Urteil des FG Köln vom 01.12.2006
FG Köln: aufrechnung, gegenforderung, bürgschaftserklärung, zivilprozessordnung, erlöschen, abgabenordnung, sittenwidrigkeit, zivilgericht, kredit, prozessökonomie
Finanzgericht Köln, 5 K 2566/04
Datum:
01.12.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
5 K 2566/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides
betreffend Einkommensteuer 1994 und 1995 streitig.
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Der verheiratete Kläger war in den Streitjahren als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Für
die Jahre 1994 und 1995 wurde er mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt. Aus diesen Veranlagungen ergab sich ein
unstreitiger Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.938,85 €. Mit Schreiben vom
21.5.2002 erklärte der Beklagte gegenüber diesem Erstattungsanspruch die
Aufrechnung gemäß § 338 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit einer
Gegenforderung des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 93.320,99 €, die aus
folgendem unstreitigen Sachverhalt resultiert:
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Um mit dem Rechtsanwalt Dr. W in C eine Sozietät eingehen zu können, nahm der
Kläger bei der D-Bank in C einen Kredit in Höhe von 182.520 DM auf. Als Sicherheit
diente eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen in O. Für diese
Ausfallbürgschaft hatten der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen eine
Rückbürgschaft gestellt, aus der sie von der Bürgschaftsbank in Anspruch genommen
worden sind. Auch die Ehefrau des Klägers hatte seinerzeit ebenfalls eine
betragsmäßig auf 50.000,-- DM begrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für den
Kredit des Klägers gegenüber der D-Bank übernommen.
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Gegenüber der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung wendete der Kläger ein,
seine Ehefrau sei mit der Aufrechnung nicht einverstanden, weil ihr gegenüber keine
Aufrechnungslage bestehe. Die von ihr der D-Bank gegenüber abgegebene
Bürgschaftserklärung sei sittenwidrig. Sie habe weder eine Berufsausbildung genossen
noch sei sie jemals berufstätig gewesen, Vielmehr habe sie sich der Erziehung ihrer drei
gemeinsamen Kinder gewidmet. Obwohl diese Umstände der D-Bank bekannt gewesen
seien, habe diese gleichwohl auf der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch
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die Ehefrau bestanden. Eine unter diesen Umständen abgegebene
Bürgschaftserklärung sei jedoch, wie der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 14.5.2002
– XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 und XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230, festgestellt habe,
sittenwidrig und somit nichtig. Seine Ehefrau sei allerdings mit einer Verrechnung der
Einkommensteuer-Erstattungsansprüche gegenüber seinen Umsatzsteuerschulden
betreffend die Jahre 1994 und 1995 einverstanden, falls diese vom Finanzgericht
bestätigt werden sollten. Andernfalls, d.h. wenn seine diesbezüglich erhobene Klage
Erfolg haben sollte, sollten die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche mit künftigen
Einkommensteueransprüchen verrechnet werden.
Der Beklagte hielt jedoch, nach Abstimmung mit dem vom Kläger angerufenen
Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen daran fest, dass die Aufrechnung
rechtens sei. Über die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung der Ehefrau könne im
Besteuerungsverfahren nicht entschieden werden; hierfür seien die Zivilgerichte
zuständig.
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Auf Antrag des Klägers vom 4.1.2003 erging hierauf der hier angefochtene
Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003, der zum 24.5.2002 ein Guthaben zugunsten des
Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 4.754,83 € ausweist. Dieser Betrag ist jedoch,
was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, offenbar unrichtig; das Guthaben
beträgt vielmehr 4.938,85 €. Es wurde vom Beklagten weisungsgemäß an die
Landeshauptkasse überwiesen, was in dem Abrechnungsbescheid auch zum Ausdruck
gebracht wurde.
