Urteil des FG Köln vom 12.05.2005

FG Köln: stille reserven, grundstück, steuerfestsetzung, wirtschaftsprüfer, steuerberater, stillen, gebäude, steuerrecht, erlass, archiv

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Köln, 3 K 4773/01
12.05.2005
Finanzgericht Köln
3. Senat
Urteil
3 K 4773/01
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Voraussetzungen für eine tarifermäßigte
Besteuerung gemäß §§ 16, 18 Abs. 3, 34 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegen für
einen Gewinn, den der Kläger anlässlich der Veräußerung von Anteilen seines
Mitunternehmeranteils an seine Mitgesellschafter .............. und ............... in den Streitjahren
erzielt hat. Der Kläger ist Eigentümer des bebauten Grundstücks .............. in ........... Im Jahr
1976 räumte er seiner damaligen Ehefrau ein Erbbaurecht an diesem Grundstück auf die
Dauer von 99 Jahren beginnend mit dem 01.01.1977 ein. Der Kläger und seine damalige
Ehefrau schlossen einen Mietvertrag über die Räume, in denen der Kläger zunächst seine
Steuerberatungskanzlei führte. Ab dem 01.01.1989 schloss der Kläger mit den Herren .........
und ........ eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur gemeinschaftlichen
Berufsausübung. Der Kläger war im Streitjahr 1994 zunächst zu 60 v. H. an der GbR
beteiligt. Zum 31.12.1994 veräußerte er Teile seines Mitunternehmeranteils an seine
beiden Mitgesellschafter in der Weise, dass sich eine Beteiligung von jeweils 33 1/3 v. H.
der drei Mitgesellschafter ergab. Zum 01.01.1996 übertrug der Kläger weitere 23 1/3 v. H.
seiner Beteiligung, so dass sich seine Beteiligung auf 10 v. H. reduzierte. Hinsichtlich der
der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinne beantragte der Kläger die Feststellung,
dass es sich um tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne handele.
Der Kläger hatte mit Notarverträgen vom ........... und ............. einen
Erbbaurechtsmiteigentumsanteil in Höhe von 25 v. H. von seiner früheren Ehefrau,
verbunden mit einem lebenslänglichen ausschließlichen Nutzungsrecht an den Räumen im
dritten Obergeschoss des Grundstücks .............. in ......., erworben. Die Räume im dritten
Obergeschoss ließ er auf seine Kosten zu Büroräumen umbauen und vermietete sie an die
GbR. Diesen Grundstücksteil behandelte der Kläger als Sonderbetriebsvermögen, das von
der Anteilsübertragung unberührt blieb und weiterhin in unverändertem Umfang an die GbR
vermietet wurde.
Der Beklagte vertrat im Anschluss an eine Betriebsprüfung die Auffassung, eine
steuerbegünstigte Veräußerung von Anteilen eines Mitunternehmeranteils setze die
ebenfalls anteilige Übertragung des zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählenden
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Sonderbetriebsvermögens voraus. Der Anteil an dem Erbbaurecht stelle eine wesentliche
Betriebsgrundlage dar, da das ausgebaute dritte Obergeschoss ausschließlich auf die
Belange der Kanzlei zugeschnittene Büroräume enthalte. Der Beklagte erließ am ..........
geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, ohne einen begünstigten Veräußerungsgewinn
festzustellen. Den deshalb erhobenen Einspruch des Klägers vom ......... wies er mit
Einspruchsentscheidung vom ............. als unbegründet zurück.
