Urteil des FG Köln vom 26.10.2006
FG Köln: unbestimmte dauer, einkünfte, ablauf der frist, herstellungskosten, vermietung, private vermögensverwaltung, zwangsversteigerung, abnutzung, teilung, grundstück
Finanzgericht Köln, 6 K 394/04
Datum:
26.10.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 394/04
Tenor:
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 vom
04.12.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2003 und
der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2006 wird die
Einkommensteuer dergestalt neu festgesetzt, dass bei der Festsetzung
1. jeweils keine gewerblichen Einkünfte der Klägerin angesetzt,
2. die Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin in 1999
mit - 83.636 DM und 2000 mit - 42.163 DM berücksichtigt und
3. die aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen Nrn. 3, 6, 8, 9 und
11 resultierenden Überschüsse in Höhe von 205.903 DM im Jahre 1999
und in Höhe von 14.142 DM im Jahre 2000 als Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften im Sinne des §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG
erfasst werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Neuberechnung der Einkommensteuerbeträge wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 85 v.H. und der
Beklagte zu 15 v.H.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger
abwenden, soweit nicht die Kläger vor der Vollstreckung in
entsprechender Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die von der Klägerin in den Streitjahren getätigten Verkäufe von
Eigentumswohnungen einen gewerblichen Grundstückshandel begründen oder im
2
Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung stattgefunden haben.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der
Kläger erzielt als Einzelunternehmer mit seinem Installationsgeschäft für Heizung,
Sanitär und Wasser Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin war in den Streitjahren
als kaufmännische Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes tätig.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 09.07.1992 erwarb die Klägerin das Grundstück L-
straße 91 in A. Auf dem Grundstück befand sich ein Einfamilienhaus (heute L-straße
87), das durch die Kläger in der Folgezeit renoviert und seit November 1994 selbst
genutzt wird. Zwischen 1992 und dem 01.02.1995 errichteten die Kläger auf diesem
Grundstück (später L-straße 89) zusätzlich ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen,
einem Büro-, einem Werkstatt- und Lagerraum sowie acht Garagen, die den Wohnungen
nicht zugeordnet waren. Die Wohnungen wurden nach Fertigstellung auf unbestimmte
Dauer an Dritte und – verbilligt – an ihre beiden Kinder vermietet. Die Mietverträge
enthielten für 10 Jahre eine Staffelmietvereinbarung. Die Büro-, Lager- und
Werkstatträume vermietete die Klägerin an den Kläger zur Nutzung im Rahmen seines
Gewerbebetriebs. Die Planung sah Herstellungskosten für den Neubau von 2,495 Mio.
DM vor. Tatsächlich beliefen sich die Herstellungskosten auf 2.688.817,40 DM. Die
Herstellungskosten wurden – mit Ausnahme von Eigenmitteln von 4.000 DM – in vollem
Umfang durch die Bank L fremdfinanziert. Zum 31.12.1998 standen den vorgenannten
Herstellungskosten Darlehen in Höhe von 2.981.945 DM gegenüber.
4
Die gewerblichen Gewinne des Klägers entwickelten sich ab dem Jahre 1991 wie folgt:
5
Jahr
Gewinn in DM
1991
Ca. 160.000
1992
142.464
1993
59.059
1994
65.855
1995
110.095
1996
79.217
1997
75.210
1998
71.104
1999
95.217
2000
54.428
6
Die Gewinne vor 1991 haben jährlich ca. 160.000 DM und mehr betragen.
7
Mit Teilungserklärung vom 04.09.1995 wurde das Mehrfamilienhaus in
Wohnungseigentum aufgeteilt.
8
Zwischen 1997 und 2000 veräußerte die Klägerin die folgenden Wohnungen:
9
Wohnung
Nr.
