Urteil des FG Köln vom 04.07.2005

FG Köln: nato, arbeitslohn, organisation, anpassung der leistungen, ausübung der option, steuerfreie einkünfte, aktiven, versorgung, haushalt, kapital

Finanzgericht Köln, 4 K 1005/02
Datum:
04.07.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1005/02
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide 2000 vom 14.05.2001 und 2001 vom
05.06.2002 werden dergestalt geändert, dass die Einkommensteuer
2000 auf 7.624,00 DM und die Einkommensteuer 2001 auf 6.788,00 DM
festgesetzt wird. Die Einspruchsent-scheidung vom 29.01.2002 wird
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob Versorgungsbezüge des Klägers als Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1
Satz 3 a EStG zu versteuern sind.
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Der Kläger mit dem Rang eines .... a. D. war im Anschluss an seine Tätigkeit als
Berufsoffizier ab 1984 als Angehöriger des Internationalen Zivilpersonals der NATO
beschäftigt. Während seiner aktiven Dienstzeit von 1984 bis 1999 bezog er steuerfreie
Einkünfte nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Protokolls über die Rechtsstellung der auf Grund
des Nordatlantik-Vertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere vom
28.08.1952 (Protokoll über die NATO-Hauptquartiere; BGBl. II, 1969, 2000, 2004).
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Der Kläger schloss am 12.12.1994 mit seinem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag
(contract of employment). In dem Arbeitsvertrag ist bestimmt, dass Gegenstand des
Anstellungsverhältnisses u.a. das NATO-Personalstatut ist (the employment will be
governed by the provisions of the NATO Civilian Personnel Regulations – NCPR -.).Das
monatliche Grundgehalt (basic salary) betrug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
9.945,50 DM. Weiter ist bestimmt, dass der Angestellte zwingend in die Systeme der
4
NATO für Versorgung und Sozialhilfe aufgenommen ist (the employee is mandatorily
affiliated to the NATO Pension and Social Security Schemes). Wegen des Inhalts des
Arbeitsvertrags im einzelnen wird auf die Anlage 3 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten
der Kläger vom 21.05.2002 (Bl. 48 GA) Bezug genommen.
Der von dem Kläger zu Beginn seiner Tätigkeit bei der NATO 1984 abgeschlossene
Arbeitsvertrag entsprach, soweit er für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist,
dem am 12.12.1994 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (Grund der Vertragsänderung im
Jahr 1994 war eine Beförderung des Klägers).
5
Anhang (Annex) 4 des NATO-Personalstatuts regelt in Kapitel VIII die Höhe der
Versorgungsleistungen (determination of the amounts of benefits) und in Kapitel IX die
Finanzierung der Versorgungsbezüge (financing the pension scheme).
6
Kapitel VIII ist wie folgt untergliedert:
7
Abschnitt 1 Festsetzung der Berechtigung
8
(Section 1 assesment of entitlement)
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Abschnitt 2 Anpassung der Leistungen
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(Section 2 adjustement of benefits)
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Abschnitt 3 Bezahlung der Leistungen
12
(Section 3 payment of benefits)
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Kapitel IX enthält u. a. die Artikel 40 und 41. Diese haben auszugsweise folgenden
Wortlaut:
14
Artikel (Article) 40
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Belastung des Etats
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(charge on budgets)
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1. Leistungen, die unter diesem Ruhestandsystem gezahlt werden, werden dem
Etat der Organisation belastet, die für die Festsetzung der Leistungen nach
Artikel 31 zuständig ist.
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(Benefits paid under this Pension Scheme shall be charged to the budgets of the
Organization responsible for the assessment of these benefits pursuant to Article
31.)
19
2. Die Mitgliederstaaten der Organisation garantieren gemeinsam die Bezahlung
der Leistungen. (The Member States of the Organisation jointly guarantee the
payment of these benefits.)
20
Artikel (Article) 41
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Beiträge der Mitarbeiter – Kosten des Systems
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(Staff members’ contribution – costing the scheme)
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1. Die Mitarbeiter haben Beiträge zu ihren Ruhestandbezügen zu leisten.
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(Staff members shall contribute to the Pension.)
25
2. Der Beitrag der Mitarbeiter zu dem Versorgungssystem wird in einem
Prozentsatz von deren Löhnen berechnet und monatlich einbehalten.
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(The staff members’ contribution to the pension scheme shall be calculated as a
percentage of their salaries and shall be deducted monthly.)
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3. Die Quote der Mitarbeiter soll langfristig ein Drittel der Kosten des
Ruhestandssystems decken.
28
(The rate of the staff contribution shall be set so as to represent the cost, in the
long term, of one-third of the benefits provided under these rules.)
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4. Die Quote des Mitarbeiterbeitrags soll 8 % betragen.
30
(The rate of the staff contribution shall be 8 %.)
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6. Zu Recht einbehaltene Beiträge werden nicht zurückbezahlt. Zu Unrecht
einbehaltene Beiträge gewähren keine Rechte auf Pensionsüberschüsse; sie
werden auf Wunsch an den betroffenen Mitarbeiter oder an seine
Rechtsnachfolger ohne Zinsen zurückgezahlt.
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(Contributions properly deducted shall not be recoverable. Contributions
improperly deducted shall confer no rights to pension benefits; they shall be
refunded at the request of the staff member concerned or those entiteld under him
without interest.)
