Urteil des FG Köln vom 03.11.2005

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Finanzgericht Köln, 10 K 1294/02
Datum:
03.11.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1294/02
Tenor:
Es wird festgestellt, das sowohl die Vermittlungsleistungen der Klägerin
als auch die für den Leistungserfolg notwendigen Selektionsleistungen
erst ausgeführt sind, wenn die jeweiligen aufbereiteten Datensätze an
den jeweiligen "Lettershop" weitergeleitet sind.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
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Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u. a. die Vermittlung von
Adressenbeständen zum Zwecke der personalisierten Werbung (sog. Listbroking).
Dabei vermittelt die Klägerin im Rahmen eines Alleinauftrags einen sog."Mietvertrag"
zwischen einem "Adressenvermieter", der Verfügungsberechtigter von
Adressenbeständen ist, und einem "Adressenbenutzer" (direktwerbendes
Unternehmen), der (z. B. für Katalog-Werbung) bestimmte Kunden bzw. Kundengruppen
persönlich ansprechen will. Interessenten, die sich unmittelbar an den
Adressenvermieter wenden, hat dieser an die Klägerin zu verweisen. Die
Leistungsbeziehung in dem Dreiecksverhältnis zwischen dem jeweiligen
Adressenvermieter, der Klägerin und dem Adressenbenutzer ist maßgeblich davon
geprägt, dass der jeweilige Adressenbenutzer nicht den kompletten Adressenbestand
des jeweiligen Vermieters anmieten will, sondern nur einen jeweils nach bestimmten
Gesichtspunkten selektierten Adressenbestand (Clean-Bestand), worüber zwischen den
Beteiligten der Leistungsbeziehung Einigkeit besteht; Gegenstand der Abrechnung und
dementsprechend letztlich Gegenstand des bereits vor Erbringung der
Selektionsleistung zwischen dem Adressenvermieter und dem Adressenbenutzer über
eine noch unbestimmte Adressenmenge abgeschlossenen "Mietvertrags" ist die letztlich
vom Adressenbenutzer tatsächlich genutzte Adressenmenge.
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Der Clean-Bestand wird unter Verwendung des Adressenbestands des Vermieters
einerseits und einer vom Adressenbenutzer zur Verfügung gestellten Ausschlussdatei
andererseits in der Weise erstellt, dass der Gesamt-Adressenbestand beispielsweise
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um im eigenen Adressenbestand des Benutzers vorhandene Dubletten, um
Werbeverweigerer, um säumige Zahler, um Kunden mit hohen Retourenquoten oder um
"notorische Katalogschnorrer" bereinigt wird. Zwischen der Klägerin, dem
Adressenvermieter und Adressenbenutzer besteht Einigkeit darüber, dass die
datechnische Aufarbeitung des Adressenmaterials (Selektionsleistung), die für die
Bestimmung des Gegenstands des bereits zuvor unbestimmt abgeschlossenen
"Mietvertrags" maßgeblich ist, durch die Klägerin selbst oder durch von ihr beauftragte
externe Datenverarbeitungsunternehmen erbracht wird. Durch die Selektion wird der
Adressenbestand des Adressenvermieters häufig um 50% (ins Einzelfällen auch 70%)
reduziert. Im Regelfall entspricht der Clean-Bestand der Adressenmenge, die an den
Lettershop zur Versendung weitergegeben und die dementsprechend letztlich den
Gegenstand des Mietvertrags zwischen dem Adressenvermieter und dem
Adressenbenutzer bestimmt. Gelegentlich kommt es zu einer weiteren Reduktion des
sich nach der Selektion ergebenden Clean-Bestands, etwa wenn der Adressenbenutzer
die anzumietende Adressenmenge von vornherein begrenzt hat, beispielsweise weil er
nur eine bestimmte Anzahl von Katalogen hat drucken lassen. Bereits im Rahmen der
Anbahnung des von der Klägerin zu vermittelnden Mietverhältnisses entscheidet der
Adressenbenutzer, ob er auf den Adressenbestand eines bestimmten oder mehrerer
Vermieter zugreifen will; schließlich kann auch der Adressenvermieter das
Zustandekommen eines Mietverhältnisses ablehnen, etwa wenn es sich bei dem
Benutzer um ein unerwünschtes Konkurrenzunternehmen handelt oder wenn der
Vermieter in dem vom Adressenbenutzer angesetzten Werbezeitraum eine eigene
Werbeaktion plant.