Datum des notariellen
Kaufvertrages
Herstellungskosten
in DM
Veräußerungspreis
in DM
5
24.10.1997
162.522
215.000
6
01.03.1999
232.396
279.000
9
06.04.1999
232.395
279.000
3
10.05.1999
228.783
279.000
8
23.06.1999
162.522
225.000
11
11.04.2000
285.858
300.000
10
In ihren Einkommensteuererklärungen 1999 und 2000 erklärten die Kläger aus dem
Objekt L-straße 87-89 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1999 in Höhe von
–83.636 DM und für 2000 von –42.163 DM.
11
Der Beklagte veranlagte die Kläger zunächst für 1999 und 2000 erklärungsgemäß mit
unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden. Dabei
wurden die Kläger in den Erläuterungen des Einkommensteuerbescheides 1999
aufgefordert, Gewinnermittlungen für die Jahre 1992 bis 1999 für den Gewerbebetrieb
"gewerblicher Grundstückshandel" vorzulegen. Denn mit der Eigentumswohnung Nr. 11
seien insgesamt vier Objekte innerhalb des 1992 mit dem Erwerb des unbebauten
Grundstücks beginnenden Fünf-Jahres-Zeitraums veräußert worden.
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Trotz wiederholter Aufforderung reichten die Kläger die Gewinnermittlungen nicht ein.
Eine Stellungnahme blieb ebenfalls aus. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem
04.12.2001 nach § 164 Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide
und schätzte die gewerblichen Einkünfte aus dem Grundstückshandel der Klägerin,
ausgehend von den bisher erklärten Vermietungseinkünften ohne Absetzung für
Abnutzung und unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages sowie unter
Erfassung der Veräußerungserlöse, in Höhe von 513.000 DM für 1999 und von 295.000
DM für 2000. Die Vermietungsverluste blieben unberücksichtigt. Der Vorbehalt der
Nachprüfung wurde aufgehoben.
13
Der auf Aufhebung der Änderungsbescheide gerichteten Einspruch vom 20.12.2001
führte zu einer teilweisen Stattgabe insoweit, dass die Veräußerungsgewinne nunmehr
in der vom Finanzamt mit Schreiben vom 10.12.2002 vorgeschlagenen Höhe – auf der
Basis der zwischenzeitlich von den Klägern den einzelnen Wohnungen zugeordneten
Herstellungskosten und AfA-Beträgen – wie folgt der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt
wurden:
14
1999
2000
Veräußerungserlös Whg. 3
279.000
Veräußerungserlös Whg. 6
279.900
Veräußerungserlös Whg. 8
225.000
Veräußerungserlös Whg. 9
279.000
15
Veräußerungserlös Whg. 9
279.000
Veräußerungserlös Whg. 11
300.000
abzüglich Herstellungskosten
856.097
285.858
zuzüglich Absetzung für Abnutzung
13.627
4.551
Veräußerungsgewinn
219.530
18.693
Im Übrigen hielt der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2003 unter
Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Drei-Objekt-Grenze
daran fest, dass die Klägerin mit dem Verkauf der sechs Eigentumswohnungen einen
gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Es sei vorliegend unbeachtlich, wenn
der Verkauf stattgefunden habe, um eine Zwangsvollstreckung durch die finanzierende
Bank zu verhindern, weil das ursprüngliche Finanzierungskonzept wegen
unvorhergesehener Gewinnrückgänge nicht habe eingehalten werden können und der
Entschluss zur Teilung des Gesamtobjektes erst nach Fertigstellung und auf Druck der
finanzierenden Bank gefasst worden sei. Es seien zudem keine Unterlagen vorgelegt
worden, aus denen ersichtlich sei, dass eine Zwangsversteigerung bereits angeordnet
worden sei. Nur ein tatsächlich im Rahmen einer Zwangsversteigerung verkauftes
Objekt hätte keinen Einfluss auf die Drei-Objekt-Grenze gehabt. Ohne Bedeutung sei
auch, dass sich die Kläger im Gespräch mit der Bank L laut Aktenvermerk vom
26.10.1995 hinsichtlich des Verkaufs der Wohnungen nicht einsichtig gezeigt hätten.
