübung des Wahlrechts auch nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums
vornehmen zu können (Hinweis auf Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach - H/H/R -,
§ 4 EStG Anm. 552). Des Weiteren sei die zeitliche Beschränkung des Wahlrechts und
die im Falle einer "verspäteten" Wahlrechtsausübung automatische Anwendung des § 4
Abs. 1 EStG nicht durch die Gesetzessystematik gerechtfertigt. Das Gesetz gehe davon
aus, dass die Gewinnermittlungsarten miteinander konkurrierten, so dass § 4 Abs. 1
EStG kein Vorrang vor § 4 Abs. 3 EStG zukomme (Hinweis auf Kanzler in H/H/R, Vor §§
4-7 EStG Anm. 13). Sofern man das Wahlrecht auf den Beginn des
Gewinnermittlungszeitraums beschränke und bei Nichtausübung des Wahlrechts
automatisch § 4 Abs. 1 EStG anwende, wäre dieses Konkurrenzverhältnis unzulässig
eingeschränkt. Eine zeitliche Beschränkung des Wahlrechts sei auch nicht vom Sinn
und Zweck des § 4 Abs. 3 EStG gedeckt. § 4 Abs. 3 EStG diene der Vereinfachung der
Gewinnermittlung bei Steuerpflichtigen, die keine Bücher führen und keine Abschlüsse
machen (Hinweis auf Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, § 4 EStG Rz. D 4). Danach sollen
nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige selbst entscheiden, ob sie ihren Gewinn
durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Einnahmen-Überschussrechnung
ermitteln. Mit der Einnahmen-Überschussrechnung werde zudem der
verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umgesetzt, der
unverhältnismäßige Buchführungs- und Abschlusspflichten verbiete. Eine zeitliche
Einschränkung des Wahlrechts würde dessen Sinn und Zweck widersprechen und
gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Insbesondere diejenigen, die erst nach Beginn
des Gewinnermittlungszeitraums erfahren, dass sie gewerbliche Einkünfte erzielen,
wären von der Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG ausgenommen. Um dem Zweck des § 4
Abs. 3 EStG gerecht zu werden und sämtlichen nichtbuchführungspflichtigen
Steuerpflichtigen die Anwendung der Einnahmen-Überschussrechnung zu ermöglichen,
müssten diese auch nach Beginn des Gewinnermittlungszeitraums Gelegenheit zur
Ausübung des Wahlrechts haben. Aus diesem Grund habe der BFH in seiner letzten
Entscheidung zur Wahl der Gewinnermittlungsart ausdrücklich offen gelassen, ob er
weiterhin an seiner Rechtsprechung festhalte oder ob das Wahlrecht zugunsten der
Einnahmen-Überschussrechnung auch noch nach Ablauf des
Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden könne (Hinweis auf BFH-Urteil in BStBl
II 2001, 102). Entgegen der Auffassung des Beklagten habe der BFH nicht nur
offengelassen, ob das Wahlrecht bis zur Abgabe der Steuererklärung ausgeübt werden
könne, sondern er habe den Zeitpunkt der Wahlrechtsausübung insgesamt
offengelassen. Der Hinweis des BFH auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung
sei im Rahmen der rechtlichen Würdigung des der Entscheidung zugrunde liegenden
Sachverhaltes erfolgt, da der Steuerpflichtige mit der Abgabe seiner Steuererklärung zur
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG habe wechseln wollen. Bestätigt werde ihre
Auffassung zudem durch die neuere Entscheidung des BFH in BStBl II 2006, 509. Im
Ergebnis seien die festgestellten Einkünfte um die Anschaffungskosten für das
Grundstück in Höhe von 17.556.188 DM zu vermindern.
Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Bescheides vom 10.09.2004 über die einheitliche und
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gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 und der hierzu
ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10.05.2005 die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 17.891.011 DM festzustellen,
hilfsweise,
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die Revison zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Der Beklagte führt an, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH könne das
Wahlrecht nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden. Hinzu
komme, dass mit der Zusammenstellung der für die Überschusseinkünfte erforderlichen
Einnahmen und Ausgaben und der hierdurch bedingten Ausklammerung von
Veräußerungsgewinnen nicht die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ermittlung des
Gewinns geschaffen würden (Hinweis auf BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 587). Sofern
sich die Klägerin auf die Entscheidung in BStBl II 2001, 102 berufe, sei anzumerken,
dass der BFH offengelassen habe, inwieweit das Wahlrecht auch noch nach Beginn
des Gewinnermittlungszeitraums bis zur Abgabe der Steuererklärungen ausgeübt
werden könne. Im Streitfall sei das Wahlrecht aber erst nach Abgabe der Erklärung
ausgeübt worden.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin das ihr nach § 4 Abs.
3 EStG grundsätzlich zustehende Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und der vereinfachten Form der
Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG im
Rahmen der Außenprüfung nicht mehr ausüben konnte. Der Gewinn wurde zutreffend
durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
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Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher
Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen,
und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den
Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Da die
Klägerin weder nach § 141 Abgabenordnung 1977 verpflichtet war, Bücher zu führen
und Abschlüsse zu machen, noch dies freiwillig tat, hatte sie grundsätzlich ein
Wahlrecht, ob sie den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder durch
Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt.
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I. Durch die Erklärung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung hat die
Klägerin das Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs.
3 EStG nicht ausgeübt. Für eine Ausübung des Wahlrechtes zugunsten der Einnahmen-
Überschussrechnung reicht es nicht aus, dass der Steuerpflichtige die Einnahmen und
Ausgaben aufzeichnet, wenn er aufgrund eines Irrtums davon ausgeht, Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung - also Überschusseinkünfte - zu erzielen.
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Für den Fall, dass - wie hier - Vermietungseinkünfte nachträglich in gewerbliche
Einkünfte umqualifiziert werden, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden,
dass die Ausübung des Wahlrechts zwischen dem Betriebsvermögensvergleich oder
der Einnahmen-Überschussrechnung den Willen voraussetzt, eine solche Wahl zu
treffen. Hierfür ist Voraussetzung, dass sich der Steuerpflichtige bewusst ist, überhaupt
einen (steuerpflichtigen) Gewinn und nicht etwa Überschusseinkünfte - z. B. solche aus
Vermietung und Verpachtung - zu ermitteln. Denn wer keinen Gewinn ermitteln will, hat
keine Wahl zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungsarten getroffen (vgl. BFH-
Entscheidungen vom 30.09.1980 VIII R 201/78, BStBl II 1981, 301; vom 11.12.1987 III R
204/84, BFH/NV 1988, 296; vom 11.08.1992 VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346; vom
01.10.1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403; vom 09.02.1999 VIII R 49/97, BFH/NV
1999, 1195; vom 14.10.2003 X B 90/03, BFH/NV 2004, 220). Nach der Rechtsprechung
des BFH kann die Erklärung von Einkünften als Vermietung und Verpachtung auch
nicht deshalb als Wahl der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG angesehen werden,
weil beide Arten der Gewinnermittlung durch das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG
bestimmt werden (vgl. BFH-Urteile vom 01.10.1996 VIII R 40/94; vom 09.02.1999 VIII R
49/97 jeweils a.a.O.). Die Rechtsprechung des BFH hat zur Folge, dass die Klägerin
das Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung durch die Erklärung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht wirksam ausgeübt hat, da sie sich
nicht bewusst war, einen gewerblichen Grundstückshandel zu betreiben.
