Urteil des FG Köln vom 04.06.2002

FG Köln: beendigung, gegen die guten sitten, auflage, erfüllungs statt, beachtliche gründe, gestaltung, unentgeltliche zuwendung, ehevertragliche vereinbarung, begriff, tod

Finanzgericht Köln, 9 K 5053/98
Datum:
04.06.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 5053/98
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde stattgegeben.
T A T B E S T A N D:
1
Streitig ist, ob der Ehemann der Klägerin dieser eine freigebige - unbenannte -
Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gemacht hat oder ob durch Abschluss des
notariellen Ehevertrags vom 20. Dezember 1991 eine nach § 5 Abs. 2 ErbStG nicht
steuerbare Zugewinnausgleichsforderung zugunsten der Klägerin entstanden ist.
2
Die Klägerin und ihr Ehemann, die seit dem 9. Februar 1954 miteinander verheiratet
sind, hatten durch notariellen Ehevertrag vom 28. Januar 1971 mit sofortiger Wirkung
den Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart. Am 20. Dezember 1991
schlossen sie in ....... einen weiteren - ausdrücklich deutschem Recht unterstellten -
Ehevertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
3
"1. Wir beenden mit Ablauf des heutigen Tages den Güterstand der
Zugewinngemeinschaft.
4
2. Der bislang während der Dauer der Zugewinngemeinschaft bis zum Abschluss
dieses Ehevertrags entstandene Zugewinn wird ausgeglichen. Die Höhe des
beiderseitigen Zugewinns und des daraus folgenden
Zugewinnausgleichsanspruchs bestimmen wir wie folgt: .......
5
.... Es verbleiben danach... DM ..........
6
Die Parteien setzen einvernehmlich die Zugewinnausgleichsforderung der Ehefrau
gegen den Ehemann auf Deutsche Mark ...... Millionen ............... (DM ..........,- ) fest.
7
3. Zur Ausgleichsforderung bestimmen wir das nachfolgende:
8
a) Die Ausgleichsforderung darf nicht abgetreten werden. Eine vollständige oder
teilweise Abtretung an unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge ist jedoch
gestattet.
9
b) Die Ausgleichsforderung ist vom Zeitpunkt der Entstehung an mit anderthalb
10
Prozent (1,5 %) zu verzinsen.
4. Mit dem Beginn des morgigen Tages begründen wir erneut für die Zukunft den
Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die jeweiligen neuen Anfangsvermögen
ergeben sich aus den oben berechneten Endvermögen unter Berücksichtigung des
durchgeführten Zugewinnausgleichs....
11
Unter dem 19. Mai 1993 trafen die Klägerin und ihr Ehemann eine weitere schriftliche
Vereinbarung, in deren "Vorbemerkung" auf den Ehevertrag vom 20. Dezember 1991
Bezug genommen und nochmals zusammengefasst ist, dass durch diesen Vertrag der
Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet und der der Klägerin zustehende
Anspruch auf Ausgleichung des während der Ehe entstandenen Zugewinns
einvernehmlich auf ..........,- DM festgelegt worden sei. Außerdem wird auf die dortige
Zins- und Stundungsabrede hingewiesen. Im Anschluss an den Vorspann heißt es
weiter:
12
Wir vereinbaren hiermit, dass die Dr. ....... ....... zustehende
Zugewinnausgleichsforderung vorzeitig in der Weise erfüllt wird, dass Dr. ..............
eine Teilbeteiligung in Höhe von DM ..........,- (Stand per 31.12.1992) der ihm
gehörenden Beteiligung an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der
Bezeichnung "...................."... an Erfüllungs Statt an Dr. ................. abtritt und
überträgt, die die Übertragung der Beteiligung hiermit annimmt.
13
Die Übertragung der Beteiligung .... erfolgt schuldrechtlich mit Wirkung vom 1.
Januar 1993.
14
Die Vertragsparteien sind sich einig, dass mit Wirksamwerden der vorstehend
vereinbarten Übertragung der Beteiligung am ............... der Dr. ....... ........... aufgrund
des notariellen Vertrags vom 20. Dezember 1991 zustehende
Zugewinnausgleichsanspruch einschließlich eventueller Zinsforderungen
vollständig beglichen ist...."
15
Nachdem das seinerzeit für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt
......... den Bevollmächtigten der Klägerin unter anderem mitgeteilt hatte, dass nach
seiner Auffassung ein als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
steuerpflichtiger sogenannter vorweggenommener Zugewinnausgleich vorliege, weil
durch den Ehevertrag vom 20. Dezember 1991 kein Wechsel der Güterstands
eingetreten sei, nahmen die Bevollmächtigten der Klägerin hierzu mit Schreiben vom
21. August 1996, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ausführlich Stellung. Die
vom Finanzamt angeforderten Schenkungsteuererklärungen reichten sie nicht ein.
16
Mit Bescheid vom 30. August 1996 setzte das Finanzamt .........., ausgehend von einem
mit ..........,- DM bezifferten Wert des Erwerbs aus der Schenkung des Ehemannes der
17
Klägerin vom 20. Dezember 1991, Schenkungsteuer i.H. von .........,- DM gegen sie fest.
In der Anlage zum Schenkungsteuerbescheid begründete das Finanzamt die
Schenkungsteuerfestsetzung mit dem Hinweis, im Streitfall seien die Voraussetzungen
des § 42 AO erfüllt. Die zeitliche Abfolge spreche dafür, dass eine Beendigung des
gesetzlichen Güterstands tatsächlich nicht gewollt gewesen sei und insofern eine
unbenannte Zuwendung in die Form eines Zugewinnausgleichs gekleidet worden sei,
um die Schenkungsteuer zu umgehen. Wegen der weiteren Ausführungen des
Finanzamts .........., insbesondere zur Erwiderung auf die Stellungnahme der Klägerin,
wird auf die Anlage zum Schenkungsteuerbescheid Bezug genommen.
Den Einspruch der Klägerin, dem als Begründung das Schreiben ihrer Bevollmächtigten
vom 21. August 1996 beigefügt war, wies das inzwischen zuständig gewordene
Finanzamt ...... - ........ (Beklagter) mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 4. Juni 1998 als
unbegründet zurück.
