Urteil des FG Köln vom 18.04.2005
FG Köln: einkünfte, fahrtkosten, reisekosten, steuerfestsetzung, mandat, verwaltungsbehörde, steuerbefreiung, erwerbstätigkeit, musiker, entstehung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Köln, 14 K 3492/04
18.04.2005
Finanzgericht Köln
14. Senat
Urteil
14 K 3492/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte
im Streitjahr als Versicherungsangestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Weiter
erzielte er aus einer als Einzelunternehmen betriebenen Versicherungsvermittlung
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, ferner
freiberufliche Einkünfte als Musiker. Die Klägerin ist freiberufliche Musiklehrerin und
Musikerin.
Mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr vom 03.03.2004 berücksichtigte der Beklagte erklärungsgemäß folgende
Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit:
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 1.128 €
Aufwendungen für Arbeitsmittel Büromaterial etc. 1.022,88 € AfA PC 255,39 €
Telekommunikationskosten 223,74 € insgesamt (unter Aufrundundung der Einzelsummen)
1.503 €
übrige Werbungskosten Reisekosten (Tagespauschalen und PKW-KM-Sätze) 1.701,00
€ Fahrtkosten zum Kauf von Büromaterial 329,00 € Bewerbungskosten 1.037,00 € Sonstige
Werbungskosten incl. Bewirtungskosten 201,00 € Insgesamt (aufgerundet) 3.268 €
5.899 €
Den Gewinn aus Gewerbebetrieb aus der einzelunternehmerischen Tätigkeit des Klägers
berücksichtigte der Beklagte erklärungsgemäß mit 166,00 €. Betriebseinnahmen von
849,70 € standen nach der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Betriebsausgaben von
682,80 € - ganz überwiegend Fahrtkosten (Reisekosten) - gegenüber.
Für die Tätigkeit des Klägers als Musiker berücksichtigte der Beklagte erklärungsgemäß
einen Gewinn von 19,00 €. Betriebseinnahmen (Konzerthonorar) von 767,00 € standen
Betriebsausgaben, überwiegend Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand, von 748,00 €
gegenüber.
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Die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit als freiberufliche Musiklehrerin und
Musikerin setzte der Beklagte erklärungsgemäß mit 2.312,00 €.. Betriebseinnahmen –
Honorare von drei Musikschulen und Konzerthonoraren - von 9.456,32 € wurden
Betriebsausgaben von 7.143,58 € gegenübergestellt. Die erklärten Betriebsausgaben
setzen sich wie folgt zusammen:
Fahrtkosten zu den Musikschulen 3.516 € Verpflegungsmehraufwand für diese Fahrten 600
€ Fahrtkosten zu Konzerten 861 € Verpflegungsmehraufwand für diese Fahrten 62 € Kauf
von Musikinstrumenten und Noten etc. (16 Einzelbeträge) 1.370 € Arbeitsmittel (AfA Fagott)
261 € Fahrtkosten zur Beschaffung von Arbeitsmitteln 230 € Sonstiges 244 €
Während des Einspruchsverfahrens erging der Einkommensteuerbescheid vom
13.04.2004, der die Steuerfestsetzung unverändert ließ, aber von um 19 € erhöhten
Einkünften ausging. Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid (ursprünglich
vom 03.03.2004) wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2004
mangels Vorlage einer Einspruchsbegründung als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren haben die Kläger mit Schriftsatz vom 15.04.2005 unter Hinweis auf das
Revisionsverfahren beim BFH VI R 81/04 die Aussetzung des Verfahrens begehrt. In dem
Revisionsverfahren geht es um die Frage, ob die Steuerfreistellung großer Teile der
Einkünfte von Bundestagsabgeordneten mit der Verfassung vereinbar sei und inwieweit
eine derartige Freistellung von Einkünften anderer Personen von Verfassungs wegen
geboten sei.
In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihr Begehren dahingehend konkretisiert,
dass sie eine steuerfreie Auslagenpauschale wie Bundestagsabgeordnete erhalten (wohl
6.035,-- €). Sie sehen in der Nichtgewährung einer solchen steuerfreien
Auslagenpauschale einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Kläger beantragen,
1. Das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, 2. Die Steuer in der Weise
herabzusetzen, dass eine steuerfreie Pauschale wie bei Bundestagsabgeordneten
berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 05.11.2004 die Steuerfestsetzung für das Streitjahr
zugunsten der Kläger geändert. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Klägerin
wurden in dem Bescheid lediglich noch mit 2.894,-- € berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist entscheidungsreif.