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Dass die Klägerin im Streitfall ihr Wahlrecht nicht ausgeübt hat, weil sie davon ausging,
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - also Überschusseinkünfte - zu erzielen, ist
nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zweifelhaft. Zwar hat die Klägerin die
Einkünfte, bei denen es sich - wie sich später herausgestellt hat - um solche aus
Gewerbebetrieb handelt, in Höhe des Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben
ermittelt und sich damit de facto für eine der beiden gesetzlich vorgegebenen Formen
der Gewinnermittlung bei gewerblichen Einkünften entschieden, jedoch können die dem
objektiv beobachtbaren Verhalten zu Grunde liegenden subjektiven Vorstellungen und
Motivationen nicht außer Acht gelassen werden. Im Zeitpunkt der Ermittlung der
Einkünfte ging die Klägerin aufgrund einer rechtlich unzutreffenden Würdigung des
Sachverhaltes subjektiv von Vermietungseinkünften aus, für die das Steuerrecht keine
Wahlmöglichkeit vorsieht, so dass sie sich also nicht über die ihr in der Situation zur
Verfügung stehenden Handlungsalternativen im Klaren war. Wenn auch die Klägerin
bei objektiver Betrachtung des zugrunde liegenden Sachverhaltes die Auswahl
zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Gewinnermittlung hatte und eine davon
realisiert hat, impliziert doch der Begriff "Wahl" im allgemeinen Sprachgebrauch eine
Entscheidung zwischen mehreren Handlungsalternativen und setzt damit
notwendigerweise voraus, dass der Handelnde sich im Zeitpunkt der Entscheidung über
die in Betracht kommenden Möglichkeiten im Klaren ist. Sich für eine bestimmte
Handlungsweise entscheiden und damit de facto eine Wahl treffen kann nur derjenige,
dem der zu Grunde liegenden Sachverhalt und die gegebenen
Entscheidungsmöglichkeiten bekannt sind. Allein dadurch, dass die Klägerin die
Einkünfte in Höhe des Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben ermittelt hat,
hat sie also keine der bei dem gegebenen Sachverhalt rechtlich zulässigen
Möglichkeiten der Gewinnermittlung ausgewählt.
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II. Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte sie ihr Wahlrecht zugunsten der
Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG während der Außenprüfung
nicht mehr nachholen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, kann das Wahlrecht
zugunsten der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nur zu Beginn
des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraumes ausgeübt werden, und zwar regelmäßig
dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Eröffnungsbilanz erstellt und keine
Buchführung einrichtet, sondern die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben
aufzeichnet. Dementsprechend kann späteren Erklärungen des Steuerpflichtigen (z. B.
im Rahmen der Steuerfestsetzung oder eines Klageverfahrens) jedenfalls im Grundsatz
lediglich die Bedeutung zukommen, dass sie die getroffene und bindende
Wahlentscheidung offenlegen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 01.10.1996 VIII R 40/94,
a.a.O.; vom 09.02.1999 VIII R 49/97, a.a.O.; vom 14.10.2003 X B 90/03, a.a.O.; vom
30.06.2005 IV R 20/04, BStBl II 2005, 758). Der Zeitpunkt für die Ausübung des
Wahlrechts folgt nach der Rechtsprechung des BFH aus der "Natur der Sache", weil
das Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und
der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung mit der Einrichtung oder
Nichteinrichtung einer entsprechenden Buchführung zu Beginn des
Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1978 IV R 45/73,
BStBl II 1978, 431).