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Gegen diesen Abrechnungsbescheid legten der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht
Einspruch ein. Sie halten daran fest, dass die Ehefrau aus der von ihr abgegeben
Bürgschaft wegen Sittenwidrigkeit der Erklärung nicht in Anspruch genommen werden
könne.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 6.4.2004, auf die Bezug genommen wird, wies der
Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
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Hiergegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage. Zur
Begründung trägt der Kläger, unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens im
Vorverfahren, weiter vor, die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen
des Landes Nordrhein-Westfalen sei rechtswidrig. Das Land Nordrhein-Westfalen
könne nur Ansprüche gegen ihn – den Kläger – geltend machen, nicht jedoch gegen
seine Ehefrau. Die Sittenwidrigkeit der von ihr abgegeben Bürgschaftserklärung ergebe
sich daraus, dass sie voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld
dauerhaft würde aufbringen können. Sein, des Hauptschuldners, ggf. bestehendes
Leistungsvermögen sei hierbei nicht zu berücksichtigen. Die Bürgschaftserklärung sei
auch aus einem anderen Grund sittenwidrig: Der D-Bank als Altgläubigerin sei zum
Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung bekannt gewesen, dass der Wert der Einzelpraxis
des Rechtsanwalts Dr. W zum Zeitpunkt der Bürgschaftsabgabe 0,00 DM betragen habe
und dass die anderslautenden Bilanzen gefälscht gewesen seien, weswegen gegen
den Rechtsanwalt Dr. W auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet
worden sei. Er, der Kläger, sei jedoch aufgrund der Bilanzen von einer wohlhabenden
Kanzlei des Dr. W ausgegangen, weshalb er fest davon ausgegangen sei, seine
Ehefrau würde aus der Bürgschaft, zu der auch er selbst sie gedrängt habe, niemals in
Anspruch genommen werden. Das Land Nordrhein-Westfalen sei daher verpflichtet, die
sittenwidrige Bürgschaft herauszugeben.
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Der Kläger beantragt,
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den Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 17.3.2003 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die Aufrechnung des
Beklagten vom 21.5.2002 mit einer Forderung des Landes Nordrhein-Westfalen mit
dem Erstattungsanspruch des Klägers und seiner Ehefrau rechtswidrig ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
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Auf die Erörterungsschreiben des Gerichts vom 4.8.2006 und 7.8.2006 hat der Kläger
sich nicht mehr geäußert.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der gegenüber beiden Eheleuten ergangene, allerdings nur von dem Kläger
angefochtene Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 ist rechtens und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (arg. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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1. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO-- ist über Streitigkeiten, die die
Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen betreffen, durch einen
Verwaltungsakt zu entscheiden, der in Anlehnung an die frühere Regelung in § 125 der
Reichsabgabenordnung allgemein als Abrechnungsbescheid bezeichnet wird. Sinn und
Zweck eines solchen Bescheides besteht erkennbar darin, über eine Streitigkeit
zwischen Schuldner und Gläubiger (Finanzbehörde), die die Verwirklichung von
Steueransprüchen betrifft, eine für die Beteiligten verbindliche Klärung zu schaffen (vgl.
BFH-Urteil vom 5. Juli 1988 VII R 142/84, BFH/NV 1990, 69; ebenso Alber in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und
Finanzgerichtsordnung, § 218 AO Rz. 77 ff. [November 1997]). Zu den Streitigkeiten
über die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen gehören
diejenigen über das Erlöschen von Zahlungsansprüchen aus
Steuerschuldverhältnissen und damit auch eine Streitigkeit über das Bestehen eines
Erstattungsanspruchs (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BStBl II 1986,
776). Der Ausspruch der Finanzbehörde über die Streitigkeit, ob ein
Erstattungsanspruch durch Aufrechnung i.S. des § 226 AO erloschen ist, hat
feststellende Wirkung.
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2. Soweit in dem BFH-Urteil vom 27. März 1968 VII 306/64, BStBl II 1968, 501)
ausgeführt wird, dass im Abrechnungsbescheid auch zu entscheiden sei, wodurch das
Erlöschen der Zahlungsverpflichtung eingetreten sei, was in dem Rechtsstreit, der
diesem Urteil zugrunde lag, streitig war, genügt der angefochtene
Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 dieser Anforderung. Denn am Ende des
Abrechnungsbescheides führt der Beklagte wie folgt aus: "Die Guthaben mit Wert
24.5.2002 in Höhe von 4.754,83 € wurden aufgrund der Abtretung vom 2.11.1998 an die
Landeshauptkasse Az. vv4709-41448-III A 2 ausgezahlt". Der Abrechnungsbescheid ist
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auch im Übrigen inhaltlich hinreichend bestimmt; Einwendungen hiergegen sind von
dem Kläger auch nicht vorgetragen worden.
