Urteil des FG Köln vom 11.12.2003

FG Köln: einkünfte, liquidationserlös, vereinigtes königreich, innerstaatliches recht, stillen, darlehen, gewinnbeteiligung, inhaber, verzinsung, eigenkapital

Finanzgericht Köln, 2 K 7201/00
Datum:
11.12.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 7201/00
Tenor:
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des (Teil-)Ablehnungsbescheides
vom 30.11.1999 und der Ein-spruchsentscheidung vom 11.10.2000
verpflichtet, die un-ter dem 09.08.1999 beantragte Erstattung von in
Deutsch-land abgeführten Abzugsteuern in voller Höhe zu gewäh-ren.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung oder
Hinterlegung in Höhe des Kostenerstat-tungsanspruches abwenden,
soweit die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Zahlungen der X-Bank (X-Bank) auf
Genussscheinrechte als Einkünfte der im Ausland ansässigen Klägerin unter den Begriff
der "Dividenden" oder der "Zinsen" im Sinne des einschlägigen
Doppelbesteuerungsabkommen fallen; nur im Fall der Dividenden besteht ein
Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland.
2
Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft.
3
Die Vorgängerin der Klägerin (Y-BANK Ltd.), deren Rechtsnachfolge diese angetreten
hat, hatte Wandelgenussscheine (im Weiteren: Genussscheinrechte) der X-Bank
erworben.
4
Die der Ausgabe dieser Genussscheinrechte zugrundeliegenden Vertragsbedingungen
- Genussscheinbedingungen (GB) - lauteten auszugsweise:
5
§ 1
6
(1) Die X-Bank,A, nachstehend "X-Bank" genannt, begibt aufgrund der
Ermächtigung durch die Hauptversammlung vom 23. Mai 1990
Wandelgenussscheine gemäß § 10 Abs. 5 KWG im Gesamtnennbetrag von
600.000.000,- DM.
7
...
8
§ 2
9
(1) Die Wandelgenussscheininhaber erhalten eine dem Gewinnanteil der
Aktionäre der X-Bank vorgehende jährliche Ausschüttung in Höhe von 9,25 %
des Nennbetrags der Wandelgenussscheine.
10
(2) Der Ausschüttungsanspruch mindert sich insoweit, als sich durch eine
Ausschüttung ein Jahresfehlbetrag ergeben würde. Kann aufgrund dieser
Begrenzung die zugesagte Ausschüttung ganz oder teilweise nicht erfüllt
werden, so ist der fehlende Betrag in den folgenden Geschäftsjahren
nachzuzahlen; diese Nachzahlungspflicht besteht nur während der Laufzeit der
Wandelgenussscheine.
11
...
12
§ 3
13
(1) Die Inhaber der Wandelgenussscheine haben das unentziehbare Recht, ihre
Wandelgenussscheine im Verhältnis 3:1 in Aktien der X-Bank umzutauschen. ...
14
§ 4
15
Die Wandelgenussscheine verbriefen Gläubigerrechte, keine
Gesellschafterrechte, insbesondere kein Teilnahme-, Mitwirkungs- und
Stimmrecht in den Hauptversammlungen der X-Bank.
16
§ 7
17
(1) Die Laufzeit der Wandelgenussscheine ist mit dem 31. Dezember 2001
befristet. Vorbehaltlich der Bestimmungen über die Teilnahme am Verlust
werden die Wandelgenussscheine, soweit sie nicht gewandelt sind, zum
Nennbetrag zurückgezahlt. ...
18
(2) Die X-Bank kann die Wandelgenussscheine unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren jeweils zum Ende eines
Geschäftsjahres - frühestens zum 31. Dezember 1996 - durch Bekanntmachung
gemäß § 13 kündigen, wenn eine Rechtsvorschrift in der Bundesrepublik
Deutschland erlassen, geändert oder in einer Weise angewendet wird, dass
dies bei der X-Bank zu einer Steuerbelastung der Ausschüttungen mit Gewerbe-
oder Körperschaftsteuer oder einer an deren Stelle tretenden Steuer führt oder
dass das Wandelgenussscheinkapital bei der Vermögensteuer nicht als
Schuldposten zum Nennwert abgezogen werden kann. ... Im Übrigen gilt Abs. 1
19
Sätze 2 - 4 sinngemäß. Die Inhaber der Wandelgenussscheine können ihre
Wandelgenussscheine nicht kündigen.
§ 8
20
(1) Die Inhaber von Wandelgenussscheinen nehmen voll an einem etwaigen
Jahresfehlbetrag durch Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche im
Verhältnis der Rückzahlungsansprüche zu dem in der Bilanz ausgewiesenen
gezeichneten Kapital zuzüglich Gewinn- und Kapitalrücklagen sowie
Genussscheinkapital teil.
21
(2) Werden nach einer Teilnahme der Inhaber von Wandelgenussscheinen am
Verlust in folgenden Geschäftsjahren während der Laufzeit der
Wandelgenussscheine Jahresüberschüsse erzielt, sind aus diesen - nach der
gesetzlich vorgeschriebenen Wiederauffüllung der gesetzlichen Rücklage - die
Rückzahlungsansprüche bis zum Nennbetrag der Wandelgenussscheine zu
erhöhen, bevor eine anderweitige Verwendung der Jahresüberschüsse
vorgenommen wird.
22
...
23
§ 9
24
Die Wandelgenussscheine treten gegenüber allen anderen Gläubigem gegen
die X-Bank im Rang zurück. Im Falle der Liquidationen der X-Bank werden die
Wandelgenussscheine nach allen anderen Gläubigeransprüchen und vorrangig
vor den Aktionären bedient; die Wandelgenussscheine gewähren keinen Anteil
am Liquidationserlös.
25
...
