Urteil des FG Köln vom 28.02.2007
FG Köln: hinzurechnung, gesetzeslücke, eigenkapital, planwidrige unvollständigkeit, altes recht, zugang, minderung, verlustvortrag, korrespondenz, aussetzung
Finanzgericht Köln, 13 K 4826/03
Datum:
28.02.2007
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 4826/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals nach §
47 Abs. 1 KStG a. F. und dessen Fortschreibung gemäß §§ 36 Abs. 7, 38 Abs. 1 KStG,
wenn ein unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstandener Verlust auf ein den
Regelungen des Anrechnungsverfahrens unterliegendes Abzugsjahr zurückgetragen
wird.
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In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2001 wies die Klägerin einen
steuerlichen Verlust in Höhe von ... DM aus, der in voller Höhe auf das Jahr 2000
zurückgetragen werden sollte. In diesem Rücktragsjahr hatte die Klägerin ein
Einkommen in Höhe von ... DM erzielt, das mit dem Körperschaftsteuerbescheid vom
00.00.0000 in vollem Umfang der Tarifbelastung unterworfen worden war. Die danach
mit Bescheid gleichen Datums gemäß § 47 Abs. 1 KStG a. F. festzustellende Summe
der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.2000 in Höhe von ... DM
resultierte zur Gänze aus mit 40 % Körperschaftsteuer belastetem Eigenkapital (EK 40).
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In ihrer zugleich mit der Körperschaftsteuererklärung 2001 eingereichten Erklärung zur
Feststellung der Endbestände nach § 36 Abs. 7 KStG und des Endbetrags i.S.d. § 30
Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999 (EK 02) nach § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 verminderte die
Klägerin das EK 40 lediglich um den für eine Gewinnausschüttung verwendeten Betrag
von ... DM auf ... DM. Die übrigen Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals und
demzufolge den Endbetrag des EK 02 bezifferte sie mit 0 DM.
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Mit dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 00.00.0000 führte der
Beklagte den beantragten Verlustrücktrag durch, was bei einem verbleibenden zu
versteuernden Einkommen in Höhe von ... DM eine Körperschaftsteuererstattung in
Höhe von ... DM auslöste. Mit der zugleich gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
geänderten Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum
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31.12.2000 wies der Beklagte die unveränderte Summe der Teilbeträge nunmehr mit ...
DM dem EK 40 und mit ... DM dem EK 02 zu. Zu dieser Aufteilung gelangte er, indem er
als Zugang zum Eigenkapital lediglich den geminderten tarifbelasteten Einkommensteil
in Höhe von ... DM berücksichtigte und das durch den Verlustrücktrag steuerfrei gestellte
Einkommen von ... DM abzüglich der Körperschaftsteuererstattung nach § 33 Abs. 2
KStG a.F. als Zugang beim EK 02 erfasste. Schließlich erließ der Beklagte am
00.00.0000 einen zusammengefassten Bescheid über Feststellungen gemäß § 36 Abs.
7 KStG und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, mit dem er den Endbestand des EK 40
mit ... DM (61.871 DM ./. 4.285 DM) und den Endbestand/Endbetrag des EK 02 mit ...
DM feststellte.
Mit ihren unter anderem gegen die Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 KStG a. F. zum
31.12.2000, § 36 Abs. 7 KStG und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 gerichteten
Einsprüchen rügte die Klägerin die Abweichungen von ihrer Erklärung. Die
Hinzurechnung nach § 33 Abs. 2 KStG a. F. setze einen spiegelbildlichen Abzug gemäß
§ 33 Abs. 1 KStG a. F. im Verlustentstehungsjahr voraus. Da im Verlustentstehungsjahr
2001 indessen keine Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals mehr erfolge, müsse
auch die von dem Beklagten vorgenommene Hinzurechnung hinfällig sein. Soweit
hierdurch eine Abstimmungsdifferenz zwischen dem Eigenkapital laut Steuerbilanz und
dem verwendbaren Eigenkapital laut Gliederung eintrete, fehle es an einer gesetzlichen
Norm, nach der derartige Unterschiedsbeträge zwingend im EK 02 zu berücksichtigen
seien. Eine mögliche Gesetzeslücke des Übergangsrechts in Bezug auf einen
systemwechselübergreifenden Verlustvortrag könne nur in der Weise geschlossen
werden, dass eine Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 KStG auf durch den
Verlustrücktrag entfallene bzw. nach dem Systemwechsel erwirtschaftete Gewinne
vermieden werde.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 wies der Beklagte die Einsprüche als
unbegründet zurück. Für die Anwendung des § 33 Abs. 2 KStG a. F. bei der Gliederung
des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.2000 komme es allein darauf an, dass sich
der Teilbetrag des EK 02 im Verlustentstehungsjahr 2001 mindern würde, wenn in
diesem Jahr noch altes Recht gelten würde. Denn es fehle an einer besonderen
zeitlichen Anwendungsregelung, durch die der Grundsatz der erstmaligen Anwendung
neuen Rechts ab 2001 gemäß § 34 Abs. 1 KStG mit Rücksicht auf die Möglichkeit der
Anwendung des § 33 Abs. 1 KStG a. F. außer Kraft gesetzt worden wäre.
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Zudem sei die Vorschrift des § 33 Abs. 2 KStG a. F. für die Rechtsfolge der
vorgenommenen Hinzurechnung beim EK 02 zum 31.12.2000 letztlich irrelevant. Denn
durch den Verlustrücktrag trete eine Minderung des EK 40 ein, die bei unterstellter
Nichtanwendbarkeit des § 33 Abs. 2 KStG a. F. zu einer gesetzlich nicht zulässigen
Abstimmungsdifferenz zwischen verwendbarem Eigenkapital und Steuerbilanzkapital
im Sinne des § 29 KStG a. F. führen würde. Diese Abstimmungsdifferenz müsse nach
der ständigen Rechtsprechung des BFH indessen über das EK 02 korrigiert werden,
was einen betragsidentischen Zugang in Höhe von ... DM bewirke. Eine isolierte
Korrektur des durch den Verlustrücktrag entstandenen positiven EK 02 im Rahmen der
Feststellungen nach §§ 36 Abs. 7, 38 Abs. 1 KStG sehe das Gesetz nicht vor.
