Urteil des FG Köln vom 14.01.2010

FG Köln (kläger, höhe, bestand, körperschaft, auflösung der stiftung, ermittlung, konto, verhältnis zwischen, eigenkapital, einlage)

Finanzgericht Köln, 13 K 3157/05
Datum:
14.01.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3157/05
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, den Bestand des steuerlichen
Einlagekontos ge-mäß § 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) zum 31. Dezember 2001 in Höhe von ... € und zum 31. Dezember
2002 in Höhe von ... € festzustel-len.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 30 v.H. und der
Beklagte zu 70 v.H.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung
durch den Kläger in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers
vorläufig voll-streckbar.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über den gemäß § 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in
der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts
(Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 2001, BGBl I
2001, 3858; im Folgenden KStG) gesondert festzustellenden Bestand des steuerlichen
Einlagenkontos gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG zum 31. Dezember 2001 und 2002.
2
Der Kläger ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts N unter der Nummer VR ...
eingetragener nicht wirtschaftlicher Verein (§ 21 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB).
Er ist nicht als gemeinnützig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer
befreit. Neben seinem ideellen Satzungsbereich unterhält er einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb. Im Rahmen dieses wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs betreibt er eine
F.
3
Ursprünglich ermittelte der Kläger den Gewinn seines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahr 1999 wechselte er zur Gewinnermittlung
durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG. In den Jahren 1999 bis
4
durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG. In den Jahren 1999 bis
2002 erzielte er folgende Ergebnisse:
1999
2000
2001
2002
Ergebnis
./. ... DM (ohne Übergangsverlust)
./. ... DM
+ ... DM
./. ... €
5
In den Bilanzen ist unter dem Bilanzposten "Sonstige Verbindlichkeiten" ein
Verrechnungskonto "Vereinsleben" (Buchhaltungskonto 1374) mit folgenden Salden
ausgewiesen:
6
1999
2000
2001
2002
Saldo
... DM
... DM
... DM
... €
7
Das in den Bilanzen ausgewiesene Kapital des Klägers entwickelte sich ausgehend
von einem Anfangskapital zum 1. Januar 1999 in Höhe von ... DM und unter
Berücksichtigung der in den Folgejahren erzielten Ergebnisse wie folgt:
8
1.1.1999
31.12.1999
31.12.2000
31.12.2001
31.12.2002
... DM
... DM
... DM
... DM
./. ... €
9
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1982 bis 1984 (BP-Bericht vom 21.
Dezember 1987) schätzte der Beklagte, dass in den Mitgliedsbeiträgen
Leistungsentgelte (Bahnbenutzungsgebühren) in Höhe von 41,44% der
Mitgliedsbeiträge enthalten gewesen seien. Die vereinnahmten Beiträge betrugen ... DM
in 1982, ... DM in 1983 und ... DM in 1984, die Bahnentgelte dementsprechend ... DM in
1982, ... DM in 1983 und ... DM in 1984.
10
Eine Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 1993 (UStSoPr-Bericht vom 7. November
1995) stellte – ebenfalls im Schätzungswege – fest, dass im Jahr 1993 in den
Mitgliedsbeiträgen Entgelte für Bahnbenutzung in Höhe von 74,44% der
Mitgliedsbeiträge enthalten gewesen seien. Die insgesamt vereinnahmten Beiträge in
Höhe von ... DM entfielen danach in Höhe von ... DM auf echte Mitgliedsbeiträge und in
Höhe von ... DM auf Bahnentgelte. Der Kläger hatte dagegen nur 42,73% der Beiträge (=
... DM) als umsatzsteuerpflichtige Bahnentgelte behandelt
11
Eine Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 stellte fest, dass die Beiträge der
aktiven Mitglieder zu 85,71% und die ermäßigten Beiträge der aktiven Mitglieder zu
85,5% auf Bahnentgelte entfallen; der Kläger hatte dagegen, leicht abweichend von
dieser Feststellung, nur 84% der Beiträge der aktiven Mitglieder und 83,5% der
ermäßigten Beiträge der aktiven Mitglieder als Bahnentgelte behandelt.
12
Im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagungen für die Jahre 2001 und 2002 stellte
13
der Beklagte den Bestand des steuerlichen Einlagekontos des Klägers auf den 31.
Dezember 2001 und 2002 durch Bescheide vom 29. Dezember 2003 gemäß § 27 Abs.
2, Abs. 7 KStG auf jeweils Null € fest. Beide Bescheide ergingen, ebenso wie die
Bescheide über Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge sowie die
entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).
Gegen die Feststellungsbescheide gemäß § 27 Abs. 2 KStG legte der Kläger am 27.
Januar 2004 Einsprüche ein, die er nicht näher begründete. Der Beklagte wies die
Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2004 als unbegründet
zurück. Ebenfalls am 9. Dezember 2004 wurden die Vorbehalte der Nachprüfung
hinsichtlich der Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge
und über die entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide aufgehoben. Der Vorbehalt
der Nachprüfung hinsichtlich der Feststellungsbescheide gemäß § 27 Abs. 2 KStG
wurde im Rahmen der Einspruchsentscheidung nicht aufgehoben.