26
Die Vorschrift des § 10 Abs. 5 des Kreditwesengesetzes (KWG) in der geltenden
Fassung lautete auszugsweise:
27
"(5) Kapital, dass gegen Gewährung von Genussrechten eingezahlt ist
(Genussrechtsverbindlichkeiten), ist dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen,
wenn
28
1. es bis zur vollen Höhe am Verlust einnimmt und das Institut berechtigt ist, im Falle
eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben,
2. vereinbart ist, dass es im Falle des Insolvenz Verfahren über das Vermögen des
Instituts oder der Liquidation des Instituts erst nach Befriedigung aller nicht
nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird,
3. es dem Institut für mindestens fünf Jahre zur Verfügung gestellt worden ist,
4. der Rückzahlungsanspruch nicht in weniger als zwei Jahren fällig wird oder
aufgrund des Vertrags fällig werden kann,
5. der Vertrag über die Einlage keine Besserungsabreden enthält, nach denen der
durch Verluste während der Laufzeit der Einlage ermäßigte
29
Rückzahlungsanspruch durch Gewinne, die nach mehr als vier Jahren nach der
Fälligkeit des Rückzahlungsanspruch entstehen, wieder aufgefüllt wird, ..."
Am 07.05.1999 erhielt die Klägerin Genussscheinerträge in Höhe von 4.338.805,00 DM.
Von diesen Erträgen wurden entsprechend den Genussscheinbedingungen von der
Emittentin 25 v.H. Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag in gesetzlich
vorgeschriebener Höhe - insgesamt 1.144.359,82 DM - einbehalten und an das
zuständige Finanzamt abgeführt.
30
Mit Schreiben vom 09.08.1999 - bei dem Beklagten eingegangen am 11.08.1999 -
beantragte die Klägerin die vollständige Erstattung der einbehaltene Kapitalertragsteuer
und des Solidaritätszuschlages unter Hinweis auf Art. VII des
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem vereinigten Königreich
England (DBA-Großbritannien).
31
Diesen Antrag auf vollständige Erstattung der einbehaltenen Abgaben lehnte der
Beklagte mit Bescheid vom 30.11.1999 insoweit ab, als er nur einen auszuzahlenden
Betrag in Höhe von 507.916,57 DM festsetzte. Zur Begründung führte der Beklagte aus,
dass die Erträge aus den Genussscheinen als Dividenden i. S. des Art. VI Abs. 4 DBA-
Großbritannien und nicht als Zinsen im Sinne von Art. VII DBA-Großbritannien zu
qualifizieren seien. Entsprechend erstattete der Beklagte lediglich einen Teilbetrag der
Kapitalertragsteuer in Höhe von 10 v.H. des Bruttobetrages der Erträge aus den
Genussscheinerträgen zuzüglich des Solidaritätszuschlages.
32
Gegen die Ablehnung einer vollständigen Erstattung der einbehaltenen Abgaben legte
die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.12.1999 Einspruch ein.
33
Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2000 als
unbegründet zurück. Der Beklagte rechtfertigte seine Entscheidungen wiederum mit
dem Argument, bei den der Klägerin zugeflossenen Erträgen handele es sich um
Dividenden i. S. des Art. VI DBA-Großbritannien, für welche der Bundesrepublik
Deutschland das Besteuerungsrecht zustehe.
34
Die Zuordnung des Rechts aus dem Genussrechtsvertrag zu dem Anwendungsbereich
des Artikel VI oder des Artikel VII des DBA-Großbritannien erfolge - so der Beklagte -
nach dem Sinnzusammenhang der abkommensrechtlichen Vorschriften. Der Gegensatz
zwischen Dividenden (Art. VI) und Zinsen (Art. VII) bestehe in erster Linie darin, dass die
Einkunftserzielung des Dividendenempfängers stärker als diejenige des
Zinsempfängers im Quellenstaat "verwurzelt" sei. Der Bezieher einer Dividende habe
sich im Quellenstaat nicht nur durch die Hingabe von Kapital, sondern durch eine - wie
auch immer ausgestaltete - gesellschaftsrechtliche Beteiligung engagiert. Die
Grenzziehung zwischen Zinsen und Dividenden im Abkommensrecht orientiere sich vor
allem an der Unterscheidung zwischen unternehmerischem Engagement und schlichter
Kapitalüberlassung; der Beklagte bezieht sich insoweit auf ein Urteil des erkennenden
Senates (Urteil vom 23. Mai 1996 - 2 K 2536/94, EFG 1996, 835).
35
Ausgehend von diesem Grundgedanken sei das vorliegend zu beurteilende
Genussrecht den Dividenden gemäß Artikel VI des DBA-Großbritannien zuzuordnen.
Für diese Einstufung spreche insbesondere die vertraglich festgelegte Beteiligung der
Klägerin an den Verlusten der X-Bank. In § 8 Abs. 1 der GB sei unstreitig geregelt, dass
36
die Inhaber von Wandelgenussscheinen durch Verminderung ihrer
Rückzahlungsansprüche voll an einem etwaigen Jahresfehlbetrag teilnähmen. Würden
in den folgenden Jahren Gewinne erzielt, seien aus diesen gemäß § 8 Abs. 2 der GB
die Rückzahlungsansprüche zwar bis zum Nennbetrag der Wandelgenussscheine
wieder zu erhöhen, bevor eine anderweitige Verwendung der Jahresüberschüsse
vorgenommen werde. Dieser Anspruch bestehe jedoch nur während der Laufzeit der
Wandelgenussscheine.
Aus § 2 Abs. 1 der GB ergebe sich weiter, dass grundsätzlich eine Verzinsung in Höhe
von 9,25% des Nennbetrages vorgesehen sei. Auch der Zinsanspruch mindere sich
jedoch insoweit, als sich durch eine Ausschüttung ein Jahresfehlbetrag ergeben würde.
