Urteil des FG Köln vom 29.07.2003
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Finanzgericht Köln, 9 K 6569/00
Datum:
29.07.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 6569/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die bis zum 13. Mai 2003 entstanden Kosten des Rechtsstreits werden
dem Kläger zu 66 v. H. und dem Beklagten zu 34 v. H. auferlegt. Die
weiteren Kosten trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger (Kl.) ist Gesamtrechtsnachfolger seines am 20.10.1998 verstorbenen Vaters
............... (im Folgenden: Schenker).
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Mit Übertragungsvertrag vom 08.01.1997 trat der Schenker 300.000,-- DM seines
Festkapitals an der ............................... GmbH &Co. KG sowie 15/66 seiner variablen
Kapitalkonten unentgeltlich an den Kl. ab. Der Steuerwert dieser Zuwendung beträgt -
wie inzwischen unstreitig ist - .........,00 DM. Ausserdem verpflichtete sich der Schenker,
die darauf entfallende Schenkungsteuer zu übernehmen.
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Zuvor hatte der Schenker dem Kl. bereits folgende freigebige Zuwendungen gemacht:
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Steuerwert
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1. ................. DM
2. ................,-- DM
3. ...............,-- DM
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Mit Bescheid vom 12.10.1998, auf den Bezug genommen wird, setzte der Bekl. zunächst
Schenkungsteuer in Höhe von 334.419,-- DM gegen den Schenker fest.
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Auf den Einspruch des Kl. setzte der Beklagte (Bekl.) mit Einspruchsentscheidung vom
12.09.2000 die Schenkungsteuer auf 313.443,-- DM und mit dem während des
Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 13.05.2003 (Bl. 39) weiter auf
den Betrag von 278.065,-- DM (142.172,38 EUR) herab, den er wie folgt ermittelt hatte:
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Nettoerwerb 1.319.830 DM
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+ zu übernehmende Schenkungsteuer
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Erwerb 1.319.839,-- DM
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+ Vorschenkungen 3.889.946,-- DM
12
./. Freibetrag 400.000,-- DM
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steuerpflichtiger Erwerb
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(gerundet) 4.809.700,-- DM
15
x Steuersatz 19 % 913.843,-- DM
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./. fiktive Steuer auf Vorerwerbe 680.181,-- DM
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zu übernehmende Steuer 233.662,-- DM 233.662,-- DM
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Bruttoerwerb 1.553.501,-- DM
19
+ Vorschenkungen 3.889.946,-- DM
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5.443.447,-- DM
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./. Freibetrag 400.000,-- DM
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steuerpflichtiger Erwerb (gerundet) 5.043.400,-- DM
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Steuersatz 19 % 958.246,-- DM
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./. Anrechnungsbetrag Vorschenkungen 680.181,-- DM
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278.065,-- DM.
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Den Anrechnungsbetrag für die Vorschenkungen (fiktive Steuer) hatte er dabei wie folgt
berechnet:
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Schenkung 1990 3.046.217,-- DM
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+ Schenkung 1995 843.729,-- DM
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Erwerb 3.889.946,-- DM
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./. Freibetrag 1997 400.000,-- DM
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+ wiederauflebender Freibetrag 1987 90.000,-- DM
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steuerlicher Erwerb (gerundet) 3.579.900,-- DM
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Steuersatz 19 % 680.181,-- DM
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Die Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Steuer auf die Vorerwerbe betrug 610.428,--
DM.
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Mit der Klage begehrt der Kl., die Schenkungsteuer weiter auf 207.974,00 DM zu
reduzieren. Der dem Änderungsbescheid zugrundeliegenden Berechnungsmethode sei
zwar grundsätzlich zu folgen. Zu beanstanden sei aber, dass bei der Berechnung der
abzuziehenden fiktiven Steuer der Freibetrag nach § 16 ErbStG in der im Jahre 1997
maßgeblichen Höhe von 400.000,-- DM abgezogen, der wiederauflebende Freibetrag
aber nur in Höhe von 90.000,-- DM berücksichtigt worden sei. Komme bei einer Kette
von Erwerben eine durch zwischenzeitliche Gesetzesänderung hervorgerufene
Erhöhung des Freibetrages insoweit nicht zur Auswirkung, als in der Zeit vor der
Freibetragserhöhung angefallene Erwerbe den damals geltenden Freibetrag
überschritten hätten, so bedürfe § 14 ErbStG einer Auslegung, die sicherstelle, dass
sich die Freibetragserhöhung in voller Höhe auswirken könne. Nach dem BFH-Urteil
vom 30.03.1977 II R 98/76, BStBl II 1977, 664, solle dies dadurch erreicht werden, dass
die anzurechnende fiktive Steuer unter Anwendung des neuen Tarifs aber unter
Berücksichtigung des alten Freibetrages berechnet werde. Auf dieser Basis sei die
fiktive Steuer wie folgt zu berechnen:
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Erwerbe 1990 und 1995 3.889.946,-- DM
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./. Freibetrag ErbStG 1974 90.000,-- DM
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+ wiederauflebender Freibetrag 90.000,-- DM
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steuerpflichtiger Erwerb (gerundet) 3.889.900,-- DM
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Steuersatz 19 %
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fiktive Steuer 739.081,-- DM
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Dieser Betrag sei dann in der Berechnung des Bruttoerwerbs und bei der Festsetzung
der Schenkungsteuer zu berücksichtigen.
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Der Kl. beantragt,
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die Schenkungsteuer auf 207.974,00 DM herabzusetzen.