Mit seiner deshalb am .......... erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass der von ihm
1991 erworbene Anteil am Erbbaurecht keine wesentliche Betriebsgrundlage der von der
GbR betriebenen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei darstelle. Der
Miteigentumsanteil am Erbbaurecht sei weder funktional wesentlich noch seien in ihm
wesentliche stille Reserven enthalten. Die Räume seien für den Betrieb der Sozietät
funktional unwesentlich, da bis zum Jahre 1992 darin lediglich ein Aktenarchiv betrieben
worden sei, in den Streitjahren hätten sich dort nur vier von insgesamt 20 besetzten
Arbeitsplätzen befunden. Er habe sich den Anteil am Erbbaurecht nur deshalb übertragen
lassen, um seine Investitionen beim Umbau des dritten Obergeschosses sowie weitere
Investitionen in den anderen beiden Geschossen abzusichern.
Der Kläger ist zudem der Ansicht, die langjährige Rechtsprechung zur
Betriebsvermögenseigenschaft von Bürogebäuden sowie die dazu ergangenen OFD-
Verfügungen müssten dazu führen, dass im Wege der Billigkeit der Veräußerungsgewinn
steuerfrei bleibe. Er hat am ............. bei dem erkennenden Senat Klage auf abweichende
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen für die Streitjahre erhoben. Über diese Klage ist
bisher noch nicht entschieden.
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Bescheide wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung für 1994
und 1996 vom .......... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .............. in der Weise
zu ändern, dass die zum 31.12.1994 und 1.1.1996 an die beiden Mitgesellschafter
veräußerten Teile seines Mitunternehmeranteils gemäß §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG
tarifermäßigt besteuert werden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Er ist der
Ansicht, eine tarifermäßigte Besteuerung komme nicht in Betracht, da eine wesentliche
Betriebsgrundlage nicht anteilig mitveräußert worden sei. Über eine abweichende
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen könne im vorliegenden Verfahren nicht
entschieden werden.
Auf die Einspruchsentscheidung sowie die Klagebegründung wird ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger wird durch den Feststellungsbescheid vom ........... und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom ......... nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte hat zu
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Recht angenommen, dass die von dem Kläger in den Jahren 1994 und 1996 erzielten
Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen seines Mitunternehmeranteils nicht als
Veräußerungsgewinn festzustellen sind.
Der Anteil an einem Mitunternehmeranteil kann nur dann nach §§ 16, 34 EStG
tarifbegünstigt veräußert werden, wenn auch die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen
des Sonderbetriebsvermögens ruhenden stillen Reserven gleichzeitig (anteilig) aufgelöst
werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.08.2000 VI R 51/98, BStBl. II 2005, 173 m.w.N.). Dies gilt
nach § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung auch für die
Veräußerung eines Anteils am Sonderbetriebsvermögen, das der selbständigen Arbeit
dient.
Der Kläger war in Sozietät mit den Herren .......... und ......... unter der Bezeichnung ................
& Partner als Steuerberater/Wirtschaftsprüfer selbständig tätig.
Bei der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen in den Jahren1994 und 1996 hat er nicht
alle wesentlichen Betriebsgrundlagen aus seinem Sonderbetriebsvermögen anteilig
mitveräußert. Der Anteil des Klägers am Erbbaurecht am Gebäude ............. gehörte zum
Sonderbetriebsvermögen, wie sich auch aus dessen Ausweisung in der Sonderbilanz des
Klägers ergibt. Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens gehören zum
Mitunternehmeranteil eines Gesellschafters (BFH-Beschluss vom 31.08.1995 VIII R 21/93,
BStBl. II 1995, 890 und Urteil vom 19.03.1991 VIII R 76/87, BStBl. II 1991, 635).
Bei dem Erbbaurechtsanteil, verbunden mit den besonderen Ausbau-, Nutzungs- und
Verwaltungsrechten an den Räumen des Dachgeschosses, handelt es sich um eine
wesentliche Betriebsgrundlage für den Betrieb der Steuerberater- und
Wirtschaftsprüferkanzlei.
Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören auch solche Wirtschaftsgüter, die
funktional gesehen für den Betrieb wesentlich sind. Für ein Betriebsgrundstück ist dies nur
dann nicht der Fall, wenn es keine oder nur geringe Bedeutung für den Betrieb hat. Ein
Grundstück ist funktional wesentlich, wenn der Betrieb darauf angewiesen ist, weil er ohne
ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Dabei ist unerheblich, ob das
Grundstück auch von anderen Unternehmern genutzt werden könnte, ob ein vergleichbares
Grundstück gemietet oder gekauft werden oder ob die betriebliche Tätigkeit auch von
einem anderen Grundstück weitergeführt werden könnte (vgl. BFH-Urteil vom 26.05.1993 X
R 78/81, BStBl. II 1993, 718 m.w.N.). Damit sind auch Verwaltungsgebäude regelmäßig
wesentliche Betriebsgrundlagen.
Diese funktionale Betrachtungsweise gilt wegen des Zwecks der Vorschrift, nur eine
zusammengeballte Gewinnrealisierung begünstigt zu besteuern, dann auch für ein Recht
an einem Grundstück, wie vorliegend dem Erbbaurechtsmiteigentumsanteil, wenn es für
den Betrieb des Unternehmens wesentlich ist.
Der 25%-Anteil des Klägers am Erbbaurecht ist unter funktionaler Betrachtungsweise
wesentlich für den Betrieb der Sozietät. Der Kläger war hierdurch zusammen mit seiner
früheren Ehefrau in der Lage, über die Räumlichkeiten, welche für den Betrieb der Kanzlei
wesentlich waren, zu bestimmen. Hinzu kommt, dass sich der Kläger besondere
Verwaltungs- und Nutzungsrechte für das auf seine Kosten umgebaute dritte Obergeschoss
von der Erbbauberechtigten hatte einräumen lassen. Diese Räume waren aber wegen des
vermehrten Platzbedarfes der Sozietät zumindest seit 1992 unter funktionalen
Gesichtspunkten wichtig. Mit Einräumung des Anteils am Erbbaurecht hat der Kläger die
Räume im 3. Obergeschoss zu Büroräumen ausgebaut. Er konnte aufgrund besonderer
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Vereinbarungen mit der Erbbauberechtigten über die Nutzung und Verwaltung dieser
Räume allein bestimmen. Die neu hinzugewonnenen Büroräume waren für die
Arbeitsabläufe der Kanzlei auch notwendig, da durch den vermehrten Einsatz von
Teilzeitkräften weitere Schreibtischplätze benötigt wurden. Die konkreten Arbeitsabläufe in
der Kanzlei hätten ohne diese zusätzlichen Räumlichkeiten - die Räume wurden vorher als
Archiv und Lager genutzt - so nicht betrieben werden können. In der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger eine Aufstellung der Anzahl der besetzten Arbeitsplätze
vorgelegt, nach der der zusätzliche Büroraum auch genutzt wurde, weil dort vier von
insgesamt zwanzig Mitarbeitern untergebracht waren.
Aber auch wenn man die konkreten Vereinbarungen über die Räume im 3. Obergeschoss
und deren funktionale Bedeutung für die Kanzlei außer Acht ließe, handelte es sich nach
Auffassung des Senats bei einem Viertel- Erbbaurechtsanteil an dem Betriebsgrundstück
um eine wesentliche Betriebsgrundlage. Ein Anteil von 25 v.H. kann im Steuerrecht nicht
mehr als unwesentlich angesehen werden. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom
4.11.1992 XI R 1/92, BStBl II 1993, 245 einen Anteil von 22 v.H. als von nicht
untergeordneter Bedeutung gewertet (ebenso für einen 33 v.H. Anteil Finanzgericht Baden-
Württemberg Urteil vom 7.5.2004 5 K 60/03, Juris DN 104998).
Ob der vorliegende Sachverhalt eine abweichende Steuerfestsetzung aus
Billigkeitsgründen rechtfertigt, berührt nicht die Rechtmäßigkeit des
Feststellungsbescheides, hierüber ist im Rahmen der Klage auf Erlass zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.