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Wegen des Inhalts des Anhangs IV des NATO-Personalstatuts im einzelnen wird auf die
Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 13.06.2005 Bezug genommen.
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Die oben zitierten Bestimmungen des Anhang IV des NATO-Personalstatuts sind
Ausfluss des mit Wirkung vom 1.7.1974 von den koordinierten Organisationen
eingeführten einheitlichen Pensionssystems für ihre in den Ruhestand getretenen
Bediensteten. Nach diesem System werden die Ruhegehälter aus dem laufenden
Haushalt der einzelnen Organisationen gezahlt. Vor diesem Zeitpunkt wurden die
Ruhegehälter aus einem Versorgungsfonds (Kapitalansammlungsfonds) finanziert. Zum
(teilweisen) Ausgleich der Besteuerung der Ruhegehälter durch die Wohnsitzstaaten
und der sich aus verschiedenartigen Besteuerungssystemen ergebenden Unterschiede
wird den Pensionären bei dem neuen System eine sog. "Steuerausgleichszahlung” (tax
adjustment) gewährt. Die Grundpension wird zu diesem Zweck um einen Betrag erhöht,
der der Hälfte des Steuerbetrags entspricht, um den die Pension erhöht werden müsste,
damit dem Pensionär nach Bezahlung der nationalen Steuern die Grundpension
verbliebe. Bedienstete der koordinierten Organisationen, die bei ihrem Ausscheiden aus
der Organisation noch keine Pensionsrechte erworben haben, erhalten eine Abfindung
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(leaving allowance) in Höhe des Eineinhalbfachen des letzten Monatsgehalts
multipliziert mit der Zahl der anrechenbaren Dienstjahre sowie dem Betrag, um den das
Gehalt für das Pensionssystem gekürzt wurde zuzüglich 4 % Zinsen p.a.
Um die Art der ihm während seiner aktiven Tätigkeit gewährten Gehaltsbezüge zu
verdeutlichen, hat der Kläger beispielhaft die Monatsabrechnung für Juli 1999 und die
Jahresabrechnung für 1998 beigefügt. Die Monatsabrechnung für Juli 1999 hat
auszugsweise folgenden Inhalt:
36
normaler Monat Monat Juli 1999
37
(Normal Month) (Month July 1999)
38
Grundgehalt (Basic salary) 12.133,20 12.133,20
39
Haushaltszuschuss (Household allowance) 727,99 727,99
40
Bruttogehalt (Gross salary) 12.861,19 12.861,19
41
Abzüge (Deductions)
42
Pensionsbeitrag (Pension contribution) (8.0) 970,66 970,66
43
NATO Gruppen Vers. (Group insurance) (5.335) 686,14 686,14
44
Gesamtabzüge (Total deductions ) 1.656,80 1.656,80
45
Arbeitgeberbeitrag (Employers contribution)
46
NATO Gruppen Vers. (Group insurance)(11.115)1.429,52 1.429,52
47
Sozialhilfe (Social security) 276,25 276,25
48
Andere Abzüge (Other deductions)
49
Zusatzversicherung v.BREDA 218,38 218,38
50
(Additional v.BREDA insurances)
51
Arbeitslosenvers. (Unemployment insurance) 276,25 276,25
52
Örtliche Abzüge (Local deductions) 3,00 3,00
53
gesamte and. Abzüge (Total other deductions) 497,63 497,63
54
Auszuzahlender Lohn (Salary payable) 10.706,76 10.706,76
55
Wegen des Inhalts der Jahresabrechnung für 1998 wird auf die Anlage 2 zum Schriftsatz
der Kläger vom 21.05.2002 Bezug genommen.
56
Im Streitjahr 2000 befand sich der Kläger bereits im Ruhestand.
57
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte er neben Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit, die von der Wehrbereichsverwaltung III bezogen wurden
(Bruttoarbeitslohn 46.912.- DM), Versorgungsbezüge der NATO als Leibrenten. Den
Rentenbeginn gab er mit 01.01.2000 und den Ertragsanteil der Rente mit 32 % an.
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Beigefügt war eine Bescheinigung mit auszugsweise folgendem Inhalt:
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Steuerjahr 2000
60
(TAX YEAR: 2000)
61
von der NATO während des Steuerjahres gezahlte Versorgungsbezüge
62
(PENSION PAID BY NATO DURING THE TAX YEAR) 48.597,72 DM
63
während des Steuerjahres gezahlter Steuerausgleich
64
(TAX ADJUSTMENT PAID DURING THE TAX YEAR) 1.455,00 DM
65
endgültige Klärung des Steuerausgleichs im Steuerjahr bezogen auf geprüfte
Jahre
66
(FINAL SETTLEMENT IN THE TAX YEAR OF TAX ADJUSTMENT RELATING
TO PREVIOUS YEARS (S)) 0,00 DM
67
Gesamtzahlung der Organisation im Steuerjahr
68
(TOTAL PAID BY THE ORGANIZATION IN THE TAX YEAR) 50.052,72 DM
69
Der Beklagte folgte dieser Beurteilung im Einkommensteuerbescheid 2000 und im
Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid 2001, beide vom 14.05.2001, nicht.