Könne aufgrund dieser Begrenzung die zugesagte Ausschüttung ganz oder teilweise
nicht erfüllt werden, so sei der fehlende Betrag zwar auch in den folgenden
Geschäftsjahren nachzuzahlen, diese Nachzahlungspflicht bestehe aber gemäß § 2
Abs. 2 der GB ebenfalls nur während der Laufzeit der Wandelgenussscheine.
37
Die Klägerin sei somit vom Schicksal der emittierenden X-Bank unmittelbar berührt und
nehme an der Vermögensentwicklung der AG aktiv teil. Die Rückzahlung des
eingesetzten Kapitals sei somit nicht gesichert. Insofern unterscheide sich das
vorliegende Vertragsverhältnis sehr deutlich von einer reinen Kapitalüberlassung im
Sinne von Art. VIl des DBA-Großbritannien.
38
Zudem seien Genussrechte dem haftenden Eigenkapital gemäß § 10 Abs. 5 KWG
zuzurechnen. Somit seien Erträge aus Genussrechten auch im Hinblick auf den Zweck
der Genussrechtsgewährung als Eigenkapital-Surrogat und nicht als Zinseinkünfte zu
qualifizieren.
39
Gegen die ablehnenden Entscheidungen des Beklagten hat die Klägerin die
vorliegende Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren auf vollständige Freistellung
der Erträge weiter verfolgt.
40
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, bei den Erträgen handele es sich um Zinsen
i.S.d. Art. VII Abs. 1 DBA-Großbritannien.
41
Gemeinsames Element sämtlicher im Abkommen genannter Dividendengruppen nach
Art. VI DBA-Großbritannien sei ihre Qualifikation als Gesellschaftsanteil. Als
Dividendeninstrumente im Sinne von Art. VI Abs. 4 DBA-Großbritannien seien danach
lediglich Rechte mit Gewinnbeteiligung einzuordnen, die gegenüber bloßen
Forderungen weiterer Ansprüche gewährten. Einkünfte aus Forderungen mit
Gewinnbeteiligung oder aus Rechten ohne Gewinnbeteiligung seien hingegen nicht als
Dividenden im Sinne von Art. VI Abs. 4 DBA-Großbritannien zu qualifizieren.
42
Die Genussscheine der Klägerin verbrieften lediglich eine bestehende Forderung, nicht
aber Beteiligungsrechte an der Emittentin. Darüber hinaus sei der Genussscheininhaber
allenfalls ein etwaigen Verlusten, nicht jedoch am Gewinn beteiligt. Die Position des
Genussscheininhabers es sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf eine mögliche
Verlustteilnahme der eines Gläubigers aus einem partiarischen Darlehensverhältnis
angenähert. Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen seien jedoch unstreitig als
Zinsen im Sinne des DBA-Großbritannien einzuordnen.
43
Dem Genussscheininhaber komme keinesfalls die Stellung eines Mitgesellschafters zu.
44
Er habe keinerlei Mitwirkungsrechte; an den stillen Reserven, insbesondere an einem
Liquidationserlös, sei er unstreitig nicht beteiligt. Auch an einem Gewinn der Emittentin
nehme der Genussscheininhaber nicht teil, er erhalte als Gegenleistung für das von ihm
überlassene Kapital lediglich eine feste Verzinsung von 9,25 v.H. pro Jahr. Gegen eine
gesellschafterähnliche Stellung spreche insbesondere auch die Tatsache, dass bei
Verwendung von Jahresüberschüssen sowie im Liquidationsfall die nicht befriedigten
Ansprüche des Genussscheininhabers wie Ansprüche von Darlehensgläubiger den
Ansprüchen der Gesellschafter (Aktionären der X-Bank) vorgingen.
Es sei im Übrigen überhaupt nur dann gerechtfertigt, Einkünfte aus Genussscheinen als
Dividenden im Abkommenssinn zu behandeln, wenn diese eine Beteiligung am Gewinn
und an den im Liquidationserlös verkörperten stillen Reserven gewährten. Denn
insoweit entsprächen sich die Dividendendefinitionen in
Doppelbesteuerungsabkommen und in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Für ein solches
Verständnis spreche auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Dieser habe in
einer Entscheidung zum DBA-Schweiz ausdrücklich festgestellt, dass Einkünfte aus
Genussscheinen nur insoweit zu den Dividenden gezählt werden könnten, als sie das
Recht auf Gewinnbeteiligung beinhalteten und/oder als Gesellschaftsanteil zu
qualifizieren seien (BFH, Urteil vom 24. März 1992 - VIII R 51/89, BFHE 168, 234; BStBl
II 1992, 941).
45
Auch im Hinblick auf die Abgrenzung zu Vorzugsaktien seien Genussscheine
abkommensrechtlich grundsätzlich als forderungsrechtliche Wertpapiere zu
qualifizieren. Die Miterfassung von Einkünften aus einer Beteiligung an einer stillen
Gesellschaft - ohne Teilhabe an Gewinn und Verlust - als Dividenden in Art. VI Abs. 4
DBA-Großbritannien beruhe auf einer Ausnahmeregelung.
46
Auch das Gesamtbild der Vertragsvereinbarungen entspreche demjenigen eines
Darlehensverhältnisses, wenn auch mit "Risiko". Es sei eine feste Laufzeit und ein
einseitiges Kündigungsrechts der Emittentin festgelegt. Gegen eine
Gesellschafterstellung und für die Stellung eines Forderungsinhabers sprächen darüber
hinaus die feste Verzinsung und die Vorrangigkeit der Rückzahlungsansprüche vor
Vermögensrechten der Aktionäre. Auch sei in diesem Zusammenhang erneut
festzustellen, dass der Genussscheininhaber keinen Anteil am Liquidationserlös erhalte.