Denn später – in den Jahren 1997, 1999 und 2000 – seien sie bei günstiger Gelegenheit
zum Verkauf bereit gewesen. Die Kläger hätten auch nicht die andere von der Bank L
aufgezeigte Möglichkeit zur Verbesserung der finanziellen Lage, nämlich die an die
Kinder vermieteten Wohnungen zum Marktpreis bzw. anderweitig fremd zu vermieten,
wahrgenommen. Ausweislich der Einkommensteuererklärung 2001 würden weiterhin
zwei Wohnungen verbilligt an die Kinder vermietet. Da die vorgelegten Mietverträge auf
unbestimmte Dauer und nicht auf die feste Dauer von fünf bis zehn Jahren
abgeschlossen seien, sprächen diese ebenfalls nicht gegen eine bereits im Zeitpunkt
der Errichtung der Objekte vorliegende, zumindest bedingte
Weiterberäußerungsabsicht. In § 3 des Mietvertrages sei lediglich eine Staffelmiete für
die nächsten zehn Jahre vereinbart worden. Mietverträge auf unbestimmte Dauer seien
gemäß §§ 573 ff. BGB grundsätzlich kündbar, auch wenn bei Mietverhältnissen über
Wohnraum eine Kündigung nur nach Maßgabe der besonderen
Kündigungsschutzregelungen in §§ 573, 573a BGB Erfolg verspreche. Daneben habe
die Klägerin die neuen Wohnungen trotz anfänglicher Vermietung bereits 1996 in
Eigentumswohnungen aufgeteilt. Diese sachenrechtliche Gestaltung erhöhe die
Verkäuflichkeit der einzelnen Wohnungen in einem Maße, das den Schluss auf eine
bedingte Verkaufsabsicht schon bei Errichtung rechtfertige. Auch wenn die Objekte
ursprünglich zur Alterssicherung errichtet worden seien, folge hieraus nicht, dass bei
Errichtung nicht die Absicht bestanden hätte, den Grundbesitz bei einer sich bietenden
günstigen Gelegenheit zu veräußern. Die 100-prozentige Finanzierung sei ebenfalls ein
Indiz für eine bedingte Veräußerungsabsicht, da diese immer die Gefahr eines
Liquiditätsengpasses beinhalte. Da sich sowohl die Überschreitung der geplanten
Baukosten wie auch der Gewinnrückgang im Unternehmen des Klägers während der
Bauphase abgezeichnet hätten, sei unklar, wie die Kläger den
Finanzierungsschwierigkeiten hätten begegnen wollen, wenn nicht durch eine
eventuelle Veräußerung einzelner Wohnungen. Ferner könne auch die hauptberufliche
Tätigkeit des Klägers im Baubereich nicht ganz außer Acht gelassen werden, zumal
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Zinsen und Tilgung durch Entnahmen aus dem Betrieb des Klägers bereit gestellt
werden sollten. Es sei davon auszugehen, dass erst diese Tätigkeit das umfangreiche
Bauvorhaben der Klägerin ermöglicht habe. Die Schätzung der gewerblichen Einkünfte
der Klägerin sei dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt, da die Kläger keine
Gewinnermittlung eingereicht hätten. Der gewerbliche Grundstückshandel gelte mit
Fertigstellung der Wohnungen als eröffnet. Die veräußerten Wohnungen seien ab
Fertigstellung als Umlaufvermögen zu bilanzieren. Absetzung für Abnutzung sei daher
nicht zu gewähren. Im Rahmen der Gesamtüberprüfung des
Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 04.12.2001 sei zudem festgestellt worden,
dass zu Unrecht ein Verlustabzug aus Jahren bis 1998 in Höhe von 73.887 DM vom
Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden sei. Mit Bescheid vom 04.12.2001 über
die gesonderte Feststellung des Verlustabzugs zum 31.12.1998 sei festgestellt worden,
dass mangels eines verbleibenden Verlustabzugs keine gesonderte Feststellung nach
§ 10d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes durchzuführen sei. Hinsichtlich der
Einzelheiten der Einkünfteberechnung und der Rechtsausführungen wird auf die
Einspruchsentscheidung verwiesen.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage vom 23.01.2004 tragen die Kläger vor, dass das
ursprüngliche Finanzierungskonzept, das auch Grundlage für die Kreditgewährung
durch die Bank L gewesen sei, von einem jährlichen Gewinn aus dem
Einzelunternehmen des Klägers von mindestens 142.000 DM ausgegangen sei.
