Urteil des FG Köln vom 27.10.2005

FG Köln: firma, rückstellung, anmeldung der forderung, treu und glauben, eröffnung des konkurses, konkursmasse, verbindlichkeit, auflösende bedingung, wahrscheinlichkeit, aufschiebende bedingung

Finanzgericht Köln, 13 K 99/03
Datum:
27.10.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 99/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die gewinn- und betriebsvermögensmindernde
Berücksichtigung einer Rückstellung für eine bedingte Rückzahlungsverpflichtung.
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Die Klägerin ist auf dem Gebiet der ... tätig. Ihr bis zum 00.00.0000 in Form einer GmbH
betriebenes Unternehmen wurde zum 00.00.0000 in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt. Die Anteile am Stammkapital der Klägerin werden von der Fa. T. in I.
gehalten.
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Im ... kaufte die Klägerin von der Firma Q. GmbH eine Maschine zur ... von .. und ....
Diese Maschine erfüllte nicht die zugesagten Eigenschaften und verursachte bei der
Klägerin erhebliche Schäden. Am 00.00.0000 nahm die Klägerin die Firma Q. GmbH auf
Mängelbeseitigung und Schadensersatz in Anspruch und reichte gegen sie beim
Landgericht I. eine Klageschrift auf Zahlung von ... DM ein.
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Am 00.00.000 stellte die Firma Q. GmbH Konkursantrag. Das Konkursverfahren wurde
am 00.00.0000 durch das Amtsgericht I. eröffnet. Durch die Eröffnung des
Konkursverfahrens wurde der zwischen der Klägerin und der Firma Q. GmbH anhängige
Rechtsstreit unterbrochen.
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Alleinige Gesellschafterin der Fa. Q. GmbH war bis zum 00.00.0000 die Fa. X..
Zwischen der Firma Q. GmbH als Organgesellschaft und der Firma X. GmbH als
Organträgerin war am 00.00.0000 ein Ergebnisübernahmevertrag abgeschlossen
worden, der am 00.00.0000 in das Handelsregister eingetragen worden war. Mit
Wirkung vom 00.00.0000 wurden die Anteile an der Firma Q. GmbH an die Firma C. Ltd.
veräußert. In diesem Vertrag hatte sich die Firma X. GmbH sowohl gegenüber der Firma
Q. GmbH als auch gegenüber der Erwerberin der Anteile verpflichtet, die Firma Q.
GmbH von allen bestehenden oder zukünftig entstehenden gesetzlichen oder
vertraglichen Ansprüchen gleich welcher Art und aus welchem Rechtsgrund aus dem
Liefervertrag mit der Klägerin und dem deswegen anhängigen Rechtsstreit freizuhalten.
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Liefervertrag mit der Klägerin und dem deswegen anhängigen Rechtsstreit freizuhalten.
Aus Anlass dieses Vertrages hatten die Firmen X. GmbH und Q. GmbH den
Ergebnisübernahmevertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Die
entsprechende Eintragung in das Handelsregister war am 00.00.0000 erfolgt. Bereits am
00.00.0000 hatte die Firma C. Ltd. ihren Anspruch auf Freihaltung gegenüber der Firma
X. GmbH an die Klägerin abgetreten, die diese Abtretung der Firma Q. GmbH sodann
angezeigt hatte.
Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma Q. GmbH
meldete die Klägerin ihre rechtshängige Forderung unter dem Vorbehalt von ihr gegen
die Firma X. GmbH zustehenden Ansprüchen zur Konkurstabelle an. Mit Schreiben vom
00.00.0000 nahm die Klägerin die Firma X. GmbH unter Hinweis auf die Abtretung des
Freihaltungsanspruchs sowie in entsprechender Anwendung des § 303 AktG auf
Zahlung derjenigen Beträge in Anspruch, die den Gegenstand des anhängigen
Rechtsstreits bildeten, und machte ferner die Rückabwicklung des Liefervertrages
geltend. Im Prüfungstermin vom 00.00.0000 bestritt der Konkursverwalter die
angemeldete Forderung der Klägerin vorläufig und verwies in diesem Zusammenhang
auf den Freihaltungsanspruch gegen die Firma X. GmbH.
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Am 00.00.0000 schlossen die Klägerin und die Firma X. GmbH eine
Vergleichsvereinbarung über die zwischen ihnen streitigen Ansprüche.
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Danach zahlte die Firma X. GmbH einmalig und mit spätester Fälligkeit zum 00.00.0000
einen Betrag von ... DM an die Klägerin. Die Zahlung erfolgte in endgültiger Erledigung
aller Ansprüche der Klägerin aus dem Liefervertrag mit der Firma Q. GmbH unter
Einbeziehung des Rechtsstreits (Tz. II.1 des Vertrages).
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Weiterhin verpflichtete sich die Klägerin, die Klage in dem anhängigen Rechtsstreit
gegen die Firma Q. GmbH vorbehaltlich einer etwa erforderlichen Zustimmung des
Prozessgegners zurückzunehmen, sobald feststehe, dass eine Wiederaufnahme des
unterbrochenen Rechtsstreits nicht mehr erforderlich erscheine. Dieser Zeitpunkt trete
spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Konkursverfahrens ein. Die
Gerichtskosten und Kostenerstattungsforderungen des Prozessgegners sollte die Firma
X. GmbH übernehmen (Tz. II.2 des Vertrages).
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Solange der Konkursverwalter die Firma X. GmbH nicht auf Zahlung (auf der Grundlage
des Q. zustehenden Freihaltungsanspruchs) in Anspruch nimmt, verpflichtete sich die
Klägerin den unterbrochenen Rechtsstreit nicht wieder aufzunehmen oder insoweit eine
neue Klage gegen den Konkursverwalter zu erheben. Weiterhin verpflichtete sich die
Klägerin, den von der Firma C. Ltd. abgetretenen Freihaltungsanspruch nicht weiter zu
verwerten, insbesondere diesen nicht zurück- oder an einen Dritten weiter abzutreten.
Schließlich verpflichtete sich die Klägerin, sich vom Konkursverwalter keine Ansprüche
der Firma Q. GmbH aus dem Vertrag vom 00.00.0000 abtreten zu lassen, ohne dass die
Firma X. GmbH einer solchen Vereinbarung vorher zugestimmt hätte (Tz. II.3 des
Vertrages).