14
Am 7. Januar 2005 beantragte der Kläger gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 172
Abs. 1 Nr. 2 AO, die Feststellungsbescheide gemäß § 27 Abs. 2 KStG aufzuheben, da
eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nur für Kapitalgesellschaften
durchzuführen sei. Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter Hinweis auf § 27 Abs. 7
KStG mit Bescheid vom 12. Januar 2005 ab. Diesen Ablehnungsbescheid erhielt der
Kläger jedoch nicht. Am 11. April 2005 beantragte der Kläger, bei der "Entscheidung
über die Einsprüche" zu berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb
bisher defizitär gewesen sei. Hieraus folge, dass im Rahmen der
Feststellungserklärungen ausschließlich Bestände von EK 02/04 festgestellt werden
könnten. Am 15. April 2005 gab der Beklagte dem Kläger den Ablehnungsbescheid vom
12. Januar 2005 erstmals per Telefax bekannt.
15
Am 17. Mai 2005 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein. Er
beantragte die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos im Hinblick auf § 20
Abs. 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Der Kläger weise in seiner
Bilanz zum 31. Dezember 2002 ein Verrechnungskonto "Vereinsleben" mit einem Saldo
in Höhe von ... € aus. Dieses Konto sei aus der Umstellung der Gewinnermittlungsart
von der Einnahme-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zum
Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG entstanden und habe dem Grunde
nach Kapitalcharakter. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb habe seit seinem Bestehen
ausschließlich Verluste erwirtschaftet. Das Konto "Vereinsleben" weise demnach
Einlagen im Sinne des § 27 KStG aus, die mit den Verlusten verrechnet worden seien.
Aus Vereinfachungsgründen müsse das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember
2002 in Höhe des Saldos des Verrechnungskontos "Vereinsleben", mithin in Höhe von
... € festgestellt werden.
16
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 als
unbegründet zurück, da der Kläger seinen Einspruch nicht begründet habe. Darüber
hinaus ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das steuerliche Einlagekonto wie
vom Kläger beantragt festzustellen sei. Insbesondere sei der Korrektivposten aus dem
Übergang der Gewinnermittlungsart keine Einlage im Sinne des § 27 KStG.
17
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 3. August 2005
erhobenen Klage. Er begehrte nunmehr, zum 31. Dezember 2001 einen Bestand des
steuerlichen Einlagekontos in Höhe von ... € und zum 31. Dezember 2002 in Höhe von
18
... € festzustellen.
Bis zum Veranlagungszeitraum 2000 habe das Körperschaftsteuergesetz eine
körperschaftsteuerliche Gliederung des Eigenkapitals für eingetragene Vereine nicht
vorgesehen. Dementsprechend lägen solche Feststellungen für den Kläger nicht vor.
Aufgrund der Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei eine Feststellung des
steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2001 erstmals erforderlich geworden.
Eine Aufschlüsselung von Einlagen, Entnahmen und Verlusten sei für die
Vergangenheit nicht mehr möglich. In der Vergangenheit seien aber Einlagen erfolgt.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb habe seit seinem Bestehen dauerhaft defizitär
gewirtschaftet.
19
Im Rahmen der Bilanzierung seit dem Jahr 1999 würden Einlagen aus dem ideellen
Bereich des Klägers auf dem Verrechnungskonto "Vereinsleben" verbucht. Die Führung
dieses Kontos sei erforderlich, da sämtliche Bankkonten des Vereins dem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet seien. Wenn über die Bank
Geschäftsvorfälle des ideellen Bereichs abgewickelt würden, so würde buchhalterisch
die Gegenbuchung auf dem Verrechnungskonto "Vereinsleben" vorgenommen. Der
größte Teil der Zugänge auf diesem Konto sei durch die Verbuchung des ideellen
Anteils der Mitgliedsbeiträge verursacht. Der Anfangsbestand dieses Kontos wurde im
Rahmen der Umstellung der Gewinnermittlungsart durch Bildung der Differenz zwischen
Vermögensgegenständen und Schulden ermittelt. Eine Saldierung von Einlagen,
Entnahmen und Verlusten der Vergangenheit sei an dieser Stelle bereits erfolgt. Das
Konto sei seit dem Jahr 1989 buchhalterisch fortentwickelt worden. Zum 31. Dezember
1989 habe der Schlusssaldo ... DM betragen, zum 31. Dezember 2002 dann ... € (= ...
DM). Der durchschnittliche Zugang habe damit ... DM pro Jahr betragen. Dieser
durchschnittliche Zugang ließe sich schlüssig aus dem kontinuierlichen Zugang der
echten Mitgliedsbeiträge herleiten.
20
Im Rahmen einer systematisch zutreffenden Besteuerung müsse im Hinblick auf die
Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG die Ermittlung des Anfangsbestands des
steuerlichen Einlagekontos im Schätzungswege erfolgen. Zur Schätzung müsse der
Saldo des Verrechnungskontos "Vereinsleben" herangezogen werden. Aufgrund der
permanenten Verlustsituation stünde fest, dass das steuerliche Eigenkapital keine EK
45/40 Bestände enthalten könne.
21
Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die Einnahmen des Klägers über einen Zeitraum
von ca. 20 Jahren in solche des ideellen und solche des wirtschaftlichen Bereichs
aufzuteilen, haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über den
Bestand der in der Vergangenheit erzielten Einnahmen des ideellen Bereichs, die nicht
durch Verluste des wirtschaftlichen Bereichs verrechnet wurden, tatsächlich verständigt.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Berichte über die Betriebsprüfung
für die Jahre 1982 bis 1984, über die Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 1993 und
über die Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 sind die Beteiligten auf Vorschlag
des erkennenden Senats dahingehend übereingekommen, dass die Summe der aus
dem ideellen Bereich bis zum 31. Dezember 2001 in den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb transferierten und dort nicht durch den Ausgleich von Verlusten
verbrauchten Beträge noch ... € beträgt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2010 verwiesen.
22
Der Kläger beantragt nunmehr,
23
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung das
steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 2 KStG auf den 31. Dezember 2001
auf ... € und auf den 31. Dezember 2002 auf ... € festzustellen.