Mindestens 40.000 DM hätten hiervon für die Finanzierung des Objektes aufgewendet
werden sollen. Dieses Konzept habe wegen der rückläufigen und niedrigeren Einkünfte
aus dem Installationsgeschäft, der unerwartet um ca. 200.000 DM höheren Baukosten
sowie unerwartet geringerer Mieteinnahmen nicht eingehalten werden können.
Angesichts dieser Liquiditätsschwierigkeiten habe die Bank L sie – die Klägerin – zum
Verkauf der Wohnungen gedrängt. Dies habe die Klägerin aber nicht gewollt, was sie
auch gegenüber dem Mitarbeiter der Bank L, dem Zeugen S, geäußert habe. Der
Teilungsentschluss gehe auf den Vorschlag ihres – der Klägerin – damaligen
steuerlichen Beraters T zurück, der mit dieser Maßnahme die Bank L habe "ruhig
stellen" wollen. Den Entschluss, das Objekt in einzelne Wohnungen aufzuteilen, habe
sie – die Klägerin – erst nach Fertigstellung des Mehrfamilienhauses – irgendwann
zwischen dem 30.01. und 04.04.1995 – auf den starken Druck der Bank L und nur
aufgrund der Finanzierungsschwierigkeiten sowie aus Vorsichtsgründen, um eine
Zwangsversteigerung des gesamten Objektes zu verhindern, gefasst. So gehe das
Finanzierungsangebot vom 30.01.1995, anders als das vom 04.04.1995, noch nicht von
einer erfolgten Teilung aus. Sie – die Klägerin – habe aber auch nach der Teilung keine
Veräußerungsabsicht gehabt. Sie habe dies in einer Besprechung am 24.10.1995
gegenüber den Bank-Mitarbeitern S und I auch artikuliert. In deren Gesprächsprotokoll
vom 26.10.1995 heiße es, dass sie die Kläger mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen
hätten, dass Eigentumswohnungen verkauft werden sollten und sie die Klägerin
diesbezüglich als "nicht einsichtig" einschätzten. Auch die zügige Umsetzung des
Teilungsentschlusses beruhe auf dem Drängen der Bank L. Ihr – der Klägerin – sei die
Weiterfinanzierung wirtschaftlich unmöglich gewesen. Sie sei gezwungen gewesen, der
drohenden Zwangsversteigerung durch einen freihändigen Verkauf zu begegnen. Nach
dem Verkauf von Wohnung Nr. 5 habe sich herausgestellt, dass die fälligen
Verbindlichkeiten weiter stiegen, sodass 1999 vier weitere und 2000 die sechste
Wohnung habe verkauft werden müssen. Hierbei seien die Wohnungen veräußert
worden, deren Mietverträge zufällig wegen einer Auszugsabsicht der Mieter vorzeitig
hätten einvernehmlich beendet werden können. Die Wohnungen seien lediglich
sukzessive entsprechend der ausbleibenden Gewinne des Klägers und soweit
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unbedingt notwendig veräußert worden. Die verbilligte Wohnungsüberlassung an die
Kinder sei beibehalten worden, da eine diesbezügliche Mietanpassung die
vorhandenen Finanzierungsschwierigkeiten durch zusätzliche Mieteinnahmen von ca.