Der Genussscheininhaber habe gegenüber der emittierenden Gesellschaft lediglich
einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm überlassenen Kapitals. Er partizipiere
nicht am Gewinn- und Verlust eines jeden Jahres, wie dies ein Gesellschafter tue; die
Teilnahme an der "unternehmerischen Chance" eines höheren Ertrages sei ihm
unstreitig verwehrt. Der gewöhnliche Zinssatz für ein Darlehen habe im Zeitpunkte der
Ausgabe der Wandelgenussscheine 1990 den Wert von 8,90 v.H. betragen; der
Klägerin seien 9,25 v.H. versprochen worden. Bei dem in Höhe von 0,35 v.H. geringen
Aufschlag sei keineswegs davon ausgegangen worden, dass die Klägerin das von ihr
eingesetzte Kapital verlieren könne. Auch sei es zweifelhaft, ob der Zinsaufschlag -
ganz oder teilweise - ohnehin nicht nur auf die "Marktenge" der Genussscheine
zurückzuführen sei.
47
Nach innerstaatlichem Recht seien die Genussscheine, die keinen Anteil am
Liquidationserlös gewährten, nicht dem Bereich der Dividenden zuzuordnen. Dieser
ergebe sich aus einer ausdrücklichen Verwaltungsanweisung des Bundesministers der
Finanzen vom 08.12.1986 (IV B 7 - S-2742 - 25/86 zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).
48
Schließlich gehe auch der Hinweis des Beklagten auf § 10 Abs. 5 KWG fehl: Die
bankaufsichtsrechtliche Einordnung des Genussscheins allein rechtfertige es noch
nicht, die Erträge als Dividenden zu qualifizieren. Das Kreditwesengesetz verfolge
einen anderen Regelungszweck als das nationale Steuerrecht oder
Doppelbesteuerungsabkommen. Dies werde schon allein daran deutlich, dass auch
nachrangige Darlehen aufsichtsrechtlich unter bestimmten weiteren Voraussetzungen
als haftendes Eigenkapital i. S. v. § 10 Abs. 5 KWG zu behandeln seien. Auch würden
im Kreditwesengesetz etwa bei der Frage der Eigenmittelausstattung oftmals strengere
Anforderungen als im Handels- oder Steuerrecht gestellt.
49
Die Klägerin beantragt,
50
die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11.10.2000 und den
Bescheid des Beklagten vom 30.11.1999 über die Erstattung von
deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach dem
Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland -
Vereinigtes Königreich aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
die unter dem 09.08.1999 beantragte Erstattung von in Deutschland
abgeführten Abzugsteuern in Höhe von DM 1.144.359,82 DM in voller
Höhe zu gewähren;
51
hilfsweise,
52
die Revision zuzulassen.
53
Der Beklagte beantragt,
54
die Klage abzuweisen,
55
hilfsweise,
56
die Revision zuzulassen.
57
Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Vorverfahren.
58
Er weist auf den Wortlaut des Art. VI Abs. 4 Satz 1 des DBA-Großbritannien hin, der
"Genussscheine" ausdrücklich dem Bereich der Dividenden zuordne.
59
Darüber hinaus stellt er - nochmals - in Abrede, dass die Beteiligung an den stillen
Reserven erforderlich sei für die Zurechnung der Genussrechte zu den Dividenden.
Dies schließt der Beklagte aus dem Umstand, dass nach Art. VI Abs. 4 Satz 1 DBA-
Großbritannien ausdrücklich auch Einkünfte aus einer stillen Gesellschaft unter den
Dividendenbegriff subsumiert werden.
60
Er weist darauf hin, dass die Klägerin sehr wohl an Gewinn- und Verlust der Emittentin
partizipiere, da das hingegebene Kapital unter den entsprechenden Voraussetzungen
von Verlusten der X-Bank vollständig aufgezehrt werden könne.
61
Entscheidungsgründe
62
A.
63
Die Klage ist zulässig und begründet.
64
Die Ablehnung der vollständigen Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer bzw.
einbehaltenen Solidaritätszuschlages war rechtswidrig i.S.d. § 101 Satz 1 FGO.
65
Der Klägerin stand ein Anspruch auf vollständige Erstattung der Steuer aus § 50d Abs. 1
Satz 2 EStG i.V.m. Art. VII Abs. 1 des einschlägigen DBA-Großbritannien zu.
66
Denn bei den von der Klägerin aufgrund der Inhaberschaft an den
Wandelgenussscheinen erzielten Einkünfte handelt es sich um Zinsen i.S.d. des
genannten Artikels und nicht um Dividenden nach Art. VI des Abkommens.
67
I.
68
Die Einkünfte der Klägerin sind zunächst rechtmäßig dem Steuerabzug unterworfen
worden.
69
Da die Klägerin weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hatte, unterlag sie
als beschränkt Steuerpflichtige lediglich mit ihren inländischen Einkünften der
Körperschaftsteuer (§ 2 Nr. 1 KStG). Zu den inländischen Einkünften zählen u. a.
Erträge aus Genussrechten (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) und c) bb) EStG). Die auf diese
Einkünfte entfallende Steuer wird durch Abzug von Kapitalertragsteuer erhoben, und
zwar unabhängig davon, ob die Genussrechte mit einem Recht an Gewinn und
Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden sind (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20
Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder nicht (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Zwischen den Beteiligten
ist demgemäss zu Recht unstreitig, dass von den Einkünften der Klägerin
Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen war.
70
II.
71
Der Klägerin steht jedoch gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. Art. VII Abs. 1 des
DBA-Großbritannien ein Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Beträge zu.