24
Der Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen,
26
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
27
Nach seiner Auffassung sind keine Einlagen im Sinne des § 27 Abs. 1 KStG
nachgewiesen. Das Verrechnungskonto "Vereinsleben" könne schon deshalb keine
Einlagen enthalten, weil es sich um Fremdkapital handele. Mitgliedsbeiträge könnten
keine Einlagen sein, da diese keine freiwilligen Leistungen seien, sondern
zweckgebundene Beiträge zur Finanzierung des ideellen Bereichs, die nicht ohne
weiteres wieder entnommen werden könnten. Es sei zudem unklar, inwieweit in den
Verrechnungskonto "Vereinsleben" überhaupt Mitgliedsbeiträge enthalten seien.
28
Entscheidungsgründe
29
I. Die Klage ist zulässig.
30
Insbesondere wurde ein Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) erfolglos durchgeführt. Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein
außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage vorbehaltlich der §§ 45, 46 FGO
nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz
oder zum Teil erfolglos geblieben ist.
31
Der Kläger hat ursprünglich die Aufhebung der Feststellungsbescheide gemäß § 27
Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 7 KStG beantragt. Im Rahmen seines Einspruchs gegen die
Ablehnung der Aufhebung der Bescheide hat der Kläger erstmals begehrt, einen von
Null € zu seinen Gunsten abweichenden Bestand des steuerlichen Einlagekontos
festzustellen. Dies hat der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember
2004 abgelehnt. Dadurch hat der Beklagte aber nicht erstmalig über einen Antrag des
Klägers entschieden, so dass ein Einspruchsverfahren noch durchzuführen wäre.
Vielmehr hat der Beklagte bereits über einen Einspruch gemäß § 367 AO entschieden.
Gemäß § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet,
die Sache in vollem Umfang zu überprüfen. Im Rahmen der Entscheidung über den
Einspruch gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung eines Bescheids ist
daher auch darüber zu entscheiden, ob der Bescheid zu Gunsten des Einspruchsführers
zu ändern ist. Das Änderungsbegehren ist im Aufhebungsbegehren als "Minus"
enthalten. Diesem Gedanken entspricht es, dass der Beklagte trotz des erstmals
geäußerten Änderungsbegehren keinen – weiteren – Ablehnungsbescheid, sondern
eine Einspruchsentscheidung erlassen hat.
32
II. Die Klage ist auch begründet.
33
Der Ablehnungsbescheid vom 12. Januar 2005, erstmals bekannt gegeben am 15. April
2005, und die Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 sind rechtswidrig und verletzen
den Kläger in seinen Rechten. Zu Unrecht hat es der Beklagte abgelehnt, die Bescheide
34
über die gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos vom 29.
Dezember 2003 zu ändern und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos gemäß §
27 Abs. 2 KStG zum 31. Dezember 2001 in Höhe von ... € und zum 31. Dezember 2002
in Höhe von ... € festzustellen. Da die Sache spruchreif ist, war der Beklagte zum Erlass
der beantragten Änderungsbescheide zu verpflichten (§ 101 Satz 1 FGO).
1. Zutreffend gehen die Beteiligten nunmehr übereinstimmend davon aus, dass für den
Kläger ein steuerliches Einlagekonto im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG zu führen
und dessen Bestand gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gesondert festzustellen ist.
35
a. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG ist der Bestand des steuerlichen Einlagekontos einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft zum Schluss eines jeden
Wirtschaftsjahres gesondert festzustellen. Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid für
den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt
(vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG). Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem
Bestand des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um die jeweiligen Zu- und Abgänge
des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben. Die gesonderte Feststellung erfolgt gemäß § 34
Abs. 1 und 4 KStG bei Wirtschaftsjahren, die – wie im Streitfall – dem Kalenderjahr
entsprechen, erstmals auf den 31. Dezember 2001.
36
Die Regelungen in § 27 Abs. 1 bis 6 KStG über das steuerliche Einlagekonto gelten
gemäß § 27 Abs. 7 KStG sinngemäß auch für andere Körperschaften und
Personenvereinigungen, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 und 10 EStG
gewähren können. Dabei reicht die theoretische Möglichkeit, derartige Leistungen
erbringen zu können, aus, eine tatsächliche Erbringung von Leistungen in diesem Sinne
ist nicht erforderlich (Antweiler in Ernst & Young, KStG, § 27 Rz 256; Heger in Gosch,
KStG, 2. Aufl., § 27 Rz 7). Andere Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne
des § 27 Abs. 7 KStG i.V.m. § 20 Abs.1 Nr. 9 EStG sind insbesondere
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sowie wirtschaftliche Vereine, deren
mitgliedschaftliche Rechte wirtschaftlich einer kapitalmäßigen Beteiligung
gleichkommen und die Ausschüttungen oder wirtschaftlich vergleichbare Leistungen
gegenüber ihren Mitgliedern vornehmen.
37
b. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 27 Abs. 7 KStG in Verbindung mit § 20
Abs. 1 Nr. 9 EStG. Als gemäß § 21 BGB eingetragener Verein mit Sitz im Inland ist der
Kläger eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft, die Leistungen gegenüber ihren
Mitgliedern vornehmen kann, die der Ausschüttung laufenden Gewinns sowie der
Auskehrung von nach der Auflösung der Körperschaft angefallenen Bezügen
wirtschaftlich entsprechen. An der Ausschüttungsfähigkeit von Vereinen bestehen nach
der Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG keine Zweifel mehr (vgl. Gosch, KStG, § 8
Rz 1345).