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Die Wirksamkeit der Vereinbarung sollte unter der auflösenden Bedingung stehen, dass
dem Konkursverwalter wegen eines etwaigen Freihaltungsanspruchs gegen die Firma
X. GmbH noch direkte Ansprüche zum Einzug zur Konkursmasse zustehen und diese
rechtskräftig festgestellt sind. Hinsichtlich der Art dieser Ansprüche wurde auf Tz. I.4 der
Vereinbarung verwiesen. Unter dieser Textziffer wurde auch ein Zahlungsanspruch in
entsprechender Anwendung des § 303 AktG erwähnt. Für den Fall des Eintritts der
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auflösenden Bedingung verpflichtete sich die Klägerin, den von der Firma X. GmbH
gezahlten Betrag in Höhe von ... DM binnen zehn Werktagen nach Eintritt der
auflösenden Bedingung zurückzuzahlen. Der Betrag sollte vom Tag der Zahlung bis
zum Tag der Rückzahlung mit dem jeweiligen Zinssatz zu verzinsen sein, den
erstklassige Banken ihren Kunden für Festgeldeinlagen in dieser Höhe monatlich
vergüten (Tz. II.4 und 5 des Vertrages). Für die Erfüllung dieser Ansprüche übernahm
die Alleinaktionärin der Klägerin, die Firma T.., die selbstschuldnerische Bürgschaft
gegenüber der Firma X. GmbH (Tz. II.7 des Vertrages).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag vom 00.00.000 Bezug
genommen.
13
In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.1996 bildete die Klägerin auf dieser
Vereinbarungsgrundlage eine Rückstellung für bedingte Rückzahlungsverpflichtungen
in Höhe von ... DM, aufgrund deren die vereinnahmte Zahlung in gleicher Höhe ohne
Gewinnauswirkung blieb. Diese Rückstellung hielt sie in den folgenden Streitjahren
unverändert bei. Weiterhin bildete die Klägerin in ihren Bilanzen folgende
Rückstellungen für auflösend bedingte Zinsverbindlichkeiten:
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1996: ... DM
15
1997: ... DM
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1998: ... DM
17
1999: ... DM.
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Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die auflösende Bedingung erst mit dem
rechtsverbindlichen Abschluss des Konkursverfahrens bei der verklagten Lieferfirma
wegfalle und sie bis dahin damit rechnen müsse, den erhaltenen Zahlungsbetrag wieder
zurückzahlen zu müssen.
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Hinsichtlich dieser Rückstellungen veranlagte der Beklagte die Klägerin zunächst unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer 1996 bis
1999 und zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1.1.1997.
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Im Rahmen einer im Januar 0000 begonnenen Betriebsprüfung des Finanzamts für
Großbetriebsprüfung D. für die Streitjahre schlug der Prüfer mit Bericht vom 00.00.0000
vor, die streitbefangenen Rückstellungen zu den jeweiligen Zeitpunkten ihrer
erstmaligen Passivierung aufzulösen (Tz. 28, 29 des Berichts). Zur Begründung wies er
darauf hin, dass für eine aufschiebend bedingte Verbindlichkeit mangels wirksamer
Entstehung keine Verbindlichkeit passiviert werden könne. Gleiches gelte für eine
auflösend bedingte Rückzahlungsverpflichtung, wenn der Gläubiger den Eintritt der
Bedingung nicht einseitig herbeiführen könne.
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Der Beklagte setzte diesen Berichtsvorschlag mit den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten
Bescheiden über Körperschaftsteuer und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG für
1996 bis 1999 vom 00.00.0000 sowie über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf
den 1.1.1997 vom 00.00.0000 um. Die Körperschaftsteuerfestsetzung 1999 betrug dabei
bei vermindertem Verlustrücktrag auf das Jahr 1998 weiterhin ... DM.
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Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Einsprüche trug die Klägerin vor, dass sie
keineswegs ausschließen könne, dass der Konkursverwalter der Firma Q. GmbH die
Firma X. GmbH bis zum Ende des Konkursverfahrens auf Zahlung in Anspruch nehmen
werde. Dies würde zur Folge haben, dass der von der Firma X. GmbH geleistete Betrag
von ... DM zuzüglich der darauf entfallenden Zinsen nach Eintritt der auflösenden
Bedingung zurückzuzahlen sei.
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Die Firma X. GmbH müsse als Verpflichtete aus dem Ergebnisübernahmevertrag
grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Konkursantrags bestehenden Eintragungen im
Handelsregister gegen sich gelten lassen und zwar bis zur Bekanntmachung der
Beendigung des Vertrages (§ 10 Abs. 2 HGB). Nach der höchstrichterlichen
Zivilrechtsprechung gehöre ein etwaiger Verlustausgleichsanspruch der
Gemeinschuldnerin gegenüber dem (hier ehemaligen) Gesellschafter zur
Konkursmasse (BGHZ 115, 187, 200). Aber auch direkte Gläubigeransprüche i.S.d. §
303 AktG seien nach herrschender Auffassung in entsprechender Anwendung des §
171 Abs. 2 HGB im Konkurs der Q. GmbH vom Konkursverwalter geltend zu machen.
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Mit einem Abschluss des Konkursverfahrens der Firma Q. GmbH sei nach derzeitigem
Stand nicht vor 0000 zu rechnen. Das der Rückstellung zugrunde liegende Risiko
bestehe ungeachtet der teilweise ungeklärten Rechtslage solange, als nicht endgültig
feststehe, dass der Konkursverwalter seinen Freihaltungsanspruch nicht mehr mit
Aussicht auf Erfolg gegen die X. GmbH durchzusetzen in der Lage sei. Dieser Zeitpunkt
trete erst mit der rechtskräftigen Beendigung des Konkursverfahrens ein.
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Falls der Konkursverwalter den Freihaltungsanspruch geltend machen und erfolgreich
durchsetzen sollte, so würde dieser Betrag in die Konkursmasse fließen, nicht jedoch
der Klägerin als nicht bevorrechtigter Konkursgläubigerin zustehen. Deshalb wäre es
auch rechtlich unzulässig, gegenüber der Forderung auf Rückzahlung des
Vergleichsbetrages mit der nicht bevorrechtigten Konkursforderung der Klägerin
aufzurechnen, da die Voraussetzungen für eine Aufrechenbarkeit (unter anderem
Gegenseitigkeit der Forderungen) nicht vorlägen. Dies sei der entscheidende Grund
dafür gewesen, warum die Firma X. GmbH sich nur unter der auflösenden Bedingung
mit der Klägerin verglichen und auf eine Rückzahlung für den Fall bestanden habe,
dass der Konkursverwalter sie auf der Grundlage des Freihaltungsanspruchs auf
Zahlung in die Konkursmasse in Anspruch nimmt und einen Prozess rechtskräftig
gewinnt.
