Urteil des FG Köln vom 18.07.2003

FG Köln: einkünfte, künstler, niederlande, veranstalter, internationales privatrecht, käufer, begriff, doppelbesteuerungsabkommen, vermittler, vertreter

Finanzgericht Köln, 2 K 6389/97
Datum:
18.07.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 6389/97
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde stattgegeben.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf
Steuerfreistellung nach § 50d des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. Art. 5 des
Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden - DBA
Niederlande - zusteht oder ob dem entgegensteht, dass der Steuerabzug von Einkünften
vorgenommen wurde, die nicht dem Kläger zuzurechnen sind.
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Der Kläger betreibt unter dem Namen N ein Einzelunternehmen in Amsterdam, in den
Niederlanden.
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Die Einzelfirma des Klägers wurde im Juli 1992 gegründet und im Handelsregister von
Amsterdam erfasst. Laut Gesellschaftszweck handelt es sich um eine Agentur für
Künstler, Artisten usw. und um ein Serviceunternehmen für Tourneeorganisation.
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Unter dem 13. April 1994 schloss der Kläger einen schriftlichen Vertrag über die
Durchführung einer Tournee vom 2. bis 21. Mai 1994 mit der Musikgruppe A. Das
Honorar für die Tournee sollte 59.400 US-Dollar betragen.
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Ausweislich des Vertragstextes trat die Firma "Z fso A" als Vertragspartner auf.
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Zu dem Vertrag vom 13. April 1994 gibt es 2 Zusätze.
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In dem ersten Zusatz ist Z fso A für den folgenden Vertragstext als Artist definiert, der
Kläger als Käufer. Der Vertragszusatz regelt die Kostentragung für Flugreisen,
Unterbringung, die Gestellung des technischen Materials, den Transport während der
Tournee und Sonstiges.
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Der zweite Zusatz beginnt mit dem Einleitungssatz (sinngemäß übersetzt) "Dieser
Zusatz ist hinzugefügt und ist Bestandteil des Vertrages vom 13.4.1994 zwischen A (im
folgenden Artist genannt) und dem Kläger (im folgenden Unternehmer genannt). " Der
Inhalt dieses Vertragszusatzes umfasst Fragen der Werbung, Freikarten für die Künstler,
Film und Videoaufnahmen, Sicherheitsfragen, den Transport innerhalb der Tournee, die
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Hotels, Umkleidezimmer, Essen und Getränke bei den Proben und die Ausstattung mit
technischen Materials sowie deren Aufstellung auf der Bühne. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Vertrag mit beiden Zusätzen verwiesen.
Unter dem 18.4.1994 schloss der "Kläger f.s.o. A" einen Vertrag mit B-GmbH - GmbH -
über die Durchführung von sieben Deutschlandauftritten der Künstlergruppe A in der
Zeit vom 4. bis zum 20. Mai 1994. Als Preis waren 48.000 US-Dollar vereinbart.
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In dem Vertrag war die GmbH als Käufer definiert. Eine Definition für den Kläger enthält
dieser Vertrag zunächst nicht. Nach dem Einleitungssatz heißt es in dem Vertrag
(sinngemäß übersetzt): Der Käufer engagiert die Artisten und die Artisten sind
einverstanden an den verschiedenen Aufführungsorten als A zu erscheinen. Im Verlauf
des weiteren Textes heißt es, dass für den Fall, dass Visa oder Arbeitserlaubnisse für
die Artisten ohne Verschulden der Artisten durch den Käufer nicht beschafft werden
könnten, der Käufer für das volle vereinbarte Honorar verpflichtet bleibe. Der Vertrag ist
einerseits für den Käufer, andererseits durch den Kläger für die Artisten unterschrieben.
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In dem Zusatz zu dem Vertrag ist die GmbH erneut als Käufer definiert. Im Anschluss
heißt es:" AND der Kläger FOR SERVICES OF A KNOWN AS THE ARTISTES." Im
folgenden Text bezieht sich der Begriff Artistes auf Forderungen für die Gruppe oder
einzelne Mitglieder der Gruppe A.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag mit allen Anlagen Bezug
genommen.