10.000 bzw. 11.000 DM in den Streitjahren nicht habe beheben können und die Bank L
schwerwiegendere Maßnahmen gefordert habe. Im Streitfall lägen in der Gesamtschau
gegen einen gewerblichen Grundstückshandel sprechende Umstände vor, da die
Klägerin nur ein einziges Grundstück zum Zwecke der Altersvorsorge sowie der
dauerhaften Anlage und eigenen Nutzung bzw. Nutzung durch Angehörige erworben
habe. Die Teilung, die die Voraussetzung für die Veräußerung gewesen sei, sei erst
sieben Monate nach der Fertigstellung des Objektes erfolgt. Bei der Fertigstellung habe
insofern noch keine Veräußerungsabsicht bezüglich der tatsächlich veräußerten
Wohnungen bestanden. Gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht
spreche zudem die Vermietung der Geschäftsräume im Untergeschoss des
Mehrfamilienhauses an den Gewerbetrieb des Klägers. Denn sie – die Kläger – hätten
nicht Mieter "im eigenen Haus" werden wollen. Auch die Nähe des Mehrfamilienhauses
zum eigenen Einfamilienhaus belege die beabsichtigte Vermietung des ersteren, da
hierdurch eine Verwaltung problemlos möglich sei. Alle verkauften Wohnungen seien
ferner zuvor vermietet gewesen. Die Staffelmietvereinbarungen hätten einen Zeitraum
von 10 Jahren umfasst. Wohnraummietverträge, die wie hier auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen seien, würden den Vermieter daneben für lange Zeit binden. Die
Vermietung einer Wohnung hindere deren Verkauf zwar nicht rechtlich, faktisch – und
darauf sei beim Merkmal der Veräußerungsabsicht abzustellen – sei eine solche
Wohnung aber nur noch eingeschränkt durch Veräußerung verwertbar. Ein
Grundstückseigentümer, bei dem bei Fertigstellung eine bedingte Veräußerungsabsicht
vorläge, würde aber gerade nicht durch eine faktisch langfristige mietvertragliche
Bindung auf einen Teil potentieller Erwerber, nämlich die auf eine Eigennutzung
Abzielenden, als Kaufinteressenten verzichten wollen. Darüber hinaus stehe auch die
lange Zinsbindung der aufgenommenen Darlehen der Annahme einer
Veräußerungsabsicht entgegen. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie
– die Klägerin – hernach keine weitere Wohnung mehr veräußert habe.
Die Kläger beantragen,
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die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 vom 04.12.2001 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2003 aufzuheben, hilfsweise, die
Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
21
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass das
Finanzierungsangebot von einer Bestätigung der Verkaufsabsichten der Klägerin
abhängig gemacht worden sei, bestätige, dass die Klägerin zur Regelung der
Finanzierungsschwierigkeiten auch frühzeitig den Verkauf der Wohnungen in Betracht
gezogen haben müsse. Ansonsten hätte die Bank L wohl bereits ab April 1995 keine
weiteren Darlehen zur Verfügung gestellt.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung des
Bankmitarbeiters S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Niederschrift vom 26.10.2006 Bezug genommen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die angefochtenen
Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 23
des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes
1999 für vorläufig erklärt.
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Entscheidungsgründe
25
I. Die Klage ist teilweise begründet. Denn der Beklagte hat zu Unrecht gewerbliche
Einkünfte angesetzt, obwohl die Klägerin keinen gewerblichen Grundstückshandel
betrieben hat. Mit der Veräußerung der Eigentumswohnungen in den Streitjahren
hat die Klägerin jedoch sonstige Einkünfte im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1
EStG erzielt. Die auf die veräußerten Wohnungen entfallenden Einnahmen und
Ausgaben –einschließlich Absetzung für Abnutzung – führen zu einem Verlust bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und nicht – wie vom Beklagten
angenommen – zu einem solchen aus Gewerbebetrieb.
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1. Im Streitfall liegt kein gewerblicher Grundstückshandel der Klägerin vor.