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Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Bekl. verweist auf H. 70 Abs. 5 ErbStH. Danach sei die Berücksichtigung eines
wieder auflebenden Freibetrages in Höhe von 400.000,-- DM nicht möglich.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Mit Recht hat der Bekl. bei der Berechnung der Steuer für den Gesamtbetrag der dem Kl.
in den Jahren 1990 bis 1997 von seinem Vater zugewendeten Erwerbe einen
persönlichen Freibetrag in Höhe von 400.000,-- DM abgezogen.
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Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1996 erfolgt die Berechnung der (fiktiven)
Abzugssteuer "auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zum Zeitpunkt des letzten
Erwerbs". Zum Zeitpunkt des Letzterwerbs (08.01.1997) betrug der persönliche
Freibetrag beim Erwerb eines Kindes 400.000,-- DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1996),
der somit im Streitfall zutreffend in Ansatz gebracht wurde.
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Abweichend vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 ErbStG 1974 war allerdings die Abzugsteuer
nach der BFH-Rechtsprechung unter Ansatz des früheren - niedrigeren - Freibetrages
zu berechnen, wenn die Steuer auf den Letzterwerb nach dem 31.12.1973 entstanden,
die Vorerwerbe jedoch vor diesem Zeitpunkt angefallen waren (BFH-Urteil II R 98/76,
a.a.O.; BFH-Beschluss vom 18.09.1985 II B 30/85, BStBl II 1985, 710). Auf diese Weise
wurde gewährleistet, dass der Steuerpflichtige in den Genuss der Erhöhung von
Freibeträgen durch das ErbStG 1974 kam (vgl. im Einzelnen die Darstellung bei
Kapp/Ebeling, § 14 Rn. 14 ff.; Moench, ErbStG § 14 Rdnr. 17 m.w.Nw.).
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Dem Kl. ist zuzugeben, dass im Streitfall eine vergleichbare Situation gegeben ist (vgl.
die Darstellung bei Jülicher, ZEV 1997, 275, 277, 3. Fallgruppe). Nach Auffassung des
Senats sind die in den zitierten Entscheidungen entwickelten Grundsätze auf den mit
dem JStG 1997 neu gefassten § 14 ErbStG aber nicht mehr anwendbar. Gemäß § 14
Abs. 1 Satz 3 ErbStG 1996 ist nunmehr die für die früheren Erwerbe tatsächlich zu
entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist als die nach § 14 Abs. 1 Satz 2
ErbStG 1996 ermittelte fiktive Steuer. Zweck dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass
Rechtsänderungen, die den Steuerpflichtigem nach neuem Recht günstiger stellen, z.B.
höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze, die Konsequenz haben, dass die
anzurechnende Steuer niedriger ausfällt, als die seinerzeit erhobene Steuer. Eine
Übertragung der auf Billigkeitserwägungen gestützten, vom Wortlaut des Gesetzes
abweichenden "unsystematischen Interpretation" des § 14 ErbStG 1996 durch die BFH-
Rechtsprechung zum ErbStG 1974 auf das ErbStG 1996 sollte damit erklärtermaßen
vermieden und stattdessen eine klare und einfache Rechtsgrundlage für das
Anrechnungsverfahren geschaffen werden (BR-Drucksache 390/96 S. 69). Für eine am
Sinn und Zweck des § 14 ErbStG orientierte Anwendung der zitierten Entscheidungen
auf Erwerbe nach dem 31.12.1995 ist damit kein Raum mehr (Viskorf, FR 2002, 690;
Rose, DB 1997, 1485, 1486, offen gelassen im BFH-Urteil vom 30.01.2002 II R 78/99,
BStBl II 2002, 316; a.A. Jülicher, ZEV 1997, 275, 278 und in Troll/Gebel/Jülicher,
ErbStG, § 14 Rn. 20; Goetz, ZEV 2001, 9). Dass dabei im Einzelfall für den
Steuerpflichtigen ungünstigere Ergebnisse erzielt werden können (vgl. die Beispiele bei
Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 14 Rn. 20), ist derartigen Pauschalierungs- oder
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Vereinfachungsregelungen immanent (so schon Vieskorf, FR 2002, 694 zu § 14 ErbStG
1974).
Dass im Streitfall eine über zehn Jahre hinausreichende Schenkungskette vorliegt, führt
nicht zu einem anderen Ergebnis. Ob auch die Berücksichtigung des von der
Rechtsprechung für derartige Fallgestaltungen entwickelten wiederauflebenden
Freibetrages durch § 14 Abs. 2 Satz 3 ErbStG 1996 obsolet geworden ist (so wohl
Viskorf, FR 2002, 690), kann dahinstehen, da der Bekl. einen solchen Freibetrag in
Einklang mit der Rechtsprechung zu § 14 ErbStG 1974 und R. 70 Abs. 2 Satz 2 ErbStR
in zutreffender Höhe angesetzt hat. Nach dem BFH-Urteil vom 17.11.1977 II R 66/68,
BStBl II 1978, 200, 222, hatte die Berücksichtigung des wiederauflebenden Freibetrages
in der Weise zu geschehen, dass zu der Steuer, welche auf die früheren Erwerbe zur
Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre, ein Freibetrag ... "in der Höhe zugerechnet
wird, in der er durch eine jetzt nicht mehr innerhalb des Zehnjahreszeitraumes liegende
Schenkung verbraucht worden war". Das ist mit der Berücksichtigung eines
wiederauflebenden Freibetrages in der im Jahre 1987 (Schenkung ausserhalb des
Zehnjahreszeitraumes) geltenden Höhe von 90.000 DM geschehen. Die Hinzurechnung
eines wiederauflebenden Freibetrages in der beim Letzterwerb maßgeblichen Höhe von
400.000,-- DM kommt danach nicht in Betracht.
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Nach allem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zugelassen (§
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf §§
151 Abs.1 und 3 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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