26
Da nach geltendem Handelsrecht die Rückstellung zwingend zu bilden und
beizubehalten sei, scheide deren Auflösung solange aus, wie das der
Rückstellungsbildung zugrundliegende Risiko nicht weggefallen sei. Dies gelte auch
hinsichtlich der steuerrechtlichen Behandlung dieser Rückstellungen.
27
Nach der BFH-Rechtsprechung sei für betriebliche Zuwendungen, die unter einer noch
nicht eingetretenen Bedingung zurückgezahlt werden müssten, unabhängig davon, ob
das Rechtsverhältnis als auflösend oder aufschiebend bedingte Liquiditätshilfe oder als
bedingt erlassbarer Zuschuss anzusehen sei, eine Verbindlichkeitsrückstellung zu
bilden (Urteil vom 17.12.1998 IV R 21/97; BStBl II 2000, 116).
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Aus dem Umstand, dass die Firma X. GmbH ihren möglichen Rückforderungsanspruch
gegen die Klägerin durch eine unwiderrufliche und unbedingte selbstschuldnerische
Bürgschaft seitens der Alleinaktionärin der Klägerin abgesichert habe, lasse sich
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unschwer ableiten, dass ihr das Risiko einer Inanspruchnahme durch den
Konkursverwalter sehr wohl bewusst gewesen und ernsthaft mit einer derartigen
Inanspruchnahme zu rechnen sei. Mit Vereinbarung vom 00.00.0000 habe überdies die
Alleinaktionärin der Klägerin die Rückzahlungsverpflichtung zuzüglich Zinsen
gegenüber der Firma X. GmbH gegen Weiterleitung der erhaltenen Zahlung in Höhe
von ... DM übernommen, wodurch aus der möglichen Rückzahlungsverpflichtung eine
mit Gegenansprüchen aufgerechnete konkrete Verbindlichkeit geworden sei.
Eine gegenwärtige Vermögensbelastung werde bereits dadurch deutlich, dass ein
gedachter Erwerber des Unternehmens bei der Bemessung des Kaufpreises die
Existenz einer bedingten Rückzahlungsverpflichtung berücksichtigen würde. Dies
würde zu einem Abschlag vom Kaufpreis führen, der unter Berücksichtigung der
Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Rückzahlungsverpflichtung zu ermitteln sei. Bei dem
unter einer auflösenden Bedingung erhaltenen Betrag zuzüglich der vereinbarten
Zinsen handele es sich daher um Fremd- und nicht um Eigenkapital (BFH-Urteil vom
4.2.1999 IV R 54/97, BStBl II 2000, 142). Im Hinblick auf das Vorsichtsprinzip, dessen
Ausprägung das Realisationsprinzip sei, bedürfe es daher der Bilanzierung eines
Passivpostens.
30
Mit Einspruchsentscheidungen vom 00. und 00.00.0000 wies der Beklagte die
Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Bildung
einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten von dem Grad der
Wahrscheinlichkeit abhänge, dass der Steuerpflichtige auf Zahlung in Anspruch
genommen werde. Es sei deshalb für jeden Bilanzstichtag eine Prognose darüber
anzustellen, ob und ggf. in welcher Höhe eine Inanspruchnahme auf Zahlung ernsthaft
zu erwarten sei. An einer derartigen Wahrscheinlichkeitserwartung fehle es im Streitfall.
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Die Firma X. GmbH würde vom Konkursverwalter aus dem durch den
Ergebnisabführungsvertrag begründeten Freihaltungsanspruch der Gemeinschuldnerin
nur in Anspruch genommen werden, wenn die Klägerin ihre Forderung aus dem
Liefervertrag mit der Gemeinschuldnerin im Konkursverfahren weiter geltend machte.
Dies sei jedoch sehr unwahrscheinlich, da die Klägerin sich dadurch selbst
wirtschaftlich schaden würde. Würde die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter
gerichtlich geltend machen und das Gericht der Klage stattgeben, ginge der erstrittene
Betrag in die Konkursmasse ein. Die Klägerin würde aus der Konkursmasse nichts
erhalten, da voraussichtlich nur die bevorrechtigten Gläubiger eine Quotenzahlung
erwarten könnten. Durch den Vergleich mit der Firma X. GmbH habe sie jedoch einen
Betrag von ... DM erhalten. Mangels einer damit wahrscheinlichen Inanspruchnahme der
Firma X. GmbH durch den Konkursverwalter sei eine Inanspruchnahme der Klägerin auf
Rückzahlung des Betrages von ... DM in gleicher Weise unwahrscheinlich.
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Dies werde auch durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt. Denn seit der Eröffnung des
Konkursverfahrens am 00.00.0000 sei die Firma X. GmbH vom Konkursverwalter nicht
in Anspruch genommen worden.
33
Die Übernahme der auflösend bedingten Verpflichtung durch den Alleinaktionär am
00.00.0000 sei für die Entscheidung, ob in den Streitjahren eine Rückstellung bilanziert
werden müsse, ohne Bedeutung.
34
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin ergänzend geltend, dass es im Hinblick
auf die Registereintragung der Beendigung des Ergebnisabführungsvertrages nach
35
Antrag auf Konkurseröffnung grundsätzlich zunächst einer Feststellung darüber bedürfe,
ob der Konkursverwalter auf den Ausgleichsanspruch nach § 302 AktG gegenüber der
Firma X. GmbH wirksam verzichtet habe, einen derartigen Verzicht beabsichtige bzw.
ein Verzicht nicht eine elementare Pflichtverletzung gegenüber den benachteiligten
Gläubigern darstellen würde. Der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG könne im
gegebenen Fall durchaus zum Gegenstand der Konkursmasse gerechnet werden. Die
Regelung des § 303 AktG stehe dem nicht entgegen, da bei Insolvenz der
ausgleichsberechtigten Gesellschaft in aller Regel die Sechs-Monatsfrist des § 303 Abs.
1 AktG abgelaufen sei.
Aus dem Gutachten des vorläufigen Konkursverwalters vom 00.00.0000 zur Frage der
Verfahrenseröffnung ergebe sich, dass dieser von betroffenen Gläubigern zur
Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 302 AktG aufgefordert worden sei.