Vielmehr stufte er die Versorgungsbezüge der NATO als Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit ein. Hierbei berief sich der Beklagte auf das Schreiben des
Bundesminister der Finanzen (BMF) vom 03.08.1998, IV C 6-S1311-97/98, BStBl I
1998, 1042. Dieses BMF-Schreiben hat auszugsweise den folgenden Inhalt:
70
2. Steuerpflicht
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Die Ruhegehälter der Pensionäre fallen nicht unter die Bestimmungen über die
Freistellung der Gehälter und Bezüge der aktiven Bediensteten nach den jeweils in
Betracht kommenden Regelungen über die Vorrechte und Befreiungen. Sie
unterliegen damit der nationalen Besteuerung.
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5. Einkunftsart
73
Die Pensionen einschl. der Zulagen (Steuerausgleichszahlung, Familienzulagen
und andere) sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
§ 19 Abs.1 Nr. 2 EstG
die
§ 19 Abs. 2 EStG
74
Es ist jedoch zu beachten, dass Bedienstete, die am 1.7.1974 bereits bei den
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koordinierten Organisationen tätig waren und vor diesem Zeitpunkt Beiträge in den
Versorgungsfonds (siehe oben unter Tz. 1) eingezahlt hatten, im Rahmen einer
Übergangsregelung für die neu eingeführte Pensionsregelung optieren konnten. Die
Ausübung der Option setzte voraus, dass der Betreffende sein Guthaben bei dem
Versorgungsfonds an die koordinierte Organisation abtrat.
Die Versorgungsbezüge der ehemaligen Bediensteten, die von der
Übergangsregelung Gebrauch gemacht haben, setzen sich mithin sowohl aus
Ruhegehaltszahlungen im Sinne des
§ 19 Abs.1 Nr. 2 EstG
Rückzahlung des verrenteten Guthabens zusammen. Der Anteil der Gesamtbezüge,
der auf das verrentete Guthaben entfällt, unterliegt als Leibrente im Sinne des
§ 22
Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG
Urteil vom 07.02.01990, X R 36/86, BStBl 1990 II S. 1062
76
8. Abfindungen
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Diese Zahlungen fallen unter die Bestimmungen über die Freistellung der Gehälter
und Bezüge der aktiven Bediensteten von der nationalen Besteuerung nach den
jeweils in Betracht kommenden Regelungen über die Vorrechte und Befreiungen.
Sie sind deshalb von der deutschen Einkommensteuer befreit.
78
Ein gegen die Bescheide vom 14.05.2001 geführtes Einspruchsverfahren, mit dem die
Kläger eine Besteuerung der von der NATO bezogenen Einkünfte als sonstige
Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG begehrten, war ohne Erfolg.
79
Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, entgegen der Ansicht des Beklagten
gehörten die von der NATO gezahlten Versorgungsbezüge nicht zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Es handele sich um sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1
Satz 3 a EStG, da sie zumindest teilweise auf eigenen Beiträgen des Klägers beruhten.
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Zwar gehörten gemäß §§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG, 2 Abs. 1 und 2 Nr. 2 LStDV zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich auch Bezüge aus früheren
Dienstleistungen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV gelte jedoch für solche Bezüge
eine Ausnahme, die ganz oder teilweise auf eigenen früheren Beitragsleistungen des
Bezugsberechtigten beruhten.
81
Die NATO verstehe die Leistungen ihrer Bediensteten zum Altersversorgungssystem
eindeutig als Beiträge und nicht als verzichteten oder abgekürzten Arbeitslohn. Dies
werde aus der durchgängigen Verwendung des englischen Wortes "contribution" bzw.
des französischen Wortes "cotisation" in Anhang IV Art. 41 des NATO-Personalstatuts
deutlich.
82
Auf Grund der Beitragszahlungen des Klägers werde bei der unzutreffenden
Besteuerung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG der vom Kläger angesparte Kapitalstock
angegriffen. Diese Besteuerung berücksichtige nicht, dass der Kläger durch eigenes
Vermögen zu den Versorgungsbezügen beigetragen habe. Sie führe zu einer
rechtswidrigen Besteuerung der Kapitalrückzahlung. Die Nutzung eigenen Vermögens
könne nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet werden (vgl. BFH-
Urteil vom 07.02.1990 X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062, 1064).
83
Zu Unrecht trage das FA vor, dass die geleisteten Beiträge kein zugeflossener
Arbeitslohn seien, da die Beiträge lediglich auf Grund einer Versorgungszusage
abgeführt worden seien. Die NATO habe eine Versorgung aus eigenen, erst im
Zeitpunkt der Zahlung bereit zu stellenden Mitteln zugesagt.
84
Zwar sei nach Anhang IV Art. 40 Ziffer 1 i. V. m. Art. 32 NATO-Personalstatut festgelegt,
dass die Versorgungsbezüge aus dem (laufenden) Haushalt derjenigen Organisation zu
leisten seien, die den Bediensteten beschäftigt habe und bei seinem Ausscheiden die
Versorgungsbezüge festgesetzt habe. Mit dieser Neuregelung im Jahr 1974 habe aber
der bis dahin geltende Grundsatz eines beitragsfinanzierten Systems nicht aufgegeben
werden sollen.
85
Die neue Gestaltung der Finanzierung unterscheide sich nicht von dem bis dahin
bestehenden Versorgungsfonds der NATO. Auch bei der neuem Gestaltung liege vom
Vermögen der Organisation getrenntes Kapital vor, dem die Beiträge der aktiv
Bediensteten und der Organisation laufend zuflössen. Jedem Mitarbeiter werde der
zustehende Anteil an diesem Kapital gutgeschrieben. Die NATO-Bediensteten
erwürben einen gesicherten und unentziehbaren Rentenanspruch. Die Situation sei
insoweit vergleichbar zur gesetzlichen Rentenversicherung.