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Zur Darstellung des finanziellen Risikos hat der Kläger eine Tourneeabrechnung
vorgelegt, aus der sich Gesamteinnahmen aus der Europatournee von 118.800 US-
Dollar ergeben, wovon zunächst 8780 US-Dollar Einkommensteuern für die Auftritte in
Belgien und Deutschland abgesetzt werden. Als weitere Kosten sind die Zahlungen an
die Künstlergruppe von 59.400 US-Dollar und für die Flüge von 10.709 US-Dollar
abgesetzt. Weitere Aufwendungen betreffen Hotels und Tourneemanagement. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Abrechnung verwiesen.
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Im Juni 1994 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung bzw. die Freistellung bzgl. der Einkünfte, die er aus der
Überlassung der Künstlergruppe A an die inländische GmbH erzielt habe. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Antrag Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom 12. 6 1995 lehnte der Beklagte die Freistellung der inländischen
Einkünfte vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG aufgrund des DBA Niederlande ab.
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Er vertrat die Auffassung, dass der Kläger als reiner Vermittlungsagent für die Künstler
tätig geworden sei. Außerdem habe er kein eigenes Risiko getragen. Die Einkünfte aus
der Tournee seien daher den Künstlern direkt zuzurechnen.
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Der Kläger legte fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die
Behauptung des Beklagten, dass er kein unternehmerisches Risiko trage, unzutreffend
sei. Er sei auf eigene Rechnung und Gefahr tätig und trage infolgedessen ein
Unternehmerrisiko. Ein solches ergebe sich auch daraus, dass er über den Umfang
seines eigenen Arbeitseinsatzes entscheide, für mehrere Auftraggeber tätig sein könne
und sein Einkommen vom Umfang seiner Tätigkeit abhänge.
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Im konkreten Einzelfall sei er nicht als Vermittler aufgetreten und mit dem
Vertragsschluss habe er das Risiko übernommen, dass die Gage zu zahlen sei, auch
wenn sein Anspruch gegenüber dem deutschen Veranstalter ausfalle. Während ein
Vermittler üblicherweise nur eine Provision für die Herstellung einer Verbindung erhalte,
habe er die Europatournee organisiert und die Hotelkosten an auftrittsfreien Tagen
getragen.
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Sein spezielles Risiko ergebe sich daraus, dass es ihm unter Umständen nicht gelinge
für den Zeitraum, für den er die Künstler eingekauft habe, einen geschlossenen
Tourneeplan aufzustellen oder durch Ausfall einzelner Veranstalter oder
Veranstaltungsorte Umplanungen mit u. U. erheblichen Kostenauswirkungen
(zusätzliche Transportmittel) aufträten. Wenn es ihm gelänge, einen geschlossenen
Tourneeplan aufzustellen und den jeweiligen Veranstalter vor Ort zur Übernahme
wesentlicher Kosten zu bestimmen, ergebe sich ein höherer Gewinn. Auch dies sei
Ausdruck unternehmerischer Betätigung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Einspruchsbegründungsschrift vom 4.9.1995 verwiesen.
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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 1997 als
unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung vertrat er die Auffassung, dass eine
Freistellung zu Gunsten des Klägers in Betracht käme, wenn dieser in den
Niederlanden ansässig sei (unstreitig), Erträge im Sinne des Art. 5 Abs. 1 DBA
Niederlande erziele und kein Missbrauch vorliege.
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Im weiteren Verlauf der Einspruchsentscheidung geht der Beklagte davon aus, dass die
hier streitbefangenen Einkünfte dem Kläger wegen fehlenden Unternehmerrisikos nicht
zuzurechnen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung
verwiesen.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.
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Er vertritt die Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass
die Einkünfte, deren Steuerfreistellung im vorliegenden Verfahren begehrt wird, dem
Kläger nicht zuzurechnen seien.