Dieser Sachverhalt sei der Firma X. GmbH bei Abschluss der Vereinbarung vom
00.00.0000 hinlänglich bekannt gewesen, so dass vor diesem Hintergrund drohender
künftiger Zahlungsforderungen des Konkursverwalters aus Verlustausgleich nach § 302
AktG bzw. dem Freihalteanspruch verständlicherweise die mögliche Rückzahlung der
Vergleichssumme vereinbart worden sei.
36
Die Klägerin beantragt,
37
die angefochtenen Steuerbescheide über Körperschaftsteuer 1996, 1997, 1998 und
Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG 1999 in Form der Einspruchsentscheidung
vom 00.00.0000 sowie Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1997 in Form
der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 aufzuheben und die
Besteuerungsgrundlagen wie folgt festzusetzen:
38
1. 1996 1997 1998 1999
39
DM DM DM DM
40
zu versteuerndes Einkommen: ... ... ... ./. ...
41
2. Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1997: ... DM
3. Rücktrag des negativen zu versteuernden Einkommens des Jahres 1999 in Höhe
von ./. ... DM gemäß § 10 d EStG auf das Jahr 1998.
42
Der Beklagte beantragt,
43
die Klage abzuweisen.
44
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
45
Entscheidungsgründe
46
Die Klage ist unbegründet.
47
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
48
Der Beklagte hat zu Recht die Bescheide über Körperschaftsteuer und Feststellungen
gemäß § 47 Abs. 2 KStG für die Streitjahre sowie über den Einheitswert des
Betriebsvermögens auf den 1.1.1997 geändert und dabei die von der Klägerin bisher
vorgenommenen Rückstellungen für bedingte Rückzahlungsverpflichtungen und die
zugehörigen bedingten Zinsverbindlichkeiten zu den jeweiligen Bilanzstichtagen
unberücksichtigt gelassen. Auch der beantragte Rücktrag eines um ...DM erhöhten
Verlustes des Jahres 1999 auf das Jahr 1998 kommt demgemäss nicht in Betracht.
49
1.
50
Nach § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG und den in § 247 Abs. 1, 266
Abs. 3 Buchstabe c HGB zum Ausdruck kommenden handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung sind Kaufleute, die wie die Klägerin zur Führung von
Büchern und Aufstellung von Abschlüssen verpflichtet sind, handels- und
steuerrechtlich verpflichtet, Verbindlichkeiten zu passivieren. Gleiches gilt gemäß § 249
Abs. 1 HGB für die Bilanzierung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
(ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des BFH vom 12.12.1991 IV R 28/91, BStBl II
1992, 600).
51
Eine Verbindlichkeit ist nach der Rechtsprechung des BFH zu bilanzieren, wenn der
Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen
Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine
wirtschaftliche Belastung darstellt. Ist die Verpflichtung noch nicht wirksam entstanden,
weil sie von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, kann danach keine
Bilanzierung einer gewissen Verbindlichkeit erfolgen (Urteil des BFH vom 17.12.1998
IV R 21/97, BStBl II 2000, 116).
52
Gleiches gilt für eine auflösend bedingte Rückzahlungsverpflichtung, bei der der
Gläubiger den Eintritt der Bedingung nicht einseitig herbeiführen kann. Denn
wirtschaftlich betrachtet unterscheidet sich der Schwebezustand bis zum Eintritt der
auflösenden Bedingung bei derartigen Fallgestaltungen nicht von Fällen, in denen eine
aufschiebende Bedingung vereinbart ist (Urteil des BFH vom 17.12.1998, a. a. O.). Im
Streitfall scheidet damit die Bilanzierung einer gewissen Verbindlichkeit in Bezug auf
die gemäß der Vereinbarung vom 00.00.0000 auflösend bedingte
Rückzahlungsverpflichtung aus, da die Firma X. die Bedingung gemäß Punkt II. 4. der
Vereinbarung nicht einseitig herbeiführen konnte.
53
2.
54
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind aber vorliegend auch die Voraussetzungen
einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht erfüllt.
55
2.1
56
Nach § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG und § 249 Abs. 1 HGB sind
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten unter den nachfolgenden
Voraussetzungen zu bilden:
57
1. Es muss eine im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursachte,
betrieblich veranlasste und konkretisierte Verbindlichkeit gegenüber einem
anderen bestehen, die nach Entstehung, Grund und/oder Höhe und/oder Fälligkeit
ungewiss ist (Urteile des BFH vom 28.6.1989 I R 86/85, BStBl II 1990, 550, Tz. II.7,
und vom 17.12.1998, a. a. O.; Schmidt-Weber-Grellet, EStG, 24. Auflage, § 5,
Rdnr. 361, m. w. N.);
2. Es muss im Rahmen einer für jeden Bilanzstichtag anzustellenden Prognose
wahrscheinlich sein, dass die Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird und der
Steuerpflichtige daraus in Anspruch genommen wird. Der Steuerpflichtige muss
mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen können. Die bloße Möglichkeit des
Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zur Bildung einer
Rückstellung nicht aus (Urteil des BFH vom 22.11.1988 VIII R 62/85, BStBl II
1989, 359); vielmehr müssen mehr Gründe für eine Inanspruchnahme als dagegen
sprechen (Urteil des BFH vom 30.1.2002 I R 68/00, BStBl II 2002, 688);
3. Die künftigen Ausgaben müssen sofort als Betriebsausgaben abziehbar, dürfen
also ihrer Art nach nicht als Anschaffungskosten oder Herstellungskosten zu
aktivieren sein (Urteil des BFH vom 19.8.1998 XI R 8/96, BStBl II 1999, 18).
58
2.2
59
Nach diesen von dem erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung angewandten
Grundsätzen durfte die Klägerin die streitbefangenen Rückstellungen nicht bilden, da
mit ihrer Inanspruchnahme aus der auflösend bedingten verzinslichen
Rückzahlungsverpflichtung zu den hier zu beurteilenden Bilanzstichtagen nicht ernsthaft
zu rechnen war.
60
Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn die künftige Inanspruchnahme der Klägerin aus
dieser bedingten Rückzahlungsverpflichtung nach den an den Bilanzstichtagen
(31.12.1996 bis 1999) objektiv gegebenen und bis zur ordnungsgemäßen Aufstellung
der Bilanzen subjektiv erkennbaren Verhältnissen überwiegend wahrscheinlich
erschienen wäre, d. h. im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung mehr Gründe für
als gegen eine Inanspruchnahme gesprochen hätten. Es müssten konkrete
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die begründete Geltendmachung der
Rückzahlungsforderung gegenüber der Klägerin ernstlich zu erwarten war. Derartige für
eine drohende Inanspruchnahme aus der bedingten Rückzahlungsvereinbarung
sprechende Wahrscheinlichkeitsumstände können im Streitfall nicht festgestellt werden.