18
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, zu deren Begründung die Klägerin im
Wesentlichen vorträgt:
19
Der Auffassung des Beklagten, dass es sich bei der Begründung der Forderung aus
dem vorzeitigen Zugewinnausgleich um eine unbenannte Zuwendung handele, könne
nicht gefolgt werden. Zugewinnausgleichsansprüche seien güter- und damit nicht
erbrechtlich veranlasst; sie erfüllten daher prinzipiell nicht den Tatbestand einer
Schenkung i.S. der §§ 1, 7 Abs. 1 ErbStG. § 5 Abs. 2 ErbStG stelle nur klar, was auch
ohne diese Bestimmung keinem Zweifel unterliegen könne.
20
Der Beklagte verkenne, dass durch die ehevertragliche Vereinbarung zwischen der
Klägerin und ihrem Ehemann der Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit Ablauf des
20. Dezember 1991 beendet worden sei. Ob ein Güterstandswechsel vorliege, sei
ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Dies gelte
uneingeschränkt auch dann, wenn dem Güterstandswechsel anschließend ein erneuter
Güterstandswechsel folge. Für die zivilrechtliche Beurteilung, ob ein
Güterstandswechsel vorliege, sei unerheblich, für welchen Zeitraum der gewählte
Güterstand bestehe.
21
Soweit der Beklagte meine, die Klägerin und ihr Ehemann hätten in der logischen
Sekunde zwischen dem Ablauf des 20. Dezember 1991 und dem Beginn des
darauffolgenden Tages - weiterhin - im gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft gelebt, weil sie keinen anderen Güterstand "vereinbart" hätten,
verkenne er, dass gemäß § 1414 BGB als hilfsweiser Güterstand die Gütertrennung
eintrete, wenn die Ehegatten den Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausschlössen.
Die Vorschrift des § 1414 BGB sei im Interesse der Rechtsklarheit nur insoweit
dispositiv, als die Parteien ausdrücklich etwas anderes vereinbarten. Ausgehend
hiervon könne nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Klägerin und ihr Ehemann den
Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit Ablauf des 20. Dezember 1991 beendet
hätten.
22
Wäre es ihr - der Klägerin - und ihrem Ehemann nur darum gegangen, den bis zum 20.
Dezember 1991 entstandenen Zugewinnausgleichsanspruch festzustellen, hätte es
eines Ehevertrags der vorliegenden Art nicht bedurft. Der Beklagte verkenne den
Unterschied zwischen schuldrechtlichen und güterrechtlichen Wirkungen sowie die
völlig unterschiedlichen - außersteuerlichen - Konsequenzen, die sich aus einer
23
Schenkung unter Anrechnung auf den Zugewinnausgleich einerseits und einer echten
Beendigung und späteren Wiederbegründung des gesetzlichen Güterstands
andererseits ergäben. Dabei bezeichne der Begriff des "vorweggenommenen
Zugewinnausgleichs" - wohl auch nach dem Verständnis des BFH in BStBl. II 1994, 366
- freiwillige Leistungen auf schuldrechtlicher Basis, die während eines bestehenden
Güterstands gewährt würden und die ggf. im Rahmen einer nach Beendigung des
Güterstands zu ermittelnden Zugewinnausgleichsverpflichtung gemäß § 1380 BGB zu
berücksichtigen seien. Allein aus der Erwägung heraus, dass es sich in solchen Fällen
um Vorauszahlungen auf einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch handele, und weil
ohne Schenkung die steuerfreie Ausgleichsforderung um den gleichen Betrag höher sei,
habe der Gesetzgeber die Korrekturvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG eingeführt.
Sei der Güterstand der Zugewinngemeinschaft hingegen beendet worden, unterliege
der festgestellte Zugewinnausgleichsanspruch gerade nicht der Vorschrift des § 1380
BGB. Dieses im Zivilrecht unstreitig zulässige Verfahren führe überdies zu anderen
Anfangsvermögen beider Ehegatten und damit zu anderen Ergebnissen, falls der
Güterstand der Zugewinngemeinschaft künftig erneut ende. Insbesondere werde dann
der Wert der Zuwendung, der bei der ersten Beendigung der Zugewinngemeinschaft als
Ausgleich gezahlt worden sei, dem Anfangsvermögen des Zuwendungsempfängers
hinzugerechnet, was bei einem zwischen den Beteiligten vereinbarten
vorweggenommenen Zugewinnausgleich ohne Ehevertrag gerade nicht der Fall sei,
weil nach Auffassung des BGH die Vorschrift des § 1374 Abs. 2 BGB auf Schenkungen
unter Ehegatten nicht anwendbar sei.
24
Die Rechtswirkungen des Ehevertrags vom 20. Dezember 1991 würden insbesondere
dann deutlich zutage treten, wenn ihr - der Klägerin - Ehemann, der bekanntlich über
viele Jahre hinweg persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses ...........................
gewesen sei, für Verbindlichkeiten des Bankhauses in Anspruch genommen worden
wäre und sein Vermögen ganz oder teilweise verloren hätte. Sofern der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft nicht zwischenzeitlich beendet worden wäre, hätte sich ein
solcher Haftungsfall zugleich auch auf einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch
der Klägerin ausgewirkt.
25
Der zivilrechtlich unzweifelhaft wirksame Wechsel des Güterstands müsse auch
steuerrechtlich anerkannt werden. Eine zivilrechtlich wirksam entstandene
Ausgleichsforderung könne keinen Schenkungsteuertatbestand erfüllen, zumal im
vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42
AO ersichtlich seien.
26
Die von dem Beklagten demgegenüber herangezogene BFH-Entscheidung vom 2. März
1994 (BStBl. II 1994, 366) sei ebenso wenig einschlägig wie der Erlass des
Finanzministeriums Baden - Württemberg vom 29. Juli 1997 (DStR 1997, 1331). Dem
BFH-Urteil habe eine unbenannte Zuwendung zugrunde gelegen, und der Erlass stelle
hieran anknüpfend auf einen Zugewinnausgleich ab, wenn der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft nicht beendet werde.