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a. Gemäß § 15 Abs. 2 EStG ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige
nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen
wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es
darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um
die Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit
handeln. Die Betätigung muss über den Rahmen einer privaten
Vermögensverwaltung hinausgehen. Bei der Abgrenzung zwischen
Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen
Einkunftsarten andererseits ist das "Bild des Gewerbetreibenden" heranzuziehen
(vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240,
BStBl II 2002, 291). Eine private Vermögensverwaltung ist zu bejahen, solange
sich die zu beurteilende Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und unter
Berücksichtigung der Verkehrsauffassung noch als Nutzung von Grundbesitz
durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung
substantieller Vermögenswerte nicht entscheidend in den Vordergrund tritt.
28
29
Im Interesse der Rechtssicherheit hat der BFH zur Abgrenzung des gewerblichen
Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung die sog. Drei-Objekt-
Grenze entwickelt. Danach ist der Bereich der privaten Vermögensverwaltung in der
Regel erst verlassen, wenn der Steuerpflichtige mehr als drei "Objekte" veräußert
und zwischen dem Kauf bzw. der Errichtung des Objekts und dem Verkauf ein enger
zeitlicher Zusammenhang von in der Regel nicht mehr als fünf Jahren besteht (z.B.
BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002,
291). Die Zahl der Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten
(Anschaffung, Bebauung und Verkauf der Grundstücke) hat für die Beurteilung, ob
eine gewerbliche Betätigung gegeben ist oder nicht, eine indizielle Bedeutung. Auf
die vorgenannten Indizien kommt es allerdings nach der Rechtsprechung des BFH
30
nicht an, wenn sich bereits aus anderen – ganz besonderen – Umständen im
Rahmen einer Gesamtschau zweifelsfrei eine von Anfang an bestehende oder aber
fehlende Veräußerungsabsicht ergibt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291; BFH-Urteil vom
19. September 2002 X R 160/97, BFH/NV 2003, 890). Danach können die
Umstände im Einzelfall – ausnahmsweise – derartig gewichtig erscheinen, dass
einer im Grunde stets bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht keine
Bedeutung zukommt. Solche Umstände hat der BFH (Urteil vom 7. November 1990
X R 170/87, Juris STRE915024060) in dem Fall angenommen, in dem der
Geschäftsführer einer insolventen GmbH die zuvor von dieser erworbenen
Wohnungen wieder verkauft hat, um der drohenden Verpflichtung zur
Rückübertragung der Wohnungen an den Konkursverwalter über das Vermögen der
GmbH zuvorzukommen. Er hat hier ausgeführt, dass eine Veräußerung, die auf
einer Zwangslage beruhe, für die Feststellung, ob bereits bei Erwerb
Veräußerungsabsicht bestand habe, ohne Aussagekraft sei. Der BFH – und ihm
insoweit folgend der hier entscheidende Senat – sieht daher keinen Widerspruch zu
den im Übrigen behandelten Fällen freiwilliger Veräußerungen, bei denen er
regelmäßig die Motive der Veräußerungen als unerheblich eingestuft hat.
b) Nach diesen Maßstäben liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die
Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels nicht vor, obgleich die Klägerin
innerhalb von fünf Jahren seit der Errichtung mehr als drei Eigentumswohnungen
veräußert hat.