In den "Mietbedingungen" der Klägerin "über vermittelte Mietverträge von
Adressenlisten" wird die Leistung der Klägerin wie folgt beschrieben: "... vermittelt im
Namen und im Auftrag von Adressen-Anbietern (auch "Vermieter" genannt) Mietverträge
über die Nutzung von Adressenmaterial an Interessenten (auch "Mieter" genannt) zu
Werbe- und anderen nach dem Bundesdatenschutz erlaubten Zwecken". Die Klägerin
wird danach auf der Grundlage eines sog. Maklervertrags im Auftrag der Adressen-
Vermieter tätig und hat in ihren Mietbedingungen deshalb bestimmt, dass die Mieter
Ansprüche aus dem Mietverhältnis nicht gegen die Klägerin selbst sondern
ausschließlich gegen den Vermieter erheben können. Der Mietvertrag kommt gemäß Tz
4 der Mietbedingungen erst nach Auftragsbestätigung durch den Vermieter zustande,
die die Klägerin in dessen Auftrag erteilt (vgl. ferner PV-Schreiben vom 12. Oktober
2001, Bl. 2; ferner Tz 4 der Mietbedingungen). Die vom Vermieter für die
Vermittlungsleistung der Klägerin zu zahlende Provision sollte 30% des Preises
betragen, der in der Anlage I des Maklervertrags festgelegt war. Die Rechnungsstellung
gegenüber dem Kunden sollte nach § 6 des Vertrags durch die Klägerin in eigenem
Namen erfolgen, wobei die Rechnung neben den weiterzuleitenden Mieteentgelten
(durchlaufende Posten) auch die der Klägerin zustehende Vermittlungsprovision und
das Entgelt für die zu erbringende Selektionsleistung enthielt; auch das Inkasso hatte
die Klägerin durchzuführen. Denn durch die EDV-gestützte Aufarbeitung des
Adressenmaterials verfügte ausschließlich die Klägerin über die notwendigen
Basisdaten, um die Abrechnung zwischen den Vertragsparteien vornehmen zu können.
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Nach dem Vortrag des früheren Beraters der Klägerin im Verwaltungsverfahren stand
erst ca. 9 bis 12 Monate nach Abschluss des "Mietvertrags" zwischen dem
Adressenvermieter und dem Adressenbenutzer endgültig fest, welche Adressenmenge
der Mieter aus dem bereitgestellten Bestand tatsächlich verwendet hatte und damit auch
die endgültige Höhe des Entgelts. Deshalb erfolgte eine erhebliche Umsatz-
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Reduzierung dadurch, dass die noch nicht endgültig abgerechneten
Vertragsverhältnisse im Wege einer Schätzung auf der Aktivseite der Bilanz als
"unfertige Leistungen" verbucht wurden, etwa im Jahr 1995 mit 1.364.000 DM, so dass
im Ergebnis die Umsatzversteuerung dieser Leistungen erst im Folgejahr erfolgte (im
Rahmen der Ertragsteuer wurde die Erlöserfassung auf dem Konto
"Bestandsveränderung aus unfertigen Leistungen" durch die Einbuchung einer
erheblichen Drohverlust-Rückstellung 1.832.000 DM mehr als rückgängig gemacht). An
dem sowohl vom Gericht als auch vom Beklagten bezweifelten Vortrag, die tatsächlich
benutzte Adressenmenge habe erst ca. 9 bis 12 Monate nach Abschluss des
Mietvertrags festgestanden, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht
festgehalten und den angegebenen Zeitraum ebenfalls für zu lang erachtet. Zeitraum
und Umfang der Selektionsleistung für Adressenbestände, die am Jahresende noch
nicht selektiert waren, steht zwischen den Beteiligten noch nicht abschließend fest, weil
diese im Anschluss an eine im Jahr 2000 für die Jahre 1995 bis 1998 durchgeführte
Betriebsprüfung bereits dem Grund nach darüber streiten, ob die Vermittlungsleistung
der Klägerin umsatzsteuerlich bereits bei Vertragsschluss zwischen Adressenvermieter
und Adressenbenutzer zu erfassen ist, also noch bevor aufgrund der anschließenden
Selektionsleistung der Umfang der letztlich zu überlassenden Adressenmenge feststeht.