86
Es sei dabei entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht von Bedeutung, ob die
Versorgungsbezüge aus eigenen Mitteln der NATO gezahlt würden. Dies wäre nämlich
auch der Fall, wenn ein vollfinanzierter Versorgungsfonds gebildet und das dort
angesparte Kapital verrentet würde.
87
Entgegen der Ansicht des Beklagten gehe der Charakter dieser Ausgabe als
Beitragsleistung nicht deshalb verloren, weil der einbehaltene Gehaltsanteil nicht als
Arbeitslohn versteuert worden sei. Hierzu könne sich das Finanzamt insbesondere nicht
auf die von ihm zitierte Rechtsprechung stützen. Die angeführten Entscheidungen des
BFH (Urteile vom 15.10.1964, VI R 72/64 U, BFHE 81, 117, BStBl III 1965, 42; vom
25.10.1968, VI R 33/66, BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187 und vom 15.07.1977, VI R
109/74, BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761) seien sämtlich zu Sachverhalten ohne
Auslandsberührung ergangen. Vor diesem Hintergrund habe der BFH bereits in seinem
Urteil vom 07.02.1990 (X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062, 1064)
entschieden, dass aus der lohnsteuerrechtlichen Behandlung nicht auf eine
"unversteuerte Gehaltskürzung" geschlossen werden könne, wenn der Lohn nicht
steuerbar oder von der Steuer befreit sei.
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Eine Steuerbefreiung stehe einer Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStDV nicht
entgegen (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 15.10.1987 X 180/81, EFG 1988, 75, 76). Die
Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStDV solle lediglich klar stellen, dass
Versorgungsbezüge dann nicht mehr Ausfluss des früheren Arbeitsverhältnisses seien,
wenn sich der Steuerpflichtige mit eigenen Beiträgen an ihnen beteiligt habe. Dies treffe
im Streitfall zu.
89
Die streitigen Versorgungsbezüge beruhten auch i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV
auf den Beitragsleistungen. Hierzu sei es nach dem Wortlaut ausreichend, wenn die
Versorgungsbezüge jedenfalls "teilweise auf früheren Beitragsleistungen des
Bezugsberechtigten beruhten".
90
Wenn man – unzutreffend – die Versorgungsbezüge als aufgeschobenen Arbeitslohn i.
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S. des § 19 EStG ansähe, wäre die Unterwerfung unter die Besteuerung rechtswidrig.
Denn in diesem Fall teilten die Versorgungsbezüge das steuerliche Schicksal des
Arbeitslohns, der steuerfrei gezahlt worden sei.
Im Übrigen seien die Abfindungen (leaving allowances) für Bedienstete, die bei ihrem
Ausscheiden zwar Beiträge geleistet, aber noch keine Versorgungsansprüche erworben
hätten, von der deutschen Einkommensteuer befreit (vgl. BMF-Schreiben vom
03.08.1998, IV C6-21311-97/98 a. a. O.). Dies sei vor dem Hintergrund der
Argumentation des FA nicht nachvollziehbar. Die Abfindung werde auf Grund des
vorherigen Arbeitsverhältnisses gezahlt und sei, ebenso wie die Versorgungsbezüge,
erst bei Beendigung des aktiven Dienstes fällig.
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Als weiterer Aspekt sei zu berücksichtigen, dass das Beitragssystem der NATO u. a.
dem Beitragssystem der Vereinten Nationen oder der Europäischen Organisation für
Kernforschung CERN entspreche. Wiederkehrende Altersversorgungsbezüge dieser
Einrichtungen würden – ohne dass erkennbare Unterschiede zum Beitragssystem der
NATO vorliegen würden – den Leibrenten i. S. des § 22 EStG zugeordnet (vgl. für UN:
OFD Düsseldorf 1994-01-11 vom 11.01.1994, JURIS; vgl. für CERN: OFD Frankfurt am
Main, S2255-A-11-STII 22 vom 25.01.1996, JURIS).
93
Ferner sprächen auch die Regelungen zur Übertragbarkeit von Versorgungsansprüchen
dafür, dass die Versorgungsbezüge nach § 22 EStG zu besteuern seien.
94
Der Beklage erließ am 05.06.2002 den Einkommensteuerbescheid 2001. In diesem
Bescheid wurden die von der NATO bezogenen Ruhegehälter als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit versteuert.
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Die Kläger beantragen,
96
die Bescheide über Einkommensteuer 2000 vom 14.05.2001, in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.01.2002, und Einkommensteuer 2001 vom
05.06.2002 dahingehend abzuändern, dass die von der NATO bezogenen
Ruhegehälter einschließlich der Steuerausgleichszahlung (tax adjustment) als
sonstige Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG besteuert werden.