38
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 EStG sind Einkünfte aus Kapitalvermögen
Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten
Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr.
3 bis 5 KStG, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen im Sinne der Nr. 1 gehören.
Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.
Dezember 2008 (BGBl I 2001, 3858) wurde der Tatbestand dahingehend eingeschränkt,
dass die Leistung "einer Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
vergleichbar" sein müsse. Die von Vereinen gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten
Leistungen können Gewinnausschüttungen in diesem Sinne wirtschaftlich vergleichbar
39
sein, zumindest dann, wenn die Leistungen des Vereins nicht in Erfüllung der
satzungsmäßigen Aufgaben des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern erbracht werden
und keine Gegenleistung im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustauschs
darstellen (BR-Drucks. 638/01, 54; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG,
§ 20 Rz JA 11; Geurts in Bordewin/Brandt, EStG, § 20 Rz 376; Stuhrmann in Blümich,
EStG, § 20 Rz 315b; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 20 Rz 751). Insbesondere
auch verdeckte Gewinnausschüttungen stellen Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr.
9 EStG dar (Gosch, KStG, § 8 Rz 1345).
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des
Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) gehören dazu
auch Bezüge, die nach der Auflösung der Körperschaft oder Personenvereinigung im
Sinne der Nr. 1 anfallen und die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen
sowie Bezüge, die auf Grund einer Kapitalherabsetzung oder nach der Auflösung einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung im Sinne der
Nummer 1 anfallen und die als Gewinnausschüttung im Sinne des § 28 Absatz 2 Sätze
2 und 4 KStG gelten. Nach der Gesetzbegründung (vgl. BT-Drucks. 16/2712, 49)
handelte es sich bei dieser Änderung lediglich um eine gesetzgeberische Klarstellung
des bereits zuvor geltenden Rechtszustands. Die Gesetzeslage wurde der Auffassung
der Finanzverwaltung hinsichtlich der Zuwendungen von Stiftungen an deren
Destinatäre im Fall der Auflösung der Stiftung schon in den Jahren vor 2007 (BMF-
Schreiben vom 27. Juni 2006, IV B 7 – S 2252 – 4/06, BStBl I 2006, 417) angepasst. In
der Literatur dagegen war zuvor die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf
Auszahlungen im Rahmen der Liquidation von Körperschaften überwiegend abgelehnt
worden (Koss in Lademann/Söffing/Brockhoff, EStG, § 20 a.F. Rz 564 m.w.N., der die
gesetzliche Neufassung nicht als Klarstellung, sondern als Einführung eines
unsystematisches Besteuerungstatbestands ansieht; Wassermeyer in
Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 20 Rz JA 11; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG, §
20 Rz 753; zustimmend zur Neuregelung Stuhrmann in Blümich, EStG, § 20 Rz 315c;
Geurts in Bordewin/Brandt, EStG, § 20 Rz 376).
40
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Bestand des steuerlichen
Einlagekontos für die Streitjahre aber nicht mit jeweils Null €, sondern zum 31.
Dezember 2001 in Höhe von ... € und zum 31. Dezember 2002 in Höhe von ... €
festzustellen. In Höhe von ... € sind in der Vergangenheit – erstmals festzustellen zum
31. Dezember 2001 – Einlagen in das Betriebsvermögen des wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs des Klägers im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG geleistet und
bisher nicht verbraucht worden. Bis zum 31. Dezember 2002 wurde der Bestand des
Einlagekontos durch weitere Einlagen um 18.000 € im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2
KStG erhöht.
41
a. Die erstmalige Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos ist für Kapitalgesellschaften
in §§ 39, 36 Abs. 7 KStG geregelt. Ausgangspunkt für die erstmalige Ermittlung des
steuerlichen Einlagekontos ist bei Kapitalgesellschaften gemäß § 39 Abs. 1 KStG 1999
der nach § 36 Abs. 7 KStG 1999 festgestellte positive Betrag an Einlagen der
Anteilseigner, die das Eigenkapital in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen
Wirtschaftsjahren erhöht haben (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 vor Einführung des so
genannten Halbeinkünfteverfahrens – KStG 1999 –, sog. EK 04).
42
Wie der Anfangsbestand des Einlagekontos bei Körperschaften, die unter Geltung des
Anrechnungsverfahrens nicht zur Gliederung ihres Eigenkapitals verpflichtet waren und
43
nunmehr gemäß § 27 Abs. 7 KStG erstmals ein steuerliches Einlagenkonto führen
müssen, zu ermitteln ist, ist dagegen nicht ausdrücklich geregelt. Nach § 30 Abs. 3 KStG
1999 war bei Kapitalgesellschaften, die ihr Eigenkapital erstmals zu gliedern hatten, das
in der Eröffnungsbilanz auszuweisende Kapital, soweit es das Nennkapital überstieg,
dem EK 04 zuzuordnen. Eine entsprechende Regelung für Körperschaften, die erstmals
zur Führung eines steuerlichen Einlagekontos verpflichtet sind, fehlt im neuen Recht, so
dass nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich bei diesen Körperschaften
von einem Anfangsbestand von Null DM bzw. € auszugehen ist (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 4. Juni 2003, BStBl I 2003, 366 Rz 5).
Die Finanzverwaltung sieht allerdings in dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung für
diese Fälle eine Regelungslücke und schließt diese im BMF-Schreiben vom 11.