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Schließlich sei auch eine Benachteiligung der Klägerin durch die Ausgestaltung der
Übergangsregelungen nicht nachvollziehbar. Denn das grundsätzlich höhere
Entlastungsvolumen des Verlustrücktrags von 30 % (KSt-Erstattungsanspruch ... DM
abzüglich Verringerung des KSt-Guthabens ... DM = ... DM) gegenüber der Entlastung
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bei Verlustvortrag (25 % von ... DM = ... DM) könnte sich erst in einen Nachteil
verkehren, wenn die Klägerin zukünftig Leistungen aus dem festgestellten EK 02-Betrag
verwendete, indem sie Ausschüttungen über die ab 2001 erzielten Gewinne hinaus
vornehmen würde. Eine Körperschaftsteuererhöhung auf nach dem Systemwechsel
erwirtschaftete Gewinne könne daher keinesfalls eintreten. Bei Verwendung von EK 02-
Beträgen werde vielmehr die Körperschaftsteuer auf den im Jahr 2000 unbelastet
gebliebenden Einkommensteil nachberechnet. Im übrigen habe es der Klägerin frei
gestanden, sich für einen Verlustvortrag anstelle des Verlustrücktrags zu entscheiden.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, dass sich die Anwendbarkeit
des § 33 KStG a. F. nach den Verhältnissen des Verlustentstehungsjahres beurteile.
Hier gelte das gleiche wie bei der Anwendung des § 10 d EStG (R 27 Abs. 1 KStR). Die
Vorschrift müsse nach ihrem Wortlaut in dem späteren Veranlagungszeitraum des
Verlustentstehungsjahrs noch anwendbar sein, um in dem vorangegangenen
Verlustrücktragsjahr noch eine Hinzurechnung nach Maßgabe ihres zweiten Absatzes
zu rechtfertigen. Nach § 34 Abs. 9 KStG i.d.F. des UntStFG seien die Vorschriften des
Vierten Teils des KStG a. F. aber letztmalig auf den Veranlagungszeitraum 2000
anzuwenden. Abweichendes gelte insoweit nur für Gewinnausschüttungen. Da im
Streitfall Entstehungsjahr des Verlustes das erste Jahr unter Anwendung des
Halbeinkünfteverfahren sei, könnten die Vorschriften zur Gliederung des verwendbaren
Eigenkapitals auf den Verlustrücktrag insgesamt keine Anwendung mehr finden. Der
Verlustrücktrag könne demnach keinesfalls eine Hinzurechnung bei dem gemäß § 47
Abs. 1 KStG a. F. festzustellenden EK 02 auslösen.
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Da im Verlustentstehungsjahr 2001 ein Abzug des Verlustes beim EK 02 gemäß § 33
Abs. 1 KStG a. F. nicht mehr möglich sei, fehle es auch an einer gesetzlichen
Grundvoraussetzung für eine Hinzurechnung gemäß § 33 Abs. 2 KStG a. F.. § 33 KStG
a. F. setze teleologisch eine Korrespondenz von Abzug und Hinzurechnung voraus.
Eine isolierte Anwendung eines Teils der korrespondierenden Vorschrift widerspreche
dem Sinn und Zweck der Regelung. Vielmehr könne ein nicht vorgenommener Abzug
nach Abs. 1 der Vorschrift auch nicht durch eine Hinzurechnung nach Abs. 2 der
Vorschrift auszugleichen sein. Auch aus diesem Grunde sei die von dem Beklagten
vorgenommene Hinzurechnung rückgängig zu machen.
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Die sich hierdurch – bei zutreffendem Ansatz des EK 40 mit ... DM - ergebende
Abstimmungsdifferenz zwischen Steuerbilanzkapital und verwendbarem Eigenkapital
zum 31.12.2000 zwinge nicht zum Ansatz eines entsprechenden Bestandes im EK 02.
Gesetzlich sei Derartiges nicht normiert. Die hierzu von dem Beklagten herangezogene
Rechtsprechung des BFH betreffe allein Fälle der unrichtigen Erfassung
gesellschaftsrechtlicher Vorgänge und Änderungen aufgrund sachlich unzutreffender,
jedoch bestandskräftiger gesonderter Feststellungen der Teilbeträge des verwendbaren
Eigenkapitals in Vorjahren. Vorliegend beruhe die Differenz jedoch auf einer von dem
Gesetzgeber selbst zu verantwortenden Gesetzeslücke, mit der die Grundlage für die
Abweichung zwischen Steuerbilanz und Gliederungsrechnung gelegt worden sei. Eine
derartige Differenzursache spreche auch R 83 Abs. 2 KStR 1995 nicht an. Die
verbleibende Abstimmungsdifferenz könne schließlich auch hingenommen werden, da
in den Folgejahren keine hieran anschließende Gliederung des verwendbaren
Eigenkapitals mehr vorgenommen werde. Die Schlussgliederung zum 31.12.2000 sei
lediglich Grundlage für die zutreffende Feststellung der Endbestände gemäß §§ 27 Abs.
1, 28 Abs. 1, 37 Abs. 2 und 38 Abs. 1 KStG.
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Die Klage richte sich indessen primär gegen die Feststellungen nach § 36 Abs. 7 KStG
und nach § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 und nur hilfsweise gegen die Feststellung
nach § 47 Abs. 1 KStG a. F. zum 31.12.2000. Denn ihr Ziel sei nicht die Fortschreibung
einer Gliederungsrechnung, sondern ein sachgerechter Übergang zum
Halbeinkünfteverfahren. Die in Bezug auf einen systemwechselübergreifenden
Verlustrücktrag bestehende Gesetzeslücke müsse durch eine sachgerechte Lösung im
Sinne des gesetzgeberischen Willens gefüllt werden. Dabei sei das gesetzgeberische
Ziel zu beachten, einen steuerneutralen Übergang vom Anrechnungsverfahren auf das
Halbeinkünfteverfahren zu erreichen.