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Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, in den Fällen eines nachträglich
festgestellten Grundstückshandels von der ständigen Rechtsprechung des BFH zur
Wahl der Gewinnermittlungsart abzuweichen. Der vom BFH im Urteil vom 09.11.2000
(IV R 18/00, BStBl II 2001, 102) entschiedene Fall ist mit dem Streitfall nicht
vergleichbar. Bei dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt handelt es sich um
einen Fall, in dem ein Steuerpflichtiger - trotz Erstellung einer Eröffnungsbilanz und
Einrichtung einer entsprechenden Buchführung - zusammen mit der
Einkommensteuererklärung eine Einnahmen-Überschussrechnung vorgelegt hat. Der
BFH hat in dieser Entscheidung dahinstehen lassen, ob - abweichend von der
bisherigen Rechtsprechung - im Hinblick auf die durch die Verwendung der EDV
bewirkte Angleichung der laufenden Buchführung bei beiden Gewinnermittlungsarten
ein Übergang vom Bestandsvergleich zur vereinfachten Einnahmen-
Überschussrechnung bis zur Abgabe der Steuererklärung zuzulassen ist, da der Kläger
jedenfalls nicht erneut ohne triftigen Grund die Gewinnermittlungsart habe ändern
dürfen. Während der Steuerpflichtige im Urteilsfall des BFH bewusst den Gewinn aus
einer gewerblichen bzw. freiberuflichen Tätigkeit ermittelt hat, hat die Klägerin jedoch
angenommen, keinen Gewerbebetrieb zu unterhalten, so dass ihrer Ansicht nach auch
kein Gewinn zu ermitteln war. In diesem Fall muss nach der Rechtsprechung des BFH
der Gewinn zwingend nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt werden (vgl. auch BFH-Beschluss
vom 09.12.2003 IV B 68/02, BFH/NV 2004, 633).
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Dass eine Wahl der Gewinnermittlungsart solange möglich sein soll, wie das Ergebnis
steuerlich noch berücksichtigt werden kann, kommt in der Entscheidung des BFH vom
09.11.2000 (IV R 18/00, a.a.O.) nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck. Diese -
noch weitergehende - Auffassung der Klägerin steht auch im Widerspruch zum Wortlaut
des § 4 Abs. 3 EStG. Danach wird für die Ausübung des Wahlrechts zugunsten einer
Einnahmen-Überschussrechnung unter anderem auf das Nichterstellen eines
Abschlusses abgestellt. Ob der Steuerpflichtige einen Abschluss erstellt hat, muss er
der Finanzbehörde in der betreffenden Steuererklärung mitteilen, so dass ihm - wenn
überhaupt - nur bis zu diesem Zeitpunkt das Wahlrecht bleiben könnte.
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Schließlich stehen der Beurteilung des Senats auch die Erwägungen des BFH-Urteils
vom 19.10.2005 (XI R 4/04, BStBl II 2006, 509) nicht entgegen. Bei dem diesem Urteil
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zugrundeliegenden Sachverhalt handelt es sich um einen Fall, in dem der Kläger
nachträglich die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewählt hat. Der BFH hat
hervorgehoben, dass ein Wechsel der Gewinnermittlungsart nur zu Beginn des
Wirtschaftsjahres möglich ist, da das Wahlrecht zugunsten der Gewinnermittlung durch
Bestandsvergleich mit der Einrichtung der erforderlichen Buchführung ausgeübt wird.
Dieser Fall, in dem es um die Frage des freiwilligen Wechsels von der
Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung zur Gewinnermittlung durch
Bestandsvergleich ging, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Die Frage, ob die
Klägerin im Hinblick darauf, dass sie sich nicht bewusst war, einen (steuerpflichtigen)
Gewinn und nicht etwa Überschusseinkünfte zu erzielen, gezwungen war, den Gewinn
durch Bestandsvergleich zu ermitteln, wird von der Entscheidung nicht berührt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO). Die von der Klägerin in Zweifel
gezogene Auffassung, dass das Wahlrecht zugunsten der Einnahmen-
Überschussrechnung nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden
kann und zudem das Bewusstsein des Steuerpflichtigen voraussetzt, überhaupt
Gewinneinkünfte zu erzielen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH. Dem
erst kürzlich ergangenen BFH-Urteil vom 02.03.2006 (IV R 32/04, BFH/NV 2006, 1457
unter II. 2. c. ff.) lässt sich entnehmen, dass der BFH an seiner Rechtsprechung festhält,
dass in den Fällen des nachträglich festgestellten gewerblichen Grundstückshandels
der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln ist.
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