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Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass die in den hier einschlägigen Verträgen
benutzte Formel "fso" die rechtliche Bedeutung einer Stellvertretung habe. Dies sei
unzutreffend; die besagte Klausel habe nur die Bedeutung, dass der
Vertragsschließende sich für die Leistung des Künstlers verpflichten wolle.
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In diesem Zusammenhang hat der Kläger eine Rechtsauskunft des Max-Planck-
Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht zur Auslegung der Klausel
"fso" vorgelegt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 30 bis 36
d. A.).
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Gegen eine Stellvertretung spreche auch die Tatsache, dass die inländische GmbH
einen Geldbetrag in den uneingeschränkten Verfügungsbereich des Klägers zu zahlen
hatte. Der Vertrag enthalte keinerlei Klauseln, wonach der Kläger für die Künstler
Entgeltbeträge vereinnahmen durfte. Vielmehr habe der Vertrag die Zahlung einer
Fixvergütung an die Künstler geregelt.
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Auch wenn einzelne Formulierungen des Vertrages unglücklich seien und
insbesondere die ausdrückliche Definition des Klägers als "artist" unterblieben sei, sei
doch bei verständiger Würdigung aller Umstände klar, dass der Kläger im eigenen
Namen und auf eigenes Risiko gehandelt habe. Dabei sei auch zu beachten, dass es in
der Musikbranche durchaus üblich sei, auch denjenigen, der den Künstler unter Vertrag
habe, als "artist" zu bezeichnen.
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Auch die inländischen Geschäftspartner des Klägers seien von einem Vertragsschluss
mit dem Kläger ausgegangen.
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Der Kläger habe auch folgerichtig die vereinnahmten Beträge als Erträge seines
Unternehmens erfasst.
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Weiterhin weist der Kläger darauf hin, dass die erhebliche Differenz der von der
deutschen GmbH zu zahlenden Beträge und den an die Künstlergruppe zu zahlenden
Beträgen gegen eine Vermittlungstätigkeit spreche.
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Zur Frage des Unternehmerrisikos verweist der Kläger zunächst auf sein
außergerichtliches Vorbringen. Die Frage der Überbürdung einzelner Kosten auf den
inländischen Abnehmer der Tournee werde vom Beklagten verkannt. Der Inländer und
letztlich der einzelne Konzertbesucher müsse die Gesamtkosten tragen. Dabei sei es
dem Grunde nach unerheblich, ob der inländische Abnehmer der Tournee eine höhere
Gesamtgage zahle und er, der Kläger, davon die einzelnen Tourneekosten trage oder
der Inländer eine geringere Gage zahle und die Kosten vor Ort übernehme. Regelmäßig
würde der letztere Weg beschritten, weil der Inländer die notwendigen Leistungen auf
Grund seiner Ortskenntnis und seiner Nähe zum Geschehen günstiger einkaufen könne,
als der Kläger.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 21 Oktober 1994 und 7.
Mai bzw. 10. September 1998 verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. 6 1995 und
der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 16.7.1997 zu verpflichten, den
Kläger nach § 50d Abs. 1 EStG i. V. m. Art. 5 DBA Niederlande hinsichtlich der
1994 von der B-GmbH im Zusammenhang mit der Tournee A bezogenen Einkünfte
von der Abzugssteuer nach § 50a Abs. 4 EStG freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Kläger keine Freistellung beanspruchen
könne, weil er keine eigenen Einkünfte im Sinne des Art. 5 Abs. 1 DBA Niederlande
erzielt habe.
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Einkünfte seien demjenigen steuerlich zuzurechnen, der den Tatbestand der
Einkünfteerzielung erfülle. Das sei derjenige, der die Dispositionsmöglichkeit über die
Leistungserstellung habe. Für die Zurechnung von gewerblichen Einkünften seien
Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative von Bedeutung. Steuerrelevantes Handeln
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im eigenen Namen und auf eigene Gefahr sei danach erforderlich. Entscheidendes
Merkmal für die Zurechnung der Einkünfte sei, dass der Steuerpflichtige die
Einkunftsquelle tatsächlich innehabe.
Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger im Streitfall nicht. Aus den Begriffen "fso" und
Agent gehe eindeutig hervor, dass der Kläger nur als Vermittler aufgetreten sei. Aus
dem Vertrag sollte nach Auffassung des Beklagten lediglich die Künstlergruppe
berechtigt und verpflichtet sein. Diese habe die Einkunftsquelle allein innegehabt. Die
vorgelegte Rechtsauskunft sei im vorliegenden Fall nicht geeignet, das Handeln als
Vertreter zu widerlegen. Auch nach der Rechtsauskunft komme es stets auf die
Gesamtwürdigung des einzelnen Vertragstextes an. Dieser sei im Streitfall so zu
verstehen, dass "artists" die Künstlergruppe und nicht den Kläger bezeichnet habe.
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Auch fehle dem Kläger das Unternehmerrisiko. Die deutsche GmbH habe die Tournee
in Deutschland organisiert und die Kosten für alle Nebenleistungen tragen müssen. Den
Kläger habe keinerlei Risiko getroffen.
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Nach Überzeugung des Beklagten hat der Kläger allenfalls Vermittlungsleistungen
erbracht. Das dafür erhaltene Entgelt sei als Einkünfteverwendung der Künstler
anzusehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 16. Januar, 23. April u.
29. Juli 1998 verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Bescheid über die Ablehnung der Freistellung nach § 50a Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes vom 12.6.1995 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 16.7.1997 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung nach § 50d Abs. 1 EStG i. V. m. Art. 5
Abs. 1 des DBA Niederlande.
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Nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG wird die Einkommensteuer bei
beschränkt Steuerpflichtigen bei Einkünften, die durch künstlerische, sportliche oder
ähnlichen Darbietungen im Inland oder durch deren Verwertung im Inland erzielt
werden, im Wege des Steuerabzugs erhoben.
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Können die Einkünfte, die dem Steuerabzug auf Grund des § 50a EStG unterliegen
nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach
einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, bleibt der Anspruch des Gläubigers der
Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten
Steuern von dem Verfahren über den Steuerabzug unberührt. Der so genannte
Freistellungsanspruch ist durch Antrag nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck geltend
zu machen.
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Die Voraussetzungen für eine derartige Freistellung liegen im Streitfall vor.
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1. Es handelt sich unstreitig bei den einbehaltenen Steuerbeträgen i. H. v. 8025 DM um
Steuern, die wegen im Inland erfolgter künstlerischer Darbietungen nach § 50a Abs. 4
Nr. 1 EStG einbehalten wurden. Die Abführung der Steuer ist zwischen den Beteiligten
nicht streitig.
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2. Soweit die Einkünfte dem Kläger zuzurechnen sind, hat dieser ebenfalls unstreitig
nach Art. 5 Abs. 1 des DBA Niederlande einen Anspruch auf vollständige Freistellung
von deutscher Steuer.
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Nach Art. 5 Abs. 1 DBA Niederlande hat in den Fällen, in denen ein in den
Niederlanden ansässiger Unternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus Deutschland
bezieht, Deutschland nur dann und insoweit ein Besteuerungsrecht, als die Einkünfte
auf eine in Deutschland befindlichen Betriebsstätte des Unternehmers entfallen.
53
Es ist im vorliegenden Verfahren unstreitig, dass der Kläger in den Niederlanden
ansässig ist und keine Betriebstätte in Deutschland unterhält. Es ist weiter unstreitig,
dass der Kläger im Rahmen seines Einzelunternehmens, unabhängig von der Frage, ob
es als Künstlerverleih oder als Künstlervermittlung zu qualifizieren ist,
Gewerbeeinkünfte im Sinne des § 15 EStG bezieht.
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3. Die hier streitbefangenen Einkünfte sind dem Kläger - entgegen der Auffassung des
Beklagten - auch zuzurechnen. Der Kläger ist der antragsberechtigte Gläubiger der
Vergütungen im Sinne des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG.