61
2.3
62
Zunächst ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin
zu verneinen, soweit ihre Rückzahlungsverpflichtung durch die Geltendmachung des
vertraglichen Freihaltungsanspruchs der Gemeinschuldnerin gegen die Fa. X. GmbH
seitens des Konkursverwalters und die rechtskräftige Feststellung eines solchen
Anspruchs bedingt war.
63
2.3.1
64
Die Rückzahlungsverpflichtung konnte bereits deshalb nicht durch die Geltendmachung
65
des vertraglichen Freihaltungsanspruchs der Gemeinschuldnerin ausgelöst werden,
weil ein solcher Freihaltungsanspruch rechtlich nicht mehr existent war.
2.3.1.1
66
Durch den Abschluss und den Vollzug der auch den vertraglichen Freihaltungsanspruch
betreffenden Vergleichsvereinbarung vom 00.00.0000 hat die Klägerin die in der
Freistellungsabrede nach § 415 Abs. 1 BGB liegende Schuldübernahme durch die Fa.
X. GmbH konkludent genehmigt. Infolge des damit eintretenden Schuldnerwechsels
musste aber die vormals zwischen der Gemeinschuldnerin und der Fa. X. GmbH
bestehende Erfüllungsübernahmevereinbarung i.S.d. §§ 415 Abs. 3, 329 BGB
zwangsläufig gegenstandslos werden.
67
Nach § 415 Abs. 1 BGB hängt die Wirksamkeit einer zwischen dem Schuldner und
einem Dritten vereinbarten Schuldübernahme von der Genehmigung des Gläubigers ab.
Die Genehmigung kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte dem
Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt hat. Solange der Gläubiger die
Genehmigung nicht erteilt hat, ist nach §§ 415 Abs. 3, 329 BGB im Zweifel der
Übernehmer dem Schuldner gegenüber verpflichtet, den Gläubiger so rechtzeitig zu
befriedigen, dass dieser den Schuldner nicht mit Erfolg in Anspruch nehmen kann. Die
vorliegend der Gemeinschuldnerin und der Fa. C. Ltd. mit gleichem Inhalt erteilte
Freistellungszusage erfüllte die Voraussetzungen einer derartigen Erfüllungsübernahme
im Innenverhältnis. Durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs seitens der Fa C.
hatte die Klägerin diesen Erfüllungsanspruch auch unmittelbar gegenüber der
Übernehmerin erworben (vgl. zu dieser Rechtsfolge Zeiss in: Soergel, BGB, 12. Aufl.
1990, § 415, Tz. 10; Möschel in MK BGB, Bd. 2a, 4. Aufl., § 415, Tz. 18; jeweils m.w.N.).
68
Soweit eine wirksame Schuldübernahme zuvor deren Mitteilung durch den bisherigen
Schuldner an den Gläubiger erfordert, ist dies spätestens durch den Hinweis des
Konkursverwalters auf den Freihaltungsanspruch anlässlich des Bestreitens der
Forderungsanmeldung geschehen. Wie diese Mitteilung bedarf auch die Genehmigung
des Gläubigers selbst keiner Form und kann daher auch durch schlüssiges Verhalten
erfolgen (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 415, Tz. 5; Möschel in: MK BGB, 4.
Auflage, Band 2 a, § 415, Tz. 12; Zeiss in: Soergel, BGB, 12. Auflage, Band 2, § 415, Tz.
7; jeweils m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Insbesondere ist anerkannt,
dass in der Klage des Gläubigers gegen den Schuldübernehmer eine konkludente
Genehmigung der Schuldübernahme liegt. In gleicher Weise muss dann aber auch die
vorliegende Geltendmachung und vergleichsweise Regelung der Verpflichtung der
Firma X. GmbH aus der Freistellungszusage als zum Schuldnerwechsel führende
Genehmigung angesehen werden. Dass die Klägerin sich bei der Geltendmachung des
Freistellungsanspruchs unmittelbar auf die ihr von der Firma C. Ltd. zedierte
Rechtsposition berufen konnte, ist dabei für die Bewertung ihres Verhaltens als
Zustimmung zum Schuldnerwechsel ohne Bedeutung. Denn auch der Zedentin war die
Freistellungszusage mit dem gleichen Inhalt wie der Gemeinschuldnerin, nämlich in
Bezug auf die Erfüllungsübernahme der Ansprüche der Klägerin aus dem Liefervertrag
mit der Fa. Q. GmbH, erteilt worden.
69
2.3.1.2
70
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte die Klägerin mit dem Abschluss und
dem Vollzug der auch den Freistellungsanspruch betreffenden Vergleichsvereinbarung
71
die nach Teilerfüllung verbleibende Freistellungsverpflichtung der Fa. X. GmbH
erlassen, wodurch auch die Verpflichtung gleichen Inhalts gegenüber der Fa. Q. GmbH
als Gesamtgläubigerin nach § 429 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 422 Abs. 1, 423 BGB
erloschen wäre.
Nach § 428 BGB besteht hinsichtlich eines schuldrechtlichen Anspruchs
Gesamtgläubigerschaft, wenn mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt
sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur
einmal zu bewirken verpflichtet ist. Im Streitfall waren die Fa. Q. GmbH und die Fa. C.
Ltd. als vormalige Inhaberin des der Klägerin zedierten Anspruchs in diesem Sinne
Gesamtgläubiger der seitens der Fa. X. GmbH erteilten Freistellungszusage. Denn
diese Zusage war ihnen mit gleichem Inhalt, d.h. in Bezug auf die Ansprüche der
Klägerin aus dem Liefervertrag mit der Fa. Q. GmbH, erteilt worden. Beide
Anspruchsinhaber waren daher berechtigt, von der Fa. X. GmbH die rechtzeitige
Vorabbefriedigung der Klägerin i.S.d. §§ 415 Abs. 3, 329 BGB zu fordern, während
diese Erfüllungsleistung von der Fa. X. GmbH nur einmal erbracht werden musste. Dass
mit der Befriedigung der Klägerin aufgrund der Erfüllungsübernahme die geschuldete
Freistellungsleistung an beide Anspruchsinhaber bewirkt würde, liegt dabei bereits in
der Natur des Schuldverhältnisses, so dass es auf die nach § 428 Satz 1 BGB in das
Belieben des Schuldners gestellte Auswahl des Leistungsadressaten hier nicht
ankommen kann.
