Urteil des FG Köln vom 05.06.2002
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Finanzgericht Köln, 10 K 238/01
Datum:
05.06.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 238/01
Tenor:
Anmerkung: Die Klage wurde abgewiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegt.
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Das 1981 geborene Kind C ist die Nichte und das Patenkind der Ehefrau des Klägers.
Die leiblichen Eltern von C ließen sich 1983 scheiden. Seitdem lebte sie bei ihrem Vater
und dessen zweiter Ehefrau. C lernte ihre leibliche Mutter, die unter Betreuung steht und
zu der sie keinen Kontakt unterhält, erst 1997 kennen. Im Juli 2000 nahm sie eine
College-Ausbildung in den USA auf. C erzielte in den USA keine eigenen Einkünfte und
unterhielt dort keinen eigenständigen Haushalt, sondern wohnte in einer Gastfamilie.
Die laufenden Kosten des USA-Aufenthalts wurden vor allem aus einem Stipendium
gedeckt, aus dem C jährlich 8.525 US-Dollar erhielt (KG-Akte Bl. 28).
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Ende September 2000, also kurz nach Beginn der College-Ausbildung, starb C' s Vater
unerwartet. Seitdem wird C vom Kläger und seiner Ehefrau persönlich und finanziell
unterstützt. Sie ist seit Oktober 2000 im Haushalt des Klägers gemeldet (KG-Akte Bl.
33). Anfang 2001 überwies der Kläger 2.200 DM auf ein Konto von C in den USA, um ihr
den Lebensunterhalt zu finanzieren. Darüber hinaus zahlt die Ehefrau des Klägers
monatlich 100 DM auf ein in Deutschland bestehendes Konto für C ein, weil ihre
Lebensversicherungsbeiträge von diesem Konto abgebucht werden. Nach Abschluss
der College-Ausbildung im Mai 2001 kehrte C in die BRD zurück und hielt sich dort bis
zum Beginn ihrer weiteren Ausbildung beim Kläger und seiner Familie auf. Dies ist auch
für künftige Semesterferien so vorgesehen. Im Oktober 2001 begann C - wie von
vornherein geplant - ein Studium in den USA.
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Mit Bescheid vom 27. November 2000 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab,
ihm von Oktober 2000 an Kindergeld zu gewähren. Der Einspruch, mit dem der Kläger
geltend machte, er habe C in die Hausgemeinschaft aufgenommen, weil sie
wirtschaftlich abhängig sei und ihr Leben noch nicht selbständig gestalten könne, blieb
ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom
14. Dezember 2000 aus, unter einer Haushaltsaufnahme sei das örtlich gebundene
Zusammenleben von Pflegekind und Pflegepersonen in einer gemeinsamen
Familienwohnung zu verstehen. Die familienähnliche Bindung müsse von vornherein
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auf mehrere Jahre angelegt sein. Zu einem volljährigen Kind könne im Regelfall kein
Pflegekindschaftsverhältnis begründet werden, weil Kinder dieses Alters ihr Leben
erfahrungsgemäß weitgehend selbständig gestalteten. Daran ändere sich auch nichts
dadurch, dass C im Haushalt des Klägers eine gewisse Betreuung und Versorgung
erfahre. Die Berücksichtigung eines erwachsenen Kindes als Pflegekind setze vielmehr
besondere Umstände in der Person des Kindes voraus, wie z.B. eine schwerwiegende
Störung in der Entwicklung. In einem an C gerichteten Schreiben stellte der Beklagte ihr
anheim, über den Vormund ihrer leiblichen Mutter zu prüfen, ob diese einen
Kindergeldanspruch geltend mache, aus dem Kindergeld für sie abgezweigt werden
könne (KG-Akte Bl. 49).
Der Kläger macht geltend, er habe C in seine Familie aufgenommen und ein
Pflegekindschaftsverhältnis begründet, weil eine auf Dauer angelegte familienähnliche
Beziehung zu ihr wie zu einem eigenen Kind bestehe. Verstärkt werde die Beziehung
durch die zu seiner Ehefrau bestehende Blutsverwandtschaft. Gegen das
Pflegekindschaftsverhältnis spreche auch nicht die Ausbildung in den USA, weil sich C
in den Ferien beim Kläger und seiner Familie aufhalte. Ein Obhuts-/Pflegeverhältnis zu
den leiblichen Eltern bestehe nicht.
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Der Kläger beantragt, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2000 und
der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2000 Kindergeld ab Oktober 2000 zu
gewähren.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bezieht sich im wesentlichen auf der Begründung in der
Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die finanziellen Zuwendungen von
einmalig 2.200 DM und 100 DM monatlich rechtfertigten nicht den Schluss, C werde zu
einem nicht unwesentlichen Teil auf Kosten des Klägers unterhalten. Jedenfalls aber
könne ein familienähnliches Band nicht festgestellt werden.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Als Kinder werden nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch
Pflegekinder berücksichtigt. Unter Pflegekindern sind nach der Legaldefinition des § 32
Abs. 1 Nr. 2 EStG Personen zu verstehen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein
familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in
seinen Haushalt aufgenommen hat, das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern
nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie mindestens zu einem nicht
unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.
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2. Die Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses in diesem Sinne kommt bei
Volljährigen nur unter besonderen Umständen in Betracht, etwa bei
behinderungsbedingter Unfähigkeit zur eigenen Lebensgestaltung und Verweigerung
elterlicher Hilfe (BSG-Urteile vom 20. Januar 1982 10 RKg 14/81, SozR 5870 § 2 Nr. 28,
FamRZ 1983, 478 und vom 7. August 1991 10 RKg 15/91, SozR 3-1200 § 56 Nr. 4,
DStR 1992, 81; noch weiter einschränkt Schmidt/Glanegger, EStG 20. Aufl., § 32 Rz 21).
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3. Im Streitfall wurde C zwar vom Kläger und seiner Ehefrau wirtschaftlich in ihrer
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Ausbildung und persönlich nicht nur unwesentlich unterstützt. Es fehlt jedoch eine
Verbindung durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band. Wenn es
auch aus wirtschaftlichen und fürsorgerischen Gründen durchaus sinnvoll war, dass der
Kläger C in seinen Haushalt aufnahm und sie in ihrer Ausbildung unterstützte, trat er zu
dem volljährigen Kind damit nicht in ein Verhältnis, was demjenigen zwischen Eltern
und Kind ähnlich ist. Dazu hätte es angesichts der Volljährigkeit des Kindes weiterer
besonderer Umstände bedurft (vgl. BSG-Urteil vom 20. Januar 1982 10 RKg 14/81,
SozR 5870 § 2 Nr. 28, FamRZ 1983, 478 m.w.N.), die im Streitfall nicht vorliegen. Von
einer Unfähigkeit C zur eigenen Lebensgestaltung kann keine Rede sein.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
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5. Die Revision wird zugelassen, weil sich der Bundesfinanzhof noch nicht
abschließend zu der Frage geäußert hat, unter welchen Voraussetzungen ein
Pflegekindschaftsverhältnis zu einem erwachsenen Kind anzunehmen ist.
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