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Vergütungsgläubiger i. S. d. EStG ist der Steuerschuldner. Das ist in der Regel - aber
nicht zwingend - der zivilrechtliche Gläubiger.
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Dies folgt aus § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG, wonach der Vergütungsschuldner den
Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers vorzunehmen
hat und § 50a Abs. 5 EStG damit diesen ausdrücklich als Steuerschuldner definiert (s.
Klammerzusatz). In diesem Sinne hat der BFH bereits in seiner Entscheidung vom 26.
Juli 1972 I R 210/70, BFHE 107, 6, BStBl II 1973, 15, den Steuerschuldner als
Antragsberechtigten angesehen. Daran hält der BFH in neuerer Rechtsprechung fest
(vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1997, I R 35/96, BFHE184, 476, BStBl 1998 II S. 235).
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Die Antrags- bzw. Erstattungsbefugnis ist im Einzelfall zu prüfen. Sie ergibt sich
insbesondere nicht automatisch daraus, dass der Vergütungsschuldner in den
Steueranmeldungen den jeweiligen Anspruchssteller als Vergütungsgläubiger
angegeben hat. Die Namensangabe nach § 73 e Satz 2 EStDV dient nur der
inhaltlichen Konkretisierung der Abführungsschuld des Vergütungsschuldners. Sie
besagt aber nicht, daß der vom Vergütungsschuldner Benannte der beschränkt
Steuerpflichtige ist, für den die Steuer gemäß § 50 a Abs. 4 EStG einzubehalten ist und
einbehalten wird. Gerade in Fällen der vorliegenden Art kann der Vergütungsgläubiger
u. U. nur feststellen, dass eine Abzugs- und Abführungspflicht besteht, nicht aber wer
letztlich der beschränkt steuerpflichtige Steuerschuldner ist (vgl. im übrigen BFH-
Beschluss vom 13.8.1997 I B 30/97, BFHE 184, 92, BStBl II 1997, 700).
58
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze, die der Bundesfinanzhof
entwickelt hat und denen sich der erkennende Senat anschließt, ist nach der
erforderlichen Auslegung der maßgeblichen Verträge davon auszugehen, dass der
Kläger der anspruchsberechtigte Gläubiger der dem Steuerabzug unterworfenen
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Vergütungen ist.
a. Der Kläger ist der zivilrechtlich berechtigte Gläubiger der Vergütungen der
inländischen GmbH.
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Bei einer Auslegung des Vertrages zwischen dem Kläger und der inländische GmbH
kommt der Senat zu dem abschließenden Ergebnis, dass der Kläger den Vertrag nicht
als Vertreter der Musikgruppe A, sondern im eigenen Namen mit Verpflichtung zur
Gestellung der Musikgruppe abgeschlossen hat.
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Der Vertrag weist die inländische GmbH und den Kläger f.s.o. A als Vertragspartner aus.
Der Vertrag ist auslegungsbedürftig.
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Der Vertragstext ist nicht eindeutig, da einerseits von den Artisten die Rede ist,
andererseits der Begriff Artisten nicht klar definiert wurde. Insbesondere im Zusatz zu
dem Vertrag, in dem der Begriff Artisten formal definiert wurde, ist unklar, ob der Kläger
oder die Mitglieder der Musikgruppe von dem Begriff umschrieben werden sollen. Der
Vertragstext indiziert teilweise, dass mit Artisten der Kläger gemeint ist, so z. B. bei der
aus Sicht des Senates besonders bedeutsamen Zahlungsklausel in Pkt. 1.1 des
Vertrages. Andererseits beziehen sich andere Vertragsregeln, in denen von Artisten die
Rede ist, eindeutig auf die Künstler, wie z. B. die Regelungen über Umkleideräume.