27
Schließlich sei der angefochtene Steuerbescheid zumindest insoweit fehlerhaft, als in
ihm der Wert der Schenkung mit dem vertraglich vereinbarten Ausgleichsanspruch i.H.
von ..........,- DM angesetzt worden sei, obwohl sie - die Klägerin - tatsächlich nur eine
Beteiligung im Wert von ..........,- DM erhalten habe.
28
Die Klägerin beantragt,
29
den Schenkungsteuerbescheid vom 30. August 1996 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung aufzuheben,
30
hilfsweise,
31
die Revision zuzulassen.
32
Der Beklagte beantragt,
33
einen schenkungsteuerpflichtigen Erwerb i.H. von ..........,- DM anzusetzen und
im Übrigen die Klage abzuweisen,
34
hilfsweise,
35
die Revision zuzulassen.
36
Er hält an seiner im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung
fest, wonach der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Vertrag vom 20.
Dezember 1991 nicht beendet worden und infolgedessen auch kein
Ausgleichsanspruch zugunsten der Klägerin entstanden sei. Zur Begründung führt er
unter weitgehender Bezugnahme auf die Rechtsbehelfsentscheidung vom 4. Juni 1998
aus:
37
Die Begründung der Forderung aus dem vorzeitigen Zugewinnausgleich stelle eine
gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtige Zuwendung an die Klägerin
dar, weil ihr Ehemann ihr das Vermögen übertragen habe, ohne hierzu rechtlich
verpflichtet gewesen zu sein. Eine dahingehende Verpflichtung habe sich insbesondere
nicht aus einem Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich ergeben. Denn ein
solcher Anspruch habe im Zeitpunkt der Zuwendung nicht existiert.
38
Die Entstehung der Ausgleichsforderung setze grundsätzlich die Beendigung der
Zugewinngemeinschaft voraus. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Entgegen der
Auffassung der Klägerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Güterstand
der Zugewinngemeinschaft aufgrund des notariellen Vertrags vom 20. Dezember 1991
mit Ablauf dieses Tages beendet und mit Beginn des folgenden Tages wieder neu
begründet worden sei. Ein Wechsel des Güterstands - zumindest für eine logische
Sekunde - sei vorliegend nicht eingetreten. In dem notariellen Vertrag sei unstreitig kein
anderer Güterstand als der der Zugewinngemeinschaft vereinbart worden mit der Folge,
dass dieser ununterbrochen fortbestanden habe.
39
Die Regelung in § 1408 BGB möge zwar den Ausgleich des Zugewinns auch bei
fortbestehendem Güterstand erlauben, so dass ein solcher Vertrag auch ohne
ausdrückliche Vereinbarung einer Güterstandsänderung zivilrechtlich wirksam sei. Nach
§ 5 Abs. 2 ErbStG gehöre eine Ausgleichsforderung indes nur dann nicht zum Erwerb
i.S. der §§ 3 und 7 ErbStG, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft - was hier
nicht geschehen sei - in anderer Weise als durch Tod eines Ehegatten beendet oder der
Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen werde. Nach dem die
Finanzverwaltung bindenden ländereinheitlichen Erlass vom 29. Juli 1997 sei, wenn die
Ehegatten - wie im Streitfall - freiwillig einen vorzeitigen Ausgleich des bisher erzielten
40
Zugewinns vereinbarten, ohne den gesetzlichen Güterstand zu beenden, die dadurch
begründete Ausgleichsforderung als steuerbare unentgeltliche Zuwendung gemäß § 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu erfassen.
Im vorliegenden Fall sei auch der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin in dem Bewusstsein
gehandelt habe, seiner Ehefrau - der Klägerin - unentgeltlich Vermögenswerte
zuzuwenden. Beide Ehegatten hätten seinerzeit gewusst, dass der Klägerin ohne
Auflösung der Ehe kein Anspruch auf Begründung einer Zugewinnausgleichsforderung
zugestanden hätte. Ihr Ehemann habe ihr diesen Anspruch freiwillig und ohne sonstigen
Rechtsgrund eingeräumt.
41
Da die Klägerin selbst vorgetragen habe, dass einziger Vertragszweck die
Steuerersparnis und nicht der Wille zum Güterstandswechsel gewesen sei, könne
zudem das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. des - auch im
42
Schenkungsteuerrecht anwendbaren - § 42 AO nicht ausgeschlossen werden.
43
Dass tatsächlich kein anderer Güterstand als derjenige der Zugewinngemeinschaft
gewollt gewesen sei, ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Ehegatten in dem
notariellen Vertrag vom 20. Dezember 1991 ausdrücklich offen gelassen hätten, welche
güterrechtliche Regelung sie für die juristische Sekunde bis zum Beginn des 21.
Dezember 1991 wünschten. Es sei nach alledem anzunehmen, dass der Vertrag vom
20. Dezember 1991 nur auf die Festlegung der bis zu diesem Tag entstandenen
Zugewinnausgleichsforderung gerichtet gewesen sei. § 1414 BGB sei daher nicht
uneingeschränkt anwendbar. Er enthalte eine Auslegungsregel für den - hier eben nicht
vorliegenden - Fall, dass die Beteiligten eine Änderung des Güterstands herbeiführen
wollten.
44
Auch die Stundungsabrede spreche dafür, dass die Vereinbarung vom 20. Dezember
1991 zu keinerlei Konsequenzen mit Ausnahme der Ersparnis von Erbschaft- und
Schenkungsteuer habe führen sollen.
45
Soweit die Klägerin zumindest eine Herabsetzung des Erwerbswerts auf den Wert der
ihr übertragenen Beteiligung begehre, könne dem nach Maßgabe folgender
Berechnung stattgegeben werden:
46
Vertraglich festgelegter Ausgleich ..........,- DM
47
./. Verzinsung auf Lebenszeit (1,5%) .......,- DM
48
./. Zinsverlust wegen Stundung ..........,- DM
49
tatsächliche Ausgleichsforderung ..........,- DM.
50
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Prozessakte sowie der dem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten ergänzend Bezug genommen.
51
E N T S C H E I D U N G SG R Ü N D E:
52
Die Klage ist begründet.