September 2002 (A 2-S 1910-194/02, BStBl I 2002, 935, Tz. 13, 25) für Betriebe
gewerblicher Art (BgA) sowie im BMF-Schreiben vom 10. November 2005 (B 7-S 2706
a-6/05, BStBl I 2005, 1029, Tz 6) für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (wiGB) von
körperschaftsteuerbefreiten Körperschaften, dahingehend, dass sie, ausgehend von der
Steuerbilanz, im Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos alle im Zeitpunkt des
Systemwechsels noch vorhandenen Eigenkapitalanteile, die das Nennkapital bzw. eine
vergleichbare Kapitalgröße des BgA übersteigen, erfasst. Zum Anfangsbestand des
steuerlichen Einlagekontos rechnet die Finanzverwaltung damit neben der vormals
geleisteten Einlagen auch Altgewinnrücklagen, um eine nochmalige Besteuerung von in
der Zeit vor dem Systemwechsel bereits mit 40 % definitiv besteuerten Gewinnen zu
vermeiden. Nach dieser Auffassung handelt es sich beim steuerlichen Einlagekonto um
das steuerbilanzielle Eigenkapital, vermindert um das gezeichnete Kapital. In diesen
Fällen ist der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos trotz fehlender
gesetzlichen Regelung nicht mit Null € anzusetzen.
44
Der Bundesfinanzhof hat diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich der
Ermittlung des Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos von BgA bestätigt
(BFH-Urteile vom 9. April 2008 I R 68-70/06, GmbHR 2008, 1111; vom 21. August 2007
I R 78/06, BFHE 218, 515, BStBl II 2008, 317). Bei BgA soll über den Wortlaut des § 27
KStG hinaus nicht ein Anfangsbestand von Null € zugrunde zu legen sein, sondern das
im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandene Eigenkapital, soweit es das Nennkapital
oder eine vergleichbare Kapitalgröße übersteigt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass
Teile des Eigenkapitals, die aus Gewinnrücklagen gebildet wurden und daher bereits
einem Körperschaftsteuersatz von 40 % oder mehr unterlegen haben, systemwidrig
einer Kapitalertragsteuerbelastung von 10 % unterzogen würden. Da bei BgA
regelmäßig nicht mehr festgestellt werden könne, ob das zum Zeitpunkt des
Systemwechsels vorhandene Eigenkapital aus Gewinnrücklagen oder aus Einlagen
stammt, solle aus Vereinfachungsgründen das gesamte noch vorhandene Eigenkapital
in das steuerliche Einlagekonto eingestellt werden. Diese Gesetzesauslegung wird
auch von der Literatur für zutreffend gehalten (Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 27
Rz. 109a; Heger in Gosch, KStG, § 27 Rz. 59; Krämer in Dötsch/Pung/Jost/Witt, KStG, §
27 Rz 81ff.).
45
Zu der Ermittlung des Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos bei
Körperschaften, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erbringen können,
sind derartige, die gesetzliche Lücke ausfüllende, Verwaltungsanweisungen bislang
nicht ergangen.
46
b. Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die von der Finanzverwaltung
47
aufgestellten und vom BFH bestätigten Grundsätze hinsichtlich der BgA und hinsichtlich
der wiGB von körperschaftsteuerbefreiten Körperschaften auf Körperschaften, die
Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erbringen können, zu übertragen (vgl.
in diesem Sinn auch Dötsch in Dötsch/Pung/Jost/Witt, KStG, § 27 Rz 32, 252; Frotscher
in Frotscher/Maas, KStG, § 27 Rz 108). Auf dem steuerlichen Einlagekonto von
Körperschaften, die nach dem Wechsel vom körperschaftsteuerlichen
Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren gemäß § 27 Abs. 7 KStG i.V.m.
§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erstmals ein steuerliches Einlagekonto zu führen haben, sind
nicht nur die nach dem Systemwechsel geleisteten Einlagen auszuweisen, sondern
auch diejenigen, die vor dem Systemwechsel geleistet wurden und die noch im
Vermögen der Körperschaft vorhanden sind.
Der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG wurde, ebenso wie der Tatbestand des § 20
Abs. 1 Nr. 10 EStG, durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG vom 23. Oktober 2000,
BGBl I 2000, 1433) in das EStG eingeführt. Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens
unterlagen die Gewinne der in § 1 Abs. 3-5 KStG genannten Körperschaften einer
definitiven Körperschaftsteuer von 40 %. Vermögensübertragungen an die hinter diesen
Körperschaften stehenden Personen bewirkten keine zusätzliche steuerliche Belastung.
Ab dem Jahr 2001 sollten die Gewinne aller unbeschränkt steuerpflichtigen
Körperschaften unabhängig von der Verwendung der Gewinne einem einheitlichen
Körperschaftsteuersatz von 25 % unterliegen. Aus Gründen steuerlicher
Gleichbehandlung hielt es der Gesetzgeber für geboten, Vermögensübertragungen an
die hinter diesen Körperschaften stehenden Personen (Anteilseigner,
Trägerkörperschaften), die keine Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG darstellten, durch Schaffung dieser neuen steuerlichen Tatbestände auf der
Ebene der "Anteilseigner" steuerlich zu erfassen (BT-Drucks 14/2683, 114; vgl. auch
Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, KStG, § 20 Rz JA 1 ff.).
48
Die unter dem Anrechnungsverfahren geltende steuerliche Behandlung der
Rückgewähr von Einlagen sollte auch nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens
beibehalten werden, so dass diese auch weiterhin nicht zu steuerpflichtigen
Beteiligungserträgen führen sollten (BT-Drucks. 14/2683, 125). Aus diesem Grund
gehören Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9, 10 EStG dann nicht zu den
steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie aus Leistungen der
Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß § 27
KStG als verwendet gelten.