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Zweck der Nachversteuerung des § 38 KStG sei dabei die Sicherung der Festsetzung
von Körperschaftsteuererhöhungen, soweit nach dem Systemwechsel Altrücklagen für
Ausschüttungen verwendet würden, die aus steuerfreien – den Teilbeträgen EK 02 und
EK 03 zuzuordnenden – Vermögensmehrungen stammten. § 37 KStG solle
demgegenüber verhindern, dass das Potential an Körperschaftsteuerminderungen für
tarifbelastete Altrücklagen verlorengehe. Ein mit einem Verlust verrechneter Gewinn sei
aber keine ausschüttungsfähige Vermögensmehrung. Eine Ausschüttung könne damit
nur aus den nach Verlustverrechnung verbliebenen voll versteuerten Altrücklagen oder
aus versteuerten Gewinnrücklagen der Folgejahre erfolgen. Würden diese versteuerten
Rücklagen bei Ausschüttung aber mit einer zusätzlichen Körperschaftsteuererhöhung
von 3/7 belastet, ergebe sich eine Doppelbesteuerung dieser Gewinne. Die Berechnung
derartiger Steuererhöhungen aufgrund von Verlusten infolge der Feststellung eines
Endbestandes an EK 02 widerspreche damit eindeutig dem gesetzgeberischen Ziel und
auch der Systematik des Ertragssteuerrechts. Hinsichtlich der Berücksichtigung von
Verlustvor- und –rückträgen im Übergang der Besteuerungssysteme bestehe vielmehr
eine Gesetzeslücke, die unter Beachtung der Intention des Gesetzgebers in
sachgerechter Weise auszufüllen sei.
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In dem vergleichbaren Fall eines systemwechselübergreifenden Verlustvortrags habe
das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 8.11.2005 6 K 6832/03 F (EFG 2006, 368)
diese Gesetzeslücke durch die entsprechende Anwendung des § 33 KStG a. F. im
Rahmen der Feststellung der Endbeträge gemäß § 36 Abs. 7 KStG geschlossen, um
den Gleichklang zwischen Einkommensermittlung und Eigenkapitalfeststellung
herzustellen und eine doppelte Minderung belasteten Eigenkapitals (Minderung des
Zugangs zum EK 40 und Minderung des EK 40 durch Verrechnung mit negativem EK
02) im Rahmen der Anwendung der Übergangsvorschriften zu verhindern. Dieses Ziel
eines Gleichklangs zwischen Einkommensermittlung und Eigenkapitalfeststellung im
Rahmen der Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG verfehle aber der
Beklagte, indem er ungeachtet des durch den Verlust des Jahres 2001 geminderten
Gewinnvortrags einen Zugang zum EK 02 auf den 31.12.2001 feststelle, der dem um die
rücktragsbedingte Körperschaftsteuererstattung geminderten Verlust entspreche.
Hierdurch ergebe sich eine Abstimmungsdifferenz in Höhe des festgestellten positiven
Endbestands des EK 02. Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf stütze daher das
Begehren der Klägerin, diesen positiven Endbestand des EK 02 zu eliminieren, indem
entweder eine Hinzurechnung nach § 33 Abs. 2 KStG a. F. erst gar nicht erfolge oder
dieser Hinzurechnung im Verlustentstehungsjahr eine gleich hohe Kürzung in
entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 1 KStG a. F. gegenübergestellt werde. Nur
so könne das Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von ... DM ohne eine dem Willen des
Gesetzgebers widersprechende zusätzliche Steuerbelastung durch Ausschüttung der
entsprechenden Altrücklagen realisiert werden.
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Die steuertechnischen Auswirkungen der angegriffenen Feststellungen seien
schließlich wie folgt zu erläutern:
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Der festgestellte Endbetrag des EK 02 in Höhe von ... DM enthalte ein
Körperschaftsteuererhöhungspotential gemäß § 38 KStG in Höhe von ... DM. Im Streitfall
erfordere die Geltendmachung des Körperschaftsteuerguthabens in Höhe von ... DM
(1/6) eine Gewinnausschüttung in Höhe des festgestellten Endbestands des EK 40
(6/6). Der ausschüttbare Gewinn i.S.d. § 27 KStG in Höhe von ... DM liege indessen
unter dem positiven Endbetrag des EK 02 in Höhe von ... DM, so dass das EK 02 nach
der Fiktion des § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG stets als für die Ausschüttung verwendet gelte.
Wie mit Schriftsatz vom 00.00.0000 im einzelnen dargelegt worden sei, liege die
gesamte Belastung an Körperschaftsteuer im Falle einer Vollausschüttung bei 44,73 %.
Berücksichtige man zusätzlich die auf die Altrücklagen entfallenden
Gewerbesteuerzahlungen und die mit ... DM zu schätzende Einkommensteuerbelastung
der Anteilseigner, ergebe sich sogar eine Abgabenquote auf den Gewinn vor Steuern (...
DM) von 64,70 %. Dies müsse unter dem Aspekt der Überbesteuerung des Einkommens
sogar verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. unter Änderung der Bescheide vom 00.00.0000 über die gesonderte Feststellung
der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 sowie der
dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 den Endbestand zum
Teilbetrag aus nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden Vermögensmehrungen
(§ 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999) - EK 02 - auf 0 Euro festzustellen,
2. hilfsweise unter Änderung des Feststellungsbescheides gemäß § 47 Abs. 1 KStG
zum 31.12.2000 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom
00.00.0000 den Teilbetrag des EK 02 mit 0 Euro festzustellen und die Feststellung
des Endbestands des EK 02 zum 31.12.2001 entsprechend anzupassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er weist darauf hin, dass der mit dem Hauptantrag begehrte Abzug beim EK 02
denklogisch eine Fortschreibung der Gliederungsrechnung voraussetze, bei der die
Regelungen des neuen Rechts unter Fortgeltung der Prinzipien des alten Rechts
korrigiert würden. Dies würde aber dem von den Umgliederungsvorschriften verfolgten
Vereinfachungsgedanken zuwiderlaufen. Dieser Vereinfachungszweck sei auch mit
dem Urteil des BFH vom 31.5.2005 I R 107/04 (BStBl II 2005, 884) zur
Verfassungsmäßigkeit der Umgliederungsvorschriften anerkannt worden. Der
vollzogene Schnitt zum Systemwechsel und die Irrelevanz der nachfolgenden laufenden
Geschäftsvorfälle für die Fortentwicklung der Feststellungen nach §§ 37, 38 KStG
führten in einer Vielzahl von anderen Sachverhalten ebenfalls zu Verwerfungen, wenn
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man den Maßstab des alten Rechts anlege. Da diese Auswirkungen den
Steuerpflichtigen auch begünstigen könnten, sei eine einseitig belastende Tendenz
nicht zu erkennen. Verfüge eine Kapitalgesellschaft etwa über negatives EK 02, könne
der hier streitbefangene Zugang nach § 33 Abs. 2 KStG a. F. eine Umgliederung nach §