72
1. Nach Art. XVIII A Abs. 4 des einschlägigen Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und
Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung (vom 26. November 1964 - BGBl. 1966 II S.359, in der Fassung
des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 - BGBl. 1971 II S. 46) wird die in
einem Vertragstaat vorgesehene Steuererhebung im Abzugswege durch die
Bestimmungen des Abkommens nicht eingeschränkt. Die im Abzugswege
erhobene Steuer ist jedoch auf Antrag zu erstatten, soweit ihre Erhebung durch
das Abkommen eingeschränkt wird (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 261/82,
BFHE 148, 143, BStBl II 1987, 171). Damit muss die einbehaltene Steuer insoweit
erstattet werden, als sie über denjenigen Betrag hinausgeht, der nach den
Verteilungsnormen des Abkommens (Art. V-XVI) der Bundesrepublik Deutschland
zusteht.
73
74
Im Streitfall hängt die Höhe des hiernach festzusetzenden Erstattungsbetrags
davon ab, ob es sich bei den von der Klägerin vereinnahmten
"Genussrechtszinsen" abkommensrechtlich um "Dividenden" oder um "Zinsen"
handelt. Denn da die Klägerin in Großbritannien ansässig ist (Art. II Abs. 1 Buchst.
h) DBA-Großbritannien) und die Zahlungen von einer in Deutschland ansässigen
und steuerpflichtigen Person - X-Bank - bezogen hat, steht bei einer Qualifikation
der Erträge als Zinsen der Bundesrepublik Deutschland ein Besteuerungsrecht
nicht zu (Art. VII Abs. 1 DBA-Großbritannien). Demgegenüber darf unter ansonsten
gleichen Verhältnissen bei Dividenden eine Steuer von 15 v. H. erhoben werden
(Art. VI Abs. 1 Satz 2 DBA-Großbritannien).
75
1. Eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale "Dividenden" und "Zinsen" ergibt, dass
es sich bei den Einkünften der Klägerin nicht um Dividenden, sondern um Zinsen
handelt.
76
a. Der Senat gewinnt diese Erkenntnis zum einen im Anschluss an seine
Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 1996 - 2 K 2536/94, EFG 1996,
836 mit Anm. Buciek, EFG Beilage Nr. 10 / 1996, 40 und Senatsurteil vom 29. April
1999 - 2 K 3998/95, EFG 1999, 1034 mit Anm. Fumi, EFG Beilage Nr. 19 / 1999,
75) aus dem Grundgedanken der abkommensrechtlichen Unterscheidung der
beiden Zuflüsse.
77
Die Begriffe "Zinsen" und "Dividenden" sind im DBA-Großbritannien selbst
definiert. Hiernach sind "Zinsen" alle Zinsen aus Schuldverschreibungen,
Wertpapieren, Wechseln, Obligationen oder irgendeiner anderen
Schuldverpflichtung (Art. VII Abs. 2 Buchst. a). Der Ausdruck "Dividenden" umfasst
u. a. Einkünfte aus Aktien, Genussrechten und Genussscheinen oder anderen
Rechten - ausgenommen Forderungen - mit Gewinnbeteiligung sowie aus
sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht
des Gebiets, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften
aus Aktien gleichgestellt sind (Art. VI Abs. 4). Diese Definitionen sind, soweit sie
reichen, für die Auslegung der abkommensrechtlichen Begriffe allein maßgeblich;
lediglich dort, wo sie nicht zu einem Ergebnis führen, kann auf entsprechende
Begriffsbestimmungen des (internen) deutschen Rechts zurückgegriffen werden
(Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., S. 791).
78
79
Es ist freilich ausgeschlossen, die im Streitfall erzielten Erträge deshalb ohne
weiteres als "Dividenden" im abkommensrechtlichen Sinne anzusehen, weil es
sich um Erträge aus Genussrechten handelt und diese in Art. VI Abs. 4 DBA-
80
sich um Erträge aus Genussrechten handelt und diese in Art. VI Abs. 4 DBA-
Großbritannien ausdrücklich aufgeführt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich
bei den streitigen Zahlungen um "Zinsen" handelt, die dem Regelungsbereich des
Art. VII DBA-Großbritannien unterliegen:
Das DBA-Großbritannien selbst definiert den Terminus "Genussrecht" nicht. Es
enthält keine nähere Aussage darüber, wie das "Genussrecht" von der - in Art. VI
Abs. 4 ausdrücklich ausgeklammerten - "Forderung" abgegrenzt werden kann.
Insoweit lässt es lediglich erkennen, dass die Unterscheidung zwischen beiden
Rechtsinstituten nicht danach erfolgen kann, ob mit dem betreffenden Recht eine
feste (Forderung) oder eine variable Verzinsung (Genussrecht) verbunden ist:
Indem Art. VI Abs. 4 von "anderen Rechten - ausgenommen Forderungen - mit
Gewinnbeteiligung" spricht, macht die Vorschrift deutlich, dass auch Forderungen
"mit Gewinnbeteiligung" dem Dividendenbegriff entzogen sein sollen. Daraus folgt,
dass namentlich partiarische Darlehen abkommensrechtlich nicht zu Dividenden-,
sondern zu Zinseinkünften führen.
81
Letztlich ist die Einstufung des streitigen Rechts als "Genussrecht" oder als
"Forderung" danach zu entscheiden, ob nach dem Sinnzusammenhang der
abkommensrechtlichen Vorschriften das streitige Recht von seinem
wirtschaftlichen Gehalt her eher dem Anwendungsbereich des Art. VI oder des Art.
VII des DBA-Großbritannien zugehört.
82
Diese Frage ist im Streitfall im Sinne einer Zuordnung zu Art. VII, also zum
Zinsbereich, zu beantworten:
83
Der abkommensrechtliche Gegensatz von Dividenden (Art. VI) einerseits und
Zinsen (Art. VII) andererseits ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass für
Dividenden eine Quellensteuerberechtigung des Herkunftsstaates vorgesehen ist,
während Zinsen allein der Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuern darf.