Im Streitfall geht es darum, ob der Steuererstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 1 AO
des Klägers durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten vom 21.5.2002 wirksam
zum Erlöschen gebracht wurde. Soweit der Kläger in Bezug auf die zur Aufrechnung
gestellte Gegenforderung des Beklagten geltend macht, der entsprechende
Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 sei rechtswidrig und dies damit begründet, dass
die von seiner Ehefrau gegenüber der D-Bank C abgegebene Bürgschaft über 50.000,--
DM wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei, kann das angerufene Gericht über das Bestehen
oder Nichtbestehen der Gegenforderung des Beklagten jedoch nicht entscheiden.
Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend:
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Eine Aufrechnung i.S. des § 226 Abs. 1 AO ist zwar auch zulässig und materiell-
rechtlich wirksam, wenn Forderung und Gegenforderung in verschiedenen
Verfahrensarten, die eine vor dem Zivilgericht, die andere vor dem FG, geltend zu
machen sind (so bereits BFH-Beschluss vom 6. August 1985 VII B 3/85, BStBl II 1985,
672; Urteil des Bundesgerichtshofes --BGH-- vom 11. Januar 1955 I ZR 106/53, BGHZ
16, 124, 127). Hier bestehen keine verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, wenn die zur
Aufrechnung gestellte Gegenforderung unstreitig ist oder sie von der zuständigen
Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist.
Das Gericht, das zur Entscheidung über die Klageforderung zuständig ist, braucht dann
über das Bestehen der Gegenforderung nicht zu entscheiden. Mit der Entscheidung
darüber, ob die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit der (unstreitigen oder
rechtskräftig festgestellten) Gegenforderung zulässig war und ganz oder teilweise zum
Erlöschen der Klageforderung geführt hat, verbleibt es innerhalb des ihm gesetzlich
zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs.
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Verfahrensrechtliche Probleme, die die materiell-rechtliche Zulässigkeit der
Aufrechnung indessen nicht hindern, wirft die Aufrechnung mit einer Gegenforderung,
für die ein anderer Rechtsweg als für die Klageforderung gegeben ist, dagegen dann
auf, wenn diese ―wie im Streitfall― nicht rechtskräftig festgestellt ist und vom Kläger
bestritten wird. Denn nach § 322 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO-- ist die
Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für
den die Aufrechnung geltend gemacht ist, der materiellen Rechtskraft fähig. Es besteht
somit die Gefahr, dass ein an sich nicht zuständiges Gericht mit Bindungswirkung
gegenüber den nach der Rechtswegzuweisung entscheidungsbefugten Gerichten über
das Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten Forderung entscheidet (BFH-
Beschluss in BStBl II 1985, 672).
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An dieser Rechtslage hat auch die Neufassung des § 17 Abs. 2 Satz 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG-- nichts geändert. Zwar entscheidet nach § 17 Abs.
2 Satz 1 GVG i.d.F. des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen 4. Gesetzes zur Änderung
der Verwaltungsgerichtsordnung (4.VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990, BGBl I, S.
2809, der gemäß § 155 FGO im Finanzgerichtsprozess entsprechende Anwendung
findet, das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit "unter allen in Betracht
kommenden rechtlichen Gesichtspunkten". Diese Bestimmung eröffnet eine
rechtswegüberschreitende Sachkompetenz, sofern der beschrittene Rechtsweg zu dem
angerufenen Gericht für einen Klagegrund zulässig ist (Begründung zum
Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030, S. 37). Dem angerufenen Gericht wird hiermit
die Pflicht auferlegt, in den Fällen, in denen die Klageforderung auf mehrere, an sich
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verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann,
über sämtliche Klagegründe zu entscheiden, sofern der beschrittene Rechtsweg für
einen von ihnen gegeben ist (Albers in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann,
Zivilprozessordnung, § 17 GVG Rdnr. 6; Zöller/Gummer, Zivilprozessordnung, § 17 GVG
Rdnr. 5 ff.; BGH-Urteil vom 28. Februar 1991 III ZR 53/90, NJW 1991, 1686).
Die Ausweitung des Prüfungsumfanges durch die Neuregelung des § 17 Abs. 2 Satz 1
GVG erstreckt sich aber nicht auf den Fall der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden
Forderung (so wohl auch Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Beschluss vom 7.