36 Abs. 4 KStG verhindern und wirke in dieser Konstellation steuerentlastend.
Zugunsten des Steuerpflichtigen könnten auch nach dem Systemwechsel nicht
abziehbare Betriebsausgaben das festzustellende Körperschaftsteuerguthaben nicht
mehr mindern und erzielte steuerfreie inländische Vermögensmehrungen den
Endbetrag des EK 02 nicht mehr erhöhen. Die in ihrer Gesamtheit ausgewogenen
Wirkungen des Übergangsrechts müssten daher aufgrund des beabsichtigten
Vereinfachungszwecks hingenommen werden.
Auch das neue Recht kenne hinsichtlich der Verrechnung von Gewinnausschüttungen
eine Verwendungsreihenfolge, die sich faktisch aus dem Verhältnis der §§ 27, 37 und
38 KStG ableite. Als Finanzierungsquellen kämen hier die den Feststellungen nach §
37, 38 KStG zuzuordnenden Gewinnrücklagen, das steuerliche Einlagekonto und das
sogenannte neutrale Vermögen in Betracht. Da die nach dem Systemwechsel erzielten
Gewinne und Verluste dem neutralen Vermögen zuzuordnen seien, bleibe für eine
Zuordnung des von der Klägerin im Jahr 2001 erzielten Verlustes zum
Finanzierungstopf des § 38 KStG kein Raum.
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Aus dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 8.11.2005 könnten keine
Rückschlüsse für den Streitfall gezogen werden. Diesem Urteil liege die besondere
Sachverhaltsgestaltung zugrunde, dass im Jahr 2001 noch ein Zugang zum EK 40
aufgrund von Dividenden einer Tochtergesellschaft nach § 36 Abs. 2 Satz 3 KStG zu
erfassen gewesen sei, so dass der systemwechselübergreifende Verlustvortrag das EK
40 sowohl unmittelbar nach Maßgabe des § 34 Abs. 12 Satz 7 KStG durch Schmälerung
des tarifbelasteten Einkommens als auch im Rahmen der Umgliederung nach § 36 Abs.
4 KStG durch die Verrechnung negativen EK 02 vermindert habe. Das Bestehen einer
Regelungslücke habe das Gericht dabei daraus abgeleitet, dass bei einer
Ausschüttungen empfangenden Kapitalgesellschaft die Summe der nach § 36 Abs. 7
KStG festgestellten Endkapitalbeträge mit dem laut Steuerbilanz vorhandenen
Eigenkapital abstimmbar sein müsse. Im Streitfall seien aber die Vorschriften des
Anrechnungsverfahrens und damit auch die §§ 29, 33 KStG a. F. ab dem
Veranlagungszeitraum 2001 keinesfalls mehr anwendbar. Die Feststellung des EK 02
zum 31.12.2001 müsse daher ausschließlich nach Maßgabe des § 38 KStG erfolgen.
Diese Vorschrift biete keine Rechtsgrundlage für eine Verringerung des EK 02 infolge
eines Verlustrücktrags.
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Wie bereits in der Einspruchsentscheidung dargestellt, belaufe sich der Steuervorteil
des Verlustrücktrags gegenüber dem wahlweise in Anspruch zu nehmenden
Verlustvortrag auf 5 % des Verlustes zuzüglich eines beträchtlichen Zinsvorteils. Die
Inanspruchnahme dieses Vorteils gehe indessen mit einem latenten Körperschaftsteuer-
Erhöhungsrisiko von ... DM einher, das je nach Gewinnentwicklung und
Ausschüttungsverhalten den Vorteil in einen Nachteil verkehren könne. Es sei Sache
der Klägerin die Vor- und Nachteile der beiden Handlungsoptionen abzuwägen und
sich dementsprechend zu entscheiden. Das Klagebegehren laufe vor diesem
Hintergrund auf ein nicht akzeptables Meistbegünstigungswahlrecht hinaus.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag angefochtenen Feststellungsbescheide sind
rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte hat zu Recht bei der Endbetragsfeststellung gemäß § 38 Abs. 1 KStG zum
31.12.2001 und den hierfür grundlegenden Feststellungen der Endbestände/Teilbeträge
des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.2000 gemäß § 36 Abs. 7 KStG, § 47 Abs. 1
KStG a. F. einen positivenTeilbetrag i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a. F. – EK 02 – i.H.v.
... DM angesetzt.
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I.
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1.) Ungeachtet der Abhängigkeit der Folgebescheide gemäß §§ 38 Abs. 1, § 36 Abs. 7
KStG von dem noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid gemäß § 47 Abs. 1
KStG a. F. bedarf es im Streitfall keiner Aussetzung der Verhandlung nach § 74 FGO.
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Nach § 36 Abs. 1 KStG i. d. F. des UntStFG vom 20.12.2001 werden auf den Schluss
des letzten Wirtschaftsjahres, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für den das
KStG a. F. letztmals anzuwenden ist, die Endbestände der Teilbeträge des
verwendbaren Eigenkapitals ausgehend von den gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG
a.F. festgestellten Teilbeträgen nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 ermittelt und dieser
Ermittlung gemäß gesondert festgestellt (Abs. 7). Da vorliegend das Wirtschaftsjahr der
Klägerin dem Kalenderjahr entspricht, sind gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 KStG die
Endbestände auf den 31.12.2000 zu ermitteln. Ein positiver Endbetrag des EK 02 ist
nach § 38 Abs. 1 Satz 1 KStG auch auf den Schluss des folgenden Wirtschaftsjahres –
also im Streitfall auf den 31.12.2001 - fortzuschreiben und gesondert festzustellen. Der
Feststellungsbescheid gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. ist Grundlagenbescheid i.S.d. §
182 Abs. 1 AO für die Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG. Diese ist
wiederum Grundlagenbescheid für die erstmalige Endbetragsfeststellung gemäß § 38
Abs. 1 KStG (Bauschatz in: Gosch, Körperschaft-steuergesetz, § 36, Tz. 161, und § 38,
Tz. 24, m.w.N.).