84
85
Eine inhaltliche Rechtfertigung dieses Unterschieds vermag der Senat - wie auch
der Beklagte - nur darin zu erkennen, dass die Einkunftserzielung des
Dividendenempfängers stärker als diejenige des Zinsgläubigers in dem
Quellenstaat "verwurzelt" ist: Der Bezieher einer Dividende hat sich dort nicht nur
durch die Hingabe von Kapital, sondern durch eine - wie auch immer ausgestaltete
- gesellschaftsrechtliche Beteiligung engagiert, und andererseits sind seine
Einkünfte Ausfluss einer Teilhabe an dem Gewinn der dem Quellenstaat
zugehörigen Gesellschaft. Auf diese Weise sind seine Beziehungen zum
Quellenstaat intensiver als bei einem "schlichten" Darlehensgläubiger, der zwar
aus dem anderen Vertragstaat Einkünfte bezieht, darüber hinaus aber mit jenem
Staat keine Verbindung hat und insbesondere dem dem Quellenstaat
zuzuordnenden Rechtsgebilde - der Gesellschaft - als außenstehender Dritter
gegenübertritt. Der Dividendenempfänger wird im Quellenstaat im weitesten Sinne
86
unternehmerähnlich tätig, seine Einkünfte sind daher unmittelbarer als diejenigen
des Darlehensgläubigers mit jenem Staat verbunden: dieser
"Zugehörigkeitsgedanke" ist es letztlich, der die unterschiedliche
doppelbesteuerungsrechtliche Behandlung von Zins- und Dividendeneinkünften
trägt. Von dieser Wertung ist deshalb auszugehen, wenn es in bezug auf das DBA-
Großbritannien um die Grenzziehung zwischen dem Anwendungsbereich des Art.
VI einerseits und des Art. VII andererseits geht.
Dem lässt sich nicht die vom Beklagten angesprochene Überlegung
entgegenhalten, dass der abkommensrechtliche Dividendenbegriff in den Bereich
der Zinsen reiche. Hieran ist zwar richtig, dass Art. VI Abs. 4 des DBA-
Großbritannien namentlich die Einkünfte des (typischen) stillen Gesellschafters als
Dividenden definiert, während diese Einkünfte aus deutscher Sicht denjenigen aus
partiarischen Darlehen - Zinsen - gleichstehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Insoweit ist
jedoch zu beachten, dass der stille Gesellschafter sich ebenfalls an einem
Unternehmen "beteiligt" (§ 230 Abs. 1 HGB), zu jenem Unternehmen also eine
engere und unmittelbarere Beziehung hat als ein bloßer Darlehensgläubiger. Die
vom Beklagten angesprochene abkommensrechtliche Erweiterung des
Dividendenbegriffs führt mithin lediglich zur Einbeziehung von Einkünften, die
denjenigen aus einer unternehmerischen Beteiligung zumindest ähnlich sind.
Deshalb wird der Grundgedanke, dass sich die Grenzziehung zwischen Zinsen
und Dividenden im Abkommensrecht sich vor allem an der Unterscheidung
zwischen unternehmerischem Engagement und "schlichter" Kapitalüberlassung
orientiert, durch sie eher bestätigt.
87
Im Streitfall führt eine Wertung der Sachverhaltsmerkmale, die für
unternehmerischem Engagement oder für Kapitalüberlassung sprechen, zu einem
Überwiegen des Charakters eines Darlehens
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Für ein unternehmerisches Engagement des Genussscheinsinhabers nach den im
Streitfall geltenden GB sprechen letztlich nur zwei Gesichtspunkte: Zum einen die
drohende Einbuße des hingegebenen Kapitals bei Entstehung eines
Jahresfehlbetrages bei der Emittentin (§ 2 Abs. 2 GB für die Verzinsung, § 8 Abs. 2
GB für die Kapitalrückzahlung) und zum anderen die Zurechnung der
Genussrechte zum Eigenkapital nach § 10 Abs. 5 KWG.
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Es überwiegen jedoch bei weitem die Indizien für eine Kapitalüberlassung.
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Zunächst ist festzustellen, dass beide Argumente für ein unternehmerisches
Engagement eigentlich nicht überzeugend sind.
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Es ist dem Beklagten zwar zuzugeben, dass theoretisch die Möglichkeit der
Kapitaleinbuße besteht, wenn die Emittentin die Jahresfehlbeträge während der
Laufzeit der Genussscheine nicht ausgleichen kann. Diese Möglichkeit ist offenbar
aber nicht praktisch zu sehen: Es ist nicht erkennbar, dass es tatsächlich zu einer
Kapitaleinbuße gekommen ist. Auch nach der Vertragsgestaltung war das Risiko
der Einbuße nur ein "vorübergehendes", da die Emittentin bei Erreichen der
Gewinnzone sofort zum Ausgleich der Einbußen verpflichtet war. Aufgrund des
geringen "Zinsaufschlages" bestand offenbar wirtschaftlich nur eine geringe Gefahr
der Nichtverzinsung bzw. der Einbuße des eingesetzten Kapitals. Auch das
Argument der Klägerin, der Zinsaufschlag habe gar kein oder nur ein geringes
Risiko abdecken sollen und sei nur zur Förderung des Absatzes der
Genussscheine bewilligt worden, kann nicht entkräftet werden.
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Die nach § 10 Abs. 5 KWG vorgenommene Wertung kann nicht ohne Weiteres für
den Bereich des Steuerrechts übernommen werden. Nach der zitierten Vorschrift
soll dem zur Verfügung gestellten Kapital Eigenkapitalcharakter zukommen, und
zwar im Interesse der Erfüllungen der Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern,
insbesondere zur Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte. Das Steuerrecht
nimmt insoweit eigene Wertungen vor (vgl. auch BMF-Schreiben vom 11.
September 2000, IV C 6 - S 2742 a - 10/99, FR 2001, 43 - Kreditwesen, stille
Einlage).
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Demgegenüber dominieren die Merkmale für eine schlichte Kapitalüberlassen.