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Unstreitig dürfte dabei sein, dass der Begriff "artist" oder "Künstler" in der Musikbranche
durchaus auch denjenigen, der den Künstler unter Vertrag hat, bezeichnet. Dem
erkennenden Senat, haben derartige Verträge bereits mehrfach vorgelegen. Aus dem
Begriff "artist" können daher auch keine Zweifel beseitigenden Rückschlüsse gezogen
werden.
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Auch die Klausel "f.s.o." ist mehrdeutig.
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Wie in dem Gutachten des Max-Planck-Institutes ausgeführt, ist es wahrscheinlicher,
dass der Begriff benutzt wird, wenn sich ein Vertragspartner für die Leistungen eines
Dritten verpflichten will. Es ist aber durchaus möglich, dass die Klausel eine
Stellvertretung andeutet.
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Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf den Vertrag zwischen dem Kläger
und der Künstlergruppe bzw. der Z. Hinsichtlich dieses Vertrages, bei dem für die Z
augenscheinlich Herr C aufgetreten ist, der auch den zweiten Zusatz zum Vertrag und
dort ausdrücklich als Vertreter der Musikgruppe unterschrieben hat, neigt der Senat -
ohne dass es für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich wäre - einer
Auslegung im Sinne eines Stellvertretungszusatzes zu.
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Die Klausel "fso" wird offensichtlich auch verwendet, um Verträge zu Gunsten Dritter zu
schließen. So hat das Finanzgericht Hamburg, welches ebenfalls über die Klausel "fso"
zu entscheiden hatte (FG Hamburg, Beschluss vom 14.5.1998 II 51/97, EFG 1998,
1412), nach entsprechender Beweisaufnahme festgestellt, dass im dort zu
entscheidenden Fall die inländische GmbH Versprechender, die ausländische
Künstlervermarktungsgesellschaft Versprechensempfänger und der Künstler aus dem
Vertrag heraus selbstständig forderungsberechtigt hinsichtlich der ausbedungenen
Gage war.
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Weiterhin ist bei der Auslegung der hier maßgeblichen Verträge zu beachten, dass es
sich um Formularverträge handelt, die offensichtlich den teilweise anderen
Anforderungen der Tournee stillschweigend oder mündlich/schriftlich angepasst worden
sind. So ist z. B. in dem Vertrag zwischen dem Kläger und der Künstlergruppe die Zahl
der Auftritte mit maximal 15 festgelegt worden. Tatsächlich haben aber nach der
Tourabrechnung 16 Auftritte stattgefunden, wobei allerdings der letzte Auftritt
augenscheinlich nur noch von zwei Mitgliedern der Gruppe absolviert wurde. In beiden
Verträgen befindet sich eine Formularklausel, wonach Film- und Fernsehaufnahmen
ohne ausdrückliche vorherige Erlaubnis grundsätzlich verboten sind. Tatsächlich ist
diese Generalklausel in dem Vertrag zwischen dem Kläger und der inländischen GmbH
aber für die Fernsehaufnahmen in Ulm abbedungen worden.
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Hinsichtlich des hier maßgeblichen Vertrages kommt bei der Auslegung des objektiv
mehrdeutigen Textes der Auffassung der Vertragspartner erhebliche Bedeutung zu.
Nach dem insoweit unbestrittenem Sachvortrag des Klägers ist sowohl er, als auch der
inländische Vertragspartner davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen der
inländischen GmbH und dem Kläger zu Stande gekommen ist. Dafür spricht auch, dass
die inländische GmbH unstreitig in ihrer Steueranmeldung den Kläger als Gläubiger der
Vergütungen angegeben hat.
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Für eine derartige Vertragsauslegung sprechen auch die vereinbarten Entgelte.
Während der Kläger der Künstlergruppe lediglich 59.400 US-Dollar schuldete, hat er
allein aus der nur sieben (von 15/16) Auftritte umfassenden Veräußerung der Tournee in
Deutschland ein Honorar von 48.000 US-Dollar zuzüglich eines Zusatzhonorars von
2000 US-Dollar für den Fernsehauftritt ausgehandelt. Ausweislich des Vertragstextes
war ein wesentlicher Teil des Honorars auf die Bankverbindung des Klägers zu
überweisen.