1. Das Verfahren war nicht im Hinblick auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof
VI R 81/04 nach § 74 FGO auszusetzen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die
Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder nicht
Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, dass dem Gegenstand eines anderen
anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist,
einordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur
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Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Das Revisionsverfahren ist kein
vorgreifliches Verfahren im Sinne der Bestimmung, da es andere Beteiligte betrifft und
schon deshalb ohne unmittelbaren Einfluss auf das Klageverfahren der Kläger ist. Der
Umstand, dass eine vom Bundesfinanzhof geäußerte Rechtsauffassung auch für das
Verfahren der Kläger bedeutsam werden könnte, begründet keine Vorgreiflichkeit.
2. Es kommt auch nicht in Betracht, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG
auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die von den Klägern
geltend gemachte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorzulegen. Denn eine
Gleichbehandlung der Kläger mit Bundestagsabgeordneten würde, wie unter II. dargelegt
wird, nicht zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer der Kläger führen.
3. Auch ein Ruhen des Verfahrens nach § 151 FGO i. V. m. § 251 Abs. 1 ZPO kommt nicht
in Betracht. Denn das Ruhen setzt voraus, dass beide Beteiligten dies beantragen und
anzunehmen ist, dass das Ruhen aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Im
Streitfall liegt lediglich ein entsprechender Antrag der Kläger, nicht hingegen des Beklagten
vor. Im Übrigen erscheint das Ruhen im Hinblick darauf, dass es erst unmittelbar vor der
mündlichen Verhandlung beantragt worden ist und überdies die in dem Revisionsverfahren
VI R 81/04 zu behandelnde Rechtsfrage für den Streitfall – wie nachfolgend unter II.
dargelegt wird – nicht erheblich ist, nicht zweckmäßig. II.
Die Klage ist unbegründet. 1. Das Gericht legt das Begehren der Kläger dahingehend aus,
dass die Einkünfte sowohl des Klägers als auch der Klägerin aus ihrer beruflichen
Erwerbstätigkeit - zusätzlich zu den bereits berücksichtigten Werbungskosten bzw.
Betriebsausgaben – in Höhe der steuerfreien Auslagenpauschale (Kostenpauschale), die
Abgeordnete des Deutschen Bundestages auf der Grundlage von § 12 AbgG im Jahr 2001
maximal erhalten haben, steuerfrei belassen werden. 2. Für die Berücksichtigung eines
zusätzlichen Steuerfreibetrags in Höhe der Kostenpauschale nach § 12 AbgG für die
Kläger besteht keine gesetzliche Grundlage, sodass der Beklagte einen solchen Freibetrag
zu Recht nicht berücksichtigt hat. 3. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Steuerfreiheit der
Auslagenpauschale für Abgeordnete des Deutschen Bundestages insoweit gegen das
Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt, als Steuerpflichtigen, die nicht
Mitglieder des deutschen Bundestages sind, eine entsprechende Steuerfreiheit nicht
gewährt wird. a) Sollte sich die Begünstigung der Abgeordneten im Hinblick auf die
bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.11.1975 2
BvR 593/74, DB 1975, 2267) als verfassungsgemäß erweisen, hätten die Kläger schon
deshalb keinen Anspruch auf Gleichbehandlung. b) Auch wenn die Steuerbefreiung für
Abgeordnete sich als verfassungswidrig erweisen sollten, könnte die Klage unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Herabsetzung der festgesetzten Steuer führen. aa) Im
Falle der Verfassungswidrigkeit der Steuerfreiheit der Kostenpauschale für
Bundestagsabgeordnete könnte die Gleichbehandlung in der Weise herbeigeführt werden,
dass diese Steuerfreiheit entfiele. Für die Kläger ergäbe sich daraus kein steuerlicher
Vorteil. bb) Selbst wenn die Steuerfreiheit, die für die Kostenpauschale für
Bundestagsabgeordnete gewährt wird, auf alle Steuerpflichtigen ausgedehnt würde, könnte
die Klage keinen Erfolg haben. Denn im Falle der Gleichbehandlung der Kläger mit
Bundestagsabgeordneten ergäbe sich nicht nur keine weitere Steuerminderung, sondern
sogar eine Erhöhung der Einkommensteuer. Die Steuerfreiheit der Kostenpauschale ist
nämlich mit dem gegenüber § 3 c EStG erweiterten Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2
EStG verbunden. Danach dürfen die durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nicht
als Werbungskosten abgezogen werden, wenn zur Abgeltung durch das Mandat
veranlassten Aufwands Aufwandsentschädigungen gezahlt werden. Die steuerfreie
Kostenpauschale im Sinne des § 12 AbgG ist eine Aufwandsentschädigung in diesem
Sinne. Im Rahmen einer Gleichbehandlung müsste auch dieses Abzugsverbot sinngemäß
auf die Kläger übertragen werden. Dies bedeutete, dass die durch die berufliche
Erwerbstätigkeit veranlassten Aufwendungen im Falle der Gewährung einer pauschalen
Steuerbefreiung nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden
könnten. Im Streitfall übersteigen die Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit bzw. die Betriebsausgaben der Klägerin bei ihren Einkünften aus
selbständiger Arbeit die Abgeordneten im Höchstfall gewährte Kostenpauschale (die sich
von 6.251,-- € im Jahr 1997 auf inzwischen 3.551,-- Euro im Jahr 2005 erhöht hat).