97
Der Beklagte beantragt,
98
die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
99
Der Beklagte macht geltend, die Zuordnung von Einnahmen entweder zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder zu den sonstigen Einkünften sei abhängig
von dem Rechtsgrund, auf dem sie beruhten. Leistungen aus einer
Versorgungseinrichtung seien dann kein Arbeitslohn, wenn die Beiträge als Arbeitslohn
versteuert worden seien. Dies sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt für
Aufwendungen und Bezüge im Zusammenhang mit der Zukunftssicherung von
Arbeitnehmern. Seien die Zuführungen des Arbeitgebers an eine
Versorgungseinrichtung (Zukunftssicherungsleistungen) gegenwärtig zufließender
Arbeitslohn der Arbeitnehmer (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.07.19777 VI R 109/74,
BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761), erhalte der Arbeitnehmer die späteren Leistungen im
steuerrechtlichen Sinne nicht mehr auf Grund des Dienstverhältnisses. Kein
gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, sondern eine Versorgungszusage liege vor,
100
wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Versorgung aus eigenen erst im Zeitpunkt
der Zahlung bereit zu stellenden Mitteln zusage. In diesem Fall unterlägen nur die
späteren auf Grund der Zusage geleisteten Versorgungsbezüge der Lohnsteuer.
Handele es sich bei den Beitragsanteilen um Gehaltskürzungen, die nicht der
Lohnsteuer unterlägen, schließe dies nicht aus, dass die späteren Leistungen
Arbeitslohn seien (vgl. BFH-Urteile vom 15.10.1964 VI R 72/64 U, BFHE 81, 117, BStBl
III 1965, 42 und vom 25.10.1968, VI R 33/66, BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187).
Der Kläger gehöre zu jenen Personen, die Mitglied des am 01.07.1974 eingerichteten
Pensionssystems der koordinierten Organisationen seien. Beiträge zu einem
Rentenfonds (provident fund) habe der Kläger nicht geleistet.
101
Nach den obigen Grundsätzen seien die von der NATO gezahlten Versorgungsbezüge
des Klägers den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zuzurechnen. Diese
Ruhegehälter würden aus dem laufenden Haushalt der Organisation gezahlt. Die NATO
erbringe für ihre Bediensteten keine Beiträge an eine externe, selbständige
Versorgungseinrichtung. Die Arbeitgeberin zahle ihren anteiligen Beitrag nicht
monatlich in die Pensionskasse ein, sondern sie übernehme die Verpflichtung zur
Zahlung einer Pension erst im Ereignisfall.
102
In der von den Klägern vorgelegten Gehaltsabrechnung aus 1999 werde zwar unter der
Position Abzüge (deductions) ein Beitrag i. H. v. 8 % des Gehaltes mit der Bezeichnung
"pension contribution" ausgewiesen. Dies möge zu dem Schluss verleiten, dass die
Bediensteten eigene (versteuerte) Beiträge für ihre eigene Altersversorgung leisteten.
Auf Grund der Informationen zum Pensionssystem sei jedoch davon auszugehen, dass
diese Abzüge keiner Besteuerung unterlägen, der Arbeitslohn der Bediensteten
vielmehr insoweit vorab gekürzt werde und diese Beiträge nur nachrichtlich genannt
würden. In Höhe der eigenen Beiträge der Bediensteten liege ein Zufluss von
Arbeitslohn nicht vor. Die von der NATO einbehaltenen Beiträge hätten den
Vermögensbereich der Arbeitgeberin nicht verlassen, weil die Berechtigten vor Zufluss
auf sie verzichtet hätten. Es seien auch keine Gründe ersichtlich, wonach der Verzicht
als Verwendung zugeflossenen Einkommens zu beurteilen wäre. Erst bei der späteren
Zahlung der Versorgungsbezüge komme es zu einem Zufluss als Arbeitslohn.
103
Ein Vergleich mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, wie vom Kläger
vorgenommen, könne nicht erfolgen. Insoweit liege eine Verwendung von
zugeflossenem Arbeitslohn vor. Diese Beiträge würden an einen Dritten abgeführt.
104
Auch die Ansicht des Klägers, dass er die Möglichkeit gehabt habe, nach 10-jähriger
Tätigkeit für die NATO Abfindungen steuerfrei zu erhalten, führe zu keiner anderen
Beurteilung der im Streitfall zu beurteilenden Einkünfte.
105
Auf Grund einer Anfrage des BMF bei der für das Pensionssystem der koordinierten
Organisationen (KO) zuständigen Stelle, der "Inter-Organisations Study Section On
Saleries And Prices" (SIO) habe diese bestätigt, dass alle aktiven NATO-Bediensteten
in einem einheitlichen Pensionssystem erfasst seien und damit seit dem 01.07.1974
keine eigenen, versteuerten Beiträge für ihre betriebliche Altersversorgung erbrächten.
106
Wegen der Antwort des SIO an das BMF wird auf das Schreiben des BMF vom
16.4.2002, IV B 3 – S 1311 – 90/02 Bezug genommen (vgl. Rechtsbehelfsakte des FA).
107
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
108
Die Klage richtet sich gegen die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001. Zwar war
Gegenstand des Einspruchsverfahrens neben dem Einkommensteuerbescheid 2000
lediglich der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2001. Auch die Klage bezog
sich für das Jahr 2001 zunächst lediglich auf den
Einkommensteuervorauszahlungsbescheid. Mit Ergehen des
Einkommensteuerjahresbescheids 2001 vom 05.06.2002 wurde dieser aber gemäß §
68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens. Zu Recht haben die Kläger deswegen mit
ihrem, in der mündlichen Verhandlung gestellten, Antrag den
Einkommensteuerjahresbescheid 2001 angegriffen. Gegenstand des Klageverfahrens
ist hingegen nicht der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2002 und nach
dessen Ergehen der Einkommensteuerjahresbescheid 2002. Denn dieser war nicht
Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Er wurde, obwohl er in der Klageschrift vom
26.02.2002 aufgeführt ist, auch nicht mit der Klage angegriffen. Dies ergibt sich sowohl
aus der Bezugnahme in diesem Schriftsatz ("wegen") als auch aus dem in der
mündlichen Verhandlung gestellten Antrag.