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Bereits die fehlende Beteiligung am Liquidationserlös bzw. an den stillen
Reserven (§ 9 GB) könnte die Qualifikation als Beteiligung ausschließen: In der
Literatur wird die Auffassung vertreten, "Genussrecht" im Sinne der
Dividendendefinition der DBA könne überhaupt nur ein solches Recht sein, das
dem Berechtigten einen Anteil sowohl am Gewinn als auch an einem etwaigen
Liquidationserlös der ausgebenden Gesellschaft vermittelt (Schaumburg, a.a.O., S.
944; Tischbirek in Vogel-Lehner, DBA, Art. 10 Rdnr. 194 f.). Danach sind Erträge
aus Genussrechten, die - wie im Streitfall - nicht mit einer Beteiligung am
Liquidationserlös verbunden seien, abkommensrechtlich ohnehin nur als "Zinsen"
oder als "sonstige Einkünfte" anzusehen (Tischbirek in Vogel-Lehner a.a.O., Art.
10 Rdnr. 195).
Ausdrücklich wurde die Gewährung von Gesellschafterrechten ausgeschlossen (§
4 GB).
Es wurde eine feste Verzinsung (§ 2 Abs. 1 GB) des eingesetzten Kapitals für eine
feste Laufzeit versprochen (§ 7 Abs. 1 GB).
Der Emittentin stand eine einseitige Kündigungsmöglichkeit zur Verfügung (§ 7
Abs. 2 GB) und damit ein Recht, das dem Gesellschaftsverhältnis fremd ist.
Ausdrücklich sollte eine Befriedigung der Genussscheininhaber vor den
Aktionären erfolgen (§ 9 GB); damit waren jene den am Unternehmen der
Emittentin Beteiligten gerade nicht gleichgestellt.
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a. Dieses Ergebnis wird durch das innerstaatliche Recht bestätigt.
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Auch wenn die innerstaatliche Auslegung des Begriffs "Genussrecht" nicht
gänzlich einheitlich erfolgt, ist doch mit der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung
festzustellen, dass jedenfalls die Besonderheiten des Streitfalles für die Annahme
eines bloße Darlehens sprechen.
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Das innerstaatliche Recht kann zur Auslegung des DBA herangezogen werden.
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Art. VI Abs. 4 DBA-Großbritannien stellt hinsichtlich des Dividendenbegriffs bei den
"anderen Einkünften" u.a. darauf ab, ob jene Einkünfte im Sitzstaat der
ausschüttenden Gesellschaft "den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind".
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Aus der vergleichbaren Formulierung in Art. 10 Abs. 3 des OECD-
Musterabkommens ist in der Literatur geschlossen worden, dass hierin eine
generelle Verweisung auf das innerstaatliche Recht liege: Die Vorschrift besage,
dass "die abkommensmäßige Einstufung im Endpunkt auf das nationale Recht des
Quellenstaats ausgerichtet" werden müsse, dessen Qualifikation mithin im
Ergebnis für beide Vertragstaaten verbindlich werde (Korn/Debatin,
Doppelbesteuerung, Systematik IV Rdnr. 204). Ob diese Verweisung zwingend ist,
kann dahingestellt bleiben: Jedenfalls ist ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht
zulässig.
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Eine gesetzliche Begriffsbestimmung des "Genussrechts" enthält das deutsche
Recht zwar nicht. Es handelt sich vielmehr um ein durch den Rechtsverkehr
entwickeltes Finanzierungselement (Scholz/Winter, GmbHG Komm. 9. Aufl., § 14
Anm. 67; Ziebe, BB 1984, 2210), das der Gesetzgeber zwar im Aktiengesetz -
AktG - erwähnt (§§ 160 Abs. 1 Nr. 6, 221 Abs. 3 AktG), dessen Definition er aber
ausdrücklich Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat (Lutter in Kölner
Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rdnr. 217).
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Letztlich lassen sich jedoch auch nach innerstaatlichem Recht Grundprinzipien
erkennen, die im Streitfall die Annahme von Zinszahlungen aufgrund Darlehens
rechtfertigen.
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Rechtsprechung und Literatur bilden zwar kein einheitliches Bild.
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In den Steuergesetzen ist Definition des Begriffs "Genussrecht" nicht enthalten.
Das deutsche Steuerrecht unterscheidet Genussrechte grundsätzlich danach, ob
sie einen Anteil sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös gewähren (z. B.
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) oder nicht (z. B. § 43 Abs. 1 Nr. 2
EStG). Hieraus ist zwar zu schließen, dass die Beteiligung am Gewinn und am
Liquidationserlös nicht notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines
"Genussrechts" im steuerlichen Sinne ist. Eine Abgrenzung zum partiarischen
Darlehen, die sich ggf. auf die abkommensrechtliche Problematik übertragen
ließe, fehlt indessen.
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Insbesondere teilt der Senat nicht die Auffassung der Klägerin, dass eine
steuerrechtliche Begriffsbestimmung des Genussrechts sich aus der
Rechtsprechung des BFH zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (vgl. BFH-Urteil vom 19.
Januar 1994 I R 67/92, BFHE 173, 399, BStBl II 1996, 77) oder entsprechenden
Verwaltungsanweisungen ableiten lasse. Dort geäußerte Rechtsansichten beruhen
vielmehr erklärtermaßen auf dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, der für die
daselbst gesetzte Rechtsfolge nicht nur das Vorhandensein eines Genussrechts,
sondern darüber hinaus eben auch die Beteiligung am Gewinn und am
Liquidationserlös verlangt.
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In der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur besteht jedoch Einigkeit
darüber, dass Genussrechte immer nur rein schuldrechtliche Ansprüche gegen die
Gesellschaft zum Inhalt haben, also ihrem Inhaber keinerlei mitgliedschaftliche
Berechtigungen vermitteln können (z. B. BGH-Urteile vom 5. Oktober 1992 II ZR
172/91, BGHZ 119, 305; vom 9. November 1992 II ZR 230/91, BGHZ 120, 141;
Lutter, a.a.O., § 221 Rdnr. 196).