53
Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ehemann der Klägerin
dieser mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1991 unentgeltlich eine Forderung i.H.
von ..........,- DM zugewandt hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
54
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige
Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert
wird. Nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7 ErbStG gehört nach § 5 Abs. 2 ErbStG
die Ausgleichsforderung (§ 1378 BGB), die entsteht, wenn der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet
oder der Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird.
55
Im Streitfall ist der Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mangels Vorliegen
einer freigebigen Zuwendung nicht erfüllt. Die im notariellen Ehevertrag vom 20.
Dezember 1991 berechnete Forderung der Klägerin ist als Ausgleichsforderung i.S. der
§§ 1378 BGB, 5 Abs. 2 ErbStG nicht schenkungsteuerbar.
56
a) Nach § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB entsteht die Ausgleichsforderung mit der
Beendigung des Güterstands.
57
aa) Beendet werden kann der Güterstand unter anderem durch Ehevertrag (§ 1408
BGB). Ehevertrag ist ein der notariellen Form (§ 1410 BGB) bedürftiger Vertrag
zwischen Ehegatten, der ihre künftigen oder bestehenden güterrechtlichen
Verhältnisse, d.h. die nicht zu den allgemeinen Ehewirkungen i.S. der §§ 1353 - 1362
BGB gehörenden vermögensrechtlichen Angelegenheiten - auch abweichend von
den im Gesetz zur Verfügung gestellten Typen - regelt (Heckelmann in Erman,
Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 10. Auflage, § 1408 Rz. 2, und Gaul in
Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kohlhammer -
Kommentar, 12. Auflage, § 1408 Rz. 2).
58
bb) Die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann am 20. Dezember 1991 bei
gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Notar in ........ getroffenen, ausdrücklich
deutschem Recht unterstellten Vereinbarungen erfüllen sowohl in formeller (§ 1410
i.V.m. § 128 BGB, Art. 15 Abs. 2, Art. 11 Abs.1 EGBGB) als auch in materiell-inhaltlicher
Hinsicht die Voraussetzungen eines Ehevertrags i.S. der §§ 1408, 1410 BGB.
59
(1) Dass die Klägerin und ihr Ehemann als österreichische Staatsangehörige den
Vertrag vor einem niederländischen Notar abgeschlossen haben, steht seiner
Formgültigkeit nicht entgegen. Ein Rechtsgeschäft ist gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB
formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem
es vorgenommen wird. Welches Recht für das betreffende Rechtsgeschäft inhaltlich
maßgebend ist, beurteilt sich nach den dafür geltenden Anknüpfungsregeln, bei einem
Ehevertrag nach Art. 15 EGBGB (Palandt-Heldrich, Bürgerliches Gesetzbuch,
Kommentar, 61. Auflage, Art. 11 EGBGB Rz. 5). Da die Ehegatten nach Abs. 2 dieser
Vorschrift unter anderem das Recht des Staates wählen können, in dem einer von ihnen
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann in
Deutschland wohnhaft sind, ist ihre Entscheidung, den Ehevertrag formell und materiell
nach deutschem Recht - und mithin auch nach §§ 1410, 128 BGB - abzuschließen, nicht
zu beanstanden.
60
(2) Auch der Gegenstand der zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen
Vereinbarungen entspricht dem typischen Regelungsinhalt eines Ehevertrags. Dies gilt
namentlich für die unter Ziffer 1. des Vertrags getroffene Vereinbarung, den seit dem 28.
Januar 1971 bestehenden Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit Ablauf des 20.
Dezembers 1991 "zu beenden". Diese Vereinbarung ist zivilrechtlich wirksam mit der
aus § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB resultierenden Rechtsfolge, dass die
Ausgleichsforderung der Klägerin am 20. Dezember 1991 in der vertraglich festgelegten
Höhe entstanden ist.
61
cc) Der Entstehung des Ausgleichsanspruchs steht die Regelung in Ziffer 3 a) des
Vertrags, wonach die Ausgleichsforderung nur an die gemeinschaftlichen Abkömmlinge
der Ehegatten abtretbar sein sollte, nicht entgegen.
62
Zwar verstößt die Beschränkung der Zessionsbefugnis gegen § 137 Satz 1 BGB i.V.m. §
1378 Abs. 3 Satz 1 BGB, der - für die Parteien unabdingbar - vorschreibt, dass die
Ausgleichsforderung ab dem Zeitpunkt ihrer Entstehung vererblich und übertragbar ist.
Dieser zur Nichtigkeit des Abtretungsverbots führende Gesetzesverstoß berührt jedoch
nicht die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Ehevertrags. Aus dem
Gesetzeszweck des § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB, die Ehegatten vor sich selbst zu
schützen (Gernhuber in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3.
Auflage § 1378 Rzn. 21 und 35), folgt - ohne Rückgriff auf § 139 BGB - , dass an die
Stelle der von der Nichtigkeit unmittelbar betroffenen Vertragsteile die gesetzliche
Regelung, d.h. die uneingeschränkte Übertragbarkeit des Ausgleichsanspruchs tritt
(Hefermehl in Bürgerliches Gesetzbuch, Kohlhammer - Kommentar, § 139 Rz. 49,
Mayer-Maly in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 139 Rzn. 3 und
30).
63
dd) Der notarielle Ehevertrag vom 20. Dezember 1991 ist auch nicht infolge
Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig.
64
Zwar kann ein Rechtsgeschäft, das die Benachteiligung von Gläubigern eines
Ehegatten zur Folge hat, - ungeachtet der Anfechtungsmöglichkeiten nach §§ 3, 4 AnfG
- gegen die guten Sitten verstoßen (Palandt-Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch,
.
Gläubigerbenachteiligung liegen im Streitfall indes nicht vor. Aus der als
außersteuerlichen Grund für den vorzeitigen Zugewinnausgleich angegebenen - rein
hypothetischen - Überlegung der Klägerin, eine mögliche zukünftige
Haftungsinanspruchnahme ihres Ehemannes durch Gläubiger des Bankhauses
........................... könnte bei einer späteren Beendigung des Güterstands zu einer
Verminderung ihrer Ausgleichsforderung führen, ergibt sich nicht, dass ein Zugriff der
Bankengläubiger auf das Vermögen ihres Ehemannes auch tatsächlich konkret
bevorstand.