Denn der Prüfer vertrat die Ansicht, die noch nicht abgerechneten Listbroking-Umsätze
seien bereits bei Vertragsschluss der Umsatzsteuer zu unterwerfen; die Leistung des
Vermittlers sei ausgeführt, wenn der vermittelte Vertrag zustande gekommen sei. Daraus
ergab sich eine Mehrsteuer für das Streitjahr 1995 von 204.600 DM und für 1998 von
68.846 DM, für die nicht angefochtenen Jahre 1996 und 1997 ergaben sich
Mindersteuern. Die Berechnung als solche ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Wegen der Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 4. Oktober 2000 verwiesen. Die
entsprechenden Änderungsfestsetzungen ergingen am 11. Dezember 2000, wobei die
Nachzahlung für 1995 von 204.818 DM außerdem noch auf einer unstreitigen weiteren
Änderung von 218 DM beruht.
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, ihre Leistung sei erst dann erbracht,
wenn der Mieter die Adressen tatsächlich nutze; erst dann sei die Leistung vollständig
ausgeführt. Ebenso sei die Leistung eines Handelsvertreters ausgeführt, wenn der
vertretene Unternehmer die Lieferung oder sonstige Leistung an den Kunden ausgeführt
habe. Die Leistung des Handelsmaklers werde im Zeitpunkt der Erteilung der
Schlussnote (§ 94 HGB) ausgeführt. Dies werde bestätigt durch eine Tabelle über den
Vergleich der Daten der Inventur zum 31. Dezember 1995 mit den später tatsächlich
abgerechneten Leistungen.
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Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 12.
Februar 2002) erhobenen Klage bezieht sich die Klägerin in Wesentlichen auf ihr
Vorbringen in der Einspruchsbegründung. Außerdem legte die Klägerin eine
gutachterliche Stellungnahme des von ihr beauftragten Rechtsanwalt ... vor, der
verstärkt im Bereich des Listbroking tätig ist. Danach hat die Klägerin eine
zusammengesetzte Leistung zu erbringen, die über eine reine Vermittlungstätigkeit
hinausgeht (GA Bl. 44 ff.). Erst mit der Übergabe der Werbebriefe an die
Versendeeinrichtung (Post) könne auf der Grundlage des "Abgleichprotokolls" die
geleistete Adressenmenge berechnet und anschließend in Rechnung gestellt werden.
Dieses Protokoll müsse nach den Standards des deutschen Direktmarketing-Verbands
den ursprünglichen Datenbestand enthalten, die Bereinigung um eliminierte Adressen
und eventuelle Reduzierungen sowie den Clean-Bestand.
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Die Klägerin beantragt, die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 1995 und 1998
dahin zu ändern, dass die Vermittlungsleistungen der Klägerin erst dann zu besteuern
sind, wenn der aufbereitete Adressenbestand an den Lettershop weitergeleitet wird.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.