49
Vor diesem Hintergrund müssen auch bei Körperschaften, die Leistungen im Sinne des
§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erbringen können, Einlagen, die vor dem Systemwechsel
erbracht und nicht durch Verluste verbraucht worden sind, bei der erstmaligen Ermittlung
des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos berücksichtigt werden. Andernfalls wäre
zu befürchten, dass künftig Leistungen auf der Ebene der Vereinsmitglieder nach § 20
Abs. 1 Nr. 9 EStG besteuert würden, obwohl es sich bei diesen Leistungen materiell um
eine Einlagerückgewähr handeln würde. Dies wäre mit dem gesetzgeberischen Willen,
die Einlagerückgewähr wie unter Geltung des Anrechnungsverfahrens auch im
Halbeinkünfteverfahren von der Besteuerung auszunehmen, nicht in Einklang zu
bringen.
50
Auch die erforderliche Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften gebietet es, vor dem
Systemwechsel geleistete Einlagen in die wirtschaftliche Sphäre von Vereinen auf dem
steuerlichen Einlagekonto zu erfassen (vgl. im Ergebnis auch Bauschatz in Gosch,
51
KStG, § 39 Rz 17). Bei Kapitalgesellschaften, die im Rahmen des
Anrechnungsverfahrens zur Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals verpflichtet
waren, ist ein sich nach § 36 Abs. 7 KStG ergebender positiver Endbetrag des
Teilbetrags im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 (EK 04) als Anfangsbestand des
steuerlichen Einlagekontos zu erfassen. Im EK 04 aber wurden während der Geltung
des Anrechnungsverfahrens Einlagen der Anteilseigner erfasst, welche das
Eigenkapital in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht
haben.
Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund liegt nach Auffassung des
erkennenden Senats nicht vor. Insbesondere lässt sich nicht zur Rechtfertigung
anführen, dass bei Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Gliederung des verwendbaren
Eigenkapitals feststeht, in welchem Umfang in der Vergangenheit Einlagen erbracht
wurden, dies aber für Körperschaften, die erstmals gemäß § 27 Abs. 7 KStG i.V.m. § 20
Abs. 1 Nr. 9 EStG zur Führung eines steuerlichen Einlagekontos verpflichtet sind, nicht
gilt. Dies würde dazu führen, dass Kapitalrückzahlungen unter Verstoß gegen das
Leistungsfähigkeitsprinzip der Ertragsbesteuerung unterlägen (Bauschatz, a.a.O.).
Außerdem haben Finanzverwaltung und BFH hinsichtlich der Alteinlagen bei BgA und
wiGB steuerbefreiter Körperschaften eine Lösung für dieses technische Problem
gefunden. Alteinlagen bei anderen Körperschaften dagegen nicht im steuerlichen
Einlagekonto zu erfassen, wäre eine Benachteiligung dieser Körperschaften nicht nur
gegenüber den Kapitalgesellschaften, sondern auch gegenüber BgA und wiGB
steuerbefreiter Körperschaften.
52
c. Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob entsprechend der Ermittlung des
Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos von BgA und wiGB steuerbefreiter
Körperschaften neben Alteinlagen auch noch im Betriebsvermögen vorhandene
Gewinnrücklagen als Anfangsbestand festzustellen sind. Nach dem Vorbringen des
Klägers sind in seiner wirtschaftlichen Sphäre in der Vergangenheit ausschließlich
Verluste erwirtschaftet worden, so dass das Vorliegen von mit 40% Körperschaftsteuer
belasteten Gewinnrücklagen ausgeschlossen ist.
53
Der erkennende Senat folgt dem Kläger in seiner Auffassung, dass das
"Verrechnungskontos Vereinsleben" für die Ermittlung des Anfangsbestands des
steuerlichen Einlagekontos heranzuziehen ist. Bei den auf dem "Verrechnungskonto
Vereinsleben" ausgewiesenen Beträgen handelt es sich dem Grunde nach (allerdings
nicht vollständig) um hinreichend nachgewiesene, in der Zeit vor dem Systemwechsel in
die wirtschaftliche Sphäre des Klägers geleistete Einlagen im Sinne des § 27 Abs. 1
KStG.
54
Das steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 KStG ist ein steuerliches Konto
außerhalb der handelsrechtlichen Buchführung und damit kein Konto im
buchhalterischen Sinn (Antweiler in Ernst & Young, KStG, § 27 Rz 15.13; Heger in
Gosch, KStG, § 27 Rz 12; Dötsch in Dötsch/Pung/Jost/Witt, KStG, § 27 Rz 33). Für die
Erfassung von Beträgen auf diesem Konto ist daher allein maßgeblich, ob es sich um
Einlagen im steuerrechtlichen Sinne handelt; der handelsrechtliche Einlagebegriff ist
nicht heranzuziehen (Dötsch, a.a.O., Rz 37; Heger, a.a.O.).
55
Der Begriff der Einlage ist in den Steuergesetzen nicht definiert. Nach § 4 Abs. 1 Satz 7
EStG sind Einlagen alle Wirtschaftsgüter (Bareinlagen und sonstige Wirtschaftsgüter),
die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat. Der
56
BFH definiert die Einlage im Falle einer Kapitalgesellschaft als Zuwendung eines
einlagefähigen Vermögensvorteils seitens des Anteilseigners oder einer ihm
nahestehenden Person an seine Kapitalgesellschaft, die ihre Ursache im
Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. bspw. BFH-Urteil vom 14. Juli 2009 IX R 6/09, BFH/NV
2010, 397; ähnlich BFH-Urteil vom 28. April 2004 I R 20/03, BFH/NV 2005, 19;
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151,
523, BStBl II 1988, 348). Nach § 4 Abs. 1 EStG sind bei der Ermittlung des steuerlichen
Gewinns Erhöhungen des Betriebsvermögens durch Einlagen auszuscheiden. Dies gilt
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG auch für verdeckte Einlagen. Einlagen sind kein Indikator
individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sollen dementsprechend steuerlich
nicht erfasst werden. Es handelt sich um Vermögensmehrungen aus dem
außerbetrieblichen Bereich des Unternehmens, um betriebsfremde Vorgänge, die zu
neutralisieren sind (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 3/04, BFHE 211, 339,
BStBl II 2008, 809 mit umfangreichen Nachweisen).
Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die auf dem "Verrechnungskonto
Vereinsleben" ausgewiesenen Einlagen den Gewinn des Klägers aus seiner
wirtschaftlichen Betätigung nicht erhöhen durften und auf dem steuerlichen
Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 KStG auszuweisen sind. Das "Verrechnungskonto
Vereinsleben" bildet beim Kläger nach seinem unwidersprochenen Vortrag den nicht
steuerbaren Satzungs- bzw. Mitgliederbereich ab, den ideellen Vermögensbereich des
Klägers.
57
Bei der Gewinnermittlung von gemeinnützigen und damit nur partiell steuerpflichtigen
Körperschaften ist anerkannt, dass Vermögensübertragungen zwischen dem nicht
steuerbaren ideellen Bereich und dem steuerbaren und steuerpflichtigen
wirtschaftlichen Bereich (im Rahmen eines wiGB) nach den Grundsätzen der Einlagen
und Entnahmen zu behandeln sind (vgl. bspw. Bott in Schauhoff, Handbuch der
Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., § 7 Rz 96ff., 101; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und
Spendenrecht, 2008, § 7 Rz 49; Heger in Gosch, KStG, § 5 Rz 65f., 79; Fischer in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 64 AO Rz 52,
alle m.w.N.). Diese Grundsätze sind auch auf Vermögensübertragungen zwischen der
betrieblichen und der außerbetrieblichen (wenn auch nicht steuerbefreiten) Sphäre
eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft anzuwenden. Auch solche
Körperschaften können einen nicht steuerrelevanten Mitglieder- bzw. Satzungsbereich
haben, der von der wirtschaftlichen Sphäre der Körperschaft abzugrenzen ist (BFH-
Urteil vom 19. November 2003 I R 33/02, BFHE 204, 21, BFH/NV 2004, 445). Erfolgt
eine Übertragung eines einlagefähigen Vermögensgegenstandes aus diesem nicht
steuerrelevanten Bereich in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Bereich der nicht
steuerbefreiten Körperschaft, so ist auch diese Vermögenszuführung nach den
Grundsätzen der Behandlung von Einlagen aus der Gewinnermittlung auszuscheiden.
Auch in diesem Fall beruht die mit der Vermögensübertragung verbundene Erhöhung
des Betriebsvermögens des wirtschaftlichen Bereichs der Körperschaft nicht auf deren
wirtschaftlicher, steuerrelevanter Tätigkeit. Eine solche außerbetriebliche
Vermögenszuführung, die auf dem Mitgliedschaftsverhältnis und dem Verhältnis
zwischen den verschiedenen Sphären der Körperschaft beruht, ist als Einlage im Sinne
des § 27 Abs. 1 KStG anzusehen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Besteuerung
auf der Ebene der Mitglieder konsequent. Die Auskehrung dieser Beträge an die
Mitglieder, bspw. im Rahmen der Auflösung und Liquidation des Vereins würden
andernfalls gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 EStG bei den
Mitgliedern besteuert. Dies aber widerspräche dem gesetzgeberischen Konzept,
58
wonach "Kapitalrückzahlungen" steuerlich nicht zu erfassen sind.
Bei dieser Betrachtung ist es nicht erheblich, dass der Kläger die aus dem ideellen
Bereich stammenden und dem wirtschaftlichen Bereich zugeordneten
Vermögenszuwächse nicht ausdrücklich als Einlagen gekennzeichnet, sondern ein
"Verrechnungskonto" geführt, den Vermögenszuwächsen entsprechende
Verbindlichkeiten gegengebucht und damit diese Beträge formal als Fremdkapital
ausgewiesen hat. Bei den formal als Verbindlichkeiten gegenüber dem nicht
steuerrelevanten Bereich gebuchten Beträgen konnte es sich materiell nicht um
passivierbare Verbindlichkeiten handeln. Denn die Annahme verschiedener
Vermögenssphären im Rahmen einer Körperschaft führt nicht dazu, dass zwischen
diesen Vermögenssphären schuldrechtliche Rechte und Pflichten begründet werden
könnten. Damit handelte es sich bei den insoweit ausgewiesenen Verbindlichkeiten um
"Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger selbst"; derartige Verbindlichkeiten aber
können nicht passiviert werden (vgl. bspw. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., §
246 Rz 13). Bei zutreffender buchhalterischer Behandlung hätte der Kläger vielmehr den
Ausweis von Verbindlichkeiten unterlassen und die Korrektur der Vermögensmehrung
entsprechend der Behandlung von Einlagen außerbilanziell vornehmen müssen. Die
insoweit abweichende Behandlung durch den Kläger führt nicht dazu, dass nunmehr die
Erfassung dieser materiell als Einlagen zu qualifizierenden Beträge auf dem
steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 KStG unterbleiben müsste.