32
Eine Aussetzung des Verfahrens über die im Rahmen des Hauptantrages allein
streitbefangenen Folgebescheide gemäß §§ 38 Abs. 1, § 36 Abs. 7 KStG im Hinblick auf
die noch offene Entscheidung über den Grundlagenbescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG
a. F. würde indessen sowohl der Prozessökonomie als auch dem objektivierten
Interesse der Beteiligten widersprechen (vgl. zu diesem Maßstab der dem Gericht nach
§ 74 FGO aufgegebenen Ermessensentscheidung: Beschluss des BFH vom 28.2.2001 I
R 41/99, BFHE 194, 317, BStBl II 2001, 416, m.w.N.). Denn abgesehen davon, dass die
betroffenen Folgebescheide bei einer Änderung des Grundlagenbescheides gemäß §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend anzupassen wären, wird der Hauptantrag mit
einem selbständigen, entscheidungserheblichen und von der Bindungswirkung des
Grundlagenbescheides nicht erfassten Vorbringen begründet. Hinzu kommt, dass der
Grundlagenbescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG a. F. Eventualgegenstand des nämlichen
Verfahrens ist, so dass eine Aussetzung der Verhandlung über den Hauptantrag die
noch ausstehende Entscheidung über den Grundlagenbescheid blockieren würde. Die
Herbeiführung einer derartigen Prozesslage kann aber nicht das Ergebnis
sachgerechter Ermessensausübung sein und wäre überdies mit der auf das Ziel der
Rechtsschutzgewährung ausgerichteten dienenden Funktion des Verfahrensrechts
unvereinbar.
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2.) Der demnach unter Beachtung der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides
gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. zu bescheidende Hauptantrag bleibt ohne Erfolg, da
der Beklagte den in diesem Feststellungsbescheid ausgewiesenen Teilbetrag des EK
02 in zutreffender Anwendung der §§ 36 Abs. 1 und 7, 38 Abs. 1 Satz 1 KStG als gleich
hohen Endbestand/Endbetrag des EK 02 zum 31.12.2000 bzw. 31.12.2001
fortgeschrieben und festgestellt hat.
34
Für eine der Hinzurechnung nach § 33 Abs. 2 KStG a. F. im Verlustabzugsjahr
entsprechende Kürzung des EK 02 in dem unter das Halbeinkünfteverfahren fallenden
Verlustentstehungsjahr fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Insbesondere kann
diese Grundlage nicht in der entsprechenden Anwendung des § 33 Abs. 1 KStG a. F.
gefunden werden.
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a.) Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens führte ein Verlust gemäß § 33 Abs. 1
KStG a. F. im Verlustentstehungsjahr zu einem Abzug von EK 02, während im Jahr des
Verlustausgleichs eine entsprechende Hinzurechnung gemäß § 33 Abs. 2 KStG a. F.
erfolgte. Im neuen Körperschaftsteuersystem besteht dagegen aufgrund des Wegfalls
des Anrechnungsverfahrens keine Notwendigkeit, einen Verlust im Rahmen einer
Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals einzuordnen. Denn im
Verlustentstehungsjahr kommt es nur zu einer Minderung des sog. neutralen
Vermögens, während im Verlustabzugsjahr eine entsprechende Erhöhung eintritt. Das
EK 02 wird demgegenüber durch Verluste nicht mehr berührt. Die unterschiedliche
Behandlung hinsichtlich der Gliederung/Fortschreibung des verwendbaren
Eigenkapitals führt deshalb zu Verwerfungen, wenn ein Verlustrücktrag vom neuen in
das alte Körperschaftsteuersystem erfolgt (vgl. dazu die Darstellungen bei
Lornsen/Veit/Odenbach in: Erle/Sauter, KStG, 1. Aufl., § 38, Tz. 12, und Dötsch in:
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 38 KStG, Tz. 8 f.). Kommt es durch die
nur einseitige Anwendung des §§ 33 KStG a. F. im Verlustabzugsjahr zur
Fortschreibung eines positiven EK 02 über die Systemgrenze, so beruht das damit
einhergehende Körperschaftsteuererhöhungspotential auf einer infolge der
Verlustverrechnung nicht mehr ausschüttungsfähigen Vermögensmehrung statt auf
unbelasteten Altrücklagen, deren Nachversteuerung § 38 Abs. 1 KStG bezweckt.
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Eine Korrektur dieses Überhangs des EK 02 im Falle eines systemübergreifenden
Verlustrücktrages sehen die Schlussvorschriften des § 34 KStG und die
Sondervorschriften für den Übergang vom Anrechnungsverfahren zum
Halbeinkünfteverfahren in §§ 36 ff. KStG indessen nach ihrem Wortsinn nicht vor. Zwar
sind nach § 36 Abs. 2 Satz 2 KStG die Regelungen des Vierten Teils des
Körperschaftsteuergesetzes 1999 und damit § 33 KStG a. F. anzuwenden. Jedoch
bezieht sich diese Übergangvorschrift in Übereinstimmung mit § 34 Abs. 1, Abs. 9 Satz
1 KStG i. d. F. des UntStFG ausschließlich auf die in § 36 Abs. 2 Satz 1 KStG geregelte
Behandlung von Gewinnausschüttungen bei der ausschüttenden Gesellschaft (so
zutreffend: Urteil des FG Düsseldorf vom 8.11.2005 6 K 6832/03 F, EFG 2006, 368).