109
Die Klage ist begründet. Die von der NATO bezogenen Versorgungsbezüge des
Klägers sind nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2
EStG, sondern als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG zu versteuern.
Die Einführung eines einheitlichen Pensionssystem zum 1.7.1974 für die in den
Ruhestand getretenen Bediensteten der koordinierten Organisationen führte gegenüber
dem davor geltenden System (Finanzierung der Ruhegehälter aus einem
Versorgungsfonds – Kapitalansammlungsfonds -) nicht zu einer anderen steuerlichen
Qualifizierung der Versorgungsbezüge.
110
1. a)
Arbeit Gehälter, Löhne und andere Bezüge, die "für eine Beschäftigung" im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden (Nr.1); ferner Ruhegelder und andere Bezüge und
Vorteile "aus früheren Dienstleistungen" (Nr.2). Die Einnahmen müssen durch das --
gegenwärtige oder frühere-- Arbeitsverhältnis veranlasst sein (BFH-Urteil vom
17.September 1982, VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39 unter 4.). Dies ist der
Fall, wenn der Arbeitnehmer die Bezüge als Gegenleistung dafür erhält, dass er seine
individuelle Arbeitskraft zur Verfügung stellt bzw. gestellt hat (BFH-Urteil vom 7. Februar
1990 , Az: X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062).
111
Leibrenten sind wiederkehrende Bezüge, die nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar sind
(§ 22 Nr.1 Satz 3 a EStG). Der Ertragsanteil ist ein nach biometrischen
Durchschnittswerten unter Berücksichtigung eines Rechnungszinsfußes pauschalierter
Zinsanteil. Er ist nach seiner Rechtsnatur Entgelt für die Überlassung eines auf die
Lebenszeit einer oder mehrerer Bezugspersonen zeitlich gestreckt auszuzahlenden
Kapitals (BFH-Urteil vom 8.März 1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, 434, BStBl II 1989,
551 unter 1.). Die Zuordnung von Bezügen zu den sonstigen Einkünften setzt voraus,
dass der Steuerpflichtige eigenes Vermögen einsetzt (BFH-Urteil vom 7. Februar 1990 ,
Az: X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062).
112
Die Zuordnung von Einnahmen entweder zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit (§ 19 Abs.1 EStG) oder zu den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr.1 EStG) ist
abhängig von dem Rechtsgrund, auf dem sie beruhen. Der Einkünftekatalog der § 2
Abs.1 EStG, §§ 13 ff. EStG fordert die Zuordnung zu bestimmten Erwerbsgrundlagen
113
("Einkunftsquellen"). Ungeachtet dessen, dass der Tatbestand der "sonstigen" Einkünfte
gegenüber den in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten subsidiär ist (§
22 Nr.1 Satz 1 EStG), liegen Einkünfte "für" eine Beschäftigung bzw. "aus" einem
früheren Dienstverhältnis nur dann vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus eben
diesem Rechtsgrund zufließen. Die Nutzung eigenen Vermögens kann dagegen nicht
den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet werden. (BFH-Urteil vom 7.
Februar 1990 , Az: X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062).
Hierzu bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV, dass Bezüge aus einem früheren
Dienstverhältnis, die ganz oder teilweise auf früheren Beitragsleistungen des
Bezugsberechtigten beruhen, nicht zum Arbeitslohn gehören.
114
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs.1 EStG) liegen demgegenüber vor,
wenn der Steuerpflichtige sie --abgesehen von der zu erbringenden oder erbrachten
Dienstleistung-- ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbeitrag (Leistung aus seinem
Vermögen oder für seine Rechnung) erhält (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1968, VI R 33/66,
BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187).
115
b)
um sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG. Denn der Kläger setzte zu
ihrem Erwerb eigenes Vermögen ein, weil der ihm zustehende Arbeitslohn um Beiträge
für seine spätere Versorgung gekürzt wurde. Diese Beiträge wurden aus dem Vermögen
des Klägers und nicht aus dem Vermögen seines Arbeitgebers erbracht.
116
Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1994,
welcher bezüglich der hier streitigen Fragen mit dem vorherigen Arbeitsvertrag aus dem
Jahr 1984 übereinstimmt. Nach diesem Arbeitsvertrag hatte der Kläger Anspruch auf
sein Grundgehalt. Erhöhungen und Abzüge waren in diesem Vertrag geregelt. Für die
im Streitfall zu beurteilenden Fragen ist von Bedeutung, dass in dem Arbeitsvertrag
bestimmt war, dass Gegenstand des Anstellungsverhältnisses u.a. das NATO-
Personalstatut ist (the employment will be governed by the provisions of the NATO
Civilian Personnel Regulations – NCPR - ...). Dieses Statut enthält in Anhang IV, Kapitel
IX, Artikel 41 ausführliche Bestimmungen darüber, wie sich die Mitarbeiter an dem
Versorgungssystem ihres Arbeitgebers zu beteiligen haben. Danach haben die
Mitarbeiter Beiträge zu ihren Ruhestandsbezügen zu leisten. Diese betragen 8 % ihres
Gehaltes und werden monatlich einbehalten. Die Quote der Mitarbeiter soll ein Drittel
der Kosten des Ruhestandssystems decken. Zu Recht einbehaltene Beiträge werden
nicht zurück gezahlt. Zu Unrecht einbehaltene Beiträge gewähren keine Rechte auf
Pensionsüberschüsse. Sie werden stattdessen zinslos zurückgezahlt. Diese
Bestimmungen zeigen deutlich, dass es sei bei den Beiträgen der Mitarbeiter an dem
Versorgungssystem um eigene Aufwendungen der Mitarbeiter handelt.