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aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Einbeziehung der
Einlassung der Klägerin sind vorliegend derartige gewichtige Umstände erkennbar,
die gegen eine auch nur bedingte Veräußerungsabsicht der Klägerin bereits bei
Errichtung des Hauses – wie auch einer späteren unbedingten
Veräußerungsabsicht – sprechen. So steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass
die Veräußerungen der sechs Wohnungen in den Jahren 1997, 1999 und 2000
gerade nicht aus freien Stücken, sondern – wie von den Zeugen bestätigt – auf den
vehementen Druck der finanzierenden Bank L auf die Klägerin erfolgten, um einer
Zwangsversteigerung des gesamten Objektes zu entgehen. Das Ausmaß der
bestehenden Zwangslage, in der sich die Klägerin befand, zeigt sich daran, dass
nach Aussage des Zeugen S von seiten der Bank L bereits Herr E zur Begutachtung
des Kreditengangements herangezogen worden war. Dessen Einschaltung ging der
Einleitung von Zwangsmaßnahmen über die Rechtsabteilung stets unmittelbar
voran. Wie prekär die Zwangslage war, wird zudem an der Höhe der Darlehn zum
31.12.1998 und der dramatisch rückläufigen Entwicklung des Gewinns im Betrieb
des Ehemannes der Klägerin deutlich. Auch die Aussage des Zeugen S, dass allen
Beteiligten klar gewesen sei, dass die Finanzierungsschwierigkeiten nur durch
weitere Verkäufe hätten gelöst werden können, verdeutlich, dass nur durch die im
freien Verkauf erfolgten Wohnungsveräußerungen die Zwangsversteigerung dieser
und der übrigen Wohnungen hat abgewendet werden können, so dass sich die
Verkaufsabfolge als unmittelbare Folge dieser Zwangslage darstellt. Daneben
dokumentiert sich die von vornherein fehlende Veräußerungsabsicht der Klägerin
darin, dass die im Finanzierungsangebot vom 04.04.1995 von der Bank L
eingeforderte Bestätigung über die Verkaufsabsichten von der Klägerin – wie vom
Zeugen S bestätigt – nicht erteilt worden ist. Ferner hat auch der Zeuge S in diesem
Zusammenhang glaubhaft dargelegt, dass insbesondere die Klägerin von einem
Verkauf von Wohnungen nichts habe wissen wollen, da sie weiterhin davon
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ausgegangen sei, dass sich das Objekt noch aus den Erträgen finanzieren ließe.
Überdies spricht die in dem Gesprächsprotokoll der Bank L vom 26.10.1995
enthaltene Feststellung der Bankmitarbeiter, dass die Eheleute hinsichtlich des
notwendig werdenden Verkaufs von Eigentumswohnungen nicht als einsichtig
eingeschätzt würden, gegen eine zu diesem Zeitpunkt bestehende
Veräußerungsabsicht. Auch die Abfolge der Veräußerungen, nämlich nur
sukzessive und lediglich insoweit wie die Finanzierungssituation dies jeweils
erforderte sowie erst mehr als zwei Jahre nach der Teilung des Objekts, belegen in
der Gesamtschau eine fehlende Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Errichtung.
In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand zu nennen, dass die Klägerin seit
2000 keine weiteren Wohnungen mehr veräußert hat. Die durch die Klägerin
abgeschlossenen Mietverträge sind zwar als unbefristete Verträge nicht langfristig
im Sinne der BFH-Rechtsprechung. Doch weist die jeweils getroffene, 10 Jahre
umfassende Staffelmietvereinbarung ebenfalls darauf hin, dass die Klägerin
grundsätzlich an langfristigen Mietverhältnissen und an einer Fruchtziehung im
Wege der Vermietung interessiert war. Im Rahmen der Gesamtschau ist zudem zu
berücksichtigen, dass die Klägerin das gesamte Objekt L-straße 87-89 zum Zwecke
der Altersvorsorge und als Vermögensanlage, die später ihren beiden Kindern
zugute kommen sollte, errichtet hat. Die im Betrieb des Ehemannes der Klägerin
mitarbeitenden Kinder sollten zugleich mit der Wohnungsüberlassung an sie an den
Sitz des Familienunternehmens gebunden werden.
bb) Kann aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung
nicht auf eine bedingte Veräußerungsabsicht geschlossen werden und liegen sogar
Anhaltspunkte gegen eine solche Absicht vor, könnte ein gewerblicher
Grundstückshandel nur angenommen werden, wenn weitere Umstände vorhanden
sind, die dem Verkauf als solchen ein gewerbliches Gepräge geben. Solche
Umstände sind nicht ersichtlich. Allein der Verkauf einer größeren Anzahl von
Wohnungen genügt nicht. Die Klägerin hat den Verkauf nicht "wie ein Händler"
gestaltet, z.B. durch Werbung oder andere verkaufsfördernde Maßnahmen.