65
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft auch i. S. der §§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB, 5 Abs. 2 ErbStG
"beendet" worden mit der gesetzlich zwingenden Folge, dass im Zeitpunkt der
Beendigung eine Ausgleichsforderung zugunsten der Klägerin entstanden ist.
66
aa) Beendet ist der Güterstand, wenn er - wie es in § 1408 Abs. 1 BGB heißt -
"aufgehoben" wird. Vor dem Hintergrund des im Güterrecht geltenden Grundsatzes der
67
Vertragsfreiheit (§ 1408 BGB) ist es den Ehegatten unbenommen, den vereinbarten
Güterstand jederzeit aufzuheben oder zu ändern. Dies schließt nach allgemeiner
Meinung im zivilrechtlichen Schrifttum auch die Möglichkeit ein, unmittelbar nach
Beendigung der Zugewinngemeinschaft zu derselben zurückzukehren (Schotten, Neue
Juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 2841, 2846, Hüttemann, Der Betrieb - DB -
1999, 248, 249). Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Aufhebung des Güterstands
der Zugewinngemeinschaft und ihrer Neubegründung eine bestimmte - wie auch immer
zu quantifizierende - Mindestzeitspanne liegen muss, während derer die Ehegatten in
einem anderen Güterstand leben, ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 1378
Abs. 3 Satz 1 BGB noch aus seiner Entstehungsgeschichte oder aus dem Normzweck.
Insbesondere ist zivilrechtlich kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die den
Ehegatten durch § 1408 BGB grundsätzlich eingeräumte Vertragsautonomie insoweit
einzuschränken.
Der Begriff der "Beendigung", der sich - in abgewandelter Form - auch in den
Vorschriften der §§ 1362 Abs. 2 Satz 2 ("endet"), 1371 Abs. 1, 1372 BGB ("beendet")
wiederfindet, beschränkt sich auf die - in die Vergangenheit gerichtete - Aussage, dass
der bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Güterstand der Zugewinngemeinschaft
"aufgehoben" (§ 1408 Abs. 1 BGB) wird. Damit ist jedoch nichts über die künftige
Gestaltung der güterrechtlichen Verhältnisse gesagt. Insbesondere steht der
"Beendigung" der Zugewinngemeinschaft begrifflich nicht deren erneute Begründung
entgegen. Weder dem Begriff der "Beendigung" noch dem Institut der
Zugewinngemeinschaft ist "Einmaligkeit" in dem Sinne immanent, dass eine oder
mehrere Wiederholungen ausgeschlossen wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus dem Normzweck des § 1378 Abs. 3 BGB, der sich darauf beschränkt, den Zeitpunkt
des Entstehens der Ausgleichsforderung zu bestimmen und deren Zirkulationsfähigkeit
zu regeln (Gernhuber, a.a.O., § 1378 Rz. 1).
68
bb) Ausgehend von diesen Überlegungen liegt im Streitfall eine Güterstandsbeendigung
i.S. des § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB vor. In Ziffer 1 der notariellen Vertragsurkunde ist
ausdrücklich und unmissverständlich bestimmt, dass die Klägerin und ihr Ehemann mit
Ablauf des 20. Dezember 1991 den Güterstand der Zugewinngemeinschaft "beenden".
Dass sie diesen Güterstand mit Beginn des auf die Beendigung folgenden Tages erneut
begründet haben, schließt die Annahme der vorherigen Beendigung i.S. des § 1378
Abs. 3 Satz 1 BGB nicht aus.
69
c) Die Tatsache, dass es zivilrechtlich zulässig ist, den Güterstand der
Zugewinngemeinschaft aufzuheben und nach Zwischenschaltung einer - beliebig
langen - Phase der Gütertrennung (§ 1414 BGB) erneut zu begründen, ist auch im
Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht zu beachten.
70
aa) Dies ergibt sich, abgesehen von der grundsätzlichen Anknüpfung des ErbStG an
zivilrechtliche Vorgänge, aus der ausdrücklichen Bezugnahme des § 5 Abs. 2 ErbStG
auf § 1378 BGB ( vgl. zu § 5 Abs. 1 ErbStG a.F.: BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 II R
82/86, BStBl. II 1989, 897). Indem der Gesetzgeber dieselben Begriffe
("Ausgleichsforderung" und "Beendigung" bzw. "beendet") sowohl in § 1378 BGB als
auch in § 5 Abs. 2 ErbStG verwendet und dem Begriff der "Ausgleichsforderung"
außerdem einen Klammerzusatz mit Verweisung auf § 1378 BGB hinzugefügt hat, hat er
eindeutig zu erkennen gegeben, dass die Bedeutung dieser Tatbestandsmerkmale in
beiden Rechtsgebieten die nämliche ist.
71
bb) Die demgegenüber vertretene Auffassung, die Nichtsteuerbarkeit nach § 5 Abs. 2
ErbStG erfordere eine Totalbeendigung des gesetzlichen Güterstands, findet weder im
Text noch in der Begründung des Gesetzes eine Stütze.
72
(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist lediglich erforderlich, dass die
Zugewinngemeinschaft "beendet" wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft nach seiner Beendigung später nicht mehr oder erst nach
Ablauf einer bestimmten Zeit wieder begründet werden darf, lassen sich weder dem
Begriff der "Beendigung" noch den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 5 Abs. 2
ErbStG entnehmen. Insoweit gelten dieselben Erwägungen wie bei der Auslegung des
§ 1378 Abs. 3 BGB.