59
Der Senat folgt dem Beklagten auch nicht in seiner Auffassung, dass es sich bei den
Salden des "Verrechnungskontos Vereinsleben" bereits deswegen nicht um Einlagen
im Sinne des § 27 Abs. 1 KStG handeln könne, weil es sich nach dem Vortrag der
Klägerin bei den auf diesem Konto ausgewiesenen Beträgen überwiegend um
Mitgliedsbeiträge handele. Zwar wird in der Literatur geäußert, dass Mitgliedsbeiträge
eines Vereinsmitglieds nicht als Einlage im Sinne des § 27 KStG angesehen werden
könnten, da diese Beiträge nicht einem betrieblichen Bereich gewidmet seien und der
Begriff der Einlage einzig im Rahmen betrieblicher Bereiche Anwendung finden könne
(so Dötsch in Dötsch/Pung/Jost/Witt, KStG, § 27 Rz 252). Dem liegt der Gedanke
zugrunde, dass Mitgliedsbeiträge im Zeitpunkt des Zuflusses dem nicht
steuerrelevanten Bereich zuzuordnen sind. Im Streitfall besteht aber die Besonderheit,
dass sämtliches aus der steuerbefreiten Sphäre des Klägers stammende Vermögen der
wirtschaftlichen Sphäre des Klägers zugeordnet wurde und die Trennung der
unterschiedlichen Vermögensbereiche in der Buchhaltung des Klägers nicht abgebildet
wurde. Die Mitgliedsbeiträge wurden vielmehr bereits im Zeitpunkt des Zuflusses aus
dem nicht steuerrelevanten Vermögensbereich des Klägers in dessen wirtschaftlichen
Vermögensbereich übertragen. Als außerbetriebliche Vermögenszuführung in die
betriebliche Sphäre des Klägers ist der Begriff der Einlage aus diesem Grund auch
insoweit anwendbar, als Mitgliedsbeiträge der Vereinsmitglieder betroffen sind.
60
d. Allerdings war – entgegen dem ursprünglichen Begehren des Klägers – nicht der
gesamte Saldo des "Verrechnungskontos Vereinsleben" zum 31. Dezember 2001 als
Anfangsbestand des steuerlichen Einlagenkontos zum 31. Dezember 2001 anzusetzen.
Das Verrechnungskonto Vereinsleben wurde nach dem klägerischen Vorbringen bereits
seit dem Jahr 1989 geführt. Aus den dem Gericht vorliegenden Berichten über
steuerliche Außen- und Umsatzsteuersonderprüfungen beim Kläger ergibt sich, dass in
der Vergangenheit häufig Streit über die Aufteilung der einheitlichen Mitgliedsbeiträge in
echte, also dem nicht steuerrelevanten Bereich zuzuordnende, und unechte
Mitgliedsbeiträge, welche als Entgelt für die Benutzung der F gezahlt wurden, bestand.
61
Ebenfalls lässt sich aufgrund der Länge des insgesamt zu betrachtenden Zeitraums
heute nicht mehr exakt feststellen, inwieweit in der Vergangenheit geleistete Einlagen in
die betriebliche Sphäre des Klägers durch Verluste der Vergangenheit verbraucht
wurden. Soweit ein solcher Verbrauch von Alteinlagen eingetreten ist, käme ein
Ausweis dieser Einlagen auf dem steuerlichen Einlagekonto nach der Rechtsprechung
des BFH nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 9. April 2008 I R 68-70/06, GmbHR 2008,
1111; vom 21. August 2007 I R 78/06, BFHE 218, 515, BStBl II 2008, 317).
Nach Auffassung des Senats ist es in diesem Fall erforderlich, den Anteil der in dem
Saldo des "Verrechnungskontos Vereinsleben" enthaltenen und nicht verbrauchten
Einlagen im Schätzungswege zu ermitteln. Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten
und unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Berichte über steuerliche
Außen- und Umsatzsteuersonderprüfungen der Vergangenheit haben sich die
Beteiligten auf Vorschlag des Gerichts in der mündlichen Verhandlung dahingehend
tatsächlich verständigt, dass die Summe der aus dem ideellen Bereich des Klägers bis
zum 31. Dezember 2001 in den wirtschaftlichen Bereich transferierten und dort nicht
durch den Ausgleich von Verlusten verbrauchten Beträge noch ... € beträgt. Aufgrund
des Zugangs auf dem Verrechnungskonto Vereinsleben im Kalenderjahr 2002 in Höhe
von – unstreitig – ... € beläuft sich die Summe dieser Beträge zum 31. Dezember 2002
auf ... €.
62
3. Die Bestandskraft der Bescheide über die gesonderte Feststellung des Bestands des
steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG zum 31. Dezember 2000 und 2001
steht dem klägerischen Verpflichtungsbegehren nicht entgegen. Vielmehr konnten die
Feststellungsbescheide noch gemäß § 164 Abs. 2 AO im vorstehenden Sinne geändert
werden. Nach Aktenlage ist der ursprünglich bestehende Vorbehalt der Nachprüfung
gemäß § 164 Abs. 1 AO nicht aufgehoben worden.
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Die Vorbehalte der Nachprüfung hinsichtlich der Bescheide über Körperschaftsteuer
und Gewerbesteuermessbeträge und über die entsprechenden
Verlustfeststellungsbescheide wurden zwar am 9. Dezember 2004 aufgehoben. Es ist
aber nicht feststellbar, dass der Vorbehalt der Nachprüfung auch hinsichtlich der
streitgegenständlichen Feststellungsbescheide aufgehoben wurde. In der
Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2004 ist dies nicht geschehen.
64
4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Während die Ermittlung
des Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos von BgA mittlerweile durch zwei
Entscheidungen des BFH geklärt ist, steht eine höchstrichterliche Entscheidung
hinsichtlich solcher Körperschaften, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG
erbringen können, noch aus.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.
66