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Ein derartiger Aufschlag wäre bei einem reinen Vermittlungsgeschäft nicht verständlich.
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Bei einem reinen Vermittlungsgeschäft wäre auch unverständlich, dass der Kläger auf
Grund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Verträge mit den Künstlern einerseits
und den einzelnen Konzertveranstaltern in den Ländern in Europa, die die Tournee
berührte, ganz erhebliche Kosten der eigentlichen Tourneegestaltung selbst tragen
musste.
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Den Kläger trafen auf Grund des Vertrages mit den Künstlern zunächst die Kosten für
die Flüge zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Weder die Kosten der Anreise
noch die Kosten der Rückreise konnten einem der Veranstalter aufgebürdet werden.
Weiterhin trafen den Kläger die Kosten des Transports der Künstler von einem
Auftrittsort zum nächsten und die Kosten der Hotelunterbringung an den auftrittsfreien
Tagen. Damit traf ihn auch das Risiko einer ungünstigen Tourneegestaltung, wenn es
nicht im Einzelfall gelang auch die Reisekosten innerhalb der Tournee auf einen
Veranstalter zu verlagern. Exemplarisch wird insoweit auf die Abfolge der Auftritte in den
Niederlanden, Belgien, Deutschland, Schweiz, Griechenland, Deutschland, Ungarn und
Großbritannien hingewiesen.
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Anders als in dem Fall, über den das Finanzgericht Hamburg zu entscheiden hatte,
bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür, dass die Künstlergruppe einen
unmittelbaren eigenen Anspruch auf Zahlung der Vergütung gegen den inländischen
Veranstalter hatte.
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Abschließend kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf den
mehrdeutigen Text des Vertrages der Auffassung der beteiligten Vertragspartner eine
streitentscheidende Bedeutung zukommt. Er geht deshalb davon aus, dass ein Vertrag
zwischen dem Kläger im eigenen Namen und der inländischen GmbH zustande
gekommen ist.
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b. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger keine Einkünfte aus
Gewerbebetrieb erzielt hat, weil ihm die Einkünfte nicht zuzurechnen seien.
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Den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllt, wer die Leistungsbeziehungen beherrscht und
die Möglichkeit hat, Wirtschaftsgüter und Nutzungsmöglichkeiten am Markt zu verwerten
(BFH-Urt. vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615; Ruppe,
Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen als Problem der
Zurechnung von Einkünften, in Tipke --Herausgeber--, Übertragung von
Einkunftsquellen im Steuerrecht, S.12, 18 ff.; Biergans, Einkommensteuer, 6.Aufl.,
S.1054; Lang/Seer, a.a.O., 637, 638; Raupach/Schencking in Herrmann/Heuer/
Raupach, § 2 EStG Anm.130, m.w.N.).
78
Wie sich aus der obigen Vertragsauslegung ergibt, war nach Überzeugung des
erkennenden Senats der Kläger derjenige, der die Leistungsbeziehungen zur
inländischen GmbH beherrschte. Er hat dem inländischen Abnehmer die Tournee mit
der Musikgruppe verkauft.
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Wie bereits oben dargelegt, traf ihn auf Grund der unterschiedlichen Ausgestaltung der
Verträge mit den Künstlern einerseits und dem inländischen Veranstalter andererseits
ein erhebliches Risiko. Die Kosten der An- und Abreise, die Transportkosten innerhalb
der Tournee und die Übernachtungskosten an den auftrittsfreien Tagen waren so
erheblich, dass sich die Durchführung der Gesamttournee als Verlustgeschäft darstellen
musste, wenn die Honorare für zwei Auftritte ausfielen. Auf das Schreiben der Anwälte
des Klägers vom 23. August 1994 an den griechischen Veranstalter, aus dem sich
zumindest eine verzögerte Zahlung ergibt, wird insoweit verwiesen.