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Entscheidungsgründe
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1. Da die Beteiligten sowohl dem Grunde nach darüber streiten, wann die
Vermittlungsleistungen der Klägerin abstrakt ausgeführt waren, als auch über die Höhe
des Umsatzsteueranspruchs (auch die Dauer und der Umfang der Selektionsleistungen
sind streitig, die nach Vertragsabschluss zur Bestimmung der angemieteten
Adressenmenge zu erbringen waren), hielt es das Gericht im Streitfall für zweckmäßig,
gemäß § 99 Abs. 1 FGO vorab dem Grunde nach über den Zeitpunkt der Entstehung der
Umsatzsteuer für die Vermittlungsleistungen zu entscheiden. Nach Auffassung des
erkennenden Senats sind sowohl die Vermittlungsleistungen der Klägerin als auch die
Selektionsleistungen - unabhängig davon, ob die Klägerin die für die Bestimmung des
Leistungsumfangs notwendigen Selektionsleistung gegenüber dem Adressenvermieter
oder gegenüber dem Adressenbenutzer erbringt - erst ausgeführt, wenn die
aufbereiteten Datensätze an den jeweiligen "Lettershop" weitergeleitet sind.
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a) Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG für Lieferungen und
sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16
Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen
ausgeführt worden sind.
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b) Die Steuer entsteht danach mit Vollendung bzw. Erbringung der sonstigen Leistung.
Dies setzt allerdings nicht nur voraus, dass aus der Sicht des Leistenden die
Erfüllungshandlung vollendet sein muss; hinzu kommen muss vielmehr, dass der aus
der Leistungshandlung resultierende wirtschaftliche Vorteil den Leistungsempfänger
erreicht (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Rz 78).
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c) Für das Zivilrecht bestimmt § 652 Abs. 1 BGB, dass derjenige, der für die Vermittlung
eines Vertrags einen Maklerlohn verspricht, zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet
ist, wenn der Vertrag infolge der Vermittlung des Maklers zustande kommt. Ergänzend
bestimmt § 87a Abs. 1 HGB für den Handelsvertreter, der als selbständiger
Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte
zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 HGB), dass der
Provisionsanspruch entsteht, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft
ausgeführt hat.
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Deshalb ist nach Ansicht des Schrifttums für die Entstehung der Umsatzsteuer auf
Handelsvertreter-Leistungen entscheidend, wann der Handelsvertreter seinen
Provisionsanspruch verdient hat. Erst im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Entstehung des
Provisionsanspruchs in der Person des Handelsvertreters, also bei Ausführung des
Geschäfts durch den Unternehmer, ist auch der wirtschaftliche Vorteil gegenüber dem
Geschäftsherrn erbracht. Umstände, die den Provisionsanspruch nachträglich entfallen
lassen oder ändern, führen zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 UStG
(Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Rz 80, 81).
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d) Ebenso kommt es für die Leistungen des Handelsmaklers, der gewerbsmäßig für
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andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit
betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über Gegenstände des Handelsverkehrs
übernimmt (§ 93 Abs. 1 HGB), entscheidend darauf an, wann dieser seinem
Auftraggeber den wirtschaftlichen Vorteil seiner Leistung zuwendet. Der Handelsmakler
hat nach § 94 Abs. 1 HGB nach Abschluss des Geschäfts jeder Partei eine Schlussnote
zuzustellen, welche auch den Gegenstand und den Umfang der Lieferung bezeichnen
muss. Mit Übersendung dieser Schlussnote ist die Leistung des Handelsmaklers
ausgeführt und dementsprechend die Umsatzsteuer entstanden (Nieskens in
Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Rz 85).
e) Des Weiteren hat der BFH im Urteil vom 18. Mai 1961 V 34/59 U, BFHE 73, 92, BStBl
III 1961, 301 für einen Fall, in denen der Steuerpflichtige Bücher ohne feste
Kaufvereinbarung mit einer vorläufigen Rechnung und unter vorläufiger Verbuchung an
Buchhandlungen sandte (ein Kauf kam erst bei einer Weiterveräußerung oder
ausdrücklicher Erklärung der Übernahme zustande), die Auffassung des Finanzamts
abgelehnt, bereits in der "Bedingt-Rechnung" eine Entgeltvereinbarung zu sehen, weil
diese nur vorläufigen Charakter habe.
