Urteil des FG Köln vom 17.03.2010

FG Köln (kläger, höhe, buchwert, personengesellschaft, gewinn, bilanz, einkünfte, anwendbarkeit, vertrag, unterlagen)

Finanzgericht Köln, 12 K 4494/07
Datum:
17.03.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 4494/07
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 23.04.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 12.11.2007 wird abgeändert und die
Einkommensteuer auf 0,- € herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
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Strittig ist, ob der Kläger in 2004 einen Entnahme- bzw. Einbringungsgewinn zu
versteuern hat.
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Der Kläger betrieb eine ärztliche Einzelpraxis. Den Gewinn ermittelte er gem. § 4 Abs. 1
EStG durch Betriebsvermögensvergleich. Mit Wirkung zum 01.02.2004 brachte er seine
Praxis unter Zurückbehaltung von Forderungen und Verbindlichkeiten in eine mit A (A)
gegründete Gemeinschaftspraxis (GbR) ein. Das Anlagevermögen einschließlich
Praxiswert hatte zum Einbringungszeitpunkt einen Teilwert von 700.000,- €, der
Buchwert der Anlagegüter betrug insgesamt 24.253,30 €. A leistete eine Bareinlage in
Höhe von 300.000,- € in das Gesamthandsvermögen der GbR. An dem
Praxisvermögen, das die Parteien nach der Einlage auf 1.000.000,- € bezifferten, war
der Kläger lt. Vertrag zunächst mit 70 % und A mit 30 % beteiligt; zum 01.01.2005 sollte
sich der Anteil des Klägers auf 60 % und zum 01.01.2006 auf 50 % reduzieren und der
Anteil des A entsprechend erhöhen (§ 17 des Gemeinschaftsvertrages). Der Gewinn
stand den Gesellschaftern lt. Vertrag jeweils zur Hälfte zu. Für 2004 und 2005
"verzichtete" A lt. Vertrag auf einen Gewinnanteil von jeweils 70.000,- €, wodurch sich
seine Beteiligung in 2005 und 2006 auf die o.g. Prozentsätze erhöhen sollte (§ 11 des
Vertrages). Nach § 4 Ziff. 3 des Vertrages sollte die Einbringung der Praxis zum
Buchwert erfolgen.
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Die GbR führte die Buchwerte des Anlagevermögens fort und nahm keine
Abschreibungen auf einen Praxiswert vor. Ihren Gewinn ermittelte die GbR gem. § 4
Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung.
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Im Zuge einer für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung vertrat das Finanzamt für
Groß- und Konzernbetriebsprüfung C die Auffassung, dass für eine Buchwertfortführung
nach § 24 UmwStG eine Eröffnungsbilanz vorzulegen sei, in der die Ausübung des
Wahlrechtes dokumentiert werde. Der Prozessbevollmächtigte übersandte daraufhin
eine Eröffnungsbilanz der GbR zum 01.02.2004, in der auf der Aktivseite das
Anlagevermögen mit dem Buchwert von 24.253,30 € und eine Forderung an
Kreditinstitute mit 300.000,- € und auf der Passivseite ein Kapital des Klägers in Höhe
von 24.253,30 € und ein Kapital des A in Höhe von 300.000,- € ausgewiesen ist.
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Nachdem sich der Prüfer auf den Standpunkt stellte, dass zwingendes Erfordernis für
die Anwendbarkeit des § 24 UmwStG eine "Eröffnungsrechnung und eine neg.
Ergänzungsrechnung" sei (vgl. Gesprächsnotiz vom 03.11.2006 –Bl. 77 BP-Handakte
III) übersandte der Kläger eine Eröffnungsbilanz, in der die Teilwerte von 700.000,- €
erfasst sind, sowie eine negative Ergänzungsbilanz des Klägers, in der ein
Minderkapital in Höhe von 675.746,70 ausgewiesen ist. Diese Unterlagen versah er mit
dem Vermerk "Nicht von den Parteien gewünschte Eröffnungsbilanz! Ausschließlich auf
Wunsch der Finanzbehörden mit Ergänzungsbilanz gefertigt !".
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Der Prüfer hielt aufgrund des Vermerkes in den Unterlagen eine Buchwertfortführung
nicht für zulässig und den Ansatz eines Entnahmegewinns danach für geboten. Der
Kläger habe für seine Einzelpraxis Gesellschaftsanteile im Wert von 700.000,- €
erhalten. In Höhe des Differenzbetrages zum Buchwert des Betriebsvermögens sei ein
Gewinn erzielt worden. Der Gewinn könne zwar durch eine negative Ergänzungsbilanz
bzw. eine negative Ergänzungsrechnung neutralisiert werden. Von dieser Möglichkeit
habe der Kläger aber keinen Gebrauch gemacht. Die vorgelegten Unterlagen brächten
zum Ausdruck, dass eine negative Ergänzungsrechnung gerade nicht gewünscht sei.
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Der Beklagte schloss sich dieser Beurteilung an und erließ für das Streitjahr einen gem.