Oktober 1998 3 B 68/97, NJW 1999, 160). Denn bei der zur Aufrechnung gestellten
rechtswegfremden Forderung handelt es sich nicht um einen "rechtlichen
Gesichtspunkt" i.S. des § 17 Abs. 2 GVG, sondern um ein selbständiges Gegenrecht,
das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen weiteren selbständigen
Gegenstand hinzufügt (vgl. Bundesarbeitsgericht --BAG--, Beschluss vom 23. August
2001 5 AZB 3/01, NJW 2002, 317). Die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden
Forderung ist vielmehr vergleichbar mit den Fällen der objektiven Klagehäufung (vgl.
BGH in NJW 1991, 1686) sowie der Widerklage, für die ebenfalls keine
Entscheidungsbefugnis besteht (Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 10;
Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung mit Nebengesetzen, § 145 Rdnr. 24, § 17 GVG
Rdnr. 9; Rupp, NJW 1992, 3274; Musielak, Juristische Schulung --JuS-- 1994, 817,
823). Gegen eine erweiternde Auslegung von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG spricht zudem,
dass die Problematik der Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen bei der
Änderung der §§ 17 ff. GVG durch das 4.VwGOÄndG seit langem bekannt gewesen ist,
aber die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 11/7030, S. 37 ff.) allein die Fälle alternativer
und kumulativer Klagebegründungen durch verschiedene Anspruchsgrundlagen
behandeln (BAG-Beschluss in NJW 2002, 317). Bei Zulassung der Prozessaufrechnung
mit rechtswegfremden Forderungen käme es auch erneut zu unbefriedigenden
Rechtswegzersplitterungen, die durch die §§ 17 ff. GVG n.F. gerade ausgeschaltet
werden sollten. Soweit beispielsweise eine aufzurechnende Forderung des öffentlichen
Rechts zur Tilgung einer zivilrechtlichen Forderung verwendet würde, wäre ein
Zivilgericht zur Entscheidung über Bestehen oder Nichtbestehen des zur Aufrechnung
gestellten Teils der Gegenforderung zuständig, während der Streit um den restlichen
Teil der Gegenforderung vor den Finanz-/Verwaltungsgerichten auszutragen wäre,
wobei diese hinsichtlich dieses Forderungsteiles nicht einmal an die rechtskräftige
Beurteilung des Zivilgerichts hinsichtlich des anderen Teils gebunden sind; dies wäre
ein Ergebnis, das die angestrebte Prozessökonomie in ihr Gegenteil verkehrt (Rupp,
NJW 1992, 3274; Musielak, JuS 1994, 823; Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 Rdnr. 10;
Thomas/Putzo, a.a.O., § 145 Rdnr. 24, m.w.N.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof --
VGH--, Urteil vom 7. Oktober 1993 5 UE 1398/91, NJW 1994, 1488, 1490).
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Soweit im Schrifttum vielfach die Auffassung vertreten wird, die
Entscheidungskompetenz des für die Klage zuständigen Gerichts sei auch für eine zur
Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung gegeben, vermag das
erkennende Gericht dieser von ihm zunächst geteilten Auffassung (Hinweisschreiben
vom 4.8.2006) im Einklang mit dem Bundesfinanzhof (vgl. Beschluss vom 9. April 2002
VII B 73/01, BStBl II 2002, 509 und BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1759) nicht zu folgen.
Begründet wird die Literaturauffassung im Wesentlichen mit der Gesamttendenz der
Neuregelung der §§ 17 bis 17b GVG durch das 4.VwGOÄndG, unnötige
Rechtswegstreitigkeiten und Rechtswegaufspaltungen möglichst zu vermeiden, sowie
die Verfahren zu beschleunigen und im Hinblick auf die Gleichwertigkeit aller
Gerichtsbarkeiten als Verfassungsprinzip. Diesem Gesetzeszweck würde es
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widersprechen, wenn man § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG nur auf die Fälle der
Anspruchskumulation anwenden und es im Falle der Aufrechnung mit
rechtswegfremden Forderungen bei der Aufspaltung der Rechtswege belassen würde.
Im Interesse der Prozessökonomie und der Rechtschutzeffektivität sei daher die
Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung mit der rechtlichen Kumulation
rechtswegunterschiedlicher Klagegründe prozessrechtlich gleich zu behandeln (so:
Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Aufl., § 13 Rdnr. 76, § 17 Rdnr. 40;
Schenke/Ruthig, NJW 1992, 2505, 2510 ff., und NJW 1993, 1374; Albers in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 6; Kopp,
Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., § 40 Rdnr. 45; Gräber/Koch,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, Anhang § 33 Rz. 14; Rozek in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977
Rz. 135 ff.; Steinhauff, daselbst, § 34 FGO Rz. 64 ff.; vgl. auch Hessischer VGH,
Beschluss vom 28. Januar 1994 3 TG 2026/93, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl--
1994, 806).
Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des BFH a.a.O. an und
vermag die Gegenmeinung aus nachfolgenden Erwägungen nicht zu teilen: Einer
Erstreckung der Entscheidungsbefugnis auf rechtswegfremde Forderungen steht schon
der vom Gesetzgeber mit dem Rechtswegesystem verfolgte Zweck entgegen, dass über
unterschiedliche Arten von Ansprüchen dafür fachlich besonders qualifizierte Gerichte in
einem dafür vorgeschriebenen spezifischen Verfahren entscheiden sollen (vgl. auch
Greger in Entscheidungen für Wirtschaftsrecht --EWiR-- 1/2002, 19; § 17 GVG). Eine
Rechtfertigung für die Durchbrechung dieses Prinzips ergibt sich aus dringenden
prozessökonomischen Gründen in den Fällen, in denen derselbe prozessuale Anspruch
auf mehreren eigentlich verschiedenen Rechtswegen zugeordneten
Anspruchsgrundlagen beruht. Eine vergleichbare prozessuale Situation liegt im Fall der
Prozessaufrechnung aber nicht vor. Hier wird der verfahrensrechtliche Zusammenhang
erst durch die Prozesshandlung eines Beteiligten hergestellt. Die vom Gesetzgeber
angestrebte Beschleunigung des Verfahrens kann es in diesem Falle nicht rechtfertigen,
auf die Fachkompetenz der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit zu verzichten und die
Entscheidung (§ 322 Abs. 2 ZPO) über die zur Aufrechnung gestellte Forderung dem
vorgeschriebenen Rechtsweg zu entziehen (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom
12. April 2000 6 U 3646/99, Juris; Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 10, m.w.N.),
was angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede in den einzelnen
Verfahrensordnungen nicht gerechtfertigt erscheint.
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Sofern dem Gericht eine Entscheidung über eine rechtswegfremde zur Aufrechnung
gestellte Gegenforderung nicht zusteht, kann eine endgültige Sachentscheidung über
die anhängige Klage nicht getroffen werden. Die in einer solchen Verfahrenssituation
grundsätzlich gebotene Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO (vgl. BFH-Urteile in
BStBl II 1985, 672 und vom 23. Februar 1988 VII R 52/85 BStBl II 1988, 500) bis zu
einer Entscheidung des zuständigen Fachgerichts scheidet im Streitfall aus, weil der
Kläger mit Schriftsatz vom 28.8.2006 erklärt hat, dass eine zivilrechtliche Klage nicht
anhängig sei und "derzeit" nicht beabsichtigt sei, eine solche zu erheben.
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3. Das vorstehend dargestellte Kompetenzhindernis hindert das angerufene Gericht
gleichwohl nicht daran, durchzuerkennen. Denn die Klage ist bereits aus einem anderen
Grund unbegründet, ohne dass es auf die Wirksamkeit der von der Ehefrau des Klägers
abgegebenen Bürgschaft ankäme.
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Der hier in Rede stehende Erstattungsanspruch aus den
Einkommensteuerveranlagungen 1994 und 1995 in Höhe von insgesamt 4.938,85 €
(nicht 4.754,83 €) resultiert allein aus den veranlagten Einkünften des Klägers. Dass
dieser mit seiner Ehefrau nach § 26 Abs. 1 EStG zusammen veranlagt wurde, ist
unerheblich. Der Erstattungsanspruch stand somit materiell allein dem Kläger zu.
Jedenfalls ihm gegenüber bestand eine Aufrechnungslage, denn er war der
Darlehensschuldner eines von der D-Bank C bewilligten Kredits über 182.520,-- DM, für
den der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen letztlich bürgten. Dass auch die
Ehefrau des Klägers eine Bürgschaft in Höhe von 50.000,-- DM eingegangen war,
ändert nichts an der Aufrechnungslage gegenüber dem Kläger. Insoweit hat der
Beklagte mit Schreiben vom 21.5.2002 wirksam die Aufrechnung erklärt mit der Folge,
dass der Erstattungsanspruch des Klägers gemäß § 47 AO erloschen ist.
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4. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
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