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f) Darüber hinaus hat der BFH im Urteil vom 21. Juni 2001 V R 80/99, BFHE 195, 440,
BStBl II 2003, 810 für langjährige Grabpflegeverträge entschieden, dass die
Umsatzsteuer auf die Grabpflegeleistungen nicht bereits bei Abschluss der Verträge,
sondern erst in dem Besteuerungszeitraum entsteht, indem die jeweiligen
Grabpflegeleistungen erbracht worden sind. Da der Steuerpflichtige keine von
vornherein bestimmten Pflanzen liefern sollte, sei die Leistung vertragsgemäß erfüllt,
wenn er das jeweilige Grab durch Dienstleistungen unter Verwendung entsprechender
Pflanzen seiner Wahl in einen würdigen und der Jahreszeit gemäßen Zustand versetze.
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g) Dementsprechend entsteht die Umsatzsteuer auch im Streitfall in dem Zeitpunkt, in
dem der aus der Leistungshandlung resultierende wirtschaftliche Vorteil den
Leistungsempfänger erreicht. Danach sind im Streitfall für die Entstehung der
Umsatzsteuer zwei selbständige Leistungen maßgeblich: Zum einen erbringt die
Klägerin in dem Dreiecksverhältnis zwischen Adressenvermieter und Adressenbenutzer
eine Vermittlungsleistung; zum anderen erbringt sie - entweder selbst oder durch ein
externes Datenverarbeitungsunternehmen - eine Selektionsleistung. Unstreitig entsteht
die Umsatzsteuer auf die Selektionsleistung der Klägerin, wenn der selektierte
Datenbestand an den Lettershop weitergeleitet worden ist.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten kann aber hinsichtlich der Vermittlungsleistung
nicht davon ausgegangen werden, dass der wirtschaftliche Vorteil aus dieser Leistung
den Adressenvermieter und den Adressenbenutzer bereits bei
Vertragsschluss/Auftragsbestätigung erreicht. Denn bei Vertragsabschluss besteht
zwischen Andresenvermieter und Adressenbenutzer Einigkeit darüber, dass der
Mietvertrag nicht über einen undifferenzierten Datenbestand, sondern letztlich nur über
einen selektierten Datenbestand zustandekommen soll; nur über diesen wird schließlich
abgerechnet. Im nach Ansicht des Beklagten maßgeblichen Zeitpunkt der
Auftragsbestätigung, in welchem lediglich ein noch unspezifizierter Datensatz
vorhanden ist, der nicht den vertraglichen Abreden entspricht, steht weder der für einen
Vertrag essenzielle Vertragsgegenstand noch die Entgelthöhe fest. Nach Ansicht des
erkennenden Senats kann eine Vermittlungsleistung nicht vollendet bzw. erbracht sein,
bevor der Gegenstand des vermittelten Vertrags feststeht. Unabhängig davon, ob die
Klägerin die für die Bestimmung des Leistungsumfangs notwendige Selektionsleistung
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letztlich gegenüber dem Adressenvermieter oder gegenüber dem Adressenbenutzer zu
erbringen hat, ist die Bestimmung des Gegenstands des von der Klägerin vermittelten
Vertrags ohne die Selektionsleistung nicht möglich. Wegen dieser Besonderheit des
Streitfalls erreicht auch der wirtschaftliche Vorteil aus der Vermittlungsleistung den
Empfänger dieser Leistung erst dann, wenn der selektierte Datenbestand an den
Lettershop weitergeleitet worden ist, der daraus die durch die Post zu versendenden
Werbebriefe erstellt. Denn wenn der selektierte Datenbestand zuvor aus irgendwelchen
Gründen verloren gehen sollte, besteht zwischen Andresenvermieter und
Adressenbenutzer lediglich eine leere Vertraghülle ohne Gegenstand, die nicht
abrechenbar ist.
2. Die Kostenentscheidung war dem Endurteil vorzubehalten. Die Sache konnte noch
nicht abschließend entschieden werden, weil die Beteiligten auch über den Zeitraum
streiten, der für die Selektionsleistungen benötigt wird, und damit über die Höhe des
sich nach ihren unterschiedlichen Auffassungen ergebenden Differenzbetrags.
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