§ 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid. Zugleich nahm er Änderungen
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vor und gewährte für die
selbstgenutzte Immobilie antragsgemäß eine Steuervergünstigung nach § 10 f EStG.
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Mit dem fristgerecht erhobenen Einspruch machte der Kläger geltend, der Beklagte habe
die Anwendbarkeit des § 24 UmwStG aus nicht nachvollziehbaren Gründen verneint.
Die genannte Vorschrift gelte auch für Freiberufler. Ausweislich der vorgelegten
Eröffnungsbilanz habe die GbR die Buchwerte fortgeführt, was nach § 24 UmwStG
zulässig sei. Die Forderung nach Vorlage einer Ergänzungsbilanz sei weder durch das
Gesetz noch durch die Rechtsprechung gedeckt.
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Außerdem erhob der Kläger Einwendungen gegen den Ansatz der Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung. Auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.03.2007 wird
wegen der Einzelheiten verwiesen.
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Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2007 half der Beklagte dem Einspruch in Bezug auf
die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab, gewährte in der
Einspruchsentscheidung aufgrund des Hilfsantrages des Klägers zudem eine
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Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG und wies den weitergehenden Einspruch
zurück. Der Kläger habe auf den 31.01.2004 einen Entnahmegewinn zu versteuern.
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG dürfe die übernehmende Personengesellschaft nur
dann das einbringende Betriebsvermögen mit dem Buchwert ansetzen, wenn dies
sowohl in der Gesamthandsbilanz als auch in den Ergänzungsbilanzen der
Gesellschafter entsprechend umgesetzt werde. Nach Aussage des Klägers habe es
dem Willen der Gesellschafter der übernehmenden GbR entsprochen, keine
Ergänzungsbilanzen aufzustellen. Allein aus diesem Grunde sei die Anwendung des §
24 UmwStG ausgeschlossen. Es sei im Übrigen unklar geblieben, ob die GbR den
Teilwert- oder Buchwertansatz gewählt habe. Bei der Bestimmung der
Beteiligungsquote seien nämlich wertmäßig die Teilwerte des eingebrachten
Vermögens berücksichtigt worden ohne dass durch Vorlage einer negativen
Ergänzungsbilanz (bzw. einer negativen Ergänzungsrechnung) insoweit eine
Neutralisierung erfolgt sei. Soweit der Kläger nachträglich eine negative
Ergänzungsbilanz eingereicht habe, sei hierin ausdrücklich vermerkt, dass die Parteien
keine entsprechende Bilanz gewollt hätten. Das Wahlrecht sei unter diesen Umständen
nicht im Sinne einer Buchwertfortführung ausgeübt worden. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Einspruchsentscheidung vom 12.11.2007 verwiesen.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger wie schon im Einspruchsverfahren
gegen den Ansatz eines Veräußerungsgewinns. Die Anwendbarkeit des § 24 UmwStG
sei nicht von der Erstellung einer Ergänzungsbilanz abhängig. Maßgebend sei wie die
GbR die Wirtschaftsgüter in der Eröffnungsbilanz - d.h. in der Gesamthandsbilanz
einschließlich etwaiger Ergänzungsbilanzen - angesetzt habe. Danach sei hier die
Buchwertfortführung gewählt worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 12.11.2007 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus freiberuflicher
Tätigkeit mit 28.789,- € berücksichtigt und von dem Ansatz eines
Veräußerungsgewinns in Höhe von 675.746,- € abgesehen wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen
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Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend hat er in der
mündlichen Verhandlung ausgeführt, bei Ausgleichszahlungen liege zum Teil eine
Einbringung auf Rechnung des Dritten vor, die getrennt von der Einbringung als
Veräußerung von Betriebsvermögen zu erfassen sei. Das gelte auch dann, wenn die
Ausgleichszahlung Betriebsvermögen der GbR werde.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klage ist begründet.
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Zu Unrecht hat der Beklagte in der freiberuflichen Praxis des Klägers einen Entnahme-
bzw. Veräußerungsgewinn in Ansatz gebracht. Es liegt eine unter § 24 UmwStG
fallende Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vor, bei der
zulässigerweise die Buchwerte fortgeführt wurden.
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1. Nach § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG darf bei der Einbringung eines Betriebes in eine
Personengesellschaft in der Weise, dass der Einbringende Mitunternehmer der
Personengesellschaft wird, die Personengesellschaft das eingebrachte
Betriebsvermögen in ihrer Bilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre
Gesellschafter mit dem Buchwert oder mit einem höheren Wert (höchstens mit dem
Teilwert) ansetzen. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen bei der
Personengesellschaft angesetzt wird, gilt nach § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG für den
Einbringenden als Veräußerungspreis.
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2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nach § 24
UmwStG erfüllt.
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a) Der Kläger hat seine Einzelpraxis in die GbR eingebracht und dafür einen
Mitunternehmeranteil an der neuen Gesellschaft erhalten. Für die Bestimmung des
Veräußerungsgewinns ist damit der Wertansatz der GbR maßgebend.