72
Durch die Abtretung dieser Anspruchsposition konnte die Klägerin kein besseres Recht
erwerben, als es der Zedentin zustand. Ungeachtet der Vereinigung des
Freistellungsanspruchs und des der Erfüllungsübernahme zugrundeliegenden
Leistungsanspruchs in ihrer Person, durch die die Klägerin einen unmittelbaren
Erfüllungsanspruch gegenüber der Übernehmerin erworben hatte, blieb die Fa. X.
GmbH daher gemäß § 428 BGB nur einmal zur Leistung auf den Freistellungsanspruch
verpflichtet und konnte sich auf die nach § 429 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 422 Abs. 1, 423
BGB eintretenden Wirkungen von Veränderungen ihrer Leistungsverpflichtung auch
gegenüber der weiteren Gesamtgläubigerin berufen.
73
Soweit diese Veränderung in dem Erlass der nach Teilerfüllung verbleibenden
Leistungsverpflichtung der Fa. X. GmbH aus der Freistellungsvereinbarung bestand,
hatte die Klägerin auch die erforderliche Rechtsmacht, diesen mit Wirkung für alle
Gesamtgläubiger auszusprechen.
74
Dies entspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in §§ 429 Abs. 3, 423 BGB
und der Konzeption des Gesetzes. So wie jeder Gesamtgläubiger die Möglichkeit hat,
die Leistung mit Gesamtwirkung entgegenzunehmen und für sich zu verwenden, hat er
auch die Möglichkeit, die Forderung durch Erfüllungssurrogate einschliesslich des
Erlasses zum Erlöschen zu bringen. Wenn er damit im Einzelfall seine Befugnisse im
Innenverhältnis zu seinen Mitgläubigern überschritten haben würde, kann dies zwar für
die Auslegung der Erlasserklärung erheblich sein, ob damit wirklich das ganze
Schuldverhältnis aufgehoben werden sollte. Ist diese Frage indessen zu bejahen,
können die Interessen der Mitgläubiger gemäß § 430 BGB nur im Innenverhältnis
Berücksichtigung finden (Urteil des BGH vom 4.3.1986, VI ZR 234/84, NJW 1986, 1861;
Urteil des OLG Hamburg vom 18.10.2002 4 U 75/02, MDR 2003, 319, m.w.N.).
75
Im Streitfall geben weder die Vergleichsvereinbarung vom 00.00.0000 noch die Eigenart
der Leistungsverpflichtung oder das Innenverhältnis der Klägerin zu ihrer Mitgläubigerin
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Anlass zu einer die Gesamtwirkung des Erlasses einschränkenden Auslegung. Nach
Tz. II.1 der Vereinbarung sollte die Zahlung des Vergleichsbetrags in endgültiger
Erledigung aller Ansprüche der Klägerin aus dem Liefervertrag mit der Fa. Q. GmbH
unter Einbeziehung des anhängigen Rechtsstreits erfolgen. Aus Sicht der Fa. X. GmbH
konnte demnach bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr mit einer Inanspruchnahme
aus der zuvor bestehenden Freistellungsverpflichtung zugunsten der Fa. Q. GmbH
wegen dieser als erledigt angesehenen Ansprüche gerechnet werden. Denn die
Besonderheit des Streitfalles lag gerade darin, dass die Klägerin als Inhaberin der von
der Freistellungsverpflichtung betroffenen Ansprüche zugleich Vertragspartei der
Erlassvereinbarung war. Mit ihrer Zustimmung zu der Abgeltung der
Freistellungsverpflichtung durch Zahlung des Vergleichsbetrags konnte daher bei
Beachtung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens im Innenverhältnis zur Fa. Q.
GmbH für deren Inanspruchnahme aus dem Liefervertrag kein Raum mehr sein. Wegen
dieser sich aus Treu und Glauben ergebenden Bindung wurden auch die Interessen der
Mitgläubigerin durch die Gesamtwirkung des Erlasses der Freistellungsverpflichtung in
keiner Weise beeinträchtigt. Dementsprechend hatte sich die Klägerin in der
Vergleichsvereinbarung verpflichtet, den unterbrochenen Rechtsstreit gegenüber der
Fa. Q. GmbH nicht wieder aufzunehmen. Soweit dies – ebenso wie die Wirksamkeit der
Gesamtvereinbarung - unter der Bedingung stand, dass der Konkursverwalter die Fa. X.
GmbH nicht bzw. nicht erfolgreich auf der Grundlage der Freihaltungszusage in
Anspruch nehmen werde, hatte dieses Bedingungsgefüge lediglich kautelarischen
Charakter. Keinesfalls kann aus diesen Vorsichtsmaßregeln indessen abgeleitet
werden, dass den Parteien der Vergleichsvereinbarung daran gelegen gewesen wäre,
den Freistellungsanspruch der Mitgläubigerin Q. GmbH ungeachtet der Bereinigung des
Schuldverhältnisses zwischen ihnen selbst ungeschmälert zu erhalten. Die
Verpflichtung der Fa. X. GmbH, im Falle derartiger Anspruchserhebung die
Aktivlegitimation des Konkursverwalters zu bestreiten (Tz. II.4 der Vereinbarung), spricht
vielmehr deutlich und überzeugend für die gegenteilige Auslegung einer
abschließenden Regelung der Freistellungsverpflichtung mit Wirkung für alle
Mitgläubiger.
2.3.2
77
Unabhängig von diesen rechtlichen Gegebenheiten steht der Wahrscheinlichkeit der
bedingungsauslösenden Geltendmachung des vertraglichen Freihaltungsanspruchs
seitens des Konkursverwalters und der rechtskräftigen Feststellung eines solchen
Anspruchs jedenfalls der tatsächliche Umstand entgegen, dass der Konkursverwalter
deshalb keinen Anlass zur Verfolgung eines solchen Anspruchs haben konnte, weil aus
seiner Sicht eine Schmälerung der Konkursmasse durch die der
Freistellungsvereinbarung zugrunde liegende Forderung der Klägerin gegenüber der
Gemeinschuldnerin nicht zu besorgen war.