Überdies wäre der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug im Falle der § 12 AbgG
vergleichbaren Kostenpauschale für Aufwendungen der Kläger in Höhe der Pauschale
auch nach § 3 c EStG verwehrt. Nach Abs. 1 der Vorschrift dürften Ausgaben, soweit sie mit
steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht
als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Nach § 12 Abs. 2 AbgG
wird die monatliche Kostenpauschale unter anderem gewährt für Bürokosten, Inventar und
Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto und in der für den überwiegenden Teil des
Streitjahres gültigen Fassung (bis zum 16. Oktober 2002 gültige Fassung) auch
Telefonkosten, für Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages (für die Kläger
vergleichbar deren Tätigkeitsorten) und bei Reisen mit Ausnahme von
Auslandsdienstreisen, für Fahrtkosten sowie sonstige Kosten (Repräsentation,
Einladungen, Wahlkreisbetreuung). Auch die im Streitfall berücksichtigten Aufwendungen
der Kläger für Aufwendungen in diesem Sinne, insbesondere Fahrt- und Reisekosten,
Aufwendungen für Arbeitsmittel und Telefon- und Medienkosten übersteigen jeweils die
Kostenpauschale für Abgeordnete. Ohne Bedeutung bleibt schließlich, ob Abgeordneten
die Steuerfreiheit für Aufwendungen ohne tatsächlichen Nachweis gewährt wird. Denn dies
ändert nichts daran, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Kläger höhere
Aufwendungen als die maximale Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete
berücksichtigt worden sind. Im übrigen hat der Beklagte auch die Aufwendungen der
Kläger weitgehend ohne tatsächliche Nachprüfung der Entstehung bzw. Abzugsfähigkeit
der Aufwendungen berücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn diese Aufwendungen in
keiner Weise plausibel sind, wie sie es etwa für die erheblichen Aufwendungen für Fahrten
zur Beschaffung einzelner Arbeitsmittel zutrifft. Die Annahme, dass für nahezu jedes
Arbeitsmittel eine Einzelfahrt ausschließlich zum Einkauf dieses Arbeitsmittel erfolgt sei,
widerspricht jeder Lebenserfahrung. Dies gilt insbesondere angesichts der Vielzahl der
behaupteten Fahrten. Der Beklagte ist weiter nicht der naheliegenden Frage
nachgegangen, ob die auch für eine Musikerin und Musiklehrerin ungewöhnlich
umfangreichen Einkäufe an Noten teilweise darauf zurückzuführen sind, dass diese - wie
dies im Musikschulbereich nicht unübliche Praxis ist - auch für Schüler erfolgt sind. In
diesem Falle wären entsprechende Aufwendungen als durchlaufende Posten zu
behandeln bzw. entsprechende Betriebseinnahmen aus der weiteren Veräußerung zu
erfassen. Aufwendungen für einen PC nebst Zubehör wie einen Computertisch etc. wären
schließlich nur dann in voller Höhe berücksichtigungsfähig gewesen, wenn die Kläger
substantiiert nachgewiesen hätten, dass der PC nahezu ausschließlich für berufliche
Zwecke benutzt wird. Anlass zur Überprüfung hätten auch die wiederholten nicht
unerheblichen Bewerbungskosten des Klägers geben können. Im Hinblick auf das Verbot
der Verböserung der Steuerfestsetzung im Klageverfahren bedurfte es weder der weiteren
Aufklärung bzgl. der geltend gemachten Werbungskosten und Betriebsausgaben, noch
konnten die Kläger Bundestagsabgeordneten gleichgestellt werden. 3. Die Revision war
nicht zuzulassen. Es ist keine der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO erfüllt,
insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die in dem
Revisionsverfahren beim BFH VI R 81/04 zu behandelnde Frage der Ausdehnung der
Steuerfreiheit der Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete auf alle Steuerpflichtigen
stellt sich aus den dargelegten Gründen im Streitfall nicht. 4. Die Kostenentscheidung
beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.