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Es ist dem Beklagten zuzugestehen, dass sich der Verkauf der Teiltournee durch
Deutschland als relativ günstig darstellt. Eine derartige isolierende Betrachtung wird
aber der Organisation einer Europatournee, bei der im übrigen Deutschland mehrfach
berührt wird, nicht gerecht.
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c. Der Kläger ist auch nicht deshalb nicht als Vergütungsgläubiger anzusehen, weil die
gewählte Gestaltung als Rechtsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung -
AO - unbeachtet bleiben müsste.
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Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 AO 1977 liegt
nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt
wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der
Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche
außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom
3.2.1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426; BFH-Urteile vom 17.1.1991 IV R
132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 25.1.1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174,
386, BStBl II 1994, 738; Für Streitfälle mit Auslandsbezug gilt in Anbetracht der generell-
abstrakten Regelung des § 42 AO 1977 im Prinzip nichts besonderes
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Das mit den Niederlanden abgeschlossene DBA steht der Anwendung der nationalen
Missbrauchsbestimmung nicht entgegen. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung
auch bei Bestehen von Doppelbesteuerungsabkommen die Einschaltung ausländischer
Basisgesellschaften in Rechtsbeziehungen zum Inland anhand des § 42 AO 1977
überprüft (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23.10.1991 I R 40/89, BFHE 166, 323, BStBl II
1992, 1026; vom 28.1.1992 VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84 m.w.N.; vom
10.11.1983 IV R 62/82, BFHE 141, 12, BStBl II 1984, 605). Zwar ist in der Literatur die
Frage nach der Geltung nationaler Missbrauchsbestimmungen im Rahmen von
Doppelbesteuerungsabkommen nach wie vor streitig (vgl. z.B. Darstellung bei Vogel,
Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 1 Rdnrn. 87 ff.). Der Anwendung nationaler
Missbrauchsregelungen stehen die Doppelbesteuerungsabkommen aber jedenfalls
dann nicht entgegen, wenn es um Fragen der Einkünftezurechnung geht und einzelne
Abkommen keine Sonderregelungen enthalten. Die Einkünftezurechnung ist
grundsätzlich nicht Gegenstand der Doppelbesteuerungsabkommen. Insoweit gelten die
jeweiligen nationalen Zurechnungsvorschriften und damit auch § 42 AO 1977 (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 12.7.1989 I R 45/85, BFHE 158, 224, BStBl II 1990, 113, m.w.N.).;
84
Im Streitfall bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch. Die
vom Beklagten unterstellte Situation, also ein Handeln des Klägers als Vermittler für die
Musikgruppe, hätte zu keinem anderen steuerlichen Ergebnis geführt.
85
Dem Kläger hätte für sein Vermittlungshonorar, so es überhaupt in Deutschland einer
Abzugsbesteuerung unterworfen werden könnte, der Anspruch auf Freistellung nach §
50d Abs. 1 EStG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 DBA Niederlande zugestanden.
86
Den Mitgliedern der Künstlergruppe, die nach Lage der Akten alle aus den USA
stammen, hätte nach Artikel 17 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika ebenfalls
ein Anspruch auf vollständige Freistellung vom inländischen Steuerabzug zugestanden,
da keiner der Musiker auch nur annähernd Beträge in Höhe der nach dem DBA in
Deutschland steuerfrei zu belassenden Bagatellbeträge bis einschließlich 20.000 US-
Dollar im Rahmen der Tournee verdient hat. Anhaltspunkte für weitere Auftritte der
Künstlergruppe in Deutschland im Jahr 1994 bestehen nicht.
87
Bei dieser Ausgangslage ist für den Senat ein rechtsmissbräuchliches Verhalten,
insbesondere eine Umgehungsabsicht im Sinne des § 42 AO nicht erkennbar, da schon
unklar bleibt, welche Vorschriften überhaupt umgangen worden sein sollten.
88
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
89
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Entscheidung des Streitfalls auf der
individuellen Auslegung der vorliegenden Verträge beruht und eine über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung zunächst nicht erkannt werden kann.
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