78
Dementsprechend hat der Konkursverwalter die Forderungsanmeldung der Klägerin
unter Hinweis auf die Freihalteverpflichtung der Firma X. GmbH bestritten und die
Klägerin daraufhin die Feststellung ihrer Forderung zur Konkurstabelle bislang nicht
weiter verfolgt. Auf die aus Sicht der einzelnen Bilanzstichtage bestehende theoretische
Möglichkeit, dass die Klägerin sich anders verhalten hätte, kann es für die
Rückstellungsbildung nicht ankommen, da ein solcher Geschehensablauf
ausschließlich von der Klägerin selbst beeinflusst werden konnte. Eine Rückstellung für
drohende Fremdverbindlichkeiten kann indessen nicht solche Risiken abdecken, die in
Zukunft von dem Steuerpflichtigen selbst ohne einen zugrunde liegenden
79
Handlungszwang noch begründet werden könnten.
Die bloße Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle vor dem Hintergrund des durch
die Konkurseröffnung unterbrochenen Klageverfahrens gegen die Gemeinschuldnerin
hat der Konkursverwalter hingegen nicht als hinreichenden Anlass für die
Geltendmachung des Freihaltungsanspruchs angesehen. Irgendwelche Anhaltspunkte,
die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Änderung dieser Beurteilung des
Konkursverwalters in der Folgezeit ergeben könnten, sind indessen weder vorgetragen
noch ersichtlich. Eine Leistungsklage auf Zahlung an die Klägerin wäre darüber hinaus
wegen der bisher ungeklärten Höhe der Schuld nur bei Betreiben der
Forderungsfeststellung durch die Klägerin in Betracht gekommen. Die rechtskräftige
Feststellung eines dem Konkursverwalters zum Einzug zur Konkursmasse zustehenden
Anspruchs war aber notwendige Voraussetzung für den Eintritt der die
Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin auslösenden Bedingung.
80
2.4
81
Auch soweit die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin durch die Geltendmachung
direkter Gläubigeransprüche im Sinne des § 303 Aktiengesetz durch den
Konkursverwalter und deren rechtskräftige Feststellung bedingt ist, ist die überwiegende
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin zu verneinen.
82
2.4.1
83
Zunächst standen derartige Ansprüche dem Konkursverwalter – und zwar unabhängig
von der Übernahme der zugrunde liegenden Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin
aus dem Liefervertrag gemäß § 415 BGB - bereits aus Rechtsgründen nicht zu.
84
2.4.1.1
85
Ergänzend zu der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG regelt § 303 Abs. 1 AktG die
Verpflichtung der beherrschenden Gesellschaft zur Sicherheitsleistung gegenüber
Gläubigern, deren Forderungen vor der Eintragung der Beendigung der
Ergebnisübernahmevereinbarung in das Handelsregister begründet worden sind. Der
Anspruch auf Sicherheitsleistung muss binnen sechs Monaten nach Bekanntmachung
der Handelsregistereintragung gegenüber dem Verpflichteten geltend gemacht werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 16.9.1985 II ZR 275/84, BGHZ 95, 330,
und vom 23.9.1991 II ZR 135/90, BGHZ 115, 187) kann sich aus § 303 Abs. 1 AktG ein
unmittelbar auf Zahlung gerichteter Anspruch des Gläubigers gegen die beherrschende
Gesellschaft ergeben, wenn feststeht, dass der Gläubiger mit seiner Forderung gegen
die beherrschte Gesellschaft ausfällt. Denn im Falle der Vermögenslosigkeit der
abhängigen Gesellschaft habe die vorherige Sicherheitsleistung keinen Sinn mehr.
Auch wenn der Konkurs über das vormals beherrschte Unternehmen eröffnet würde,
bestünde der Anspruch auf Sicherheitsleistung nur solange, wie der Ausfall des
Gläubigers mit seiner Forderung nicht feststehe. Nach dem Urteil des OLG Frankfurt
vom 16.2.2000 19 U 226/98 (NZG 2000, 933) kann ein vollständiger Ausfall des
Gläubigers auch insoweit feststehen, als eine auch nur anteilige Befriedigung der
Rangklasse der betroffenen Forderung nicht in Betracht kommt. Der Zahlungsanspruch
nach § 303 Abs. 1 AktG wird nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BGH
nicht durch einen ggf. noch offenstehenden Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG
begrenzt. Der BGH neigt überdies zu der Auffassung, dass auch diejenigen Gläubiger,
86
deren Forderungen bereits vor der Begründung des Ergebnisübernahmevertrages
entstanden sind, diesen Zahlungsanspruch geltend machen können.
Ein danach bestehender Anspruch der Klägerin gegen die Firma X. GmbH nach § 303
Abs. 1 AktG konnte aber jedenfalls deshalb nicht in analoger Anwendung des § 171
Abs. 2 HGB zur Konkursmasse gehören und daher von dem Konkursverwalter der Firma
Q. GmbH geltend gemacht werden, weil die Firma X. GmbH als herrschendes
Unternehmen ausweislich des Gutachtens des Konkursverwalters vom 20.12.1995
(Seite 3) diesem etwa zustehende Verlustausgleichsansprüche nach § 302 AktG bereits
durch Ausgleich der bilanziellen Fehlbeträge erfüllt hatte. In diesem Fall lässt sich aber
die analoge Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB auf direkte Gläubigeransprüche nach §
303 Abs. 1 AktG keinesfalls rechtfertigen (Urteil des BGH vom 23.9.1991, a. a. O.).
87
Die Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB regelt, dass im Falle der Eröffnung des Konkurses
über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft das den Gläubigern der Gesellschaft
zustehende Recht, den Kommanditisten, der seine Einlage nicht geleistet hat, aus
seiner Haftung in Anspruch zu nehmen, durch den Konkursverwalter ausgeübt wird.
Zweck der Regelung ist es, den Wettlauf der Gläubiger im Konkurs einer
Kommanditgesellschaft um die Verwertung der noch nicht eingezahlten Einlage des
Kommanditisten zu unterbinden. Stehen allerdings keine Verlustausgleichsansprüche
nach § 302 AktG als ein der Höhe nach begrenztes, den Gläubigern haftendes
Vermögen mehr offen, so muss auch der Rechtsgedanke des § 171 Abs. 2 HGB
versagen, dieses Vermögen – dem Grundgedanken der Gleichbehandlung
gleichrangiger Gläubiger im Konkurs entsprechend – dem Zugriff einzelner Gläubiger zu
entziehen. In diesem Fall geht es vielmehr um die unbeschränkte Haftung der
beherrschenden Gesellschaft, durch die Forderungen abgedeckt werden sollen, mit
deren Ausfall im Konkursverfahren der Gemeinschuldnerin zu rechnen ist. Die Sach-
und Interessenlage ist daher der in § 171 Abs. 2 HGB vorausgesetzten nicht
vergleichbar und verbietet es auch, eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift in
Betracht zu ziehen (so zutreffend: Urteil des OLG Frankfurt vom 16.2.2000, a.a.O.).