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Nur mit diesem Inhalt sind sie wie im Aktienrecht, so auch bei einer GmbH zulässig
(Baumbach/Hueck, GmbHG Komm. 17. Aufl., § 29 Rdnr. 88 a). Übereinstimmung
herrscht ferner insofern, als es für die Abgrenzung des Genussrechts zu anderen
Finanzierungstiteln nicht auf die Bezeichnung durch die Vertragsparteien, sondern
auf den wirtschaftlichen Inhalt der gewährten Berechtigung ankommt (Lutter, a.a.O.,
§ 221 Rdnr. 217 f.). Dabei wird das Spezifikum des Genussrechts häufig dahin
umschrieben, dass es ein schuldrechtliches Gläubigerrecht sei, welches dem
Berechtigten "dieselben oder ähnliche Vermögensrechte" wie eine Aktie bzw. ein
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GmbH-Gesellschaftsanteil gewähre (Schön, JZ 1993, 925). Eine hierauf
aufbauende exakte Grenzziehung zwischen Genussrecht und - insbesondere:
partiarischem - Darlehen ist jedoch bislang nicht entwickelt worden (Lutter, a.a.O., §
221 Rdnr. 233).
Der Senat folgt jedoch den Überlegungen des Bundesgerichtshofes, die hier das
gefundene Ergebnis bestätigen.
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Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH-Urteil vom 05. Oktober
1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305; NJW 1993, 57 m.w.N.) sind die
Vertragsparteien bei der Ausgestaltung eines Genussrechtes weitgehend frei (vgl.
Stellungnahme der Bundesregierung vom 05. Oktober 1984 - BTDrucks. 10/2079
S. 8, DB 1984, 2448). Es ist danach jedoch unbestritten, dass die
mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Aktiengesellschaft gegen Einlagen nicht
durch Berechtigungen wie Genussscheine, sondern nur durch die Gewährung von
Aktien eingeräumt werden kann. Das Genussrecht ist kein gesellschaftsrechtlich
geprägtes Mitgliedschaftsrecht, sondern ein Recht, das sich in einem bestimmten
geldwerten Anspruch erschöpft.
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Trotz dieses formal schuldrechtlichen Charakters kann das Genussrecht nicht nur
obligationsähnlich, sondern auch aktienähnlich ausgestaltet sein, d.h., es kann
vermögensrechtlich Rechte und Pflichten enthalten, die denen entsprechen, die
nach dem Gesetz an die Inhaberschaft der Aktie geknüpft sind. Die mit der Aktie
verbundenen, auf der Mitgliedschaft beruhenden Mitverwaltungsrechte gewährt es
nicht. Daraus wird hergeleitet, die Angleichung der Genussrechte an die
aktienrechtliche Beteiligung könne letztlich dazu führen, dass der Geschäftsführung
Eigenkapital zur Verfügung stehe.
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Die Frage, wann dies der Fall ist, d.h. wann ein Genussrecht aktiengleich
ausgestaltet ist, wird unterschiedlich beantwortet. So wird dafür die Beteiligung am
Gewinn und am Liquidationserlös für unabdingbar gehalten. Auch wird eine
aktiengleiche Ausgestaltung dann verneint, wenn die Genussrechtsinhaber in
Höhe des Nenn- oder Ausgabewertes des Genusskapitals vor den Aktionären am
Liquidationserlös beteiligt werden.
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Jedenfalls kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofes - der hier gefolgt wird -
von einer unternehmerähnlichen Stellung nur dann ausgegangen werden, wenn -
von der Frage der gewinnunabhängigen Mindestverzinsung abgesehen - das
Kapital der Gesellschaft zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt und den
Genussrechtsinhabern eine Beteiligung am Liquidationserlös der Gesellschaft
gewährt wird. Das ist vorliegend nicht der Fall.
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Zwar ist auch im Streitfall die haftungsrechtliche Stellung der Genussrechtsinhaber
derjenigen der Aktionäre dadurch angenähert, dass die Rechte der
Gesellschaftsgläubiger Vorrang vor den Genussrechten haben. Das führt aber auch
nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht dazu, dass die
Genussrechtsinhaber den Aktionären haftungsrechtlich vollständig gleichgestellt
sind. Vielmehr ist das Genusskapital durch den Rangrücktritt gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern und die im Verhältnis zu Fremdverbindlichkeiten lange
Laufzeit von 10 Jahren lediglich in höherem Maße risikobehaftet als das der
übrigen Gläubiger.
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Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass der Genussrechtsinhaber in
Konstellationen wie jener des Entscheidungsfalles keine mitgliedschaftliche
Stellung an der emittierenden Gesellschaft hat.
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Auch diesen Gesichtspunkt sieht der Senat als entscheidend an.
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B.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 155
FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S.1 ZPO.
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C.
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Die Revision war zuzulassen, denn es ist ein Revisionsgrund gegeben: Der Rechtsstreit
hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
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I.
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Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn
die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der
Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts
berührt (vgl. BFH vom 17. September 1974 VII B 112/73, BStBl II 1975, 196).
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Eine Grundsatzrevision ist dementsprechend zuzulassen, wenn eine aufgeworfene
Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. hierzu BFH vom 07. März 1994 V B 95/93,
BFH/NV 1995, 650).
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II.
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Die genannten Erfordernisse sind im Streitfall erfüllt. Ob die Nichtbeteiligung am
Liquidationserlös bzw. den stillen Reserven trotz - freilich geringer - Gefahr der
Kapitaleinbuße für die Annahme eines Darlehensverhältnisses bei der Ausgabe von
Genussscheinen ausreicht, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
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