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2. In die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung des Objektes L-
straße 87-89 sind ausgehend von den vorangegangenen Feststellungen auch die
Einnahmen und Werbungskosten (einschließlich der Absetzung für Abnutzung),
soweit sie auf die in den Streitjahren veräußerten Eigentumswohnungen entfallen,
einzubeziehen. Die Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Klägerin belaufen
sich danach – wie ursprünglich von den Klägern erklärt – auf – 83.636 DM für 1999
und auf – 42.163 DM für 2000.
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3. Die Klägerin hat mit der Veräußerung der Wohnungen Nr. 3, 6, 8, 9 und 11 in den
Streitjahren private Veräußerungsgeschäfte im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr.
1 EStG getätigt. Denn zu den privaten Veräußerungsgeschäften zählen gemäß § 23
Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch Veräußerungen von innerhalb des zehnjährigen
Spekulationszeitraumes zwischen Anschaffung und Veräußerung eines
Grundstücks errichteten Gebäuden und Eigentumswohnungen. Im Streitfall hat die
Klägerin innerhalb der mit der Anschaffung des Grundstücks L-straße 91 im Jahre
1992 beginnenden zehnjährigen Frist auf diesem das Gebäude L-straße 87-89 mit
den Eigentumswohnungen errichtet und die besagten Wohnungen vor Ablauf der
Frist in den Jahren 1999 und 2000 veräußert. Der Gewinn aus den
Veräußerungsgeschäften ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied
zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Herstellungskosten und
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Werbungskosten andererseits. Diese Werte sind zwischen den Beteiligten
unstreitig. Abweichend von § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG mindern sich die
Herstellungskosten vorliegend nicht um die bei der Ermittlung der Einkünfte im
Sinne der § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4-6 EStG abgezogenen Absetzung für Abnutzung,
da diese Vorschrift nach § 52 Abs. 39 Satz 4 EStG nur auf Veräußerungsgeschäfte
Anwendung findet, bei denen das Wirtschaftsgut nach dem 31.07.1995 angeschafft
und veräußert oder nach dem 31.12.1998 fertig gestellt und veräußert worden ist.
Hier wurden aber die Wohnungen auf dem 1992 angeschafften Grundstück bereits
1995 fertig gestellt.
Die der Besteuerung zugrunde zu legenden Veräußerungsgewinne betragen
danach 1999 205.903 DM (1.062.000 DM Summe der Veräußerungspreise der
Wohnungen 3, 6, 8, 9 – 856.097 DM Summe der Herstellungskosten) und 2000
14.142 DM (300.000 DM Veräußerungspreis der Wohnung Nr. 11 – 285.858 DM
Herstellungskosten).
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Im Streitfall hat der Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung in die
angefochtenen Steuerbescheide aufgenommen Vorläufigkeitsvermerk dem
Umstand Rechnung getragen, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der zu
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG? ergangenen Anwendungsregelung des § 52 Abs. 39 Satz 1
EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bestehen.
Für eine darüber hinausgehende Nichtberücksichtigung der Veräußerungsgewinne
besteht aus Sicht des Gerichts kein Anlass.
37
II. Die Neuberechnung der Steuerbeträge wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem
Beklagten übertragen.
38
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
39
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3,
155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
40
V. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war im Hinblick auf
die Schwierigkeit der konkret anliegenden steuerrechtlichen Frage und der
wirtschaftlichen Auswirkung des Rechtsstreits für die Kläger notwendig.
41
VI. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zum Zwecke der
Fortbildung des Rechts zugelassen.
42