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b) Die aufnehmende GbR hat hier entsprechend der im Übertragungsvertrag getroffenen
Vereinbarung die Buchwerte beibehalten. Das Anlagevermögen hat sie im
Anlageverzeichnis wie in der Einzelpraxis mit 24.253,30 € angesetzt, die AfA des
Klägers weitergeführt und keinen Praxiswert abgeschrieben. Sie hat damit zum
Ausdruck gebracht, dass sie sich für eine Buchwertfortführung entschieden hat.
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c) Ob für die Ausübung des Bewertungswahlrechtes bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs.
3 EStG zum Einbringungszeitpunkt auch eine Bilanz erstellt werden muss, ist streitig
(gegen die Notwendigkeit einer Bilanzerstellung im Falle der Buchwertfortführung BFH-
Urteil vom 13.09.2001 IV R 13/01, BStBl II 2002, 287; FG Niedersachsen, EFG 2007,
1298, bestätigt durch BFH-Urteil VIII R 13/07, BStBl II 2009, 993; so auch Korn, EStG §
18 Rz. 128; Blümich, EStG § 4 Rdn. 228; Lademann, EStG § 4 Rn. 513; a. A. z.B. OFD
Hannover v. 25.01.2007, DStR 2007, 1037). Auch ist strittig, ob bei unterbliebener
Aufstellung einer Einbringungs-/Übernahmebilanz generell von der Fortführung der
Buchwerte auszugehen ist (vgl. Schmidt, EStG § 18 Rz. 232).
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Im Streitfall kommt es auf diese Fragen nicht an, da die GbR auf den entsprechenden
Hinweis des Prüfers hin eine Eröffnungsbilanz auf den Einbringungszeitpunkt vorgelegt
und mit Ausweis der Kapitalkonten in Höhe der Buchwerte der jeweils eingebrachten
Güter die Wahl der Buchwertfortführung zweifelsfrei dokumentiert hat (zu den möglichen
bilanziellen Darstellungsweisen einer Einbringung zum Buchwert vgl. Zimmermann,
Hottmann, Kiebele, Schaeberle, Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 10.
Aufl., C. Rz. 26 f; Grobshäuser/Maier/Kies, Besteuerung der Gesellschaften 7.4.4.2).
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d) Die Tatsache, dass die GbR keine negative Ergänzungsbilanz für den Kläger erstellt
hat, steht dem Buchwertansatz nicht entgegen. Eine negative Ergänzungsbilanz ist zur
Vermeidung einer Gewinnrealisierung notwendig, wenn in der Bilanz der Gesellschaft
einschließlich einer etwaigen Ergänzungsbilanz des Mitgesellschafters höhere Werte
als die Buchwerte ausgewiesen sind und diese Mehransätze auf der Ebene des
Einbringenden neutralisiert werden sollen. Dieser Fall liegt hier nicht vor.
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3. Dem Beklagten kann auch nicht darin beigepflichtet werden, dass im Hinblick auf die
Bareinlage des A ein von der Einbringung gemäß § 24 UmwStG getrennt zu
beurteilender Veräußerungs- bzw. Entnahmevorgang zu besteuern ist.
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Ein nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuernder Veräußerungsgewinn ist realisiert,
wenn und soweit das übertragene Vermögen anders als durch die Einräumung einer
Mitunternehmerstellung vergütet wird. So haben Zuzahlungen des eintretenden
Gesellschafters in das Privatvermögen des Einbringenden zur Folge, dass anteilig die
im übertragenen Vermögen ruhenden stillen Reserven aufzudecken sind (vgl.
Beschluss des Großen Senates vom 18.10.1999 GrS 2/98, BStBl II 2000, 123). Davon
zu unterscheiden ist allerdings der Fall, dass vom Eintretenden eine Einlage in das
Gesamthandsvermögen geleistet wird. Eine entsprechende Bareinlagen stellt kein die
Anwendung des § 24 UmwStG ausschließendes Zusatzentgelt dar.
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Im Streitfall ist die von A geleistete Einlage von 300.000,- € in das
Gesamthandsvermögen der GbR gelangt und Betriebsvermögen der GbR geworden. Es
ist im Rahmen der Betriebsprüfung auch nicht festgestellt worden, dass der Kläger den
Zuzahlungsbetrag alsbald entnommen und vom wirtschaftlichen Gehalt her eine
Zuzahlung ins Privatvermögen stattgefunden hat. Für den Ansatz eines Entnahme- bzw.
Veräußerungsgewinns in der Einzelpraxis des Klägers ist daher kein Raum.
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4. Die Einkünfte aus der Einzelpraxis des Klägers reduzieren sich antragsgemäß auf
28.789,- €. Hiernach ergibt sich für das Streitjahr ein zu versteuerndes Einkommen von
./. 70.910,00 € und eine Steuerschuld von 0,00 €.
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 der Zivilprozessordnung.
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III.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche
Bedeutung noch hält der Senat zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH für erforderlich.
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