73
(2) Die Annahme, § 5 Abs. 2 ErbStG betreffe nur die Fälle der endgültigen Beendigung
des Güterstands, lässt sich auch nicht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der
Norm begründen (vgl. Hüttemann, DB 1999, 248, 251). Ausweislich der
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. VI / 3418, S.63) stellt die Vorschrift klar, "...dass in
den Fällen, in denen es tatsächlich zu einer güterrechtlichen Abwicklung der
Zugewinngemeinschaft kommt, die Ausgleichsforderung steuerfrei ist." Dieser
Klarstellung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Ausgleichsforderung und damit die
Teilhabe am Zugewinn nicht auf einer Schenkung oder sonstigen freigebigen
Zuwendung des ausgleichspflichtigen Ehegatten beruht, sondern als gesetzlicher
Reflex aus der Beendigung des Güterstands entsteht. Da dieser nach § 1378 Abs. 3
Satz 1 BGB zwingende Automatismus zwischen Güterstandsbeendigung und
Forderungsentstehung unabhängig davon ausgelöst wird, ob und wann die Ehegatten
den Güterstand der Zugewinngemeinschaft später erneut begründen, kann die Vorschrift
des § 5 Abs. 2 ErbStG - zumal sie ausdrücklich auf § 1378 BGB Bezug nimmt - nicht
entgegen der zivilrechtlichen Wertung auf die Fälle der Totalbeendigung beschränkt
werden.
74
(3) Das Erfordernis einer Totalbeendigung des Güterstands kann auch nicht aus dem
BFH-Urteil vom 2.März.1994 II R 59/92 (BStBl. II 1994, 366) hergeleitet werden.
75
Das zur Begründung dieser Entscheidung angeführte Argument, die Korrekturvorschrift
des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG verlöre ihren Sinn, wenn der Gesetzgeber den
sogenannten vorweggenommenen Zugewinnausgleich für nicht steuerbar gehalten
hätte, betrifft nicht den hier streitigen Fall einer durch vertragliche
Güterstandsbeendigung kraft Gesetzes entstandenen Ausgleichsforderung, sondern
ohne Güterstandsbeendigung oder sonstige ehevertragliche Grundlage vorgenommene
Vermögensübertragungen des einen auf den anderen Ehegatten. Auf solche - die
güterrechtliche Lage nicht beeinflussenden - Zuwendungen ist § 5 Abs. 2 ErbStG nicht
anwendbar. Derartige Vermögensübertragungen sind als gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG steuerpflichtige Vorausempfänge (§ 1380 BGB ) auf die bei Beendigung der
Zugewinngemeinschaft entstehende Ausgleichsforderung anzurechnen mit der Folge,
dass insoweit die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt (§ 29
Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
76
Damit ist indes nichts über die Steuerbarkeit der Ausgleichsforderung gesagt, die
gemäß § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB als gesetzlicher Reflex aufgrund einer ehevertraglich
vereinbarten Güterstandsbeendigung entsteht. Zwar ist § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hier
insoweit nicht anwendbar, als hinsichtlich des ehevertraglich geregelten
Ausgleichszeitraums keine weitere Ausgleichsforderung mehr entstehen kann, auf die
77
die Ausgleichsleistung nach § 1380 BGB angerechnet werden könnte (Hüttemann, DB
1999, 248, 251). § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wird dadurch aber nicht sinnlos. Vielmehr
behält er seine Bedeutung für Zuwendungen innerhalb des jeweiligen
Ausgleichszeitraums, indem jeweils bis zum Zeitpunkt des zwischenzeitlichen
Zugewinnausgleichs erfolgte unbenannte Zuwendungen und Schenkungen gemäß §
1380 BGB als Vorausempfang auf die bis dahin entstandene Ausgleichsforderung
angerechnet werden.
d) Der notarielle Ehevertrag vom 20. Dezember 1991 stellt kein - für die Besteuerung
unerhebliches (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) - Scheingeschäft i. S des § 117 Abs. 1 BGB dar.
78
aa) Ein Scheingeschäft i.S. der §§ 117 Abs. 1 BGB, 41 Abs. 2 AO liegt vor, wenn die
Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen,
die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen
(BGH-Urteil vom 24. Januar 1980 III ZR 169/78, NJW 1980, 1572,1573, BFH-Urteil vom
9. November 1994 XI R 61/93, BFH/NV 1995, 659, Palandt - Heinrichs, a.a.O., § 117 Rz.
3, Klein / Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 7. Auflage, § 41 Rz. 23 m.w.N.,
Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 16. Auflage, AO
§ 41 Tz. 65, m.w.N.). Für die Tatbestandserfüllung nach § 117 Abs. 1 BGB reicht es
nicht aus, dass die Parteien die durch das Geschäft typischerweise eintretenden
Rechtswirkungen lediglich einschränken oder modifizieren (Palandt - Heinrichs, a.a.O.,
§ 117 Rz. 5). Die Annahme eines Scheingeschäfts ist ausgeschlossen, wenn der von
den Parteien erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts
voraussetzt (BGH-Urteil vom 5. Juli 1993 II ZR 114/92, NJW 1993, 2609, Palandt -
Heinrichs, a.a.O., § 117 Rz. 4). Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 117
Abs. 1 BGB fallen sogenannte Umgehungsgeschäft, die sich dadurch auszeichnen,
dass sie von den Vertragsbeteiligten wirklich gewollt und mit dem Ziel gewählt worden
sind, die bei "normaler" Vertragsgestaltung entstehende Steuer zu vermeiden (BFH-
Urteil vom 21. Oktober 1988 III R 194/84 , BStBl. II 1989, 216, Klein / Brockmeyer, a.a.O.,
§ 41 Rz. 25, Kühn / Hofmann, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung -
Nebengesetze, 17. Auflage, AO § 41, Bem. 2a, sowie Palandt - Heinrichs, a.a.O., § 117
Rz. 5).
79
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem notariellen Ehevertrag
vom 20. Dezember 1991 nicht um ein Scheingeschäft i.S. der §§ 117 Abs. 1 BGB, § 41
Abs. 2 AO. Der Abschluss dieses Vertrags sollte nicht lediglich den Anschein einer
güterrechtlichen Regelung erwecken, die damit verbundenen Rechtsfolgen, namentlich
die Entstehung der Ausgleichsforderung (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB), aber vermeiden.
Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Vereinbarungen zwar
darauf abzielten, die - gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG nicht steuerbare - Ausgleichsforderung
zur Entstehung zu bringen, dass jedoch, wie die sofortige Wiederbegründung der
Zugewinngemeinschaft zeige, eine Beendigung des Güterstands in Wahrheit nicht
gewollt gewesen sei. Insoweit ist zum einen zu beachten, dass der auf die Rechtsfolge
des § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB gerichtete Wille, die Ausgleichsforderung kraft Gesetzes
entstehen zu lassen, eine zivilrechtlich wirksame Güterstandsbeendigung
denknotwendig voraussetzt und dass diese - wenn auch nur als Zwischenziel - von dem
Rechtsfolgewillen der Parteien miterfasst wird. Zum anderen sind unwahre Angaben im
Zusammenhang mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts nicht geeignet, dieses zum
Scheingeschäft zu machen, wenn eine als gewollt bezeichnete Rechtsfolge - wie hier -
wirklich gewollt wird (BFH in BStBl. II 1989, 216, 218).
80
Auch der Umstand, dass die Ehegatten entgegen § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB die
Abtretbarkeit der Ausgleichsforderung eingeschränkt und deren Stundung bis zum Tod
des Ausgleichsverpflichteten vereinbart haben, rechtfertigt nicht die Annahme eines
Scheingeschäfts.
81
Weder die Stundungsabrede noch das Zessionsverbot hindern die mit Abschluss eines
Güterrechtsvertrags typischerweise eintretende Rechtsfolge, i.e. die Entstehung der
Ausgleichsforderung gemäß § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB. Während durch die
erstgenannte, aufgrund der Vertragsautonomie zulässige (vgl. § 1382 BGB)
Vereinbarung lediglich die Fälligkeit des Anspruchs aufgeschoben wird, entfaltet die
Abtretungsbeschränkung - wie bereits dargelegt - wegen der Verletzung zwingender
Schutzvorschriften ohnehin keine Rechtswirkungen.
82
e) Auch dem Einwand des Beklagten, der notarielle Ehevertrag vom 20. Dezember 1991
sei rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO, vermag der Senat nicht zu folgen.
83
Nach § 42 Satz 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der
Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen
rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO).
84
aa) Es ist bereits fraglich, ob § 42 AO überhaupt auf Fälle der vorliegenden Art, d.h.
notariell beurkundete Ehe- bzw. Güterrechtsverträge, angewendet werden kann.
85
Zwar hat der BFH mit Beschluss vom 24. Mai 2000 (II B 74/99, BFH/NV 2001, 162)
klargestellt, dass die Vorschrift uneingeschränkt für alle Steuerarten und somit auch im
Erbschaftsteuerrecht gilt. Hierzu hat er ausgeführt, dass sich der im BFH-Urteil vom 29.
Oktober 1986 (I R 202/82, BStBl. II 1987, 308) angestellten Überlegung, der
Anwendungsbereich des § 42 AO sei auf solche Gestaltungen beschränkt, die einer
besonderen ggf. vom Zivilrecht abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung zugänglich
seien, kein allgemeines Anwendungsverbot für die Erbschaftsteuer entnehmen lasse.
Allerdings könne sich - wie es in den Beschlussgründen weiter heißt - aus der
unterschiedlichen Struktur der gesetzlichen Regelungen für die einzelnen Steuern ein
unterschiedlich großer Anwendungsbereich für § 42 AO ergeben.
86
bb) Ob § 42 AO ausgehend von dieser Rechtsprechung im Rahmen der §§ 5 Abs. 2, 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von vornherein keine Anwendung findet, weil § 5 Abs. 2 ErbStG
ausdrücklich auf §§ 1371 Abs. 2, 1378 BGB Bezug nimmt und infolgedessen eine
zivilrechtlich zulässige Gestaltung auch steuerrechtlich zu beachten ist, kann indes
dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn § 42 AO bei der schenkungsteuerrechtlichen
Beurteilung zivilrechtlich wirksamer Güterrechtsvereinbarungen grundsätzlich zum Zuge
käme, lägen die Voraussetzungen für einen Gestaltungsmissbrauch im Streitfall nicht
vor.
87
(1) § 42 AO versagt die Berufung auf die auf der Grundlage der Privatautonomie
gewählte zivilrechtliche Form dann, wenn die Prüfung der rechtsgeschäftlichen
Vereinbarungen, die formal nicht der in dem Steuergesetz bezeichneten typischen
wirtschaftlichen Form entsprechen, ergibt, dass der zum Ausdruck kommende
rechtsgeschäftliche Wille der im Steuergesetz umschriebenen typischen zivilrechtlichen
Gestaltung entspricht. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung ist danach anzunehmen,
wenn die Parteien unter Ausnutzung einer zivilrechtlichen Wahlmöglichkeit, also der
88
Möglichkeit verschiedener Gestaltungsformen, den vom Steuergesetz erfassten
"angemessenen" Weg vermeiden und statt dessen einen Weg beschreiten, der zwar
nach der Wertung des Steuergesetzes ebenfalls besteuerungswürdig ist, aber als
solcher keinen Steuertatbestand erfüllt ( BFH-Urteile vom 1. März 1994 II R 82/91,
BFH/NV 1994, 903, und vom 1. Juni 1994 II R 48/93, BFH/NV 1995, 162, 163). Der
durch die tatsächlich gewählte Gestaltung "verdeckte", nach der Wertung des
Steuergesetzes angemessene zivilrechtliche Gestaltungsweg muss den Parteien daher
als eigentlich naheliegende Möglichkeit zur Erreichung ihres wirtschaftlichen Ziels zur
Verfügung gestanden haben (BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 II R 79/88, BFH/NV 1992,
410, und BFH in BFH/NV 1995, 162, 164).
Allerdings können wirtschaftliche oder in sonstiger Hinsicht beachtliche Gründe, die zur
Wahl des ungewöhnlichen Weges geführt haben, der Annahme eines
Gestaltungsmissbrauchs entgegenstehen (Kühn / Hofmann, a.a.O., AO § 42 Bem. 2,
m.w.N., Tipke / Kruse, a.a.O., AO § 42 Tz. 39, BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R
132/85, BStBl. II 1991, 607, 609, m.w.N.). Gründe nichtsteuerlicher Art, die für die
gewählte Vertragsgestaltung von beachtlicher Bedeutung sind, können den Verdacht
eines Missbrauchs entkräften (Kühn / Hofman, a.a.O., AO § 42 Bem. 2).