88
Schließlich ist festzustellen, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des
Insolvenzrechts in § 93 InsO weiterhin darauf verzichtet hat, dem Insolvenzverwalter
direkte Gläubigeransprüche nach § 303 Abs. 1 AktG zur Einziehung zuzuweisen. Auch
dies spricht gegen die Erforderlichkeit einer analogen Anwendung des § 171 Abs. 2
HGB unter Geltung der alten Rechtslage.
89
Nach noch weitergehender Auffassung (Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und
GmbH-Konzernrecht, 4. Auflage 2005, § 303 AktG, Rdnrn. 25 und 25 a, mit weiteren
Nachweisen) soll sich darüber hinaus bereits aus dem Rechtsgedanken des § 773 Abs.
1 Nr. 3 BGB ergeben, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der beherrschten Gesellschaft der Geltendmachung der sich bereits jetzt abzeichnenden
Ausfallhaftung gegen das herrschende Unternehmen nicht mehr entgegensteht und
derartige Ansprüche daher generell nicht dem Konkursverwalter zugewiesen werden
können. Ob es der begehrten Rückstellungsbildung nicht bereits aus diesem Grunde
einer Rechtsgrundlage ermangelt, bedarf indessen nach den vorstehenden
Ausführungen im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.
90
2.4.1.2
91
Selbst wenn man aber den Stimmen im Schrifttum folgen wollte, die für eine
92
weitergehende Einziehungsbefugnis des Konkursverwalters plädieren (vgl. dazu die
Nachweise im Urteil des BGH vom 23.9.1991 und bei Emmerich, a. a. O.), so könnte
auch dies die ernstliche Wahrscheinlichkeit eines bedingungsauslösenden Vorgehens
des Konkursverwalters nach § 303 Abs. 1 AktG nicht rechtfertigen. Denn einen
derartigen Zahlungsanspruch hat der Konkursverwalter im Streitfall nicht innerhalb der
sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 303 Abs. 1 Satz 1 AktG gegenüber der Firma X.
GmbH erhoben. Diese Frist begann am 00.00.0000 mit der Eintragung der Auflösung
des Ergebnisübernahmevertrages im Handelsregister und endete demgemäss vor der
erstmaligen Bilanzierung der streitbefangenen Rückstellung am 31.12.1996. Dies würde
auch dann gelten, wenn das Registergericht in der Bekanntmachung der Eintragung
entgegen § 303 Abs. 1 Satz 2 AktG die Gläubiger nicht auf ihr Recht auf
Sicherheitsleistung hingewiesen hätte (Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999; Emmerich, a. a. O.,
Tz. 16, mit weiteren Nachweisen zur insoweit uneingeschränkt herrschenden Meinung).
Denn dies könnte nur Staatshaftungsansprüche auslösen, nicht aber den Ablauf der
Präklusionsfrist beeinflussen.
2.4.2
93
Unabhängig von diesen rechtlichen Gegebenheiten bestand für die Inanspruchnahme
der Firma X. GmbH aus einem etwa dem Konkursverwalter zuzuweisenden
Zahlungsanspruch der Klägerin gemäß § 303 Abs. 1 AktG schließlich auch deshalb
keinerlei greifbare Wahrscheinlichkeit, weil der Konkursverwalter in seinem Gutachten
vom 00.00.0000 (Seite 13) selbst davon ausgegangen ist, dass ihm ein solcher
Anspruch nicht zustehe, und auch in der Folgezeit nicht hat erkennen lassen, dass er
diese Auffassung geändert hätte. Das Bestreiten der klägerischen
Forderungsanmeldung unter Hinweis auf die Freihalteverpflichtung der Firma X. GmbH
zeigt, dass der Konkursverwalter eine Schmälerung der Masse durch diese Forderung
nicht in Betracht zog. An dieser Erwartung konnte er auch in der Folgezeit unverändert
festhalten, da die Klägerin die Feststellung ihrer Forderung zur Konkurstabelle niemals
betrieben hat.
94
2.5
95
Auf die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Firma X. GmbH durch den
Konkursverwalter aus ihrer Verlustausgleichsverpflichtung nach § 302 AktG kommt es
im Streitfall bereits deshalb nicht an, da die Geltendmachung von Ansprüchen auf dieser
Rechtsgrundlage nach Tz. II.4 des Vertrages vom 00.00.0000 nicht geeignet ist, die
Bedingung für die Entstehung der Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin eintreten zu
lassen. Im übrigen war – wie oben dargelegt – diese Verlustausgleichsverpflichtung
bereits erfüllt worden.
96
3.
97
Der Beklagte hat auch zu Recht die von der Klägerin zum 31.12.1996 gebildete
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe von ... DM nicht als
Abzugsposten bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den
1.1.1997 berücksichtigt. Denn die Voraussetzungen für die Bildung dieser Rückstellung
lagen zu dem Bilanzstichtag 31.12.1996 nicht vor.
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Der Einheitswert des Betriebsvermögens wird gemäß § 98 a Bewertungsgesetz in der
ab dem Stichtag 1.1.1993 anzuwendenden Fassung in der Weise ermittelt, dass die
99
Summe der Werte, die für die zu dem gewerblichen Betrieb gehörenden
Wirtschaftsgüter (Rohbetriebsvermögen) ermittelt sind, um die Summe der Schulden des
Betriebs (§ 103 BewG) und der sonstigen nach dem BewG zulässigen Abzüge gekürzt
wird. Die §§ 4 bis 8 BewG sind seit diesem Stichtag nicht mehr anzuwenden. Die zu
dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter sind bei Steuerpflichtigen, die wie
die Klägerin ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, vorbehaltlich hier
nicht einschlägiger Sonderregeln mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen (§ 109 Abs. 1
BewG).
Da – wie oben dargelegt – der Ansatz einer Rückstellung für bedingte
Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag mit der Firma X. GmbH vom 00.00.0000 in
der Steuerbilanz 1996 nicht zulässig war, scheidet eine Berücksichtigung bei der
Einheitsbewertung zum 1.1.1997 ebenfalls aus.
100
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
101