117
Zu Recht weisen die Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für die Frage,
ob die einbehaltenen Gehaltsanteile Teil des vereinbarten Arbeitslohns sind, die
Vereinbarungen und damit der Wille der Vertragspartei entscheidend sind (vgl. BFH-
Urteil vom 14.02.1964, VI 179/62 U, BFHE 79, 28 BStBl III 1964, 243 und vom
15.10.1964 VI 72/64 U, BFHE 81, 117, BStBl III 1965, 42, 43). Eine Gehaltskürzung oder
ein Verzicht war im Streitfall nicht gewollt. Die NATO versteht die Leistungen ihrer
Bediensteten zum Altersversorgungssystem eindeutig als Beiträge und nicht als
verzichteten oder abgekürzten Arbeitslohn. Dies wird aus der durchgängigen
Verwendung des englischen Wortes "contribution" bzw. des französischen Wortes
118
"cotisation" in Anhang IV Art. 41 des NATO-Personalstatuts deutlich.
Auch aus den vom Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnungen ergibt sich eindeutig, dass
die Beiträge für seine spätere Versorgung von dem ihm zustehenden Arbeitslohn
einbehalten wurden. Zu Recht weisen die Kläger auch darauf hin, dass die Beiträge zu
den Ruhestandsleistungen genauso geregelt und behandelt werden wie sonstige
Abzüge (NATO-Gruppenversicherung und Arbeitslosenversicherung). Auch diese
wurden vom Kläger aus seinem Arbeitslohn bestritten.
119
2.
aktiven Dienstzeit steuerfrei waren.
120
Aus den BFH-Urteilen vom 15.10.1964, VI R 72/64 U, BStBl III 1965, 42, BFHE 81, 117,
vom 25.10.1968, VI R 33/66, BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187 und vom 15.07.1977, VI
R 109/74, BFHE 123, 37 BStBl II 1977, 761, folgt nichts Gegenteiliges, weil diese Urteile
zu Sachverhalten ohne Auslandsberührung ergangen sind. In seinem Urteil vom
07.02.1990 (X R 36/86, BFHE 161, 16 BStBl II 1990, 1062, 1064) führt der BFH hierzu
aus, dass aus der lohnsteuerrechtlichen Behandlung nicht auf eine "unversteuerte
Gehaltskürzung" geschlossen werden könne, wenn der Lohn nicht steuerbar oder von
der Steuer befreit sei. Im Streitfall waren die Bezüge des Klägers nach Art. 7 Abs. 2 Satz
1 des Protokolls über die NATO-Hauptquartiere von der deutschen Einkommensteuer
befreit.
121
Zu Unrecht wendet der Beklagte deshalb ein, auf Grund einer Anfrage des BMF bei der
für das Pensionssystem der KO zuständigen Stelle, der SIO, habe diese bestätigt, dass
alle aktiven NATO-Bediensteten in einem einheitlichen Pensionssystem erfasst seien
und damit seit dem 01.07.1974 keine eigenen, versteuerten Beiträge für ihre betriebliche
Altersversorgung erbrächten.
122
Weder lässt sich aus dem genannten Antwortschreiben der SIO entnehmen, ob die
Mitarbeiter eigene Beiträge für ihre betriebliche Altersversorgung erbringen, noch ist es
von Bedeutung, ob diese Beiträge von den Mitarbeitern versteuert werden.
123
Die Steuerbefreiung steht auch einer Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV
nicht entgegen (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 15.10. 1987, X R 1801/81, EFG 1988,
75). Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV soll lediglich klar stellen, dass
Versorgungsbezüge dann nicht mehr Ausfluss des früheren Arbeitsverhältnisses sind,
wenn sich der Steuerpflichtige mit eigenen Beiträgen an ihnen beteiligt hat. Dies trifft im
Streitfall zu. Der Kläger hat aus dem vereinbarten Arbeitslohn, also mit eigenen Mitteln,
zu seiner Altersversorgung beigetragen. Auch durch seine Beiträge hat der Kläger einen
Versorgungsanspruch erworben und erhält deshalb die Versorgungsbezüge. Diese
späteren Bezüge haben nicht mehr die Eigenschaft von Arbeitslohn.
124
3.
Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG nicht entgegen, dass die zu ihrer Finanzierung
erforderlichen Mittel lediglich zu 1/3 von den Arbeitnehmern und zu 2/3 von dem
Arbeitgeber stammten. Es ist deswegen keine verhältnismäßige Aufteilung der
Einkünfte auf zwei Einkunftsarten (§ 19 EStG und § 22 EStG) vorzunehmen. Denn es ist
nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV ausreichend, dass die
Versorgungsbezüge teilweise auf früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten
beruhen. Von einem teilweisen auf eigenen Beitragsleistungen Beruhen ist zumindest
125
dann auszugehen, wenn die Beitragsleistungen im Verhältnis zu den späteren
Versorgungsbezügen keinen verschwindend geringen Umfang einnehmen. Dies hat der
BFH in seinem Urteil vom 07.02.1990, X R 36/86, BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062 für
das frühere Pensionssystem der NATO bejaht. Auch nach diesem wurden die
Versorgungsbezüge der Arbeitnehmer aber von diesen selbst lediglich zu 1/3 und zu 2/3
von dem Arbeitgeber finanziert.
4.
Versorgungsfonds sondern aus dem laufenden Haushalt der NATO gezahlt wurden (vgl.
hierzu BFH-Urteil vom 15.7.1977, VI R 109/74, BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761).
126
Dies ändert nichts daran, dass die Beiträge, welche die Mitarbeiter zur Finanzierung
ihrer Versorgungsbezüge aufwandten wirtschaftlich bei der jeweiligen Gehaltszahlung
zunächst den Mitarbeitern zuflossen und dann von diesen – im Wege der
Gehaltseinbehaltung – an die NATO zurückflossen. Hierin lag eine Verfügung der
Mitarbeiter über die Verwendung ihres Vermögens (vgl. hierzu FG Hamburg, Urteil vom
27.02.2003, V 272/98, EFG 2003, 1000). Es lag daher keine Versorgungszusage vor.
Eine Versorgungszusage liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine
Versorgung aus eigenen, erst im Zeitpunkt der Zahlung bereitzustellenden Mitteln
zusagt. Nur in diesem Falle unterliegen die späteren, aufgrund der Zusage geleisteten
Versorgungsbezüge der Lohnsteuer (BFH-Urteil vom 15.07.1977, VI R 109/74, BFHE
123, 37, BStBl II 1977, 761). Nach dem Rückfluss der Versorgungsbeiträge an den
Arbeitgeber unterschieden sich diese Gelder auch von dem übrigen Vermögen der
NATO. Es handelte es sich um vom Vermögen der Organisation getrenntes Kapital, das
dem Haushaltsplan der NATO als Versicherungsträger zufloss. Jedem Mitarbeiter wurde
der ihm zustehende Anteil an diesem Kapital gutgeschrieben. Nach Anhang IV Art. 40
Ziffer 1 i. V. m. Art. 31 NATO-Personalstatut sind die Versorgungsleistungen aus dem
(laufenden) Haushalt derjenigen Organisation zu leisten, die den Bediensteten
beschäftigt hatte und die bei seinem Ausscheiden die Versorgungsbezüge festgesetzt
hat.
127
Im Ergebnis unterscheidet sich diese neue Gestaltung der Finanzierung damit nicht von
dem bis dahin bestehenden Versorgungsfonds der NATO. Auch nach dem neuen
Altersversorgungssystem wird für jeden Versorgungsberechtigten rechnerisch ein
Kapitalstock aus seinen eigenen Beiträgen und aus denen des Arbeitgebers gebildet.
Dieser wird im Versorgungsfall in Form einer Rente ausgezahlt.
128
5.
dahingestellt bleiben, ob die von der Finanzverwaltung angenommene Steuerfreiheit
der Abfindungen - leaving allowances - (vgl. BMF-Schreiben vom 03.08.1998, IV C6-
21311-97/98 a. a. O.) zusätzlich für die Rechtsansicht der Kläger sprechen könnte.
Außerdem braucht der Senat aus diesem Grund nicht darüber zu entscheiden, ob auch
die Regelungen zur Übertragbarkeit von Versorgungsansprüchen dafür sprechen, dass
die von der NATO gezahlten Versorgungsbezüge des Klägers nach § 22 EStG zu
besteuern sind.
129
6.
wenn die Versorgungsbezüge der Mitarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
wären, weil diese dann steuerbefreit wären. Hierauf kommt es nicht an. Die Klage ist
bereits deswegen begründet, weil die streitigen Versorgungsbezüge Einkünfte aus § 22
Nr. 1 Satz 3a EStG darstellen.
130
7.
131
Die Einkommensteuer laut Urteil berechnet sich wie folgt:
132
Einkommensteuer 2000 zu versteuerndes Einkommen laut angefochtenem Bescheid
90.590,00 DM abzüglich Einkünfte § 19 EStG ./. 50.052,72 DM zuzüglich Einkünfte § 22
EStG + 16.016,87 DM zu versteuerndes Einkommen laut Urteil 56.554,15 DM
Einkommensteuer nach Splittingtabelle 7.624,00 DM
133
Einkommensteuer 2001 zu versteuerndes Einkommen laut angefochtenem Bescheid
87.879,00 DM abzüglich Einkünfte § 19 EStG ./. 50.592,48 DM zuzüglich Einkünfte § 22
EStG + 16.189,59 DM zu versteuerndes Einkommen laut Urteil 53.476,11 DM
Einkommensteuer nach Splittingtabelle 6.788,00 DM
134
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO analog.
135
Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es ist von grundsätzlicher
Bedeutung, ob die Versorgungsbezüge der Mitarbeiter der koordinierten Organisationen
Einkünfte aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder aus § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG darstellen. Mit
seiner vorliegenden Entscheidung widerspricht der Senat der Erlasslage der
Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 03.08.1998, IV C 6-S1311-97/98, BStBl I 1998,
1042).
136