37
b.) Ungeachtet dieses Befundes kommt eine analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 KStG
a.F. mit dem Ziel, die im Anrechnungsverfahren gewährleistete Korrespondenz
zwischen Hinzurechnung und Kürzung des EK 02 bei einem systemübergreifenden
Verlustrücktrag in dem unter das Halbeinkünfteverfahren fallenden
Verlustentstehungsjahr beizubehalten, nicht in Betracht. Denn dazu fehlt es an einer zur
Überzeugung des Senats feststellbaren Gesetzeslücke des Übergangsrechts zum
Halbeinkünfteverfahren, die eindeutig mit diesem Regelungsinhalt auszufüllen wäre.
38
aa.) Nach der gefestigter Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 20.10.1983 IV R
175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221; vom 12.12.2002 III R 33/01, BFHE 201, 379,
BStBl II 2003, 322; vom 2.6.2005 III R 15/04, BFHE 210, 141, BStBl II 2005, 828;
m.w.N.).), der der Senat folgt, haben die Gerichte im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz
und Recht (Art. 20 Abs.3 GG) auch die Aufgabe, ungewollte Unvollständigkeiten des
Gesetzes durch Schließung der Lücken zu beheben. Die bloßen Gesetzesworte bringen
das teleologische Konzept eines Gesetzes nicht selten nur bruchstückhaft oder
lückenhaft zum Ausdruck. Mit der Lückenausfüllung durch Analogie wird dem
Gesetzgeber nicht der Vorrang streitig gemacht; insoweit wird vielmehr lediglich
"nachbessernd" im Sinne der Vorstellungen des Gesetzgebers gehandelt.
39
Ein Analogieverbot besteht im Steuerrecht ebensowenig wie im übrigen
Eingriffsverwaltungsrecht. Werden Lücken durch Analogie geschlossen, so kann das im
Einzelfall steuermindernde oder steuerverschärfende Wirkung haben; die Wirkung kann
auch "zweischneidig" - also teils steuermindernd, teils steuerverschärfend - sein.
40
Ergibt sich einwandfrei, dass eine Lücke im Gesetz vorliegt, und ist andererseits aus
dem Gesetzeswortlaut oder aus den Gesetzesmaterialien eindeutig zu entnehmen, dass
es Rechtsprinzipien gibt, nach denen diese Lücke zu schließen ist, so ist eine
Lückenfüllung aber auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen möglich, ohne dass dem
das Gebot der Rechtssicherheit entgegenstünde. Entscheidender Anknüpfungspunkt
kann dabei nur der im Gesetz zum Ausdruck gekommene Sinnzusammenhang - der
gesetzgeberische Plan - sein.
41
Eine im Wege der analogen Anwendung zu schließende Gesetzeslücke setzt eine
planwidrige Unvollständigkeit der Norm voraus. Die Regelung muss deshalb, gemessen
an ihrem Zweck, unvollständig und damit ergänzungsbedürftig sein. Auch darf ihre
Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Beschränkung auf bestimmte
Tatbestände widersprechen. Sog. rechtspolitische Fehler dürfen nicht korrigiert werden.
Solche liegen vor, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch
verbesserungswürdig, aber --gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck-- nicht als
planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Eine Auslegung gegen den
Wortlaut kommt zudem nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn
nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis
führen würde.
42
bb.) Bei der Ermittlung der danach maßgebenden gesetzgeberischen Zielsetzung ist
einerseits der rechtsstaatlich gebotene Regelungszweck eines steuerneutralen
Übergangs vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren und
andererseits der mit den Umgliederungsvorschriften verfolgte Vereinfachungsgedanke
(vgl. dazu Urteil des BFH vom 31.5.2005 I R 107/04, BFHE 210, 256, BStBl II 2005, 884)
zu beachten. Zwischen diesen gesetzgeberischen Motiven der Steuerneutralität und der
Vereinfachung besteht ein Zielkonflikt. Der Gesetzgeber hat sich zulässigerweise für
eine Vereinfachung im Interesse der praktischen Handhabbarkeit des Systemwechsels
entschieden und dabei im Rahmen einer generalisierenden und typisierenden, auf den
Regelfall abgestellten Betrachtung in abweichenden Einzelfällen Abstriche von dem
Ziel der Steuerneutralität in Kauf genommen. Er hat dabei zur Erreichung der
Vereinfachung sowohl nachteilige als auch vorteilhafte steuerliche Auswirkungen
gegenüber dem Ziel der Steuerneutralität zugelassen und berücksichtigt, dass den
Steuerpflichtigen alternative Handlungsmöglichkeiten (z. B. Leerschütten des belasteten
43
Eigenkapitals) zu Gebote standen, um im Einzelfall nachteilige Auswirkungen der
Umgliederung zu vermeiden.
Angesichts dieser Konkurrenz der Gesetzeszwecke kann nicht allein aufgrund des im
Streitfall verfehlten Ziels der Steuerneutralität eine Gesetzeslücke festgestellt werden,
die eine entsprechende Anwendung des § 33 Abs. 1 KStG a. F. nach Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens rechtfertigen könnte (so im Ergebnis auch Dötsch, a. a. O., Tz.
8a, unter Hinweis auf die Gegenauffassung von Orth; Frotscher in: Frotscher-Maas,
KStG, UmwStG, § 36 KStG Tz. 11c; Düll/Fuhrmann/Eberhard, a. a. O., S. 645 f.;
Schlagheck GmbHR 2003, 214, 218; vgl. aber auch Schiffers, GmbH-StB 2002, 263,
265, der eine Korrektur im Billigkeitswege vorschlägt).
44
Dies muss zumal deshalb gelten, weil der hier streitbefangene Zugang zum EK 02 nach
§ 33 Abs. 2 KStG a. F. auch steuerentlastend wirken kann, wenn eine
Kapitalgesellschaft vorher über negatives EK 02 verfügte und durch dessen Ausgleich
die Vernichtung belasteten Eigenkapitals im Zuge der Umgliederung nach § 36 Abs. 4
KStG verhindern kann. Die von der Klägerin befürwortete Gesetzesanalogie zu § 33
Abs. 1 KStG a. F. hätte in diesem Fall also notwendig steuerverschärfende Wirkung,
was die Anforderungen an die Feststellung einer planwidrigen Unvollständigkeit des
Übergangsrechts sowie einer in bestimmter Art gebotenen Lückenfüllung nach
eindeutiger Vorgabe eines andere Zwecke verdrängenden Rechtsprinzips weiter
erhöhen muss. Derartige Vorgaben können aber aufgrund des Zielkonflikts der
konkurrierenden gesetzgeberischen Motive der Steuerneutralität und der Vereinfachung
gerade nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit dem Gesetzesplan entnommen werden.
Auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zum StSenkG (BT-Drs. 14/2683, S.126 f.)
gibt hierfür nichts her.
45
Nichts anderes ergibt sich, wenn man mit der Klägerin annimmt, dass die
Hinzurechnung zum EK 02 im Rücktragsjahr aufgrund der fehlenden Korrespondenz zu
einem gleich hohen Abzug vom EK 02 im Verlustentstehungsjahr nicht mehr auf der
Anwendung des § 33 Abs. 2 KStG a. F., sondern überhaupt nur noch auf dem Eingreifen
der Auffangregelung der §§ 29, 30 KStG a. F. beruhen könnte (so auch: Solms-Laubach,
DStR 2004, 1024 f.; zweifelnd: Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2001, 641, 645 f.). Denn
auch die gesetzliche Notwendigkeit des Ausgleichs von Differenzen zwischen
Steuerbilanzkapital und verwendbarem Eigenkapital war dem Gesetzgeber bei der
Konzeption des StSenkG bekannt und konnte daher im Rahmen eines vorrangig auf
den Vereinfachungszweck ausgerichteten Gesetzesplans berücksichtigt werden.
46
Das in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des FG Düsseldorf vom
8.11.2005, a. a. O., angesprochene Regelungsziel eines Gleichklangs von
Einkommensermittlung und Eigenkapitalfeststellung hat der Gesetzgeber
demgegenüber – jedenfalls außerhalb der Sonderregelung des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStG
für Ausschüttungen empfangende Kapitalgesellschaften - nach dem Systemwechsel
nicht mehr verfolgt, wie die fehlende Auswirkung nach dem Systemwechsel erzielter
Gewinne auf die Feststellung des EK 40 bzw. des Körperschaftsteuerguthabens zeigt.
Eine Abstimmung mit dem bilanziellen Eigenkapital müsste deshalb bei Anfall
nachträglicher Gewinne notwendig zu einer Differenz führen. Der Umstand, dass im
vorliegenden Verlustfall ohne einen Abzug vom EK 02 in entsprechender Anwendung
des § 33 Abs. 1 KStG a. F. eine differenzfreie Abstimmung nicht gelingt, kann daher für
die Feststellung einer Gesetzeslücke keine Aussagekraft haben.
47
Nicht zuletzt stand der Klägerin die weitere, auch aus der Perspektive des Gesetzgebers
erkennbare Handlungsmöglichkeit offen, gem. § 10d Abs. 1 Sätze 1 und 7 EStG 2001
auf einen Verlustrücktrag zu Gunsten eines Vortrags zu verzichten. Angesichts der
Vermeidbarkeit der in Einzelfällen mit einem Verlustrücktrag verbundenen potentiellen
steuerlichen Nachteile könnte eine Entscheidung des Gesetzgebers für einen Vorrang
des Vereinfachungsziels gegenüber dem Anliegen der Steuerneutralität keinesfalls als
sach- oder gar sinnwidrig angesehen werden.
48
c.) Schließlich kann die Frage einer verfassungswidrigen Überbesteuerung, wie sie die
Klägerin bei einer Belastung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer von rd. 60 % - die
Belastung der Anteilseigner ist hier nicht relevant - für denkbar hält, im Streitfall bereits
deshalb nicht entscheidungsrelevant sein, weil das positive EK 02 mangels
Ausschüttung nicht zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Unabhängig davon hat das
Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 18.1.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97)
eine nahezu 60% erreichende Belastung mit Einkommen-und Gewerbesteuer noch als
unbedenklich angesehen und darüber hinaus erkannt, dass dem Übermaßverbot keine
zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen
werden kann. Im Übrigen wäre dem Umstand, dass die Klägerin bei Ausübung ihres
Wahlrechts zum Verlustrücktrag ohne gesetzlichen Zwang das latente Risiko einer
künftigen Körperschaftsteuererhöhung in Kauf genommen hat, auch Bedeutung für die
Beurteilung eines übermäßigen Steuerzugriffs zuzumessen. Die Berufung auf die
Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Eingriffes erscheint wenig überzeugend, wenn
der Steuerpflichtige die Voraussetzungen hierzu zur Erlangung einer höheren
Körperschaftsteuererstattung im Eigeninteresse geschaffen hat, um im Falle einer
künftigen positiven Gewinnentwicklung eine maximale Steuerersparnis zu erzielen. Mit
dem zutreffenden Hinweis auf die Vermeidbarkeit nachteiliger steuerlicher Folgen hat
zuletzt auch das FG München mit Urteil vom 28.11.2006 6 K 1071/03 (EFG 2007, 380)
die Verfassungsmäßigkeit der körperschaftsteuerlichen Umgliederungsregelungen im
Falle eines systemübergreifenden Verlustrücktrags bestätigt.
49
II.
50
1.) Der Senat kann in Bezug auf den im Wege der eventuellen Klagehäufung in das
Verfahren eingeführten Streitgegenstand des Feststellungsbescheides gem. § 47 Abs. 1
Nr. 1 KStG in der vor der Änderung durch das StSenkG geltenden Fassung – KStG a. F.
- in der Sache entscheiden, da diese Eventualhäufung aufgrund der innerprozessualen
Bedingungsverknüpfung und des den Anforderungen des § 43 FGO jedenfalls
genügenden Sachzusammenhangs zulässig ist (vgl. dazu Beschluss des BFH vom
18.10.1994 VIII B 120/93, BFH/NV 1995, 687; Steinhauff in: Hübschmann/Hepp/
Spitaler, § 43 FGO, Tz. 21 – 24, m.w.N.).