89
(2) Im Streitfall hat die Klägerin beachtliche außersteuerliche Gründe für den Abschluss
des notariellen Ehevertrags dargelegt.
90
Hierzu hat sie ausgeführt, im Falle einer Inanspruchnahme ihres Ehemannes als
persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses ....................... durch die
Gesellschaftsgläubiger würde sich das Vermögen ihres Ehemannes verringern mit der
Folge, dass ihr - der Klägerin - derzeitiger Ausgleichsanspruch bei einer späteren
Güterstandsbeendigung geschmälert würde oder sogar eine Ausgleichsverpflichtung
gegenüber ihrem Ehemann eintreten könnte. Diese bürgerlichrechtlich motivierte
Überlegung ist auch im Schenkungsteuerrecht zu beachten.
91
Dass die Gläubiger des Bankhauses - nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 4 Abs. 1
AnfG - auch dann nicht mehr auf das Vermögen des Ehemannes der Klägerin zugreifen
könnten, wenn dieser ihr eine Forderung in entsprechender Höhe gemäß § 7 Abs. 1 Nr.
1 ErbStG unentgeltlich zugewandt hätte, macht den von den Ehegatten beschrittenen
Weg nicht unangemessen und damit rechtsmissbräuchlich.
92
Zum einen ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls künftige Gläubiger keinen Anspruch
darauf haben, dass ein einmal bestehender Güterstand aufrechterhalten wird und damit
eine Zugriffsmöglichkeit, die sie bei Fortbestand des Güterstands gehabt hätten,
erhalten bleibt (sog. "Vorrang" der Ehevertragsfreiheit vor der Schenkungsanfechtung,
vgl. Gaul in Bürgerliches Gesetzbuch, Kohlhammer - Kommentar, § 1408 Rz. 21
m.w.N.). Insoweit ist eine Vermögensverlagerung auf den Ehegatten durch
ehevertragliche Beendigung des Güterstands - anders als eine Einzelzuwendung im
Wege der Schenkung - "anfechtungssicher".
93
Zum anderen werden durch den Abschluss eines Ehevertrags weitere - spezifisch
güterrechtliche - Wirkungen herbeigeführt, die durch Einräumung einer Forderung im
Wege der unbenannten Zuwendung nicht erreicht werden könnten. Insoweit ist
insbesondere zu beachten, dass für die in den Ausgleichsvertrag einbezogenen
Sachverhalte künftig keine Ausgleichsforderung mehr entstehen kann. Wird daher - wie
hier - der Güterstand der Zugewinngemeinschaft erneut begründet, bleibt bei dessen
94
späterer Beendigung durch Tod oder Scheidung der im Ausgleichsvertrag geregelte
Zeitraum außer Betracht (Hüttemann, DB 1999, 248, 250). Hätte der Ehemann der
Klägerin dieser eine Forderung i.H. von 13.233.000,- DM geschenkt bzw. gemäß § 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG freigebig zugewandt, anstatt durch ehevertragliche Beendigung des
Güterstands die Zugewinnausgleichsforderung zur Entstehung zu bringen, würde die
schenkweise begründete Forderung - ohne die güterrechtlichen Verhältnisse zu
beeinflussen - lediglich als Vorausempfang i.S. des § 1380 BGB auf eine spätere
Ausgleichsforderung angerechnet.
Schließlich darf bei Prüfung der Frage, ob die von der Klägerin und ihrem Ehemann
gewählte Gestaltung unangemessen ist, der Sinn und Zweck der
Zugewinngemeinschaft nicht außer Acht gelassen werden. Die Zugewinngemeinschaft
beruht auf dem Gedanken, dass die Eheleute an dem, was sie während der Ehe
erarbeiten, auch beide gemeinsam teilhaben sollen, weil der Erwerb auf der
vielgestaltigen Zusammenarbeit der Eheleute beruht oder wenigstens durch die
Funktionsteilung in der Ehe weitgehend erleichtert wurde ( Beitzke / Lüderitz,
Familienrecht, 25. Auflage, S. 120, Hüttemann, DB 1999, 248, 249). Vor dem
Hintergrund dieser Überlegung entspricht es dem anerkennenswerten Interesse des
ausgleichsberechtigten Ehegatten, nicht erst bei Beendigung der Ehe durch Tod oder
Scheidung, sondern schon während ihres Bestehens an dem bereits erwirtschafteten
Zugewinn des ausgleichspflichtigen Ehegatten teilzuhaben (vgl. auch Hüttemann, DB
1999, 248, 249). Dass das Ziel, den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten vorzeitig
finanziell abzusichern, auch durch eine - bei der späteren Güterstandsbeendigung als
Vorausempfang (§ 1380 BGB) anzurechnende - Vermögensverlagerung im Wege der
unbenannten Zuwendung erreicht werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme eines
Gestaltungsmissbrauchs. Denn der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, den
Sachverhalt so zu gestalten, dass ein Steueranspruch entsteht. Vielmehr steht es ihm
frei, die Steuer zu vermeiden und eine Gestaltung zu wählen, die eine geringere
Steuerbelastung nach sich zieht (Tipke / Kruse, a.a.O., AO § 42 Tz. 39).
95
Nach alledem ist die durch den Ehevertrag vom 20. Dezember 1991 zivilrechtlich
wirksam vereinbarte Güterstandsbeendigung auch schenkungsteuerrechtlich zu
beachten mit der Folge, dass die gemäß § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB zugunsten der
Klägerin entstandene Ausgleichsforderung nicht steuerbar (§ 5 Abs. 2 ErbStG) und die
angefochtene Schenkungsteuerfestsetzung rechtswidrig ist. Dass die vertraglich
festgelegte Ausgleichsforderung überhöht sein und infolgedessen eine teilweise
freigebige Zuwendung an die Klägerin vorliegen könnte (vgl. hierzu z.B. BFH in BStBl. II
1989, 897, 898, sowie Meincke, a.a.O., § 5 Rz. 41), hat der Beklagte weder vorgetragen
noch ergeben sich diesbezügliche Anhaltspunkte aus dem Inhalt der Akten.
96
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
97
3. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs.
2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
98