51
2.) Auch dieser Hilfsantrag, mit dem die Klägerin im Rahmen der Feststellung gemäß §
47 Abs.1 KStG a. F. zum 31.12.2000 die Herabsetzung des Teilbetrages des EK 02 auf
0 Euro anstrebt, vermag der Klage indessen nicht zum Erfolg zu verhelfen.
52
a.) Nach Auffassung des erkennenden Senats muss allerdings eine isolierte
Hinzurechnung nach § 33 Abs. 2 KStG a. F. im Verlustabzugsjahr ausscheiden, wenn
ein korrespondierender Abzug vom EK 02 nach § 33 Abs. 1 KStG a. F. im
Verlustentstehungsjahr nicht mehr möglich ist. Dies zeigt bereits die unmittelbare
Bezugnahme des § 33 Abs. 2 KStG a. F. auf den ersten Absatz der Vorschrift, mit der ein
Abzug vom EK 02 im Verlustentstehungsjahr zur Voraussetzung einer entsprechenden
53
Hinzurechnung im Verlustabzugsjahr gemacht wird. Auch nach der
Gesetzesbegründung liegt Sinn und Zweck der Hinzurechnung nach § 33 KStG a. F. im
Verlustabzugsjahr darin, den Abzug gem. § 33 Abs. 1 KStG a. F. auszugleichen (BT-
Drs. 7/1470, S. 372). Beide Absätze des § 33 KStG a. F. müssen daher als Einheit
gesehen werden, so dass eine isolierte Hinzurechnung nach Maßgabe des zweiten
Absatzes nicht in Betracht kommt (vgl. dazu: Solms-Laubach und
Düll/Fuhrmann/Eberhard, a. a. O.).
Die Nichtanwendbarkeit des § 33 Abs. 2 KStG im Verlustabzugsjahr zwingt indessen
dazu, bei der Aufteilung und Gliederung des steuerbilanziellen Eigenkapitals gem. §§
29 Abs. 1 und 2, 30 KStG a. F. die Minderung des EK 40 aufgrund des Verlustrücktrags
durch eine entsprechende Hinzurechnung beim EK 02 (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr.
2 KStG a. F.) zu kompensieren. Die rückwirkend nicht mehr anwendbare
Gesetzesbestimmung des § 33 Abs. 2 KStG wird damit durch die Auffangregelung der
§§ 29, 30 KStG a. F. ersetzt. Diese auch von der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung bestätigte Rechtsfolge (vgl. dazu Urteil des BFH vom 23.10.1991 I R
97/89 BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154, und zuletzt Beschluss des BFH vom
25.1.2005 I B 105/04, BFH/NV 2005, 1149, m.w.N.) ist entgegen der Auffassung der
Klägerin durch den Wortsinn der §§ 29, 30 KStG a. F. und die Systematik des Gesetzes
bindend vorgegeben und nicht auf die Fälle der unrichtigen Erfassung
gesellschaftsrechtlicher Vorgänge und sachlich unzutreffender, jedoch bestandskräftiger
gesonderter Feststellungen der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in den
Vorjahren beschränkt. Sie beruht auch nicht konstitutiv auf der beispielhaften
Aufzählung in der Verwaltungsanweisung des Abschnitts 83 Abs. 2 KStR 1995, so dass
die dort nicht angesprochene Differenzursache eines rückwirkenden gesetzlichen
Eingriffs einer Hinzurechnung nach §§ 29, 30 KStG a. F. nicht entgegenstehen kann (a.
A. Solms-Laubach, a. a. O.).
54
b.) Es besteht auch keine tragfähige Grundlage für eine teleologische Reduktion der §§
29, 30 KStG a. F. des Inhalts, dass in der dem Systemwechsel vorausgehenden
Schlussgliederung zum 31.12.2000 eine Differenz zwischen Steuerbilanz und
Gliederungsrechnung hingenommen werden könnte.
55
Zwar hat der Gesetzgeber durch den Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen des §
33 Abs. 2 KStG a. F. mit dem Auslaufen des Anrechnungsverfahrens die Grundlage für
die Abweichung zwischen Steuerbilanz und Gliederungsrechnung selbst gelegt.
Zweifelhaft und demnach keinesfalls ausreichend für die Feststellung einer
Gesetzeslücke, deren Ausfüllung durch teleologische Reduktion in anderen
Sachverhaltskonstellationen auch steuerverschärfenden Charakter hätte, ist aber
bereits, ob eine solche Auswirkung des Übergangsrechts bei der gesetzgeberischen
Beschlussfassung über das KStG a. F. in den bis zum 31.12.2000/2001 geltenden
Fassungen nicht vorausgesehen worden ist. Die amtliche Neufassung des KStG a. F.
vom 22.4.1999 ist zuletzt durch Art. 4 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung
von Stiftungen vom 14.7.2000, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Entwurf des den
Systemwechsel beinhaltenden StSenkG vom 15.2.2000 (BT-Drs. 14/2863) bereits
vorlag, geändert worden. Dies eröffnet die nicht fernliegende Möglichkeit, dass der
Gesetzgeber bewusst von einer Einschränkung der Rechtsfolgen der §§ 29,30 KStG a.
F. abgesehen hat, weil er die Berücksichtigung der Auswirkungen des
Halbeinkünfteverfahrens dem mit dem StSenkG zu formulierenden Übergangsrecht
vorbehalten wollte.
56
Hierfür spricht auch, dass die Durchbrechung des das Anrechnungsverfahren
beherrschenden Grundsatzes der Übereinstimmung von Steuerbilanzkapital und
Gliederungsrechnung deshalb nicht geboten war, weil sich durch den Ausgleich des
Fehlbetrags des verwendbaren Eigenkapitals unter Geltung des KStG a. F. keine
Steuererhöhung mehr ergeben konnte. Der Gesetzgeber hatte daher keinen Anlass, in
eine bewährte und in sich geschlossene gesetzliche Konzeption einzugreifen, um
Rückkoppelungseffekten des noch abschließend zu gestaltenden Übergangsrechts zum
Halbeinkünfteverfahren vorzubeugen.
57
III.
58
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Korrespondenz
zwischen Hinzurechnung und Kürzung des EK 02 bei einem systemübergreifenden
Verlustrücktrag zugelassen.
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
60